Ein Bildbericht von Michael Hierner, Kommentar Franz Krahberger
*** scroll on, read and look ****
Die Stadt Wien hat der 2.Republik anfang der 70 er Jahren zum 50 jaehrigen Jubilaeum ein nuetzliches Geschenk bereitet. Die Stadt des Kindes. Jetzt wird sie abgerissen.
Das Projekt stand in bester Tradition des Wiener Kommunalwohnbaus etwa von Hugo Breitner und dem fuer oeffentliche Einrichtungen des Kindes verantwortlichen Julius Tandler. Der Architekt der Stadt des Kindes, Anton Schweighofer und sein Planungsteam brachte sowohl frische Ansichten in architektonischer Loesung wie auch Einbindung der realen sozialen Utopien, die im Anfang der 70er Jahre gestaltende Kraft besessen haben,ein.
Das Projekt bot jeweils 250 Kindern Lebens- und Spielraum unter sozialfuersorglicher Betreuung in Permanenz. Insgesamt 5000 Kinder konnten da einigermassen behuetet aufwachsen.
Nach 2000 entwickelten sich andere Begehrlichkeiten. Das Sozial Projekt wurde geschlossen und die Kinder auf einzelne Familien und auf Wohngemeinschaften verteilt. Jetzt zaehlt offenbar der Baulandzugewinn und verkaufbare Wohnkubator, also Optimierung von Grund, Boden- und Immobilienrendite, klassisches Investorenprogramm. 2002 wurde von der Gemeinde Wien ein Wettbewerb zur Neugestaltung ausgeschrieben.
Die Stadt des Kindes war in den 70er Jahren eine vorbildliche und moderne Kinder- und Jugendeinrichtung. Der Schwerpunkt Kinderfreundlichkeit ist auch bei der künftigen Nutzung vorgesehen. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Stadt sinnvoll Liegenschaften verwerten kann. Es werden einerseits wichtige Ziele für die Bezirksbevölkerung - wie in dem Fall die Nutzung der Sport- und Freizeiteinrichtungen der Stadt des Kindes - erreicht.
Jetzt entsteht ein attraktives Projekt mit Wohnen, Bildung und Sport und gleichzeitig wird für die Stadt trotzdem ein angemessener Grundstückserlös erzielt. Top-Wohnen bei hervorragenden Freizeit-, Sport- und Erholungsmöglichkeiten wird den Mietern der neuen Anlage geboten. Um auch zukünftig eine optimale Nutzung des ehemaligen Kinder- und Jugendheimes zu garantieren, ist ein Bauträgerwettbewerb durchgeführt worden. Bei der Jurierung wurden schwerpunktmäßig die Ideen zur Erhaltung der denkmalgeschützten Bauteile und der qualitativ hochwertigen Neugestaltung berücksichtigt. Das vorliegende Siegerprojekt der Bauträger ARWAG und Mischek kommt diesen Anforderungen am besten nach.
Der 1. Preis und die Bauplanung ging an das Architekturbuero Stelzenhammer. Mischek ist 2003 von der STRABAG uebernommen worden. Die eigentlichen Projektausfuehrung liegt also in den Haenden der Baugesellschaft Hans Peter Haselsteiners. Der Kaufpreis fuer das Anteile des Areals und des Baukoerpers ( 4,7 Millionen Euronen) scheint auch in der Weitergabe guenstig gewesen zu sein. 50 Prozent haelt weiter die ARWAG , ein Generalbautraeger, an dem die Gemeinde zu 28,5 % beteiligt ist.
Die Kinderfreundlichkeit des Neubaus, die der damalige Stadtrat und derzeitige Kanzlerkanditat im Neubau versprochen hat, kommt nur mehr den Kindern der kuenftigen Mieter zugute. Aus einem echten Sozialprojekt wurde ein schlichtes Spekulationsobjekt auf dem freien Immobilienmarkt. Das Freizeitangebot fuer die Umwohner bleibt duerftig. Einmal im Monat soll das Schwimmbad zum Eintrittspreis von 5,- Euronen oeffentlich zugaenglich werden.
