TXT + Zusammenstellung © Franz Krahberger
Die laengst faellige Korrektur
Zwei Jahre später, am 20. August 1980, stand Messner erneut auf dem
höchsten Berg der Erde. Auch dieses Mal stieg er ohne zusätzlichen
Sauerstoff. Er wählte für seine Solo-Besteigung die Nordroute zum
Gipfel, wobei er oberhalb des Nordsattels in der Nordwand zum
Norton-Couloir querte und diese Steilschlucht als Erster bis zum Gipfel
durchstieg. Messner entschied sich während des Aufstiegs
spontan für diese Route, um den ausgesetzten Nordostgrat zu umgehen. Vor
dieser Alleinbegehung hatte er keine Lager auf dem Berg eingerichtet.
1980 veranstaltete ich in Litschau an der tschechischen Grenze meinen
ersten GRENZZEICHEN Event, dem noch 3 weitere im Biennalschritt
folgen sollten. GRENZZEICHEN meinte nicht die nationalen Grenzen, die
rund um Oesterreich inklusive des noch stehenden Eisernen Vorhanges
gezogen waren. Oesterreich galt damals als neutrale Insel ( war
allerdings ein verdecktes Anhaengsel der BRD und damit der NATO),
GRENZZEICHEN bezog sich primaer auf die Grenzzeichen des Wachstums, wie
sie anfangs der 70 er Jahre vom Club of Rome definiert worden sind,
hinzu kam REPORT TO THE PRESIDENT CARTER, ueber die Artenvernichtung,
und die Absicht infolge der KSZE Konferenz Helsinki 1975 den eisernen
Vorhang ein fuer allemal zu schleifen.
Ich widmete damals die GRENZZEICHEN I, der etwa zur selben Zeit den
Mount Everest im Alleingang erreichte, Reinhold Messner. Ich schickte
ihm einen Katalog nach Villnoess. Messner, damals noch nicht eitel und
abgehoben, schrieb eine Ansichtskarte zurueck bedankte sich
hoeflich mit dem Satz: Danke fuers Symbosion. Ich war
damals von Messner ueberzeugt, selbst wenn er noch richtig
schreiben konnte. In Jugendjahren wollte ich selbst Extrembergsteiger
werden, musste dieses Ziel aufgeben, da ich an Gelenksrheuma litt.
Damit hat man in der Wand keine Chance, da sich alles so verkrampft, bis
man rausfliegt und ins Seil faellt. Die unterschwellige Angst tut das
ihre.
Und: aus Seilschaften wird man ausgesondert. Das Risiko im Berg wird zu
hoch.
Mein Interesse an den Bergen und an der Psyche des Extrembergsteigers
ist mit jedoch mein Leben lang verblieben, war ich doch ein
sachlicher wie ueberzeugter Fan des Hermann Buhl. Ein wirklich
herausragender Mann, der die Beschreibung der Routen aus
fachlicher Hinsicht vollkommen beherrschte, aber trotzdem offen fuer
neue Deskriptionen gewesen ist. So beschreibt er in seinem Buch
Achtausend Meter drueber und drunter den Hoehenrausch, dem er sich auf dem Gipfel des Nanga Parbat (ohne Sauerstofflasche)
aussetzen mußte. Das liest sich wie der Report eines Acid Trips in unbekannte Hoehen, Tiefen und Weiten.
Ich habe nur mittlere Hoehen erreicht und das bloss ueber den halbwegs sicheren Berg_Wandersteig.
Der Herausgeber des FREIBORDS, der ueber die Anna Blume des Schwitters nie hinausgekommen ist, heute noch dadaistisch
stottert, wollte mir mit dem Slogan GRENZENLOS ein Poetenkraeutel hineindrehen. Der Mann ist im Kontext Verfahren klaeglich
gescheitert: Nochdazu hat er den Liedermacher Reinhard Mey kopiert. Ueber den Wolken ist die Freiheit GRENZENLOS
aus dem Jahr 1974. Nicht grenzenlos ist das Ozonloch, das sich
anfangs der 80 er jahre erstmals bildete.Es ist faehig, weiter zu
wachsen.
Reinhold Messner hat einen txt verfasst, 2013 erstmals bei Piper publiziert, der recht griffig und gut lesbar formuliert.
Wie der txt tatsaechlich zuwege gekommen ist, weiss ich nicht. Die Geschichte des ewigen Zweiten Hjlamar Johansen soll ihm ein
Weggefaehrte auf dem Groenlandtrip erzaehlt haben. Ob Johansen Aufzeichnungen hinterlassen hat, weiss ich nicht.
Detaillierte Beschreibungen des Alltags in der Eiswueste gibt es gewiss bei Fridtjof Nansen In Nacht und Eis. Bände I und II,
Brockhaus, Leipzig 1897, die wohl fuer Johansen und Nansen aehnlich gewesen sind.
