Besprechung der Kataloge von Franz Krahberger; erschienen bei HATJE CANTZ und in der Bibliothek der Provinz
Modell Bauhaus. Vom 22.Juli bis zum 4.Oktober 2009 wird im Martin Gropiusbau in
Berlin die Ausstellung der drei deutschen Bauhaus-Institutionen Bauhaus-Archiv
Berlin / Museum für Gestaltung, Stiftung Bauhaus Dessau und Klassik
Stiftung Weimar in Kooperation mit dem Museum of Modern Art in New York gezeigt.
Einmal mehr wird deutlich, dass die Moderne nicht aus Ruinen besteht, sondern
Folge eines umfassenden Konzeptes ist, das Renaissance, Barock, Historizismus,
altdeutschen Stil etc. weit hinter sich gelassen hat. Die Moderne ist der
Postmoderne nach wie vor in ihren aktuellen wie kuenftigen Chancen und Moeglichkeiten
ueberlegen.
Das Bauhaus hatte an der Konstruktion der Moderne wesentlichen Anteil und ist als transatlantisches Buendnis nach dem zweiten Weltkrieg zwischen USA und Westdeutschland global stil- und verfahrensbildend geworden
Der umfassende Katalog der Berliner Ausstellung wurde bei Hatje Cantz gedruckt. Kompetente AutorInnen haben mit Sachverstand Texte in umfassender thematischer Vielfalt und zu
eindrucksvollen Abbildungen von Ikonen des Bauhauses beigesteuert.
Hatje Cantz setzt anlaesslich der Bauhaus Ausstellung in Berlin seine Serie Kunst zum Hoeren fort. Vergleichbares gibt es zu Giacometti und ueber die Metamorphosen des Gesichts von Rodin bis Picasso.
Das Set Kunst zum Hoeren umfasst einen Bildband mit etwa 40 exemplarischen
Abbildungen aus der Produktionsgeschichte des Bauhauses und zugehoerigen Audio Tracks auf CD und erzaehlt in einer angenehmen wie kenntnisreichen Weise ueber das interdisziplinaere Projekt Bauhaus.
Der Cover der CD zeigt Marcel Breuers Clubsessel B3 aus dem Jahre 1926. Gegen den urspruenglichen Willen des Designers und des Bauhauses wurde dieser Stuhl 1982 per Gerichtsbeschluss in den Status eines urheberrechtlich zu schuetzenden Kunstgegenstands erhoben. Aus der Sicht des Bauhauses war dieser Stuhl ein industriell gefertigtes Massenprodukt.
Breuers Stuhl erinnert daran, dass das Bauhauskonzept in Wien einen praegenden Vorlauefer
gehabt hat, den Sitzmoebelfarikanten Thonet, der seine originellen wie sachlich funktionalen Stuehle in Massenproduktion auf dem Weltmarkt einfuehren konnte.
Tatsaechlich hat der gebuertige Ungar Marcel Breuer, der sich 1920 kurzzeitig in Wien an der Akademie der bildenden Kuenste eingeschrieben hat, um dann am Bauhaus vier Jahre das Tischlerhandwerk zu erlernen, fuer Thonet zwei Stuehle entworfen, den Cesca Kragstuhl mit und ohne Armlehne.
Die erste Abbildung in Kunst zum Hoeren zeigt Ludwig Mies van der Rohes Entwurf
Wabe eines Hochhauses am Bahnhof Friedrichstrasse. Das ist bereits ein Glanzstueck des Architektur Entwurfs mit Vollverglasung der Fassade, wie sie charakteristisch fuer die Architektur im Uebergang vom 20. zum 21. Jahrhundert geworden ist.
Zweifellos war der Crystal Palast im Londoner Hyde Park in seiner Konstruktion aus Glas und Eisen anlaesslich der Weltausstellung 1851, veranstaltet von der Society of Arts, in London, errichtet von Joseph Paxton nicht nur Vorlaeufer sondern die Impulszuendung.Erst mit den Mitteln der 1. technischen Revolution im 19.Jahrhundert liess sich diese Konstruktion erbauen und diente erstmals der globalen Repraesentation des technischen Fortschritts.
Der Entwurf des britischen Gartenarchitekten Paxton kann als Vorbild in der Errichtung der Palmhaeuser im Schlosspark Schoenbrunn und im Burggarten der Wiener Hofburg angesehen
werden.
