Der Krieg wäre der Vater aller Dinge. Nach Hiroshima und Nagasaki
konnte niemand mehr diesem Leitsatz kriegerischer Falken folgen. Der atomare Krieg koennte zur Ausloeschung aller Dinge geraten.
Little Boy und Fat Man löschten nicht nur die Existenz
dieser japanischen Städte und deren Bewohner aus. Ab da an eröffnete
sich eine irreversible Dimension, nach der der heisse atomare Krieg
den Tod allen Lebens bedeuten konnte.
1947 verwendet das Bulletin of the Atomic Scientist erstmals
auf dem Cover eine Uhr, deren Minutenzeiger kurz vor 12 steht. Zwei Jahre
später wird von den Sowjets eine Atombombe gezündet. Von 1949
bis 1998 zeigt diese Uhr die Nähe des atomaren Todes an. Knapp eine
Minute bildeten die kürzeste Distanz und 16 Minuten zeigte der grösste
Abstand von der absoluten Katastrophe. 16 mal wurde in diesem Zeitraum
die Zeiger der Uhr zurecht gerückt. Immer die Gefahren eines möglichen
atomaren Angriffs signalisierend.
Weder Angreifer noch Angegriffene hätten die atomare Auseinandersetzung
gewinnen können.. Sie hätte beide Lager vernichtet. Man nennt
diese Uhr die Doomsday Clock, die vor dem Eintreten des jüngsten,
endgültigen Gerichtes warnen soll.
So verwob sich das neu gewonnene physikalische Vernichtungspotential
mit dem religiösen Mythos der letzten Tage, mit dem Ende der Menschen
und dem Ende der Welt.
Ein direkter atomarer Konflikt der beiden atomaren Weltmächte
USA und UdSSR hätte mit einem finalen Fiasko beider Lager geendet.
Anstelle der Symbolik des Sandglases, das sowohl verrinnende Zeit wie auch
die Vergänglichkeit weist, trat endgültig der Zeiger der Uhr,
der niemals Mitternacht oder High Noon erreichen darf.
Militärs und Politiker mussten ihre Strategien verändern.
Anstelle der Formel vom heissen Krieg trat die Strategie und Taktik des
Kalten Krieges.
Das bedeutete nicht, dass der Krieg insgesamt aufgehört hätte.
In den von den Zentren abgelegenen Regionen der Erde wurde weiterhin Krieg
geführt, mit den klassischen Mitteln und ohne Einsatz von Atomwaffen.
Diese Kriege wurden Stellvertreterkriege genannt, und beide Seiten nahmen
jeweils für sich in Anspruch, Befreiungskriege zu führen.
Betroffen waren viele Gebiete im Übergang zur dritten Welt. In
etwa entspricht das auch der heutigen Trennlinie von armen und reichen
Staaten.
Wie aber sollte man den Konflikt im zwei geteilten Nachkriegseuropa
austragen ? Eine offene militärische Auseinandersetzung kam nicht
in Frage. Man begann über die Möglichkeiten eines kalten Wettbewerbes
nachzudenken, und diesen Schritt für Schritt auszuschöpfen.
Die USA versicherten sich einer Reihe von Intellektuellen, die ihre
Kritik am Kommunismus, insbesondere des Stalinismus deutlich und überzeugend
äusserten.
Das war zu diesem Zeitpunkt kein leichtes Projekt. Galt doch der Kapitalismus
vielen Intellektuellen als zu überwindendes Übel. Die sozialen
Utopien hatten trotz der brutalen stalinistischen Entwicklung, gegenüber
der die europäische Intelligenz für lange Zeit blind blieb, ihre
Strahlkraft bewahrt.
In den USA begann ein merkwürdiger Selektionsprozess. 1947 wurde
das House of Un-American Activities Committee gegründet. Eine
Reihe von Intellektuellen, Schriftstellern, Drehbuchautoren und Komponisten,
sowohl US Staatsbürger wie europäische Exilanten wurden in Folge
vor den von Joseph Mc Carthy angeführten Ausschuss wider unamerikanische
Umtriebe gezerrt. McCarthy nahm Hollywoodstars, Regisseure, Drehbuchautoren
ebenso ins Visier wie die Exilanten Brecht und Eisler. Thomas Mann wurde
bereits lange vorher ständig vom FBI beschattet. Er wurde als kommunistischer
Sympathisant verdächtigt. Seine Kinder Elisabeth und Klaus Mann hatten
die USA bereits aus ähnlichen Gründen Ende der vierziger Jahre
verlassen.
