Mit freundlicher Genehmigung der Stadt Wien, MA 9
Fuer den Inhalt verantwortlich:
Herwig Wuertz
Rathaus, 1082 Wien
Herwig Wuertz
Direktor der Wiener Stadt- und Landesbibliothek
Zur Ausstellung
UEBER LITERATURZEITSCHRIFTEN
Gerhard Renner
Literaturzeitschriften - fuer die einen der zugige Vorhof der literarischen Prominenz, fuer die anderen eine Spielwiese der zu kurz Ge- kommenen, fuer die Verlage ein Talente- reservoir, auf das sie billigen Zugriff haben, fuer die Kulturpolitiker ein Ausweis der Lebendigkeit und Vielfalt der literarischen Szene. So findet jeder Positives ueber sie zu sagen, nur bei den Lesern, so die einhellige Klage, sind sie zu wenig praesent.
Eine Auswahl von 24 gegewaertig erscheinenden
oesterreichischen Literaturzeitschriften wird
hier vorgestellt, der Schwerpunkt liegt auf Wien,
aus den anderen Bundeslaendern haben wir nach
zugegeben subjektiven Vorlieben ausgewaehlt,
dabei aber die offiziellen oder offizioesen und
meist erkleckliche Teile des Literaturbudgets
verschlingenden Blaetter ausgespart. Sie sind
zwar meist die einzigen, die die Arbeit ihrer
Autoren auch honorieren, doch schmeckt ihre
Absicherung durch das heimatliche Kulturbudget
und das Naheverhaeltnis zu den Kulturverwaltungen
nach unlauterer Konkurrenz gegenueber den
anderen Literaturzeitschriften und auch der
Inhalt traegt manchmal den leisen aber auf-
dringlichen Duft von Weihrauch.
Insgesamt gibt es in Oesterreich seit Jahren
ziemlich konstant etwa 80 bis 90 literarische
Zeitschriften, wobei das Problem der Ab-
grenzung von anderen Zeitschriftentypen hier
ausgeklammert wird, zumal es zunehmend
unloebar zu werden scheint. Vergleicht man
diese Zahl mit jener im Jahr 1970,
als Hans F. Prokop eine Bibliographie der
Oesterreichischen Literaturzeitschriften
seit 1945 vorlegte, so muss fuer die
letzten zwanzig Jahre eine enorme Ver-
mehrung der Zeitschriften festgestellt
werden. Prokop zaehlte von 1945 bis
1970 insgesamt 27 Zeitschriften, die meist
nach wenigen Jahren ihr Erscheinen wieder
einstellten. Entscheidend erhoeht hat sich
die Anzahl der Literaturzeitschriften seit
der Mitte der 70er Jahre.
Ein kurzer statistischer Ueberblick wird
dies verdeutlichen.
So waren 1974 drei Neugruendungen zu ver-
zeichnen, 1975 neun, 1976 sogar 15, 1977
noch 13 und 1978 immer noch acht. Von den in
diesen Jahren gegruendeten Zeitschriften ist
der Grossteil inzwischen ebenfalls wieder ver-
schwunden, es haben aber doch mehr bis heute
durchgehalten als aus der Zeit davor.
Zwei Gruende moegen hier fuer diesen Zeit-
schriftenboom benannt werden. Zum einen
spielte die Ausweitung der oeffentlichen
Foerderungen eine gewisse, wenn auch
umstrittene Rolle. Sowohl der Bund als auch
einzelne Bundeslaender begannen zu Beginn der
siebziger Jahre Literaturzeitschriften explizit
zu foerdern, wozu die vermehrt in die
Oeffentlichkeit getragene Interessenpolitik
der Autoren das Ihre beigetragen haben duerfte.
Dann aber hat die Ausbildung von regionalen
literarischen Zirkeln, von Monaden des liter-
arischen Lebens in davon bislang unberuehrten
Gebieten dafuer gesorgt, dass das Beduerfnis
nach Artikulation und nach Oeffentlichkeit immer
breitere Kreise gezogen hat. Mit dem Ausgreifen
ins laendliche oder kleinstaedtische Oesterreich
haben die Literaturzeitschriften auch eine,
vergleicht man etwa die fuenfziger und sechziger
Jahre, entscheidende Wandlung durchgemacht.
Von hermetischen literarischen Organen,
bestimmt fuer einen selbstgenuegsamen Literatur-
betrieb, sind viele Zeitschriften in die Offensive
gegangen, haben regionale oder auch ueberregionale
politische und kulturpolitische Themen aufge-
nommen, damit eine weit groessere Oeffentlich-
keit erreicht und zugleich die eigenen Anliegen
wirkungsvoller vertreten. Neben der Verbindung
von Literatur mit der Entwicklung regionaler
Identitaet ist die Verknuepfung von Literatur mit
anderen Kuensten, vor allem mit der bildenden
Kunst, nach wie vor ein gueltiges und verbreitetes
Zeitschriftenkonzept geblieben.