Als naechste Abbildung wird Lyonel Feiningers Kathedrale aus dem Jahre 1919 , das Titelblatt des Bauhaus Manifestes und des Program des Staatlichen Bauhauses, besprochen. Der Gruender des Bauhauses, der Architekt Walter Gropius, sah sich in der Tradition des mittelalterlichen Kathedralbaues und der damit verbundenen Bauhuetten. Darin glich er Alexandre Gustave Eiffel, dem Erbauer der klassischen Ikone der Moderne, eben des Pariser Eiffelturms, der Mitglied der heute noch existierenden Gilde der Turmbauer gewesen ist, die ihre Kenntnisse von Villard de Honnecourt, der die Quadratur des Kreises zum Strukturmodular seines Kathedralenbaus gemacht hat, herleiten.
Bei genauerer Betrachtung der Technikgeschichte des 19. Jahrhunderts ist die gesamteuropaeische Verknuepfung zwischen London, Rom, Berlin, Wien und den USA nicht zu uebersehen. Sie bildete die Voraussetzung fuer den unaufhaltsamen Aufstieg der Moderne. Es ist die Zeit der auflklaerenden Freimaurer und der Enterpreneurs, die kontinenteuebergreifend ihr Projekt der Industrialisierung und der damit verbundenen Massengesellschaften unter der Devise Wohlstand fuer alle in Angriff gemommen und auch realisiert haben. Das Projekt der Moderne ist noch lange nicht am Ende angelangt, obwohl der manierierte Postmodernismus, der sogar den Rueckfall in den Feudalbau und die damit verbundene Gesellschaftsordnung akzeptiert, dies aus Marketinggruenden fuer die Kunst als Aktie und aus politischer Revanche postuliert hat. Heute wissen wir, dass der Postmodernismus ein zahnloeses Gemenge ist, und ohne die Mithilfe des Spekulantentums weder Aufmerksamkeit erregt noch Wirkung gezeigt haette.
Der Entwurf des Bauhaus Gebaeudes in Dessau 1925/26 wie der Wohnsiedlung des Bauhaus Lehrkoerpers in Dessau Toerten 1928 stammen von Walter Gropius. In beiden Faellen fungiert Gropius auch als Bauherr. Beide Projekte haben wesentlich den Instituts-, Buero- , Firmen- und den Wohnanlagenbau des 20.Jahrhunderts gepraegt.
Sein Nachfolger Hannes Meyer tendierte zum Sozialismus und entwarf 1931 die Bundesschule des ADGB, des allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. Reinhold Rossig entwarf 1931 eine sozialistische Stadt.
Mit diesem prononcierten Bekenntnis der Bauhaus Mann- und Frauschaft zur sozialen Demokratie als klare Vorstellung einer Gesellschaft der Zukunft, die nicht uebersehbaren
Querverbindungen zum russischen und Futurismus in Gestalt von Rodschenko und Lissitzy und Kassak, zogen sie sich den Hass der primitiven wie chaotischen Nazis zu, die
schliesslich das Bauhaus aus Deutschland verbannten und brandmarkten. Erst nach dem
der Nazispuk 1945 untergegangen was, kehrten die Ideen des Bauhauses nach Deutschland
zurueck und praegten es bis in die Gegenwart. Allerdings auch mit dem Vorleistung, dass die
Emigranten, etwas Mies van der Rohe und Laszlo Moholy Nagy, der 1937 das Chicago Institute of Design als Neues Bauhaus in den USA begruendete, die Amerikaner von ihrer Qualitaet und grossen Nuetzlichkeit fuer eine wirklich moderne Gesellschaft ueberzeugen konnten.
Eugen Batz raeumliche Wirkung von Farben und Formen zeigen die elementare Grundorientierung des Bauhauses, dessen entfaltete variable Strukturen wesentlich aus grundlegend definierten Elementen entstehen. Dazu zaehlt ebenso die Farbenlehre von Johannes Itten sowie die theoretischen Arbeiten Wassily Kandinskys Punkt, Linie und Flaeche sowie sein Werk Das Geistige in der Kunst, das abstrakte Strukturen, deren Herausbildung und Variation verhandelt.
Einer der originellsten Visionaere des Bauhauses ist Laszlo Moholy Nagy, der nicht nur
mittels Collagen eigenstaendiges wie praegendes geleistet hat. Die Collagen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass er Strukturen der Massenkommunikation aufzeigt und in neuen Konstellationen verknuepft.