Am 9.9.2008 ist der Abbruch der Stadt des Kindes voll im Gange. Um den Abriss stoerungsfrei ueber die Buehne zu bekommen, ist eine halbe Hundertschaft von Polizisten und eine WEGA Einsatzgruppe vor Ort.
Die Besetzung halte ich weder fuer sinnvoll noch wirksam. Die Angelegenheit haette bereits um 2000 anders geloest werden muessen. Alte wie neue Linke kommen erst angerueckt, wenn das Dach schon weggerissen ist. Thematisiert gehoert die traurige Angelegenheit dennoch. In einer Gesellschaft, die vor allem und ausschliesslich die zweifellos zu verurteilende Kinderpornografie geradezu hysterisch in den politischen Diskurs einbringt, in der das Jugendstrafrechtsalter herabgesetzt werden soll, muss mit Entschiedenheit gefragt werden, was tut diese Gesellschaft fuer Kinder und Jugendliche, wo schafft sie freien oeffentlichen Raum fuer Heranwachsende, der auch positiv angenommen wird.
Nimmt man die traurige Geschichte der Stadt des Kindes als Pruefstein, kommt man zum Schluss, dass soziale Kulturkonzepte, die Stadt des Kindes zaehlte entschieden zur Kultur- und Sozialarbeit in bester sozialdemokratischer Tradition, zwar referiert werden, ohne eine entsprechende Umsetzung zu erfahren, bzw. im konkreten Fall aus dem Weg geraeumt werden. Conceptual Cultural Politics. Das allein kanns nicht sein.
Ebenso bedroht durch einen Immobiliendeal der Gemeindes Wien ist der in die Jahre gekommene Leseveranstalter Alte Schmiede, der jahrzehntelang als das literarische Aushaengeschild des Wiener Kunstvereins gewirkt hat. Der neue Besitzer hat bislang keine Garantieerklaerung fuer die weiteren Nutzungsrechte abgegeben. Der Kulturstadtrat hat zwar eine problemlose Uebernahme versprochen und in Aussicht gestellt. Das duerfte soviel wert sein, wie das Versprechen des damaligen Wohnbaustadtrates Faymann in Angelegenheiten der Stadt des Kindes.
Der aktive Wiener Baugeschehen ist an sich durchaus zu begruessen, hat wirkliche gute Architektur hervorgebracht und ist in den letzten zwei Jahrzehnten bemerkenswert erfolgreich gewesen. Gerade deswegen ist es besonders betrueblich, dass im Zuge der raeumlichen Neuordnungen muehsam errungener oeffentlicher Freiraum und kulturelle wie soziale Infrastrukturen ersatzlos vernichtet werden.
Es waeren auch andere Nutzungsmodelle denkbar gewesen. Zum Beispiel das eines Europaeischen Jugendgaestehaus der Stadt Wien. Ideal am Stadtrand im Wienerwald gelegen mit einer besonders guenstigen Verkehrsanbindung ins Zentrum mit der U4.
Eine Stellungsnahme des Wiener Kulturstadtes Mailath Pokorny zu diesem insgesamt kulturfeindlichen Vorgang waere angebracht, wird aber nicht stattfinden. Der traeumt von der Falco-Reichweite und hat vor allem einen kulturpolitischen Standpunkt. Den der Kamera, die gerade auf ihn gerichtet ist. Solches nennt man retroversen Populismus.
Bildzitat aus der bz - Wiener Bezirkszeitung
Selbst dem U-Bahnableger heute der Kronenzeitung war die Aktion zuviel.
An den folgenden Bildern laesst sich die Qualitaet der Architektur Schweighofers ablesen.
Anmerkung 11.9.2007: Mir ist erst jetzt zur Kenntnis gekommen, dass die BIG Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. 2007 einen Wettbewerb ausgeschrieben hat, den baulichen und damit anschaulichen Zustand des Gebaeudes zu veraendern. In der Jury des Preisgerichtes sassen auch Buergermeister Helmut Manzenreiter und Vizebuergermeister Richard Pfeiler. Das Ergebnis des Wettbewerbs finden Sie hier. Architekten Wettbewerb > Erweiterung BG und BRG St. Martin bei Villach.
