© von Franz Nahrada
Telekommunikation ist nicht nur eine Schlüsseltechnologie im Rahmen
der globalen Warenproduktion. Sie könnte auch eine
Schlüsselfunktion bei der Entstehung tragfähiger Lebensräume
jenseits der Weltmarktkonkurrenz und ihrer erodierenden Krise spielen.
"Subsistenz" in diesem Sinne wäre nicht der defensive und dubiose Weg
in eine idealisierte Vergangenheit, sondern der konsequente und
durchaus anspruchsvolle nächste Schritt aus der zu Ende gehenden
Arbeitsgesellschaft in eine dezentral vernetzte Welt sinnlicher
Vernunft.
"Das >lokale< Verständnis kann sich selbst nicht mit ausreichender
Tiefe in seiner strikt lokalen Existenz ohne >globale< Begriffe und
Dimensionen wahrnehmen. Die lokale Entscheidung, ein bestimmtes
Getreide mit einer bestimmten Technologie auf einem bestimmten Stück
Land anzubauen, ist kurzsichtig, solange es nicht gewise Kenntnisse
über den nationalen und den Weltmarkt für Nahrungsmittel gibt,
über die moderne, eigentliche Natur des Landbesitzes, über den
Klassenkonflikt, in dem Produktionstätigkeiten eingelagert sind,
über die ökologischen Implikationen der Landwirtschaft, über die
möglichen technischen Optionen...Einer >globalen< Auffassung
hingegen, die nicht in lokalen Begriffen ausgedrückt werden kann -
und das in allen möglichen lokalen Kulturen -, fehlt ein
hinlänglicher Realitätsbezug: Sie ist nichts als reine Spekulation,
Ideologie" (Gustavo Esteva,1,p.29)
Was sich fast völlig unbemerkt und unbegriffen abgespielt hat, ist
nicht einfach eine Veränderung in den Mustern des Marktzugangs.
Vielmehr handelt es sich um eine wesentlich fundamentalere Entwicklung:
die Beendigung des gesamten historischen Prozesses der Herausbildung
von Märkten. Dieser Wendepunkt ist so revolutionär in seinen
Implikationen, dennoch so unscheinbar, daß "kapitalistische" wie
"marxistische" Theoretiker, verloren in ihren Polemiken aus dem
Zeitalter der industriellen Modernisierung, die Zeichen dieser
Entwicklung kaum bemerkt haben."(Alvin Toffler,3,p.283)
Der Begriff des "globalen Dorfs" hat einen seltsamen Beigeschmack
bekommen. Einst von Marshall Mc Luhan durchaus nicht im Sinn einer
positiven Utopie, sondern als Beschreibung einer eigentümlich neuen -
in Mc Luhans Verständnis durchaus schmerzhaften - Qualität der
Medien konzipiert, ist eben diese neue Qualität der Omnipräsenz der
Medien zum sinnlich erfahrbaren Ausdruck der Tatsache geworden, daß
der Weltmarkt unmittelbarer Funktionsraum von Wirtschaftssubjekten
geworden ist, die immer direkter und ohne das Dazwischentreten
nationaler Schranken der weltweiten Konkurrenz und ihrem
Produktivitätsvergleich ausgesetzt sind. Das durchaus unschuldige
Etikett vom "globalen Dorf" ist so einerseits zum Synonym für die
Weltmarktverflechtung geworden,steht aber andererseits auch für alle
Hoffnungen und Verheißungen, daß die Entwicklung des Weltmarktes
auch regionale Entwicklung und wirtschaftliche Prosperität garantiere.
Tatsächlich ist das blanke Gegenteil eingetreten: staatliche
Modernisierungs- und Entwicklungshoffnungen müssen reihenweise
durchgestrichen werden, die einst fein säuberliche Sortierung von
Erster, Zweiter und Dritter Welt verschwindet zugunsten einer Art von
Archipel der Gewinnerregionen inmitten eines Meers von Verlierern. Die
globale Krisenrealität, wie sie Norbert Trenkle in seinem Beitrag in
dieser Nummer der Zolltexte beschreibt, ist eine der Ausgrenzung und
Enthomogenisierung. Der Preis der Aufrechterhaltung von
Konkurrenzfähigkeit im Weltsystem ist die Externalisierung der
Krisenlasten, die Alvin Toffler die "Revolte der Reichen" genannt hat.
