Mit dem Beginn der 50er Jahre begannen eine kleine Anzahl von künstlerisch ausgebildeten Personen wie Marc Adrian, Kurt Kren, Peter Kubelka oder Ferry Radax sich für sogenannte Avantgarde-Filme zu interessieren und später solche auch selbst herzustellen. Hans Scheugl und Ernst Schmidt, einer darauf folgenden Generation angehörig, engagierten sich im Rahmen der Filmherstellung und auch der theoretischen und historischen Bearbeitung (Hans Scheugl/Ernst Schmidt jr: Eine Subgeschichte des Films, Lexikon des Avantgarde-, Experimental und Undergroundfilms, Edition Suhrkamp, Frankfurt/Main 1974) und setzten damit ihr jahrzehntelanges erfolgreiches Wirken in der österreichischen Filmgeschichte nicht nur fort.
1968 kam es zur Gründung der Austria Filmmakers Cooperative mit Export, Kren, Scheugl, Schlemmer, Schmidt und Weibel, im Anschluss an ähnliche Vereine in London, New York oder Vancouver. Ende der 60er Jahre kam es auch zur Gründung des Kuratoriums Neuer Österreichischer Film, dem es auch gelang, sich auf der Viennale entsprechend vorzustellen.
Mit Beginn des größeren Einflusses der Sozialdemokratie auf viele Bereiche der Staatsverwaltung kam es Anfang der 70er Jahre zu einer Beendigung der Filmförderung durch das Wirtschaftsministerium und dem Übergang zu einer Filmförderung durch das Kunstministerium, bzw. später durch das Filmförderungs-institut. Freilich versuchten die unabhängigen Filmemacher das zu beschließende Gesetz dafür entsprechend zu beeinflussen. Unter den damals Aktiven der linken Szene wurde ein Vorschlag erarbeitet, der ein damaliges schwedisches und ungarisches Modell vor Augen hatte: eine Art Stiftung, die von den Filmemachern selbst verwaltet und bestimmt werden sollte, in dieser Weise, dass der Regisseur, die Regisseurin nach Beendigung und Vorstellung ihres Filmes automatisch in das Entscheidungsgremium aufgenommen worden wäre, und bis zum nächsten Projekt darin mitentscheidend verblieben wäre. Dieter Schrage war unser Bindeglied zur SPÖ, und erhielt rechtzeitig unsere sehr ausführliche Stellungnahme mit allen Unterschriften der Beteiligten.: dann war nichts mehr davon zu lesen.
Es begann eine kurze Zeit der Offenheit, eine Art Fenster für filmische Kreativität, da das Kunstministerium Peter Hajek und eine zweite Person mit der Auswahl der Filmförderungen beauftragt hatte: so entstand neben anderen, wichtigen Filmprojekten, der Film Unsichtbare Gegner.
Anlass zu dieser Sammlung von Dokumenten, Artikeln, Erinnerungen ist das Buch: EXPORT LEXIKON, Chronologie der bewegten Bilder bei VALIE EXPORT, herausgegeben von Sylvia Szely, Sonderzahl, Wien 2007. Das Buch enthält eine Reihe von Interpretationen von Filmen EXPORT's, eine sehr gute und übersichtliche
Zusammenstellung der medialen Arbeiten von EXPORT, und eine Art Interview von VALIE EXPORT mit der Herausgeberin und Brigitta Burger-Utzer. Schon beim ersten Durchblättern dieses Werkes wurde mir klar, was mir an diesem (und anderen ähnlichen) Filmbüchern fehlt: die Einordnung der Werke in die diversen künstlerischen Strömungen der Zeit ihres Entstehens. Freilich bleibt mir so eine größere Arbeit verwehrt, da ich nicht erwarte, dass irgendeine Institution mir den Zeitwert ersetzen würde. Ich werde mich aber bemühen, mit Hilfe der mir vorliegenden Dokumente und anderen Unterlagen Hinweise in diese Richtungen zu geben. Ich habe die folgenden Filme auch aus dem Grund ausgewählt, weil Frau EXPORT konsequent meine Mitwirkung bei ihrer Herstellung und Vorbereitung verschweigt, bei einigen anderen Kurzfilmen und Videos wird mein Name sowieso entsprechend genannt.
In diesem Film von VALIE EXPORT und Peter Weibel habe ich außer gelegentlicher Teilnahme als Füllmaterial direkt keine Rolle gespielt. Allerdings habe ich innerhalb meiner Beziehung zu V.E. sie soweit unterstützt, wie es möglich war, denn es gab immer wieder große Spannungen zwischen V.E. und Peter Weibel. Zusätzlich war V.E. mit dem Kameramann Wolfgang Simon sehr unzufrieden, was nach einer langen Diskussion zwischen ihm und mir zu einer einwöchigen Unterbrechung der Dreharbeiten führte.