Die Leistungen Hjalmar Johansens in der Polarforschung blieben nach seinem Tod lange Zeit verdeckt. Wikipedia weiss:
Entscheidend zur Erhöhung seiner Bekanntheit trug das 1997 erschienene Buch Den tredje mann (deutscher Titel:
Im Schatten. Die Geschichte des Hjalmar Johansen) des norwegischen Autors Ragnar Kvam (* 1942) bei. Heute gilt
Johansen neben Amundsen, Nansen und Sverdrup zu den bedeutenden Polarforschern Norwegens. 2012 ist von Alexsander Wisting
eine Biografie des tragischen Hjalmar Johansens erschienen .
Es wuerde mich interessieren, ob sich Reinhold Messner nach wie vor von Ransmayr, dem Poeten Der letzten Welt,
mit dem er gerne in den Bergen gewandert, nicht geklettert, ist. in der Verfassung von Texten beraten laesst.
Die beiden Egomanen duerften jedoch schon lange auf Distanz zueinander sein.
Johansen hatte sich Nansen angedient, er arbeitete zu dessen Zufriedenheit. Nansen nahm ihn schliesslich auf die grosse
Polfahrt mit. Bot ihm auf dem Rueckweg das Du_Wort an.
Johansen, der sich vor allem als zuverlaessiger Hundefuehrer
herausstellte, pflegte laut Messner eine staendige innere Wut
wider Nansen, ohne das erkennen zu lassen. Projeziert Messner ? ist es
eigentlich er selbst, der auf den grossen Vorgaenger Nansen
eifersuechtig ist , der sogar in anderer politischer Mission den
Friedensnobelpreis bekommen hat, den Messner nie erhalten wird ?
Seine oekologischen Leistungen sind nicht gross genug, um mit dem alternativen Nobelpreis bedacht zu werden. Messner ist
ein eitler athletisch&flinker Schwaetzer, der mehr mit dem Yeti als mit den Menschen kommuniziert hat. Traut keinem, der den
YETI gesichtet haben will, der ist bloss seinen Einbildungen unterlegen.
Dafuer laesst er den Johansen auf den Hund kommen, der gegen seine
innere Abscheu vor dem unerbittlichen Schicksal Widerstand
der Hunde die Hunde und mit ihnen Nansen nach dem Norden fuehrt. Nansen
opfert bedenkenlos die Hunde, um sich am Leben zu halten,
er laesst sie sogar an die Hunde selbst verfuettern. Die blutige Arbeit
muss Johansen erledigen, widerwillig. Obwohl er von Anbeginn an
den Plan Hansens akzeptiert hat. Messner spitzt die Hundeliebe zum
inneren traumatischen Konflikt zu. Ob Johansen daran zerbrochen ist,
klaert Messner nicht. Wenn ja, war Johansen mitschuldig, er hat naemlich
die Taktik Hansen uneingeschraenkt zu Beginn des Deals
akzeptiert. Messner haeuft Szenario um Szenario und zeigt sich unfaehig,
stringent zu argumentieren.
Johansen wird zwar nach dem Polarerfolg in den Rang eines Hauptmannes erhoben. Doch Hansen gestaltet seine Show allein.
Am Podium braucht er keinen Hundefuehrer mehr. Die Frau Johansens erweist sich als teuer und uebersteigt die finanziellen
Moeglichkeiten des Mannes. Scheidung ! Die zwei Kinder verbleiben ihr. Johansen versumpft in den Kneipen unter alten
See- und Nordfahrern und jammert ueber seine Verluste.
Amundsen gibt vor, den Nordpol erreichen zu wollen, vom Westen her. Er
bittet sich von Nansen die Fram aus. Der gibt sie ihm
unter der Bedingung, Johansen mit an Bord und mit zum Pol zu nehmen.
Nansen will fuer seinen Weggefaehrten noch einmal eine Chance
herausschlagen.
Amundsen akzeptiert nach langem hin- und her den Mann, der ihm von
Nansen aufgedraengt wird, faehrt die Fram gegen Sueden und biegt vor der
Umrundung des Kap Horns links nach der Antarktis ab. Ich bezweifle, dass
es die Fram bei Sturm um das Kap der guten Hoffnung geschafft haette.
Die Fram ist schwer zu fahren, die Fahrt geraet eher zu einer
Schaukelpartie, die letztendlich triumphal endet. Zweiter am Pol nach
Scott,
doch erster im Leben. Scott und sein Team sterben auf dem Rueckweg vom
Pol.
Amundsen begeht einen Fehler. Sie brechen zu frueh vom Basislager
trotz Warnungen Johansens auf und geraten in einen eisigen Sturm.