Moholy Nagy begreift die Collage als Vernetzung, als virtuelles Instrumentarium zur Entdeckung und Entwicklung neuer funktionaler Strukturen.
Die Funktion seines Licht- Ton - Modulators ist heute in jede Disko integriert. Keine der grossen Rockbands der Erde kommt heutzutage ohne Light Show aus.
Der dem Gedanken des Bauhauses nahestehende Lichtkuenstler Otto Piene hat in Wuerdigung von Moholy Nagy fuer das Projekt Modell Bauhaus einen Lichtraum entworfen und
gestaltet.
Moholy Nagy kann man mit seinen Telebildern, die er Telefonbilder genannt hat, als den Begruender der Konzeptkunst ansehen. Ebenso kann man seine Telefon Produktionskette als eines der ersten Medienkunstwerke ansehen. Gerade die technische Produktion ist die Voraussetzung fuer die Legitimation der Kunst in einer Gesellschaft der Massen, und nicht allein die Reproduktion. Das unterscheidet vom Ansatz Walter Benjamins, der noch im Gedankenspiel Original und Reproduktion umkreist, dem Original im Museum die Aura zuspricht und deren Vernichtung im nachgemachten Poster fuer die Massen erkennen will. Andererseits weiss Benjamin ueber die einschneidenden Wirkungen der Apparatur und die damit verbundenen Veraenderungen genau Becheid. Gerade das Bauhaus in seiner Tendenz zur Industrialisierung der Kunstproduktion stellt die Apparatur in den Vordergrund.
Anstelle der Aura und anstelle des Beharrens auf traditionellen Wertvorstellungen tritt wesentlich die Kategorie der Information, auch im Sinne der Informatik. Information und Kommunikation sind die wesentlichen Kriterien der Medienkunst in all ihren Ausformungen. Wer sich heute noch Gedanken ueber den Wert von Original und ueber Wert und Unwert von Kopie macht, bleibt hoffnungslos haengen und wird bloss zum Opfer von Spekulanten am Kapitalmarkt, die in der Kunst eine beliebig manipulierbare Aktie erkennen wollten.
Moholy Nagy O-Ton: 1922 bestellte ich per Telefon bei einer Schilderfabrik 5 Emaille Bilder. Ich hatte die Farbtafel vor mir und skizzierte die Bilder auf Konstruktionspapier (besser bekannt als
Millimeterpapier) Am anderen Ende des Telefons hatte der Vorarbeiter dasselbe karierte Papier vor sich liegen. Er zeichnete die von mir diktierte Form anhand der korrekten Positionen ein. Eins der Bilder wurde in drei verschiedenen Groessen geliefert, damit ich die feinen durch Vergroesserung und Verkleinerungen bewirkten Veraenderungen der farblicher
Bezuege studieren konnte.
Klar hat 40 Jahre spaeter jede TV Kamera das Experiment von Moholy Nagy bei weitem ueberholt, die
das Abbild eines realen Objektes, einer bewegten Szene, einer realen Landschaft vom Ort der Gestehung A via Funk oder Kabel, via Satellit an beliebige Punkte des Globus eins zu eins uebertraegt.
Man koennte das durchgezogene Spiel von Laszlo Moholy Nagy auch als Vorform von CIM,
des Computerintegrierten Manufacturing ansehen. Von der Workstation des Entwerfers, ueber Produktion und Lager, bis zum Versandhandel inklusive Verrechnung und Verwaltung ist alles in einem Kreislauf vernetzt und erfasst. Zumtobel Licht Vorarlberg hat eine derartige CIM Produktion bereits vor mehr als 25 Jahren vorbildlich eingerichtet.
Das waere eine hochgestochene Interpretation. Moeglich das es viel banaler ist, und Moholy Nagy bloss eine Variante des Schifferlversenkens in ihrer Umkehrung ins Spiel gebracht hat, so wie Duchamp das Urinoir bloss abgegeben hat, weil ihm das Ausstellungs Konzept zu traditionell gewesen ist und ihm auf die Nerven gegangen ist.
Das ist die Crux der Concept Art, dass sie sich mittels Metaargumentation interessant macht und gleichzeitig eine banale Interpretation zulaesst. Ein Spiel, dass in der Kunstproduktion der Moderne so selbstverstaendlch geworden ist, dass man gar nicht mehr hinhoert.
1923 loeste Moholy Nagy Johannes Itten in der Leitung des Grundkurs des Bauhauses ab.