Aus der nahezu stuermischen Entwicklung der Zeit-
schriften ergab sich ein weiterer Schritt:
Die Ausweitung mancher Blaetter, etwa von
>Frischfleisch und Loewenmaul<, >neue texte< oder
>Freibord< zu Kleinverlagen. Sie machten aus der
Not eine Tugend, sofern es denn eine Tugend von
Autoren sein kann, dem traditionellen oester-
reichischen Verlagswesen, das mit den
Veraenderungen im literarischen Leben Schritt hielt,
das Verlagshandwerk neu lehren zu wollen. Von
diesen historisch zwar nicht neuen, im Oesterreich
der Nachkriegszeit aber noch nicht gesehenen ver-
legerischen Initiativen waren die siebziger Jahre
stark gepraegt, so stark, dass Josef Haslinger den
lakonischen Satz schreiben konnte:
>Die literarische Oeffentlichkeit der siebziger
Jahre bestand in Oesterreich vor allem aus Eigen-
initiativen von Autoren.<
Die Frage, ob mit der stark zugenommenen Anzahl
der Zeitschriften auch eine zunehmende Anzahl von
Lesern einhergeht, kann nur mit Ja, wenn auch mit
zweifelndem Unterton, beantwortet werden.
Leserzahlen von Literaturzeitschriften sind
schwer zu eruieren, von der Marktforschung werden
sie, wohl mit Recht, ignoriert.
Nur die Zeitschrift >Literatur aus Oesterreich< hat
die Zahl ihrer Leser veroeffentlicht, sie soll um
6 000 liegen, bei einer Auflage von 2500 Exemplaren.
Diese Zeitschrift ist allerdings in einer
Institution verankert, hat also eine Reihe
von >automatischen< Abonnenten, trotzdem
scheint die Zahl der Leser eine von anderen Zeit-
schriften ungekannte Hoehe erreicht zu haben.
Man kann aber mit einiger Sicherheit davon ausgehen,
dass die thematische Erweiterung und die regionale
Differenzierung der Zeitschriften auch neue Leser
angezogen haben.
Von der Auflage her duerfte der steirische >Sterz<
unerreicht sein, er druckt 8 000 Stueck, von denen
etwa 30 - 50 Prozent verkauft werden. Von den
>protokollen< werden 1 600 Stueck gedruckt,
die >manuskripte< wie auch das >Wespennest<
erscheinen in einer Auflage von 3 000 Exemplaren,
wobei die >manuskripte< von Sonder-, Jubilaeums-
oder sonstigen Anlassnummern
hoehere Auflagen produzieren. Waehrend der >Sterz<
einen grossen Teil seiner Auflage ueber den Presse-
vertrieb in Oesterreich und in Deutschland absetzt,
verkaufen die >manuskripte< und das >Wespennest<
vorwiegend an Abonnenten. Das >Wespennest< haelt
derzeit bei 1 800 Abonnenten, die >manuskripte< bei
1 900, davon etwa 1 000 inlaendische und 900 aus
dem Ausland.
Eine Sonderstellung nimmt die Zeitschrift >Literatur
und Kritik< ein, von der als kulturellem Aushaengeschild
Oesterreichs eine grosse Zahl von Abonnements an
auslaendische Bibliotheken und Institute geht, insge-
samt hat die Zeitschrift bei einer Auflage von ca. 4 000
Exemplaren derzeit etwa 2 500 fixe Abnehmer, wobei
diese Zahl nach den inhaltlichen Neuerungen im letzten
Jahr laufend zunimmt.
Um 2 000 verkaufte Exemplare, dieses Ergebnis duerfte
im oberen Bereich dessen liegen, was fuer eine oester-
reichische Literaturzeitschrift erreichbar ist.
Wenn man dem Geruecht Glauben schenken kann,
dass selbst die renommierten >Akzente< aus dem
Hanser-Verlag in Muenchen um diese Marke pendeln,
so muss man jenenoesterreichischen Zeitschriften,
die sie erreichen, eigentlich gratulieren.
Sie haben im Zeitschriftenbereich den Vorsprung
deutscher Blaetter aufgeholt, sie zum Teil ueber-
fluegelt, was den oesterreichischen Buchverlegern
bis heute nicht einmal im Ansatz gelungen ist.