Wann mit der Fertigstellung des Umbaus zu rechnen ist, kann ich derzeit nicht sagen. Ich hoffe jedoch, dass das Schandmal in dieser Form aus der Luftansicht so nicht mehr kenntlich sein wird. Es wird noch einige Zeit dauern bis die Satellitenansicht aus Google Earth verschwunden ist. Die Ausschreibung des Architektenwettbewerbes, der mit reger Beteiligung rechnen konnte, wie die Um- und Neugestaltung des peinlichen Baus vom Ende der 70 er Jahre ist erfreulich wie dankenswert. Einer der am Wettbewerb beteiligten Architekten hat mir folgendes auf meine Anfrage hin mitgeteilt: Bei der Wettbewerbsbesprechung im Sommer 2007 hat der Direktor der Schule auf diese Peinlichkeit hingewiesen und seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass durch den Umbau sich die Schule im Luftbild ganz anders darstellen wird. Soweit ich mich erinnere wird der Entwurf des Wettbewerbsgewinners dies auch gewährleisten. Das wars !
Eines moechte ich jeden Fall vorab klarstellen. Bloss weil das BRG St.Martin diesen kuriosen Grundriss hat, halte ich es keineswegs fuer eine Post Napola Erziehungseinrichtung. Das wuerde nicht zutreffen. Ich halte es aber auch nicht fuer einen Villacher Faschingsscherz, den ich einfach so im Raum stehen lassen konnte.
Den Villacher BuergerInnen, die an dem Gebaeude fast 30 Jahre lang vorbei gelaufen sind, halte ich zugute, dass man das Aufsichtbild und damit die Symbolik aus Augenhoehe von der Strasse nicht erkennen kann und sie wahrscheinlich auch in der Umgehung des Gebaeudes nicht leicht erkennbar ist. Fuer Kaerntner Insider duerfte es jedoch genuegend Anlass fuer interne Biertischwitzeleien gegeben haben.
Diese Bauform ist in der Schweiz entwickelt worden und in den 60 er Jahren als Schweizer Drehsystem an den Technischen Universitaeten gelehrt worden. Als Begruendung wird angegeben, dass man damit einen besseren Licheinfall fuer alle Raeume erzielen konnte. In der Verteidigung der Hakenkreuzform wird regelmaessig die Swastika als Lichtsymbol argumentiert. Dass der negative NS - Symbolwert allerdings den realen Nutzen bei weitem uebersteigt, duerften Erfinder, der Klagenfurter Architekt Nitsch und Bauherren uebersehen haben. Es ist und bleibt eine ungeheuerliche Geschmacklosigkeit.
Der Entwickler des Drehsystems war Walter M. Foerderer, der den Schulbau in der Schweiz in den 60 er Jahren vorigen Jahrhunderts gepraegt hat, Architekt und Bildhauer. Nach dem Begriff Schweizer Drehsystem wird man im aktuellen Internet vergeblich suchen. In der Zwischenzeit ist diese Bauform in Verruf und ausser Mode gekommen. Die Architekturrichtung, die Foerderer mitgepraegt hat, nennt man Brutalismus.
Von: Walter Messner
Gesendet: Dienstag, 30. September 2008 15:11
An: 'Franz Krahberger'
Betreff: AW: Anfrage BundesRealgymnasium St.Martin in Villach > Recherche Planung und Bausausfuehrung 1979 ?
Sehr geehrter Herr Krahberger!
Der Architekt des Gebäudes war Herr Nitsch aus Klagenfurt.