Durchgängige Binneninfrastrukturen im nationalstaatlichen Rahmen sind
nicht mehr lohnend, verursachen tote Kosten. Was unnötig ist, wird
abgestoßen, ausgegrenzt.
Das betriebswirtschaftliche Rentabilitätskalkül, das zunehmend alle
politischen Organisationsformen überwuchert, zerstört gegen alle
sinn-liche Vernunft den (Lebens-) Raum gleich zweifach: einerseits
durch Zentralisation und Konzentration, andererseits durch den
permanenten globalen Produktivitätsvergleich - wobei das nur zwei
Seiten der einen Medaille sind.. Statt homogener Lebensverhältnisse
entstehen ständig wachsende "konkurrenzfähige" Metropolen, die sich
die ganze Welt zum Hinterland einzelner mehr oder weniger lohnender
Geschäftsfälle machen, ohne sich um den Rest zu kümmern. Dabei
tritt das durchaus paradoxe Phänomen auf, daß ganze
Industriestandorte sich auflösen, während anderswo
Zulieferindustrien gezwungen sind, sich wegen "lean production" und
"just-in-time"-Fertigung in Megazentren zusammenzuballen, drittens
aber periphere Regionen sich in die Situation permanenten Notverkaufs
begeben müssen. Alle herkömmlichen Vorstellungen räumlicher
Entwicklung erscheinen aufgelöst in einen "Space of Flows", in dem
kleinräumige Segmente globaler Produktion ohne Rücksicht auf lokale
Reproduktionszusammenhänge zusammengewürfelt werden.
Der telematische Raum
Telekommunikationstechnologie hat sich so rasant entwickelt, weil und
insoferne sie zusammen mit Transporttechnologien das wichtigste Mittel
dieses globalen Zugriffs betriebswirtschaftlicher Verwertungslogik auf
Ressourcen wie Rohstoffe und Arbeitskraft bilden (Einmal abgesehen
davon, daß der Krieg, der die geordneten Verhältnisse herstellt,
auch in technologischer Hinsicht der Vater aller Dinge ist). Sie hat
wirtschaftliche Zentralräume gestärkt und die Hoffnung auf einen
Ausgleich wirtschaftlicher und sozialer Gefälle zunächst bitter
enttäuscht:
"Im globalen Dorf des Marshall McLuhan wird die Peri-pherie nach
derzeitigem Stand der Dinge bestenfalls eine untergeord-nete Rolle
spielen und das Dorf in erster Linie nur als Metapher für die
telematische Verbindung öko-nomischer (städtischer) Zentralräume
vorkommen. Diese verfügen nicht nur über große Unternehmen mit
Struk-turen, die neue Kommunikationstechnik effizient ein-set-zen
können, sondern auch über Produktionska-pazitäten, die für die
Nutzung telematisch erschlossener Markt-po-tentiale erforderlich sind.
Mögliche Konsequenz: Große Be-triebe in Ballungsräumen erhöhen
ihre Markt-an-teile auf Kosten von Klein-und Mittelbetrieben
ländlicher Re-gionen."
Nicht zu übersehen ist freilich, daß mit dieser Entwicklung eine
Enträumlichung in den Metropolen selbst verbunden ist: Unternehmen
trennen sich in funktionelle Segmente, die durch Datenkommunikation
verknüpft sind. Front Offices zur innerstädtischen Repräsentation
und zum Kundenkontakt, Back Offices in die billigere Suburbia mit hohem
Arbeitskräftepotential, Produktion aufs flache Land, versorgt mit
burgenländischen Pendlerbussen - wenn nicht überhaupt Auslagerung
in Billiglohngebiete. Die Segmentierung der betrieblichen Produktion
ist die größte stoffliche Umwälzung seit dem Fabriksystem, und
sie wäre undenkbar ohne die Aufblähung des Straßenverkehrs
zuungunsten der Schiene - und ohne Telekommunikation als Vermittler
zwischen den Einzelsegmenten.
Der Kollaps der Modernisierung
Die globale Marktwirtschaft stellt so auf der einen Seite einen
universellen Reproduktionszusammenhang her und zerstört alle lokalen,
beschränkten Austauschverhältnisse durch den Hebel der Konkurrenz.