Die untere Grenze der Auflagen ist schwer feststellbar.
Unter einer Auflage von 150 Stueck konnte keine
Zeitschrift ermittelt werden, im Bereich von 200 bis
500 Exemplaren, also einer Auflagenhoehe, die noch
billig herzustellen ist, duerften sich viele der kleineren
Blaetter bewegen.
Sie koennen natuerlich nicht die eingespielten
Verbreitungskanaele grosser Zeitungen und Zeitschriften
nuetzen, denn die Pressevertriebe nehmen unter einer
Auflage von 2 000 Exemplaren in der Regel kein Blatt
in ihr Angebot.
Fuer die kleineren Zeitschriften erweisen sich daher
die traditionellen Methoden des Vertriebs von Publika-
tionen mit der Aura des Selbstverlages als solider und
erfolgversprechender. Bei Lesungen und sonstigen
Veranstaltungen nimmt das Publikum gerne mit nach
Hause, was ihm gefallen hat, was es noch einmal nach-
lesen moechte oder was beim ersten Hoeren nicht recht
verstaendlich ber doch verstehenswert erschien.
Und der Handverkauf ist in den Staedten eine auch von
grossen Zeitungen entdeckte kostenguenstige Vertriebs-
moeglichkeit.
Aber, wie Gernot Lauffer vom >Sterz< meint, bei Zeit-
schriften ist es weniger wichtig, wer sie liest, sondern
ob sie jemand macht und damit ein Forum fuer soziale
Kommunikation herstellt, die anderswo nicht stattfinden
kann. Damit sind wir bei den Autoren, von denen die
Literaturzeitschriften, bis auf ganz wenige Ausnahmen,
herausgegeben, redigiert und manchmal auch herge-
stellt und vertrieben werden. Seit der Dokumentation
von Gerhard Ruiss und Hannes Vyoral ueber die Situation
junger oesterreichischer Autoren (1978) ist bekannt, in
welchem Ausmass Literaturzeitschriften von den Autoren
als Publikationsmoeglichkeit genutzt werden.
1978 publizierten von den hauptberuflichen Autoren
91,4 Prozent in Literaturzeitschriften, sie liegen damit
nach dem Rundfunk an zweiter Stelle der genutzten
Medien. Bei den teilberuflich taetigen Autoren liegen die
Literaturzeitschriften an der Spitze der genutzten Medien,
ebenso, mit grossem Abstand, bei den nebenberuflich
taetigen Autoren. Alle oesterreichischen Autoren, so der
verkuerzte Schluss aus diesen Zahlen, publizieren in
Literaturzeitschriften, wenngleich kaum eine Zeitschrift
Honorare zahlt und dies fuer die hauptberuflich taetigen
Autoren sicher nur schwer verkraftbar ist. Fuer die
Autoren ist aber wichtig, dass sich Zeitschriften an eine
andere Oeffentlichkeit als Buecher richten.
Unabhaengig vom staerker der Mode unterworfenen
Buchmarkt koennen in den Zeitschriften traditionelle
Moeglichkeiten des Schreibens weiterhin gepfegt werden,
aber auch nicht mehr reuessierende avantgardistische
Literatur kann quasi in einer anderen Schichte des
literarischen Lebens aufgehoben werden.
Die Schattenseiten der Einheit von Autor und Produzent
werden aber nach dem Abflauen der Begeisterung nicht
mehr verschwiegen. Josef Haslinger hat in einem
beklemmenden Essay ueber die Literatur der siebziger
Jahre den realtypischen Weg des Autors vom Stipendien-
empfaenger zum Kulturfunktionaer oder zum Zeitschriften-
herausgeber nachgezogen. In der Bedeckung des
Schreibtisches mit Zeitschriftenkorrespondenz und fremden
Manuskripten statt mit den eigenen Arbeiten findet die
Problematik dieses meist vorlaeufig und mit Vorbehalten
vollzogenen Rollenwechsels einen fuer den Autor
peinlich scharfen Ausdruck. Doppelt beeindruckt sollte
man deshalb von der Begeisterung sein, mit der die
Zeitschriftenherausgeber und -redakteure ihrem > Geschaeft<
nachgehen, das selten genug eines im merkantilen Sinne ist.
Literatur:
... steht unter dem neuen programmatischen Titel ...
den Autoren des Landes zur Publikationen zur
Verfuegung ...(Johannes Twaroch)
Literatur aus Oesterreich 37 (1992), H. 217.