Die zu Recht so berühmten Kamerafahrten vom Kran in der Grünangergasse am Abend und frühen Morgen zum und vom Bett, in dem die Hauptdarstellerin Susanne Widl lag, waren fast dadurch gefährdet, dass Weibel darauf bestand, als erster in der Gondel mit dem Kameramann mit hinaufgezogen zu werden, und EXPORT erst als zweite hinauf konnte.
Die Abrechnung mit dem alleinigen Förderer BMUK habe ich dann nach Fertigstellung des Filmes durchgeführt, was auf Grund der Belegsituation nicht ganz unproblematisch war.
Programmheft: Unsichtbare Gegner
Dass der Film in der Wirkungsgeschichte wohl auch das künstlerisch interessierte Publikum erreichte, aber sein Erfolg bei der Generation von jungen intellektuellen Frauen kaum von EXPORT und Weibel vorausgesehen worden war, schreibe ich der ausdruckstarken darstellerischen Kraft von Susanne Widl zu, die in ihren Haltungen und Aktionen den Gegensatz zu dem gescheit dahin quatschenden Partner überzeugend macht. Aber vielleicht hatte Weibel mit der schon so früh sich äußernden Begabung, gesellschaftliche oder auch künstlerische Strömungen dann zu erkennen, wenn sie dem Feuilleton noch verborgen sind, das gespürt, wie sich Frauen gegen den Schwätzer absetzen werden.
In diesem Film (Drehbuch Peter Weibel, Regie VALIE EXPORT) übernahm ich von Anfang an die Rolle eines Produzenten, oder deutlicher gesagt, die des kaufmännischen Leiters der Produktion. Der Film musste in zwei Tranchen produziert werden, weil die finanziellen Zusagen von ZDF und BMUK zu verschiedenen Terminen eintrafen. So entstand der Teil vom ZDF im Winter 78/79, offiziell produziert von der SATEL, der zweite Teil unter unserer Produktion im Sommer darauf. In beiden Tranchen habe ich mich als Berater, Produzent, Drehorte-Ausfindigmacher etc. 100 % engagiert. Meine Frau Lotte Hendrich war als Ausstatterin an dieser Produktion ebenfalls beteiligt.
Freilich gab es auch bei dieser Filmproduktion größere Probleme zwischen V.E. und Weibel, die gelegentlich geschlichtet werden mussten.
Hinderlich während der Drehzeiten war die neue Beziehung von V.E. mit dem Architekten Helmut Richter, der sich immer vor Drehschluss an den Drehorten einfand, um V.E. abzuholen. Teambesprechungen waren damit sinnlos.
Die wesentlichen Probleme während der Drehzeit im Winter waren die ständigen Versuche von Peter Weibel , seine drei Beziehungsfrauen, die 3/4 der weiblichen Hauptrollen zu übernehmen hatten, im Bild und im Dialog günstig herauszustellen, abgesehen von seiner vorgehabten "Hauptrolle" , die allerdings jemand anderer (Wildbolz) übernehmen musste. (Ähnlich der Situation von V.E., die ursprünglich die Rolle der Lehrerin übernehmen wollte, aber vom ZDF mit guten Gründen daran gehindert wurde.)
Wie Nosowitz ausgezeichnet ausführt, ist das schwache Ergebnis des Filmes in der Öffentlichkeit sicher einesteils dem erstmaligen Versuch von EXPORT, einen Film mit einem durchgeschriebenen Drehbuch herzustellen, andererseits dem Verhaftetsein des Drehbuchautors Peter Weibel zu der von ihm als Hauptdarsteller imaginierten männlichen Rolle, deren Hintergrund der Verführer in der Theatertradition des späten 19. Jhdts bildet. Dies konnte beim zeitgenössischen weiblichen Publikum nicht ankommen, die sich von der Begeisterung für "Unsichtbare Gegner" - von EXPORT andere Frauenbilder erwartet hatten. Meine Abrechnung der Produktion ergab ein günstiges Ergebnis, V.E. konnte sich ein gebrauchtes Auto kaufen.
1981/82 konnte V.E. einen Kurzfilm vorbereiten, der in seiner dramatischen Struktur fast ohne Dialog auskommen sollte. Im Prinzip ging es wohl wieder um ein Frauenschicksal. Auch für diesen Film zeichnete ich für die Herstellung des technischen Drehbuchs, der Planungsvorbereitung, kaufmännische Leitung, teilweise Kamera und vor allem für die Tricktechnik der geteilten Bilder verantwortlich. Diese Filmtricks (Zimmergänge, Fenster aufundzu klappen) konnte ich mit einer kleinen selbst zusammengestellten optischen Bank, bestehend aus einem 16 mm Projektor, einem 45 Spiegel und einer Mattscheibe, sowie einer
16 mm Kamera mit Hilfe entsprechender Masken vor der Mattscheibe realisieren.
