La Biennale di Venezia
Die Katalogbaende - besprochen von Franz Krahberger
Arch. DI Bettina Götz (geb. 1962 in Bludenz) studierte an der Technischen
Universität Graz Architektur. Seit 1985 führt sie gemeinsam mit Architekt Richard Manahl das Büro ARTEC Architekten in Wien. Im Jahr 2000 war Götz Gastprofessorin am Institut für Gebäudelehre der TU Wien. Sie ist seit 2006 Professorin für Entwerfen und Baukonstruktion an der Universität der Künste in Berlin. Von 2005 bis 2007 war sie im Beirat für Architektur und Design der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes. 2005 erhielt sie mit Richard Manahl den Preis der Stadt Wien für Architektur.
Sowohl Bettina Goetz wie ihren Partner Richard Manahl kann man in der Architektur dem Purismus zuordnen. Sichtbeton, wenn auch in bester Verarbeitung, viel Glas und Licht, strukturiertes Metall, Klarheit bis hin zu minimalistischer Kargheit, skulptural. Steht auch in Zusammenhang mit Entwicklungen in der Schweiz, damals noch Brutalismus (siehe ebenso Reyner Banham und Le Corbusier) genannt, abgeleitet von beton brut > Rohbeton. In dieser Linie kann man in Oesterreich Guenter Domenig, dessen Steinhaus nach jahrzehntelanger Bauzeit aktuell fertiggestellt worden ist, Eilef Huth, in der Schweiz Peter Zumthor, und unter anderen Jabornegg & Pálffy sehen.
Tatsaechlich ist Bettina Goetze fuer Venedig eine interessante Auswahl gelungen, die einerseits das Lebenswerk des Tiroler Architekten Josef Lackner wuerdigt und ins Gedaechtnis ruft,
sowie Entwurfsarbeiten des Architektenteams PAUHOF zeigt. Zum aktuellen Wohnbau werden interessante Projekte praesentiert und diskutiert.
Ich halte diese Praesentation fuer nicht daneben angelegt. Man muss nicht immer die Stararchitekten beim Schaufenster raushaengen. Architektur betrifft uns alle und vor
allem den alltaeglichen Lebensraum.
Auszug aus der Biennale Website Position 2
PAUHOF architekten
…die Form an und für sich ist in der Architektur undenkbar, sich auf formalästhetische Untersuchungen zu beschränken, nicht zielführend. Nimmt man die Probleme der Gegenwart ernst, bedarf es der Erfindungen, muss die Schaffung neuer Wirklichkeiten angestrebt werden.
…die einzige Bedingung für unsere Arbeiten ist, dass sie eine Notwendigkeit haben, aber auch eine Fremdheit - und sie haben sie in dem Maße, in dem sie dem Realen entsprechen.
…Kontraste sind einer künstlichen Harmonie vorzuziehen, wenn es die unausweichliche Beziehung zwischen Form und Funktion erfordert.
…wir experimentieren mit einer dreidimensionalen Logik, die implikatorische Spannungsfelder und Intensitäten erzeugen soll. Bei der Konzeption von Gebäuden geschieht das mittels der Einbeziehung von "Implied Volumes", das ist teils begrenztes, teils imaginiertes, unterschobenes "Nichts". Geschlossene, genau determinierte Bereiche für geschützte oder private Nutzungen - eindeutig und klar proportionierte Volumen - überlagern funktionell unterdeterminierte, aber architektonisch präzis kalkulierte Leerräume, die den sich ständig verändernden Lebensbedingungen der Stadt angepasst werden können. In der Struktur sollte eine raumgewordene Beziehung zwischen Individuum und Kollektiv entstehen.
PAUHOF architekten
Michael Hofstätter (geb. 1953) und Wolfgang Pauzenberger (geb. 1955)
gründen 1986 PAUHOF architekten. PAUHOFs Aktivitäten bestehen aus urbanistischen Studien, aus experimentellen Architekturprojekten, aus nationalen und internationalen Wettbewerbsbeiträgen, Ausstellungen, Ausstellungsbeteiligungen, Ausstellungsgestaltungen ...
Interessant fuer mich war meine Auseinandersetzung mit der Farbabbildung (Colour Prints) des Hauses D in Brixen. Ich habe geraetselt, ob dies nun eine Abbildung eines realen Baus oder eine Computersimulation ist. Nach laengerem Nachdenken und Googelei bin ich zum Schluss gekommen, dass es gebaut worden ist. Sollte ich mich irren, bitte ich um Berichtigung. Der Einfluss aktueller computer gestuetzter Entwurfstechnologien, die der Architektur bisher nicht zu erreichende Freiheitsgrade ermoeglicht, ist in der venezianischen Praesentation nicht erfasst bzw. bleibt verborgen.
Auszug aus der Biennale Website Position 3 - Wohnbau als Anlass
Die Ansprüche an das Wohnen wandeln sich erheblich. Anlass für innovative Architektur aber ist der Wohnbau schon länger nicht. Impulse für einen kreativen Umgang mit unseren Wohnbedürfnissen sind also überfällig.
Gegenüber der jahrzehntelangen Zersiedelung der Regionen könnte aber gerade Österreich mit seiner immer noch erheblichen staatlichen Investition in den Wohnungsbau diesen als Baustein für Städtebau und Stadterneuerung zur Basis einer neuen Architektur der Stadt werden lassen.