Literatur aus Oesterreich ist die aelteste noch bestehende Literaturzeitschrift Oesterreichs. Sie wurde 1955 unter dem Titel >Heimatland. Schrifttum aus Oesterreich< als Publikationsorgan der Kulturgemeinschaft >Der Kreis< gegruendet und wird seit 1986 von der Arbeitsgemeinschaft Literatur im Niederoesterreichischen Bildungs- und Heimatwerk betreut. Der Leiter der Abteilung Literatur von Radio Niederoesterreich, Johannes Twaroch, zeichnet seither fuer die Herausgabe verantwortlich, Redakteur ist der Wr. Neustaedter Romancier und Satiriker Peter Schuster, dem Redaktionskomitee gehoeren unter anderen Jeannie Ebner, Albert Janetschek, Johann Jonas-Lichtenwallner und bis zu seinem Tod im Jahre 1991 auch Hans Weigel an. Derzeit hat >Literatur aus Oesterreich< etwa 6 000 Leser bei der fuer eine Literaturzeitschrift hohen Auflage von 2 500 Exemplaren, von denen etwa 200 Stueck an die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Literatur des Niederoesterreichischen Bildungs- und Heimatwerkes gehen. Die Zeitschrift bringt Texte eher juengerer zeitgenoessischer Autoren, vor allem aus Wien und Niederoesterreich. Formal Ueberwiegen Lyrik und Kurzprosa. In jeder Nummer werden auch Buecher vorgestellt, darunter Publikationen im Eigen- verlag von Autoren und Buecher aus kleinen Verlagen, die in der Tagespresse oft kaum beachtet werden. Eine klare, unspektakulaere graphische Gestaltung laesst keinen Zweifel an der zentralen Stellung der Texte in der Zeitschrift.
* Ganz objektiv. In: Literatur aus Oesterreich 36 (1991), H.216, S. 213. Lange Zeit brachte die Zeitschrift neben den Rezensionen nur literarische Texte, selten einen kleinen kritischen oder literarhistorischen Essay. Ende 1991 ist die Rubrik >Pranger< eingerichtet worden, in der prononcierte kritische Stellung- nahmen zur Debatte einladen und herausfordern.
* Forum. In: Literatur aus Oesterreich 35 (1990), H. 208 Ein Forum fuer Leserbriefe ist in einer Literaturzeitschrift noch immer eine seltene Einrichtung. In >Literatur aus Oesterreich< gibt es diese Rubrik seit Jahren, doch wurde sie, wohl aus Mangel an Reaktionen, nicht regelmassig aufgenommen. Im vorliegenden Heft hat eine boese Kritik von Peter Zumpf eine Reihe von Lesern zu protestierenden Briefen herausgefordert. Seitdem im >Pranger< auch kontroverse Beitraege erscheinen, scheint der Kontakt der Leser zur Zeitschrift intensiver geworden zu sein.
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.. . das Revolutionsprinzip kann nur Sieg der Literatur sein, der Kunst ueberhaupt, soweit sie eben Angriff ist und nicht Bewahrung ... (Alfred Kolleritsch)
Die manukripte, herausgegeben von Alfred Kolleritsch und
Guenter Waldorf, gelten als die beste Literaturzeitschrift
Oesterreichs, ja des gesamten deutschsprachigen Raums.
Die Zeitschrift ist gepraegt von fruehen Auseinandersetzungen,
die heute leicht vergessen werden. Der Kampf gegen die
Grazer Kulturpolitik und die ansaessige Kultur-Journalistik,
gegen die Ablehnung der Wiener Gruppe, gegen die
Verkalkung des P.E.N.-Klubs, all das hat das Selbstver-
staendnis der manuskripte gepraegt, aber daneben, davor
und danach haben sie nie ihren Anspruch auf gute Literatur,
auf aesthetische Qualitaet aufgegeben. Die Auseinander-
setzung zwischen einem politisch-funktionalen Realismus
und einer die Sprache selbst als primaere Vermittlerin von
Wirklichkeit thematisierenden Literatur erreichte ihren
Hoehepunkt bereits 1969, als gegen die Thesen Michael
Scharangs, publiziert in einem >offenen Brief< an die
manuskripte, Peter Handke und Alfred Kolleritsch
antraten.
Der im Zusammenhang der Manuskripte vielleicht
ueberraschende Satz von Alfred Kolleritsch, dass Kunst
nach wie vor ein Mittel der Veraenderung sei, beschreibt
die durch Erfahrung gewonnene Erkenntnis, dass >konkrete
Gedichte in Oesterreich ein politischer Akt seien<, dass eben
aesthetische Phaeomene in Oesterreich schaerfste Reaktionen
hervorrufen. Der Riss zwischen >der Moderne und der
Oeffentlichkeit< klafft sosehr, dass er politische Dimensionen
hat. Die Wunde Kunst offenzuhalten, daran arbeitete in den
manuskripten die gesellschaftskritische wie auch die
aesthetisch experimentelle Literatur. Auf ihre Art beteiligten
sie sich an dem Ende der sechziger Jahre so gewaltig
wuchernden Projekt, die Verhaeltnisse mit Hilfe der Literatur
ins Wanken zu bringen.