Die Weichen vom Handwerk zur Technologisierung und zur Industriealisierung, und damit
zu seriellen Produktion, ob nun als Multiple oder in Grosserie waren damit endgueltig
gestellt.
Die erfolgreiche Hinwendung zur massenfaehigen Produktion findet nicht allein mit Marcel Breuers Sitzmoebelprogramm 1926, sondern ebenso beipielhaft mit dem Bauhausklassiker,
der von Marianne Brandt und Hin Bredendieck entworfenen, von der Koerting & Mathiesen AG Leipzig hergestellten Kandem Schreibtischleuchte, ihren sicht- und benutzbaren Ausdruck.
Eine bemerkenswerte Erscheinung des Bauhauses ist der Oesterreicher Herbert Bayer, der ab 1923 von Walter Gropius zum Leiter der Werkstatt fuer Druck und Reklame berufen wird.
Herbert Bayer zeigt sich beeindruckt vom hollaendischen De-Stijl, der von Theo von Doesburg ins Weimarer Bauhaus eingebracht worden ist. Die Form- und Farbgebung von De Stijl hatte sich auch bis zu Lajos Kassak in Budapest durchgesprochen, einem fruehen Weggefaehrten Lazlo Moholy Nagys.
1928 wird Herbert Bayer Artdirektor der Dorland Agentur in Berlin und loest sich inhaltlich weitgehend vom Bauhaus. Er wird zum subtilen Verfuehrer und entwickelt in Montagetechnik eine
bislang nicht dagewesene Bildsprache, in der er Kunst und Werbung verschmilzt und durch surrealistische Imaginationen reiz- und damit wirkungsvoll aufpeppt. So schafft Bayer neue
Bildwelten. Dazu berichtet Anja Baumhoff in ihrem Katalogbeitrag zu Modell Bauhaus 2009.
In der US Emigration im reifen Alter wendet sich Bayer der Landschaftsarchitektur zu und gestaltet das Erscheinungsbild des amerikanischen Schiortes Aspen.
Das Bauhaus entwickelte Life Style in Form von Oskar Schlemmers mechanischem Ballett, etwa in dem von ihm kreierten Metalltanz, das als erste pure Form des Revuetheaters, aber auch in spaeter Folge als Vorbild fuer die mechanisch wirkenden Buehnenperformances etwa von Michael Jackson und seinem Moonwalking angesehen werden kann. Das Bauhaus bietet ebenso Designerware an, Kleidung etwa entworfen von Lis Volger.
Selbst monochrome Tapeten begann man zu anzubieten, nachdem man falschen Avantgarde Stolz abgelegt hat und verdiente gerade damit eine Menge Geld.
Ingesamt ist das Bauhaus ein fruehes Projekt der Corporate Identity, das allerdings unuebersehbar die Gefahren der Eintoenigkeit in sich birgt. Dessen ist sich Walter Gropius alsbald bewusst geworden. Ab da an meinte in der Differenzierung der Grundmittel mehr Vielfalt und damit im weiteren eine hoehere Einheit hervorbringen zu koennen.
Die Aesthetik des Bauhauses, der Verzicht auf Symbolik und Ornament, hier trifft es sich mit dem Wiener Architekten Adolf Loos, die Oeffnung der Architektur ueber grosse Glasfronten hin zum realen Naturbild, schafft in ihrer Abstraktion eine Art Leerraum, der danach draengt, erfuellt zu werden. Das kann allein wiederum nur der Mensch, der auf dieser leeren Buehne zur Selbstdarstellung draengt. Es ist ein Phaenomen unserer Zeit, das im Bauhaus wurzelt, etwa im auf die Struktur reduzierten Bauangebot Mies van der Rohes, dass sich die Kunst zurueck nimmt und dem Menschen freien Spielraum eroeffnet, den es zu erfuellen gilt.