Auf der anderen Seite schließt sie einen dramatisch zunehmenden Teil
der Menschheit von ihren Lebensmitteln aus, da deren Gebrauch an den
Erwerb von Geld gebunden ist. "Der absurde Systemwiderspruch, daß mit
immer weniger >Arbeit< immer mehr Güter hergestellt werden,
gleichzeitig aber die Aneignung dieser Güter an Kaufkraft (Geld) und
somit an die >rentable< Verausgabungsfähigkeit von >Arbeit< gebunden
ist, tritt in sein historisches Reifestadium ein" Dieser Prozeß
erzeugt "Geldsubjekte ohne Geld" (Robert Kurz), die in den Metropolen
als ständig steigende "Sockelarbeitslosigkeit", in den Peripherien
als "demographische Zeitbombe" und Statisten einer sekundären
Barbarei in Erscheinung treten, und damit zum Ausdruck bringen, daß
die Marktwirtschaft als globale Reproduktionsform schon längst wieder
ausgedient hat.
Subsistenz
Aus diesen Bedingungen einer globalen Krise ist zu erklären, daß
Subsistenz wieder zu einer diskutablen Alternative werden konnte. Die
Propagandisten der Subsistenz von feministischer (z.B. Claudia v.
Werlhof, Maria Mies) oder entwicklungskritischer (z.B. Gustavo Esteva)
Seite sind zu demselben radikalen Schluß bezüglich der
Marktwirtschaft gelangt. Allerdings hat das von ihnen propagierte
Gegenbild einer Rückkehr zu autarker Eigenarbeit einige
Schönheitsfehler:
- Zum einen lebt die Subistenzvorstellung vom beständigen Vergleich
mit Zuständen, als die produktiven Ressourcen der Gesellschaft noch
nicht universell der Warenform unterworfen waren. Heute kommt es in den
Metropolen der Dritten Welt durchaus vor, daß Marginalisierte wieder
auf das Land gehen, das sie einst gezwungenermaßen oder freiwillig
verlassen hatten. Allein, sie stehen vor der Situation, daß dieses
Land ihnen nicht mehr gehört, Privatbesitz ist, sie vertrieben
werden. Ihr Versuch der Subsistenz endet so hoffnungslos wie die
Revolte der Campesinos von Chiappas. Alles produktive und ertragreiche
Land ist dem Zweck zugeführt, wenigstens ein Zipfelchen monetären
Ertrags vom Weltmarkt einzufahren, und wenn es durch die schiere Masse
der Produktion ist. Auch negativ läßt sich dieser Zusammenhang
ausdrücken: Das Grundwasser, die Atmosphäre, die Erde selbst werden
vom Externalisierungszwang der Gewinnerinseln derartig in
Mitleidenschaft gezogen, daß die peripheren Regionen zunehmend den
Status von Mülldeponien erhalten, damit die Natur in den Zentren
relativ gebrauchsfähig bleibt. Auch dies kein besonders guter Boden
für Subsistenz. Damit nicht genug: in ihrem Bestreben, sämtliche
stofflichen Prozesse für die immer prekärer werdende Erschließung
neuer Märkte zu mobilisieren, ist die Marktwirtschaft mitlerweile
verrückt genug geworden, lebendige Prozesse und genetische Muster zu
patentiern, das heißt aber tendenziell den nicht zahlungsfähigen
Gebrauch der Natur einfach zu verbieten.
- Zum anderen haben selbst die sogenannten "primitiven"
Subsistenzgesellschaften nur existieren können, weil sie keineswegs
nur lokal definiert, sondern in ein weitläufiges Netz von
bestandssichernden Austausch- und Schutzbeziehungen eingebunden waren.
Jahrtausendealte Handelsstraßen künden von den Bedürfnissen
lokaler Subsistenzgemeinschaften nach bestimmten Produkten fremder
Herkunft und Klimate, die freilich eng umschrieben sind. Gleichzeitig
waren diese Subsistenzgemeinschaften überlagert von "schützenden"
sozialen Metastrukturen antiker oder feudaler Art. Am Rand der
globalen Marktwirtschaft entstehen hingegen treibhausmäßig
Populationen, für die nicht die Subsistenz, sondern die Plünderung
ultima ratio der Existenz ist. Am "Fall Ruanda" oder am "Fall
Jugoslawien" läßt sich diese Logik der sekundären Barbarei ebenso
studieren wie an den Street Gangs in den deregulierten Metropolen. Der
Kampf aller gegen alle, der Fundamentalismus und Tribalismus, in die
sich die ihrer Existenzbasis beraubten Geldsubjekte - oft genug aus den
zusammenbrechenden "Entwicklungs"-Staatsapparaten - flüchten, setzt
die Ausschließungs- und Externalisierungsorgie nach unten fort,
anstatt die Perspektive eines Subsistenznetzwerks zu erlauben.