Von den spartanischen, meist Graphik und Text kombinierenden
Umschlaegen der sechziger Jahre haben die manuskripte
heute zu einer besonderen Form der aeusseren Gestaltung
gefunden. Die Umschlaege von je drei aufeinanderfolgende
Ausgaben werden von dem gleichen Maler gestaltet. 1988
war dies Peter Pongratz, es folgten Franz Ringel und
Maria Lassnigg.
Die manuskripte publizieren jedes Jahr die Beitraege zum Literatursymposion des Steirischen Herbstes. Die Nummer 106 enthielt die Texte des Symposions 1989, das unter dem Motto >Weiterschreiben< den ungewissen Fortgang der Literatur thematisierte.
Literatur:
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Mladje, zu deutsch Jungholz, wurde 1960 als zwei- sprachige, also slowenische und deutsche Zeitschrift gegruendet. Der Romancier Florjan Lipus redigierte sie bis 1980, heute betreut die Kaerntner Lyrikerin und Erzaehlerin Maja Haderlap neben einer Reihe weiterer slowenisch oder deutsch schreibender Autoren aus Kaernten die Redaktion.
1990 wurde das aeussere Erscheinungsbild der Zeitschrift,
das bis auf kleinere Korrekturen unveraendert geblieben
war, neu gestaltet.
Waehrend bis Ende der achtziger Jahre noch deutsch-
sprachige Texte aufgenommen wurden, hat sich das Bild
seither gewandelt. Oesterreichische Autoren, die deutsch
schreiben, werden ins Slowenische uebersetzt und in
Mladje publiziert. In Heft 69 sind Josef Haslinger und Franz
Schuh vertreten, in den folgenden Heften Michael Gutten-
brunner und Peter Waterhouse. Die Inhaltsuebersicht ist
sowohl slowenisch, als auch deutsch und italienisch,
da in der Zeitschrift auch Autoren der slowenischen Minder-
heit in Italien publizieren.
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.. in der neuen Literatur und Kritik mag es denn ironisch und bitter, poetisch und polemisch, angriffslustig und verzweifelt, serioes oder verspielt, niemals aber sachlich zugehen ... (Karl-Markus Gauss)
Literatur und Kritik war nach der Einstellung von >Wort in
der Zeit< zur quasi offiziellen Literaturzeitschrift
Oesterreichs geworden.
Urspruenglich herausgegeben von Rudolf Henz, Paul
Kruntorad und Gerhard Fritsch, uebernahm Jeannie Ebner
nach dem Tode von Fritsch die Redaktion und fuehrte sie bis
1979. Ihr folgte Kurt Klinger. Durch ministerielle Hilfe im
Ausland weit verbreitet, verlor sie aber im Inland zunehmend
an Boden, an Lesern und an Auflage. Eine vom Verlag
initiierte Neuorientierung setzte 1991 ein, als Karl-Markus
Gauss gemeinsam mit Max Blaeulich, Ludwig Hartinger,
Herbert Ohrlinger und Klemens Renoldner die Redaktion
uebernahm.
Die Zeitschrift wird von der neuen Redaktion schaerfer an die oesterreichische Gegenwart herangefuehrt, begreift sich aber auch enger verbunden mit der Literatur Mitteleuropas. Sie hat die Tradition der >Kulturbriefe< wiederaufgenommen, in denen ueber die kulturelle Situation in den verschiedensten Winkeln der Welt berichtet wird und behandelt in jeder Nummer unter dem Titel >Dossier< einen thematischen Schwerpunkt.
Die aeusser Gestaltung knuepft seit 1991 wieder an das Vorbild der sechziger Jahre an. Auf Grund eines Urheber- rechtsstreites um den Titel musten aber zwei Hefte mit ver- stuemmelter Titelzeile erscheinen.