In einem Artikel ueber Die verhinderte Wiedergeburt- Das Bauhaus und der Stalinismus1945 - 1952 zeigt Simone Hain die Hilflosigkeit der Bauhausnachfolge in der biederen und farblosen wie verhaltensregulierenden DDR. Der strikte Antiformalismus der SED Kulturpolitik, des Moskauer Trabanten, richtet sich vor allem auf die zeitgleiche, geheimdienstlich gestuetzte, kulturelle Offensive der USA im westlichen Europa. Spaetetens seit Anfang der fuenfziger Jahre finanzierte die CIA, unter anderem aus den Rueckfluessen des Marshallplans und aus den Mitteln der Henry Ford Stiftung, konspirativ rund um den
Congress for Cultural Freedom (CCF). Ein breites intellektuelles Netzwerk. 1950 im Westteil Berlins gestartet und von dort wegen der Spionage durch die UdSSR bald nach Paris verlagert, war der Kongress fuer Kulturelle Freiheit eine vollstaendig von der CIA kontrollierte Organisation. Ihr Ziel war es, bedeutende linksliberale (!) Intellektuelle, Autoren und Kuenstler in ihrem Sinne zu beeinflussen, das heisst fuer die Kritik amTotalitarismus zu gewinnen und gegen das Lager der sozialitsischen Staaten zu instrumentalisiern.
Was die amerikanischen Initiatoren des CCF fuerchteten, war nicht die stalinistische Kulturproduktion, es waren die kuenstlerischen und wissenschaftlichen Positionen der Sympathisanten des Kommunismus in Hochburgen des kulturellen und politischen Diskurses, wie Paris, London und Berlin. In dieser globalen Auseinandersetzung wurden die beiden deutschen Staaten durch die beiden Supermaechte kulturpolitisch kontradiktorisch kolonialisiert.
Diese Konstellation hat auch fuer das an sich politisch neutrale Oesterreich Gueltigkeit. Man kann sie sogar als Parallelaktion erkennen und definieren. Bloss war die kulturpolitisch Auseinandersetzung des Kalten Krieges in Oesterreich nicht offen massiv und von beiden Seiten besser verdeckt und bei weitem nicht so rigid aufgefasst. Oesterreich musste nicht nur
aus eigenem Kalkuel, sondern auch im taktischen Verstaendnis der Alliierten in Ost und West gut dastehen. Deswegen durfte man sich hierzulande die geschichtliche Bewaeltigung ersparen, letztendlich ein dauerhafter Pferdefuss der 2.Republik, mit dem siehe heute noch sichtbar hinkt.
Hart wurde die Geschichte erst dann, wenn man als Oesterreicher in den deutsch /deutschen Konflikt hineingeraten ist. Dem konnte man nicht ausweichen, war und ist doch der Literatur- und der Kunstmarkt durch den finanziell bedeutend besser ausgestatteten deutschen Nachbarn dominiert. Die Spielregeln dort sind haerter und konkreter als sie im gemuetlichen Nachkriegsoesterreich gewesen sind.
Paul Betts sieht im Bauhaus ein amerikanisch deutsches Jointventure und gar eine Waffe des Kalten Krieges. Dem kann man kaum widersprechen, man kann dem aber auch Positives vor allem fuer die Remodernisierung Deutschlands nach der katastrophalen Naziherrschaft ansehen. Tatsaechlich wurde Walter Gropius zum offiziellen Architekturberater von General Lucius D. Clay ernannt.
Eines muss ich sagen. Wirklich militant habe ich die Post-Bauhaeusler, und ich bin einigen begegnet, nie empfunden. Im Gegenteil, sie erschienen mir unter all den Kalten Kulturkriegern als die Vernuenftigsten und die tolerantesten. Vor allem, sie sind nie nach Bayreuth gepilgert um dort Richard Wagner zu huldigen, wie es zbsp. Marcel Prawy fuer noetig empfunden hat. Sie haben sich fuer mehr Licht eingesetzt und nicht fuer die Goetterdaemmerung.
Auch die mit der US Army nach Oesterreich zurueckgekehrten Manager des Theaters, Hauesserman und der Manager des Musiklebens, Marcel Prawy nahmen weit in die 50 er Jahre hinein militaerische Raenge in der US Besatzungsarmee ein. Beide waren sie Mitglieder einer westdeutschen Dramaturgenvereinigung, die unter der verdeckten Aufsicht der CIA gestanden hat. Wenn haben die USA nicht zu beeinflussen sucht ? Auch Hans Werner Richter und mit ihm die Gruppe 47 ist unter der Aufsicht der USA gestanden.