Drittens aber, und das ist vielleicht das wesentlichste Argument, ist
die herkömmliche Subsistenzvorstellung tatsächlich ein Programm der
Mühsal und Plackerei, in dem sich der Umkreis der Bedürfnisse auf
das Allernotwendigste reduziert - und keineswegs die zwanglos-festliche
Angelegenheit, als die sie von ihren VertreterInnen hingestellt wird.
Die Marktwirtschaft hat in der überwiegenden Anzahl der Fälle gar
keine Gewalt anwenden müssen, um die Menschen von der Scholle und
ihren landwirtschaftlichen Existenzgrundlagen zu vertreiben. Die freie
Luft der Stadt hat im Vergleich der Lebensbedingungen und der
Lebensqualität durchaus von selbst besser abgeschnitten. Eine direkte
Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft zu propagieren, negiert diese
über viele Generationen gewachsene Entwicklung der menschlichen
Individualität und Bedürfnisse.
Das globale Dorf
Dies also ist das Dilemma: auf der einen Seite die zunehmende
Unmöglichkeit der Aufrechterhaltung oder gar Ausdehnung des
marktwirtschaftlichen Status quo - auf der anderen Seite die ebenso
unmögliche wie unattraktive Perspektive eines Zurücks in die
Subsistenz der Dorfgemeinschaft und der blutsverwandschaftlichen
Reproduktion .
Wenn zwei Wege nicht gangbar sind, gibt es vielleicht einen dritten,
und dieser soll im folgenden skizziert werden; und hier wird auch die
Relevanz für Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur sichtbar,
die bei den bisherigen globalen Ausführungen nicht explizit gemacht
wurde.
Um diesem dritten Weg ein Etikett zu verpassen, definieren wir einfach
McLuhans "Globales Dorf" um - und beschreiben es als einen Ort, der den
Zugang zur globalen Informationsvernetzung als neue und wichtigste
Rahmenbedingung lokaler Entwicklung benutzt. Dieses Konzept des
"Globally Integrated Village Environments" (GIVE) oder der
"TeleEcoCommunity" oder der "Connected Community" unterscheidet sich
von den gängigen Entwicklungsmodellen für den ländlichen Raum
dadurch, daß "Land" und "Stadt" nicht als getrennte Einheiten gesehen
werden, sondern als Teile eines Gesamtsystems; in diesem Konzept geht
es daher auch nicht um die "Entwicklung des ländlichen Raumes",
ebensowenig wie um die "Bewahrung der bäuerlichen Identität": diese
Konzepte werden vielmehr als Reflexe des oben beschriebenen Dilemmas
zurückgewiesen.
Der Ausgangspunkt des "Globalen Dorfs" besteht in deutlichem Gegensatz
zu diesen Konzepten in der Akzeptanz bzw. im Bewußtwerden der
Tatsache, daß die Globalisierung der Märkte die bisherige Basis
unserer Existenz wegsprengt; verkäufliche Ware oder Arbeitskraft,
beides wird aufgrund der globalen Konkurrenz zunehmend weniger
nachgefragt. Das heißt aber gerade nicht, daß sich nicht lokale
Austauschzusammenhänge und Kreisläufe jenseits der globalen
Marktverkettung herausbilden können; so ist beispielsweise am Trend
zum Ab-Hof-Verkauf und Bauernmärkten absehbar, daß die Vorteile
lokaler Kreislaufwirtschaft sowohl den "Produzenten" als auch den
"Konsumenten" einleuchten. Doch ist diese lokale Kreislaufwirtschaft
bis jetzt ein eher zufälliges Anhängsel gobaler Verkettung, macht
sich abhängig von importierter Zahlungsfähigkeit, die ebensogut
auch ausbleiben kann.
Das Konzept des Globalen Dorfes besteht nun darin, von dieser
Zufälligkeit zu einer Tragfähigkeit zu gelangen, in der nicht der
Import von Zahlungsfähigkeit, sondern die stoffliche Verkettung und
Vernetzung zu einer wirklichen Kreislaufwirtschaft den Ausschlag geben.