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... Protokolle ueber ein Wien ohne Porzellanreiter, Titelmasken von Schubert oder Beethoven und Luftballons mit dem Steffel... (Gerhard Fritsch)
Gerhard Fritsch hatte seit 1960 die Redaktion der offizioesen oesterreichischen Literaturzeitschrift >Wort in der Zeit< besorgt, wurde aber 1964, nachdem er die Zeitschrift fuer die oester- reichische Avantgarde geoeffnet hatte, aus der Redaktion entfernt. Der Verlag Jugend und Volk bot ihm daraufhin als >Zuckerl< (Otto Breicha) an, ein auf Wien konzentriertes Jahrbuch heraus- zugeben. 1966 erschien der erste Band dieser >Protokolle<, mit dem Untertitel >Wiener Jahresschrift fuer Literatur, bildende Kunst und Musik<, redigiert von Gerhard Fritsch und Otto Breicha. Das Jahrbuch, das seit 1971 zweimal und von 1979 bis 1982 sogar viermal jaehrlich erschien, war als >Lese- und Schaubuch< konzipiert, ein Buchtyp, den Breicha und Fritsch fuer ihre Anthologie >Finale und Auftakt <(Salzburg 1964) entwickelt hatten. 1969 beging Gerhard Fritsch Selbstmord, seither werden die Protokolle von Otto Breicha redigiert.
Der neutrale Titel Protokolle, der anzudeuten scheint, dass sich die Zeitschrift als Parlamentsstenograph des kuenstlerischen Lebens in Wien versteht, entaeuscht erheblich. Die Gruendung der Protokolle fiel in eine Zeit, in der die Wiener Gruppe und ihre aesthetischen Verwandten sich im literarischen Leben deutlicher bemerkbar machte. 1967 erschien die von Gerhard Ruehm herausgegebene umfangreiche Sammlung von Texten der Wiener Gruppe, Friederike Mayroecker (Tod durch Musen, 1966) und Ernst Jandl (Laut und Luise, 1966) publizierten ihre ersten grossen Buecher. Die Protokolle legten ein gewichtiges Wort ein fuer diese experimentelle Literatur und fuer den Wiener Aktionismus. Der erste Band des Jahre 1990 steht in dieser Tradition, er beschaeftigt sich mit der Rezeptionsgeschichte des Wiener Aktionismus und enthaelt Texte von Guenther Brus und Hermann Nitsch.
Literatur:
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... wir haben damals eine eher praktische Idee von Lyrik und von Prosa gehabt, man muestΣte also etwas damit anfangen koennen, man muesste sich doch einmischen koennen in den Bewusstseinsbildungsprozess, der im Gang und spuerbar war ... (Peter Henisch)
Das Wespennest entstand in einer Situation, in der es fuer junge Autoren kaum eine MÓglichkeit gab, Texte ausserhalb der Mainstreams der Literatur zu publizieren. Die Gruender der Zeitschrift, Peter Henisch und Helmut Zenker, sahen sich einge- klemmt zwischen dem aesthetischen Anspruch der Texte in der Zeitschrift manuskripte, der im P.E.N.-Klub vertretenen traditio- nellen Literatur und der Konkreten Poesie. Der Untertitel >Zeitschrift fuer brauchbare Texte< , ersonnen von Peter Henisch, richtete sich gegen Literatur, die sich in aesthetischer Qualitaet und Sprachkritik auf sich selbst bezog und sich selbst auch genuegte. Keinem dieser Paradigmen fuehlten sich die fruehen Wespennest-Autoren zugehoerig und die Konsequenz, fuer eine andernfalls unhoerbare Stimme eine eigene Zeitschrift zu gruenden, lag durchaus im Trend der Zeit: >Entsprechend der Forderung nach Selbstverwaltung und Selbstorganisation der Produzenten nahmen einige der Autoren die Verbreitung ihrer Texte selber in die Hand. Sie waren Redakteure der Zeitschrift und zugleich Setzer, Buchbinder, Versand- und Vertriebspersonal.< (Gustav Ernst, 1989) Zu Beginn also war das Wespennest die Zeitschrift einer verschworenen Gruppe, die Autoren schrieben nur fuer diese Zeitschrift und gewoehnten sich muehsam an das Geschaeft, Texte von anderen Autoren fuer das Wespennest auszuwaehlen. Im Beurteilen fremder Texte, so Zenker zwanzig Jahre spaeter, >waren wir besondere Nieten, weil wir ja nachweislich alle Autoren, die dann in den Siebziger Jahren aufgekommen sind, etwa Innerhofer oder Wolfgruber, zuerst abgelehnt haben ... Max Maetz ist auch so ein Beispiel.< Die Zeitschrift wird heute herausgegeben von Gustav Ernst, Walter Famler, Karin Fleischanderl, Josef Haslinger, Thomas Redl, E. A. Richter und Franz Schuh, die den Verein Gruppe Wespennest bilden. Die beiden Hefte belegen das Interesse der Zeitschrift an der Gattung des Essays, das auf die theoretischen Debatten um den Wert der Literatur zu Beginn der Zeitschrift zurueckgeht. Die >Wiener Vorlesungen zur Literatur<, veranstaltet vom Kunstverein Wien in der >Alten Schmiede<, werden betreut von Josef Haslinger, der seit 1977 der Redaktion der Zeitschrift angehoert.