Sie haben alles kontrolliert. Sie waren ebenso totalitaer, wie der kommunistische Totalitarismus, den sie zu bekaempfen suchten. Tatsaechlich ging dass nicht ohne die Hilfe von Ueberlaeufern. Zum Teil ging das nur mit Ex-Kommunisten, die vor Stalin zurecht davon gelaufen sind. Herausragende Personen im Spiel des Kalten Krieges waren William Schlamm. Arthur Koestler, Manes Sperber, Raymond Aron, Melvin Lansky. Letzterer regte den Kongress fuer Freiheit in Berlin ab, obwohl seine Trotzki Biografie in den USA verboten war, weil man Uncle Stalin nicht vergraemen wollte.
Eines ist klar. Ich lebe auch lieber mit dem Bauhaus und unter den Konditionen des Bauhauses und halte nichts von Josef Stalins verkachelten Monumentalbauten.
Als eigentlicher Nachfolger des Bauhauses nach dem 2.Weltkrieg war die Hochschule fuer visuelle Gestaltung in Ulm. vorgesehen. Hier erfand man das den kuenfigen deutschen Dialogstil praegende Wort Kommunikation, hier entwickelte Otl Aicher seine praktrischen Icons fuer die gesamte Infrastruktur Westdeutschlands. Aicher berichtet, dass Gropius den Ulmern die weitere Verwendung des Markennamens Bauhaus angeboten habe. Die haben dies aber abgelehnt, weil sie ihre eigenen Weg gehen wollten, und sich vielfaeltig angewachsene Bauhaus Geschichte nicht aufbuerden wollten. Die Ulmer waren auf jeden Fall begnadete Kommunikatoren und prononcierte Nazi Gegner. Zur Direktionszeit von Max Bill hingen nur zwei Bilder in der Hochschule, im Direktionszimmer. Die Fotos der Geschwister
Scholl, die in Muenchen dem Naziterror zum Opfer gefallen sind, wie einige Jahre zuvor das Bauhaus in Dessau.
Max Bill hat, angeregt von Le Corbusier, ein Architekturstudium im Dessauer Bauhaus absolviert. Er war einer der Gruender der Hochschule in Ulm. 1962 entwarf Max Bill das Design für Junghans Wanduhren und mechanische Armbanduhren, die sich durch formale Aesthethik auszeichneten und mit Praezision ueberzeugten. Die Modell Serie wurde von Junghans neu aufgelegt.
Ich persoenlich bevorzuge Swatch Uhren. Sie sind um einiges leichter als Bills Uhren. Hayek ist keineswegs der Tradition des Bauhauses verpflichtet. Er hat mit Swatch Uhr und Swatch Car eigene Dimensionen geschaffen.
Eines sollte Lehre sein. Die Kunst dem puren Akademismus entreissen und sie als eine der Grundformen in die taegliche Lebenspraxis ein zu beziehen, ohne in Manierismen zu verfallen. Das ist die nach wie vor eine gueltige Botschaft des urspruenglichen Bauhaus Gedankens, die nicht verloren gehen darf.
Die globale Kunstsuchmaschine von Hatje Cantz
Gustav Peichl > Wiener Messe Palast 2003
Bauhaus Alltag Heute
Bauhaus Standard Heute
Im weiteren schlaegt Bayer eine Karriere in der Wirtschaftswerbung ein, wird Art Director der Dorland Werbung und bezeichnet sich als Werbesachner. Damit endet
Anja Baums Beschreibung der Aktivitaeten Bayers in der Werbung im Berliner Katalog. Bayer zaehlt zu den international bekanntesten Werbern.
Bayers Wille zur Norm ist unuebersehbar. Er schuf die Einheitsschrift UNIVERSAL,
die sich besonders gut fuer Logos eignet und u.a. dem Schriftzug auf dem Dessauer Bauhaus zu Grunde liegt. Bayer fuehrte die DIN Norm, die Deutsche Industrie Norm fuer Druckschriften am Bauhaus ein. Ebenso war Bayer Wegbereiter der Kleinschreibung, die
vom Bauhaus ausgegangen ist.
Dass Bayer ein ausgezeichneter Typograph gewesen ist, zeigen seine Notgeldentwuerfe zbsp.
fuer das Land Thueringen.
Anja Baums Titel ihres Aufsatzes ueber Bayer Der Wille zur Werbung liess
mich einige Zeit ueber eine passende Analogie des Zeitgeistes nachsinnen, die sich bald gefunden hat. Es ist der Titel Triumph des Willens, des Propagandafilms von Leni
Riefenstahl zum Reichsparteitag 1935, produziert von der L.R. Studiofilm.