Die Produktion mussten wir unter dem Lable von Fritz Köberl, unserem Kameramann, laufen lassen. Köberl, ein Freund von Peter Hassmann und mir, fand später in Budapest einen schrecklichen Tod.
Nach Beendigung der Menschenfrauen legte VALIE EXPORT die Prüfung an der Bundeswirtschaftskammer, Abteilung audiovisuelle Medien, zur Gründung einer eigenen Filmproduktion ab. So konnte dann die Valie Export Filmproduktion Ges.m.b.H. errichtet werden, in der ich Geschäftsführer wurde.
Mehr als zwei Jahre arbeitete V.E. mit meiner Unterstützung an dem Drehbuch für den nächsten Film. 1983 konnten wir dann das Projekt beim FilmFörderungsFonds, Channel 4 und beim ZDF einreichen. Die Einreichung beim ÖFF ergab allerdings eine notwendige Kürzung der Kalkulation und des Drehbuches, wobei eine von V.E. besonders beliebte Einstellung wegfallen musste: das Landen von einer Vielzahl nackter Fallschirmspringerinnen in Wien. Auf der anderen Seite brachten die Drehbuchveränderungen, die ich allein zu verantworten hatte, da V.E. einen Lehrauftrag an der Akademie in München ausführen musste, eine klarere Struktur für den Film, insbesondere mit der Einstiegszene, in der die Hauptdarstellerin in ihrer Filmrolle voll skizziert werden konnte. Bald trafen die Zusagen ein. Im Jänner 1984 suchten wir einen Produktionsleiter, Peter Leidenfrost, und begannen die Vorbereitungen für die Herstellung. Um V.E. als Regisseurin anstellen zu können, übernahm ich 75 % des Grundkapitals der GmbH und war kaufmännisch für die gesamte Herstellung honorarlos verantwortlich.
Auf Grund der ZDF Förderungsbedingungen mussten wir eine deutsche Ko-Produktion haben, diese fand sich in einer kleinen Firma in Hamburg, Königsmark und Wullenweber, ersterer war damals mit einer Cousine von V.E. verheiratet.
Der Kameramann Schmidt- Reitwein kam aus München, die Hauptdarstellerin aus Berlin, die zwei Hauptdarsteller aus der Schweiz bzw. aus Frankreich.
Presseaussendung: Die Praxis der Liebe
Leidenfrost war ein sehr erfahrener Produktionsleiter mit dem ich eine sehr gute Zusammenarbeit hatte. Kurz vor Drehbeginn kam es allerdings zu schweren Auseinandersetzungen zwischen V.E. und mir, die sich nicht mehr auflösen ließen. Künstlerisch und sogar in einigen Vertragsfällen konnte ich nichts mehr tun, später wurde mir sogar der Besuch des Schneideraumes untersagt.
Nach Aufstellung der endgültigen Herstellungsdaten ergab sich eine Überziehung von etwa 3 %, die hauptsächlich auf die große Überschreitung des vereinbarten Kostenrahmens beim Kopierwerk zurückzuführen war . Leider stellte sich heraus, dass unser deutscher Koproduzent gar nicht vor hatte, die Zahlungen des ZDF weiter zu geben. Ich versuchte selbstverständlich mit einem deutschen Anwalt doch noch das Geld zu bekommen und musste nach einem Jahr intensivster Arbeit (die nötige Korrespondenz füllte einen großen Ordner) zur Kenntnis nehmen dass die Firma ohne Masse pleite gegangen war. Damit erhöhte sich die Bankschuld inkl. der Zinsen auf 1 Million Schilling, die Rückzahlung konnte ich allerdings in langen Verhandlungen mit der Hausbank mit regelmäßigen Raten langfristig ausdehnen.
Unglückseligerweise erzeugte V.E. zusammen mit den beiden Ausstattern, Aichinger oder Knechtl ein schreckliches Plakat, das ich zur Fahrt mit der U-Bahn zur Premiere in der U-Bahnstation Rathaus bewundern durfte! Der Film lief nur eine Woche in einem Innenstadtkino, so dass gerade die Vorauszahlung des Verleihs eingespielt wurde. In Deutschland fanden wir nach langem einen Verleiher in München, der kurz nach einem verunglückten Wochenend-Kinostart in einer deutschen Stadt mit verfrühten Schneemassen auch pleite ging und die in einem deutschen Kopierwerk gefertigten sieben Filmkopien gar nicht bezahlen konnte.
Da nun kurzfristig keine weiteren Einnahmen in Aussicht waren und V.E. des öfteren auch im Ausland war, musste ich eine größere Anzahl der Rückzahlungsraten übernehmen, die schließlich zusammen ATS 165.000 ausmachten. So wurde ich eben für den dreijährigen bedingungslosen und einkommenslosen Einsatz für diesen Film zusätzlich "zur Kasse" gebeten. Meine Anteile an der Filmproduktion verkaufte ich an V.E. um einen Schilling.