Ende der 70er Jahre wurde der Untertitel >Zeitschrift fuer brauchbare Texte< erweitert auf >Zeitschrift fuer brauch- bare Texte und Bilder<. Die Beigaben aus dem Bereich der bildenden Kunst sind trotzdem spaerlich geblieben. Hansi Linthaler, Buchillustrator und Cartoonist ist als einer der wenigen bildenden Kuenstler haeufiger im Wespennest vertreten.
Heute begreift sich das Wespennest nicht mehr als nur nationale Literaturzeitschrift. Unbequeme und an der oester- reichische Realitaet sich reibende Texte sind noch immer zu finden, etwa die Essays von Franz Schuh oder die Literatur- kritiken von Antonio Fian. Vermehrt wird aber auch Weltliteratur hereingeholt, analysiert und vorgestellt, wobei auch kleinere und wenig praesente Literaturen beruecksichtigt werden, wie die slowenische oder die ungarische Literatur (Nr. 84). Weitere Schwerpunkthefte galten der latein- amerikanischen Literatur (Nr. 79), der italienischen Literatur (Nr. 78), der Literatur in den USA (Nr. 81) oder der russischen Literatur (Nr. 85). In der oesterreichischen Verlagswelt findet die Weltliteratur meist in Wespennest den Schlusspunkt ihrer Verbreitung. Es fehlt an Verlagen, die das Anliegen der Zeit- schrift weiter tragen, in ein breiteres Publikum, als dies einer Literaturzeitschrift moeglich ist.
Literatur:
Zum zwanzigsten Jahrestag. [Gespraech von Walter
Famler mit Peter Henisch und Helmut Zenker.] In: Wespennest
1989. Nr. 76, S. 2-5. -
Wespennest. 20 Jahre brauchbare Texte. Hrsg. v. Gustav
Ernst u. Walter Famler. Wien, Zuerich: Europaverlag 1989. -
20 Jahre Wespennest 1969-1989.
Ein Register der Nummern 1-75. Zusammengestellt von
Helmut Maurer. Wien: Dokumentationsstelle fuer neuere
oesterreichische Literatur und Verein Gruppe Wespennest
1989 (Zirkular; Sondernummer 19). -
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... wird podium allen dem niederoesterreichischen Raum verbundenen Schreibenden offen stehen, den avant- gardistischen wie den traditionellen, den engagierten ... wie den Vertretern der sogenannten reinen oder absoluten Kunst ... (Wilhelm Szabo)
Anlaesslich des zehnjaehrigen Bestehens stellte das Podium die lange Reihe der Autoren vor, die in der Zeit- schrift publiziert hatten. Als Publikationsorgan des gleich- namigen niederoesterreichischen Literaturkreises war Podium 1971 aus der Unzufriedenheit mit der Situation der Literatur und der Autoren in Niederoesterreich entstanden. Es gab in Niederoesterreich > kein literarisches Leben, keine Gelegenheit zur Begegnung in Form des Literatur- gespraechs und der Diskussion<, sowie kaum verlegerische und publizistische Moeglichkeiten. Gegruendet von Alois Vogel und Alfred Gesswein, hatte Alois Vogel nach dem Tode Gessweins von 1961 bis 1991 die Redaktion geleitet. 1992, im Jahr seines siebzigsten Geburtstages, gab er das Amt an die 1944 geborene Erzaehlerin Marianne Gruber ab. Neben ihr und Renate Lerperger, die schon in der Aera in der Redaktion mitgearbeitet hatte, gehoeren der Redaktion heute auch noch Friedrich Hahn und Manfred Chobot an.
Der Gruender des Literaturkreises Podium, der Lyriker Wilhelm Szabo starb im Dezember 1986. Von ihm stammte das Konzept einer losen Autorenvereinigung, die sich, weder zusammengehalten noch getrennt durch kuenst- lerische Fragen, allein einer Intensivierung des literarischen Lebens in Niederoesterreich verschreiben sollte. Ihm wurde Heft 61/62 der Zeitschrift gewidmnet, das neben Photos, Gedenkartikeln, Nachrufen und Analysen von Szabos Werk auch viele bis dato unveroeffentlichte Gedichte enthielt.