Tatsaechlich, was uns die Berliner Bauhausausstellung nicht mehr zeigt, zeigt die fast
zeitgleiche Ausstellung, ahoi herbert bayer - bayer und die moderne im Kunstmuseum Linz Lentos.
Der Katalogbeitrag Alexander Schugs macht das Engagement Herbert Bayers in der Nationalsozialistischen Propaganda und Wirtschaftswerbung sichtbar. Als Marker des Uebergangs mag der Cover- oder Plakatentwurf Teutoburger Wald - ein lockendes Ziel aus dem Jahre 1928 gelten. Ein Mann, der sich die Augen mit seiner Hand beschattet, haelt Aussschau ueber die sanften Huegeln des Teutoburger Waldes nach dem zentralen Ikon des deutschen Nationalismus im 19.Jahrhundert, nach dem Denkmal Herrmanns des Cheruskers, das 1875 nach einem Entwurf von Ernst Bandel auf dem Teutberg in Nordrhein Westfalen errichtet worden ist.
1934 gestaltet Bayer das Plakat fuer die NS-Ausstellung Deutsches Volk - Deutsche Arbeit. In einem Brief an Josef Albers dieses Jahres stellt Bayer ironisch fest, er waere
nach wie vor der anonyme Favorit des Propaganda Ministers Goebbels.
1935 entwirft Bayer das Plakat fuer die Ausstellung Wunder des Lebens, in der
die Rassenhygiene zum zentralen Thema gemacht wird. Bayer praegt erstmals das Sinnbild vom glaesernen Menschen, das wiederum in den 80 Jahren in den ersten erregten Debatten
ueber die Datentransparenz und den Datenschutz in digitalen Netzwerken, lokal wie global,
auftaucht ist. Der SPIEGEL zeigte sogar ein vergleichbares Cover. Leider uebersieht
sowohl Bayer fuers erste und Alexander Schug in seinem Katalogbeitrag voellig die Folgen der Rassenhygiene. Eine Auslassung, die man im Rueckblick nicht mehr begehen darf. Die Euthanasie, die uebrigens in den USA bis etwa Anfang der 30 er Jahre ebenso befuerwortet worden ist, und die Nuernberger Rassengesetze fuehrten direkt in die Vernichtungslager und in den Holocaust.
Es ist zweifellos kein Irrweg, zu behaupten Bayer waere bestens integriert gewesen in die Propagandamaschinerie des dritten Reiches. Im Ausstellungswesen trifft dies zu. Die direkte politische Propaganda blieb jedoch die Domaene von Josef Goebbels und ich glaube nicht, dass sich Herbert Bayer zu solchem hinreissen haette lassen. Doch mit den positiven Vorstellungen des dritten Reiches scheint er einverstanden gewesen zu sein.
1937 zeichnet sich offensichtlich ein Umdenkprozess bei Bayer ab, der der offiziellen Nazi Zensur entgangen zu sein scheint, bzw. bereits davor der Bayerschen Selbstzensur. Bayer entwirft mit Hans Krantz das Plakat Arbeitsfreude durch gruene Werkhoefe. Die obere Haelfte ist in der charakteristisch schlicht bis naiven Farbgestaltung des Bauhauses gehalten, eine Sonnenblume kuendet die heitere Zukunft der Arbeitswelt.
Der untere Teil in truebem Schwarz Weiss gehalten zeigt einen Schrotthaufen mit diversen Metallteilen, mit der eingeblendeten Aufforderung Fort mit dem Schmutz.
Ein Hand knuellt und reisst den Schwarz Weiss Prospekt vom farbigen Hintergrundbild. Mit weg gerissen wird aber auch der ins S/W Feld eingebundene Slogan der NSG - der Nationalsozialistischen Gesellschaft Kraft durch Freude Schoenheit der Arbeit und das Symbol der Deutschen Arbeitsfront mit dem Hakenkreuz im Zahnrad. Ob dieses Werbeplakat in A 4 Groesse jemals einer breiteren Oeffentlichkeit zu Gesicht gekommen ist, ist fraglich. Man kann es naemlich auch als pures Stueck der Subversion lesen.
1938 verlaesst Bayer Deutschland und kommt am 22.August 1938 mit dem Passagierschiff
Bremen in New York an.