Neue Lebensstile und Milieus, die Alterung der Gesellschaft, ein neues Verhältnis von Arbeit und Freizeit und damit gestiegene Erwartungen an das Wohnumfeld, die Renaissance und, so in Wien, gar das Wachstum der Stadt bei gleichzeitigem Schrumpfen der Bevölkerung, so in der Steiermark, und einer Krise der Innenstädte, wie in den kleinen Städten in Tirol - all diese widersprüchlichen Tendenzen erfordern neue architektonische Antworten. Oder auch den Rückgriff auf frühere, zu Unrecht vergessene Experimente und Prototypen.
In sieben Gesprächen mit Werner Sewing entwickeln österreichische Architekten konzeptionelle Antworten auf diese Herausforderung und demonstrieren diese an ihren eigenen Bauten.
maria flöckner und hermann schnöll
henke und schreieck Architekten
Jabornegg & Pálffy
marte.marte architekten
Wolfgang Pöschl, tatanka ideenvertriebsgmbh
Riegler Riewe Architekten
gerhard steixner Architekt
Diese Praesentation verleitet mich zum reizvollen Gedankenspiel, mir ein Haus meiner Wuensche vorzustellen. Ich habe mein lebenlang auf Miete gewohnt, und so mit vorgegebenen Wohnraum, der mir allerdings stets in seiner Auffuellung zur Bibliothek geraten ist. Heute wuerde ich jedoch entschieden anderen Lebensbeduerfnissen mehr Raum einraeumen. Es wird allerdings beim virtuellen Wohnvorstellungsspiel bleiben, da sich Realisierung mit meinen kargen finanziellen Mitteln nicht ausgehen wird. Reizvoll waere es doch. Im Gegensatz zum nomadisierenden Peter Weibel, siehe sein Entwurf Mobil Home: 4 Kartons auf Stechkarre, bin ich ein sesshafter Mensch. Weibels Ausruestung ist nun ergaenzt. Den Laptop hat er umgehaengt, den Black Berry Handheld hat er in der Linken. Der mp3 Player plaerrt im Otto Muehls Algarven Abschiedssong ins Ohr, ganz morphilla hotelgemaess. Das stoert den Peter nicht weiters, weil er jetzt ohnehin mit der Francesca Thyssen Hapsburg in Andalusien in einem aufgelassenen Kloster mit angegliedeter heruntergefahrener Oblattenbaeckerei ein Kunstpaket geschnuerrt hat. Bleibt noch die rechte Hand frei fuer einen Becher Espresso aus der Automatenkaffeebox, den er am Flughafen Madrid auf dem Rueckflug nach Stuttgart noch in der gschwinden hinunter schlucken kann.
Ich will jetzt dem Weibel keins auswischen. Die Grazer Nomadologie mit ihren temporaeren Architekturvorstellungen war entschieden mehr im Cyberraum als im Realraum angesiedelt. Sie war schlicht und einfach Show und damit spektakulaer wie verfuehrerisch. Wohnen und leben ist jedoch eher im Realraum anzusiedeln. Nachhaltige Lebensverhaeltnisse sind noch alle mal anstrebenswerter als vazierende. So gesehen liegt der heurige Oesterreichbeitrag in Venedig im richtigen Schnittmengenverhaeltnis von Architektur, privatem und oeffentlichen Raum, von Leben und Gesellschaft.
Hermann Czech in seinem Katalogbeitrag ueber Otto Wagner.Bei ihm handelt es sich um die Polemik der Sprache, um Argumentation. Seine Architektur war nie unrealisierbar; sie war Korrektur des Mainstreams. Czech bemaengelt,dass heute die Stadtstruktur verloren geht, und allein dem Investoreninteresse geopfert wird. Damit stelle sich ein topographisch chaotischer Zustand ein, in dem die aufgesuchten Adressen nur mehr sehr schwer auffindbar sind. Also voellige Desorientierung des Raeumlichen wie des Geistigen.PAUHOF waehlen in dieser Situation die Polemik des Projekts. Einmal wird die Uebung gelingen., so Hermann Czech.
Die beiden Ausstellungsbaende wurden von Springer Wien New York sorgfaeltig editiert und
von Holzhausen gedruckt. ISBN 978-3-211-09425-9. Empfehlenswert !
Paul Floras Grottenbad auf der Hungerburg in Innsbruck. 1969-70
Foto Wolfgang Feil
Binder Schichtholzwerk Jenbach: Fassade und Innanansicht 1996
Fotos Christof Lackner / Architekturzentrum Wien
MK Jugendzentrum Innsbruck, Sporthalle. 1963 -1964. Die gesamte Anlage wurde 2003 abgerissen. *
Fotos Atelier Gasser / Architekturzentrum Wien
Sakralraum St.Pius X Parish Church, Innsbruck 1958 - 1960
Fotos Nikolaus Schletterer
Schule der Ursulinen, Innsbruck. 1971 - 1979
Pavillon Austria, Venedig. Modell 1990
Foto von Paul Giuliani
Bibliotheca Alexandrina, Egypt, 1989
Collage, Druck auf Leinwand
Neuer urbaner Komplex, Linzer Tuchfabrik 1991
Modell: Aluminium / Stahl / Karton
Foto Phippe Magnon
Haus D, Brixen 2004
Farbprints Walter Niedermayer 2007
Gerhard Steixner. Haus F fuer Beat Furrer (standard solar III), Kritzendorf 1997
Fotos: Erwin Reichmann
Marte.Marte Architekten, Dafins / Vorarlberg, 1999
Foto: Marc Lins
Jabornegg & Pálfy, Grosse Ausstellungshalle Generali Foundation A-1040 Wien, 1996
Foto: Werner Kaligofsky
* siehe auch Stadt des Kindes: Abriss / ein staedtisches Trauerspiel