Selten widmete das Podium ein ganzes Heft einem einzigen Thema. Ausnahmen sind die Symposien, die von Zeit zu Zeit im Umfeld der Zeitschrift organisiert werden, sowie das vorliegende Heft, das jenen Schriftstellern gewidmet ist, die durch Selbstmord aus dem Leben schieden.
Literatur:
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.. Ermordete und Ignorierte, Totgesagte, Bespieene,
Verworfene ...
... aus Aktionismus, Wiener Gruppe und Folge-Elementen
komponiertes Kunstereignis ...
Die Zeitschrift wurde 1975 in einer gemeinsamen Initiative
von Hermann Schuerrer und Gerhard Jaschke gegruendet.
Der Name, von Gerhard Jaschke angeblich in einem
Schiffslexikon entdeckt, ist einer der wenigen wirklich
originellen Zeitschriftentitel, die ja meist ein seit langem vor-
gegebenes Repertoire variieren. Freibord meint, als schiffs-
technischer Fachausdruck, >die Hoehe der Oberkante des
Decks ueber Wasser, mittschiffs gemessen.<
(Meyers Grosses Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1904).
Die Metaphorik des Namens erstreckt sich einmal auf den
Teil des Schiffes, der ueber Wasser ist, laesst sich aber auch
ausdehnen auf weitere Aspekte des >Freibords<.
Denn, so weiss Meyer, vom >Freibord ist die Sicherheit des
Schiffs abhaengig, weshalb in vielen Staaten Gesetze seine
Groesse fuer jede Schiffsart bestimmen.>Die Grosse unseres
Freibords ist nicht durch Gesetze festgelegt, hoechstens
seine uebergebuehrliche Entfaltung durch sie gehemmt.
Die Sicherheit des Schiffs jedoch, des Schiffes Erde,
des Schiffes Literatur, vielleicht auch des Schiffes
Oesterreich, liegt Freibord, wenn auch nicht auf den
ersten Blick erkennbar, am Herzen.
Die ersten Jahre wurde die Zeitschrift von einem Team,
gebildet von fuenf Autoren und der Malerin Ingrid Th.
Wald redigiert. Das Plakat zeigt die Mitglieder der
Redaktion in einer Faehre auf dem Donaukanal.
Von links nach rechts: Camillo Schaefer, Hermann
Schuerrer, Ingrid Th. Wald, Wolfgang Hemel,
Gerhard Jaschke, Bernt Burchhart.
Hermann Schuerrer, Zeit seines Lebens die Zentralfigur
von Freibord, schlaegt weniger literarische als politische Themen
an:
Gegenpositionen zur Integration in die Welt des Konsumismus
und der Massenmedien, Verfuehrung zum Denken, der Akzent
auf dem konfrontationsfaehigen, informierten Menschen und
schliesslich, die Metapher von Lupe und Fernrohr gebrauchend,
der Hinweis auf die Vielen, die am Horizont eines konventionellen
Blickfeldes nicht sichtbar werden.
Druck- und Schreibkapazitaet der Freibord-Autoren dehnten sich auf die unterschiedlichsten Medien aus, vom selbst- staendigen Buch ueber das Plakat bis zur Postkarte, die mit Zitaten fuer Publikationen des Verlags wirbt oder als selbst- staendige Mail-art Invention praesentiert wird.
Neben der Zeitschrift selbst gibt es auch eine >Sonderreihe<, in der Werke von Autoren gesammelt werden, die der Zeitschrift nahestehen, darueber hinaus auch >Sonderdrucke<, eine Reihe fuer Texte geringeren Umfangs, den Broschueren des 18. Jahrhunderts nicht unaehnlich. Wie Jaschke immer mehr zu einer Verbindung von Graphik und Literatur vorge- stossen ist, beginnt nun auch die Wahrnehmung aehnlicher Tendenzen in anderen Literaturen. Bemerkbar macht sich dabei eine Oeffnung zu anderen Literaturen, der sich in juengster Zeit viele Zeitschriften angeschlossen haben.
* Freibord 1984, Nr. 41/42: Text-Bild-Musik. Ein Schau- und Lesebuch, S. 218: Wie man im havelka klassiker liest. Dieses Freibord-Heft versammelte erstmals die verstreuten theoretischen Texte von Gerhard Ruehm zur Literatur, zur bildenden Kunst und zur Musik, brachte eine Reihe von neuen Sprechtexten und Schriftzeichnungen, sowie neue Dialektgedichte von Ruehm.
Freibord ist eine der Zeitschriften, die auf dem Weg zum Leser
noch nicht verzagt haben.
Als Resume nach 5 Jahren Freibord zog Jaschke den
buendigen Schluss: >Je mehr Leser, desto Freibord.
Freibord-die Zeitschrift fuer alle.
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