Die Grundthese ist, daß sich durch die modernen Technologien die
Ausgangslage für eine Entwicklung auf der Grundlage lokaler
Ressourcen (und damit langfristig erlöst vom Problem der
Zahlungsfähigkeit) nicht verschlechtert, sondern dramatisch
verbessert hat. Der steigende Nutzunggrad von Solarenergie spricht da
ebenso eine deutliche Sprache wie die Glashäuser der
landwirtschaftlichen Labors von New Alchemy, in denen der
Nahrungsmittelbedarf einer Kleinstadt durch intensive Nutzung neuer
Technologien auf kleinerer Grundfläche als je zuvor hergestellt
werden kann. Das Grundproblem besteht darin, wie die marktförmig
organisierten Weltgesellschaft, die diese Technologien hervorzubringen
imstande ist, ein Interesse an der Kooperation mit eigentlich nicht
mehr marktförmig organisierten Räumen entwickeln kann.
Das "Globale Dorf" ist ein Versuch, dieses Grundproblem dadurch zu
lösen, daß das "komplexe, auf Arbeitsteilung beruhende
Beziehungsgefüge" (Wytrzens) zwischen Stadt und Land intensiviert
wird, indem lokale, ökologisch tragfähige Kreislaufwirtschaften
urbane Mikrokerne aufnehmen und mit ihnen eine Symbiose eingehen. Durch
Telekommunikation lassen sich diese urbanen Mikrokerne zu einem
"Stadtnetzwerk" verbinden, und nur innerhalb dieses Stadtnetzwerkes
gibt es so etwas wie "globale Marktwirtschaft", d.h. den monetären
Konnex von Produzenten und Dienstleistern. Städte und städtische
Institutionen, Kapitalien etc. erweitern innerkalb dieser
Stadtnetzwerke ihre "Märkte" weit über ihr bisheriges
"Hoheitsgebiet" - und haben so ein höchst vitales Interesse an diesem
Markt. Sie liefern industrielle Basistechnologien, die Grundlage von
lokaler Produktion bilden.
Die Relation zwischen den urbanen Mikrokernen und ihren lokalen
Dorfgemeinschaften sind dagegen nichtmonetär in dem Sinne, daß ganz
bewußt der arbeitsteilige Aufbau eines tragfähigen lokalen
Lebensraumes angestrebt wird. Die urbanen Mikrokerne sind vom
Standpunkt des globalen Dorfes "Devisenverdiener", die durch ihre
Integration in die immateriellen Tätigkeiten im Rahmen der "globalen"
Produktion (und das sind prozentuell immer mehr Tätigkeiten in den
Metropolen, derzeit wohl schon mehr als 50%) nichts anderes tun als die
monetäre Grundlage für die "Subsistenz"-Werkzeuge zu
erwirtschaften, die die lokale Reproduktion verbessern helfen. Wenn es
um die Organisation dieser Reproduktion selbst geht, ist kleine
Geldzirkulation ebenso denkbar wie Bartering oder arbeitsteilige
Gemeinschaftsproduktion.
Die Konkurrenz um die informationellen Services und Basistechnologien
für die "Stadtsatelliten" - sollte sich dieses Konzept durchsetzen -
wird in ihrer Geschwindigkeit alles bisher dagewesene in den Schatten
stellen. Der Markt, den "local sustainability" darstellt, könnte der
letzte und spektakulärste neue Markt in der Menschheitsgeschichte
sein.
Zitate aus:
1. Gustavo Esteva, "Den menschlichen Lebensraum wiedererlangen - oder:
die Hängematte" in: ds., FIESTA - jenseits von Entwicklung, Hilfe und
Politik,Wien:Südwind,1992
2. Marshall McLuhan,Quentin Fiore,War and Peace in the Global
Village,New York:Bantam Books, 1966
3. Alvin Toffler, The Third Wave,New York:Bantam,1981
4.Luis Fiedlschuster, Die "telematische Gesellschaft",
in:REGionalentwicklUNG 2/91
5. Robert Kurz, Gibt es ein Leben nach der Marktwirtschaft ? -
Überlegungen zur Transformation des warenproduzierenden Systems,
Teil1 in: Neues Deutschland,Wochenendbeilage vom 11./12.6.1994