Die Baufirma ist mir nicht bekannt. Das Gebäude befindet sich im Besitz der Bundes-Immobilien- Gesellschaft, die müsste genaueres wissen. Das Hakenkreuz war uns Lehrern anfangs überhaupt nicht bewusst. Es wurde erst vor 10-15 Jahren gesehen, als die ersten Luftbildaufnahmen auftauchten. Helligkeit in allen Räumen und in der Aula, keine dunklen verwinkelten Gänge sprechen für die Bauform. Meines Erachtens hätte man durch eine andere Dachkonstruktion mit unterschiedlicher farblicher Gestaltung des Flachdachs das Hakenkreuz unkenntlich machen können.
Beste Grüße
Walter Messner
OStr. Dir. Mag. Walter Messner
Direktor des BRG St.Martin in Villach
Von: archimut architekten weiz
Gesendet: Donnerstag, 11. September 2008 10:02
An: Franz Krahberger
Betreff: AW: Wettbewerb Erweiterungsbau BRG St.Martin Villach > google earth ansicht
Herr Krahberger,
naja, die Ähnlichkeit des Grundrisses mit der Swastika wird ja schon was auf sich haben und in Kärnten noch dazu. Bei der Wettbewerbsbesprechung im Sommer 2007 hat der Direktor der Schule auf diese Peinlichkeit hingewiesen und seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass durch den Umbau sich die Schule im Luftbild ganz anders darstellen wird. Soweit ich mich erinnere wird der Entwurf des Wettbewerbsgewinners dies auch gewährleisten. Das Luftbild des Gebäudes ist eine Sache, aber mir scheint viel wichtiger, welcher Geist in dieser Schule herrscht und geherrscht hat, mit welchem Weltbild die jungen Leute da herusgehen. Soweit ich das in der kurzen Besichtigung und Besprechung feststellen konnte ist da kein brauner Mief zu spüren, aber vielleicht können sie das auch herausfinden!!
Wenn sie die Baufirma, die das Gebäude errichtet hat, wissen wollen, dann rufen sie doch einfach im Bauamt Villach an, das sollte ja kein Geheimnis sein! Habe als einer von vielen an dem Wettbewerb teilgenommen und keinen Preis erhalten, und mich daher nicht mehr mit dem Thema auseinandergesetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Arch. DI Peter Mutewsky
Von: Roger Baumeister
Gesendet: Donnerstag, 11. September 2008 09:51
An: Franz Krahberger
Betreff: Schandfleck
sehr geehrter Herr Krahberger,
ohne zu wissen wer Sie sind, ein paar Anmerkungen von jemand der sich mit dem Gebäude UND mit den Dingen, die Sie als Schandfleck bezeichnen beschäftigt.
ad Schulbau: der Schulbau war in Österreich i.d. 60 / 70er Jahren richtungsweisend und führend in Europa. Inhaltlich und in Folge auch Typologisch.
Hiervon ist im 21.Jhdt. so gut wie nichts mehr erkennbar.
Die Ergebnisse der PISA-Studien sprechen für sich. Auch der Stellenwert von Bildungspoklitik bis hin zur Universitätspolitik.
… Es ist etwas nervig, den damaligen Planern die aus typologischen und inhaltlichen Gründen einen Baukörper entwickelten, diese Aussenform, die niemand ausser eben Herr Google sehen kann, vorzuwerfen. Und warum stört man sich erst jetzt an einer solchen Form ? ein altes Sprichwort
sagt: getroffene Hunde bellen.
Schauen Sie sich die Wahlwerbung einer Blauen Partei an und überlegen Sie, vor allem für das Bundesland Kärtnen gesprochen, ob insgesamt eine profunde Aufarbeitung der wirklichen Probleme nötig sind, oder ob man sich mit solchen Randdingen wie einer Baukörperform von oben gesehen beschäftigen will. Im übrigen gibt es ein US-amerikanisches Militärverwaltungsgebäude, welches ebenfalls eine solche Form ausweist.
Und ???
Für kalte und lange Winternaechte sei Ihnen noch ein Büchlein empfohlen:
Autor Michael Wladika, Titel: Hitlers Vaeter schaun? Sie mal rein und ueberlegen dann nochmals, ob die Villacher ein Problem haben oder eine gute Schule.
mit freundlichen Grüßen
ROGER BAUMEISTER
siehe auch