Sie muessen umkehren. Johansen rettet einem Kollegen das Leben, er
schleppt ihn zurueck ins Lager. Beide kommen einen Tag spaeter zurueck,
Amundsen motzt und rotzt Johansen an. Es kommt zum Schreiduell. Johansen
stellt die Fuehrungsfrage. Er beansprucht, in Einrechnung seines
militaerischen
Rangs die Fuehrung der Expedition und will so der Erste am Pol werden.
Man soll die Pferde in der Furt nicht wechseln:
Amundsen wehrt den Angriff Johansens ab und schließt ihn vom letzten
Stueck Weges zum Pol aus. Johansen wird abkommandiert zur Prospektion
der Antarktis, geht seiner Pflicht nach und erledigt die Aufgaben.
Johansen ist auesserst pflichtbewusst; seine Commander,
Hansen&Amundsen both, sind in
Wahrheit ausgemachte Hasardeure, die imstande sind, auf biegen oder
brechen zu gehen. Das ist das Holz, aus dem Sieger geschnitzt sind.
Ich haette an Amundsens Stelle auch nicht anders gehandelt. Die eiserne
Regel: Die Mission geht vor, entgegen aller persoenlichen Querelen,
selbst wenn die vom moralischen Standpunkt aus gesehen legitim sein
moegen. Messner kennt das Prinzip, dem sein eigener Bruder am
Nanga Parbat in der Zweier_Seilschaft der Messner Brothers zum Opfer
gefallen ist.
Haette ich die Mission begonnen, haette ich sie nicht anders zum Erfolg fuehren koennen, wie Anderson es getan hat.
Die Actions_Therapie des Hjalmar Johansen ist misslungen. Sein Leben ist gescheitert. Er erschießt sich im frostigen Jaenner
des Jahres 1913 in einem Park in Christiana in Oslo. Er ist 46 Jahre alt geworden.
Die Sicht auf Hjalmar Johansen hat sich im Wandel der Zeiten geaendert.
Heute zaehlt er zu den wichtigsten norwegischen Polarforschern.
Die spaete Wuerdigung gelingt Messner in Wahrheit nicht. Zu ambivalent
ist seine Beziehung zur Person Johansen, zu den
Tourfuehrern und zu sich selbst. Tatsaechlich entsteht der Eindruck,
dass Messner das Schicksal von Vorgaengern in der
Poolposition nutzt, um eigene Probleme zu explorieren. Dieser ambivalent
hybride Akt gelingt ihm jedoch nicht ueberzeugend.
Messner ist ein Showstar, der die alpine Welt als Arena genutzt hat,
Messner hat seine Show ihm Hochalpinen wie auf dem flachen
Eis global umfassend abgezogen. Jetzt bunkert er alle Erinnerung
showgemaess in Sued_Tirols Schloessern, die zum Teil als Ruinen
uebrig geblieben sind. Eines ist klar: Ludwig II war und bleibt
erfolgreicher als er. Der Freistaat Bayern hat bislang mit den
Maerchenschloessern Ludwigs um vieles mehr eingenommen, als sie Ludwig
und dem bayrischen Koenigreich gekostet haben.
Hansen und Amundsen waren nordische Helden alten Schlages, wilde, harte, wuetende Abenteurer, die erfolgreich zu ihren Zielen
draengten, und eifersuechtig, ihrer Zeit entsprechend, den Lobeer fuer sich allein begehrten und angenommen haben.
Der wahre moderne Mann war Robert Falcon Scott, der als primus interpares seines gut aufeinander abgestimmten Teams die
Mission erfolgreich ins antarktische Ziel gebracht und erfuellt hat. Seine Rueckkehr und die seiner Leute waere zu
einem Freudenfest geraten, doch sein Ableben hat die Erfuellung der Mission in keiner Weise beeintrachtigt. Es
bedeutet einen wesentlichen Unterschied, ob man zuvor oder danach zum Opfer wird. Auch Jochen Rindt wurde erst posthum zum
Formel 1 Weltmeister ernannt. Er liess sich in Graz Eggenberg zum Begraebnis das Lied von Earl Grant. Das Ende von Zeit und Raum
spielen. Das passt ebenso gut in die duesteren Nacht&Nebelzonen des Nordpols und der Antarktis
Die Briten sind anders. Der Neuseelaender Edmund Hillary stand mit Sardar Tenzing Norgay Sherpa 1953 erstmals auf der Spitze
des Mount Everest. Die beiden teilten sich vor der internationalen Presse den Ruhm und den Lorbeer, der sauber gewesen ist.
Eines fehlte: Tenzing haette ebenso den Titel Sir verdient. Doch diese
Entscheidung lag in London in anderen Haenden.
Elisabeth verlieh ihm bloss die Georgs Medal. In keinem Fall war Tenzing
Norgay so ein von Selbstmitleid aufgefressener Mann,
wie es Hjalmar Johannsens gewesen ist. Reinhold Messner hat auf den
falschen, wenn auch bemitleidenswerten Mann gesetzt. Messners Crux:
er sucht sich die aus, die ihm gleichen.