Die Hoffnung auf eine Anstellung beim Neuen Bauhaus in Chicago zerschlaegt sich, da das
Institut nicht mehr existiert. Der Einstieg ins amerikanische Berufsleben gelingt jedoch alsbald. Das Museum Moderner Kunst beauftragt ihn kurz nach seiner Ankunft mit der Gestaltung der Ausstellung im MUMA bauhaus 1919 - 1928, die er gemeinsam mit Ilse und Walter Gropius vorbereitet und die am 7. Dezember 1938 eroeffnet wird.
Ab 1939 zeichnet Bayer bereits Covers und Illustrationen fuer das Fortune Magazine, entwirft und zeichnet in den 40 er Jahren Werbebroschueren fuer General Electric.
Die Bekanntschaft und daraus erwachsende Freundschaft mit Walter und Elisabeth Paepcke,
einem Entwickler und Produzenten von Verpackugnsgmaterialien, dem Eigentuemer der Container Corporation of America, der auch als Pionier einer fruehen Form der Corporate Identity gilt, sollte Bayers Leben entscheidend veraendern und ihm den Weg nach Aspen in Colorado, in die Rocky Mountains oeffnen. Er uebersiedelte 1946 in diesen abgelegenen Ort, weit entfernt von New York, weit entfernt von Los Angeles.
Hier entfaltet er seine Auseinandersetzung mit Architektur und Skulptur sowie eine fruehe Form von Land Art. Der begeisterte Schifahrer Bayer wird zum Impulsgeber fuer das
kuenftige Schizentrum der USA Aspen.
Bereits 1950 zeichnet Herbert Bayer das Plakat der FIS Schiweltmeisterschaft vom 30. Jaenner bis zum 5.Februar 1950 in Lake Placed in Aspen.
Die opportunistische Duldung des Nationalsozialismus hat Herbert Bayer, spaet aber doch, zutiefst bereut.
jetzt, wo ich dieses land verlassen habe, ist mir klar, dass die letzten 5 jahre in bezug auf meine arbeit beinahe verlorene jahre sind. ich habe eingesehen, dass es keine verbindende möglichkeit gibt zwischen dem deutschen nationalsozialismus und der welt in der ich mein leben bewegen muss. auf schritt und tritt befand ich mich in opposition. die deprimierende geistige knebelung, verdienerung und verlogenheit. die abgeschlossenheit gegenüber den vorgängen ausserhalb deutschlands. der widerliche ton der presse und der öffentlichen meinung. die vergewaltigung der persönlichen initiative. die vermischung von privat und politik. die schlechten seiten des deutschen volkscharakters die so heftig zum ausbruch kamen. die beschämende rassenpolitik. und am allermeisten die annektierung meiner heimat österreich durch die nazis. dies ging mir tief ins herz.
tagebuch von herbert bayer 1938
Ein anderer, Walter Benjamin, hat den Weg nach Amerika nicht gefunden. Er hat im Grenzort Portbou im Uebergang nach Spanien, bevor ihn die Nazis ergreifen konnten, im September 1940 Selbstmord
begangen. In seiner wichtigen Schrift Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit schreibt er abschliessend.
So steht es um die Aesthetisierung der Politik, welche der Faschimus betreibt. Der Kommunismus antwortet ihm mit der Politisierung der Kunst.
Heute wissen wir, dass weder das eine noch das andere System imstande gewesen ist, die Vorstellungen sowohl Bayers wie auch Benjamins von Humanitaet und Zukunft zu erfuellen. Beides, sowohl der Nationalsozislismus wie der stalinistische Kommunismus haben sich als Feinde der Menschheit herausgestellt.
Amerikas Verbindungen zu Nazideutschland vor dem Krieg sind nicht zu uebersehen.
Die USA dominieren nach 1945 in Westdeutschland. Adolf Hitler war ein
Bewunderer Henry Fords. Das Konzept des VW waere ohne die Entwicklung von
Fords Tin Lizzy nicht denkbar. Fords Konzept war bahnbrechend in der
Fliessbandproduktion. Hitler verteilte anfangs der dreissiger Jahre in der
Muenchner Parteizentrale nicht nur sein Hetzwerk Mein Kampf sondern auch
Henry Fords Hetzschrift Der Internationale Jude. Nachdem Krieg holten sich
die USA den Entwerfer und Entwickler der V2, Wernher von Braun, gruendeten
die NASA und flogen mit seiner Hilfe zum Mond. Herbert von Karajan war ein
begehrter Gastdirigent an der Metropolitan Opera in New York.
Es wird noch eine ganze Menge anderer Verbindungen und Verbindlichkeiten der
USA zu Deutschland geben und umgekehrt.