Die Anhörungen glichen Schauprozessen und Millionen von Amerikanern
verfolgten das hysterische Strafgericht in den Medien. Joseph McCarthy
ruinierte eine Reihe von Existenzen. Allein die Nennung einer Person durch
ihn bedeutete meist das gesellschaftliche und berufliche Aus.
Mehr als 30000 Buchtiteln wurde auf Verlangen seines Comites aus den
öffentlichen amerikanischen Bibliotheken entfernt. 320 Personen wurden
auf schwarze Listen gesetzt: Sie wurden in der US-Unterhaltungsindustrie
bis auf weiteres nicht mehr beschäftigt. Unter ihnen Leonard Bernstein,
Charlie Chaplin, Arthur Miller, Joseph Losey und Orson Welles.
In seinem 1953 veröffentlichten Stück Crucible prangerte
Arthur Miller den hysterischen antikommunistischen Verfolgungswahn am Beispiel
des Hexenwahns des 17. Jahrhundert, der Verfolgung der Hexen von Salem,
an.
Norman Mailer sagte kürzlich in einem in Berlin gegebenen Interview
Als Senator McCarthy 1950 mit seiner Jagd auf die Kommunisten begann,
da flog auch ich in Hollywood beim Filmmogul Sam Goldwyn raus. Und meine
Schauspielerfreunde bekamen keine Jobs mehr. Doch diese Zeit der Verfolgung
kritisch Denkender stimulierte die amerikanische Kunst gewaltig, wir hielten
uns für eine Untergrundarmee. In den 60ern hatten wir, die Linksradikalen,
plötzlich kulturelle Macht. Vielleicht mehr als wir verdienten.
Den Höhepunkt der Hexenjagd bildete die Hinrichtung von Julius
und Ethel Rosenberg 1953. Die beiden waren vom FBI im Zusammenwirken mit
McCarthys Permanent Investigations Subcommittee of the Senate Government
Operations Committee, verdächtigt worden, Spionage für die
Sowjets betrieben und geheime Informationen aus der jungen atomaren Rüstung
der USA, aus dem Manhattan Projekt an die Russen verraten zu haben.
1951 wurden sie deswegen trotz dürftiger Beweislage von einem
US-Gericht zum Tod verurteilt. Das Urteil wurde auf dem elektrischen Stuhl
vollstreckt.
Mc Carthy begann sich zunehmend in militärische Angelegenheiten
zu mischen. Zwei Monate lang ermittelte McCarthy 1954 gegen Angehörige
der Armee. Doch da war McCarthy zu weit gegangen. Er zog sich damit nicht
nur den Unmut der Army, sondern auch den Zorn von Präsident Eisenhower
zu. Im Juli 1954 stellte Senator Ralph Flanders den Antrag, McCarthy die
Senatsmitgliedschaft zu entziehen. Zwei Monate zuvor hatte Flanders den
Anti-Kommunismus des McCarthy mit den Methoden Hitlers verglichen, insbesondere
mit dessen grausamen Vorgehen gegenüber schutzlosen und entrechteten
Minoritäten.
In einer Sondersitzung des Senats im November 1954 wurde diesem
Antrag stattgegeben. McCarthy starb 1957, schwer von unheilbarem Alkoholismus
gezeichnet.
In seinem Ausschuss waren Richard Nixon ebenso beteiligt gewesen wie
Ronald Reagan. Beide wurden zu einem späteren Zeitpunkt Präsidenten
der Vereinigten Staaten und gelten als prononcierte Exponenten des Neo
Konservatismus, insbesonders Reagan.
1955 war es soweit. Am 19. November erschien die erste Ausgabe der National Review, die es - wie es in einem Leitartikel hieß - als ihre Aufgabe ansah, sich quer zur Geschichte zu legen und lauthals »Stop« zu schreien. Das Blatt wurde rasch um Zentralorgan der konservativen Bewegung. Nicht zuletzt deshalb, weil es Buckley von Anfang an gelang, namhafte Vertreter aller drei konservativen Richtungen zur Mitarbeit zu bewegen. Zu den Redaktionsmitgliedern der ersten Jahre gehörten so verschiedene Temperamente wie Schlamm, Burnham, Willmore Kendall (Buckleys Mentor in Yale), Whittaker Chambers und Frank S. Meyer. Russell Kirk trat nicht in die Redaktion ein, sondern steuerte 25 Jahre lang eine Kolumne bei. In den Spalten des Blattes wurden während der ersten Jahrgänge oft heftige Richtungskämpfe ausgetragen.
Heute ist National Review die meistgelesene Wochenzeitschrift
der USA Der Titel könnte bewusst als Konkurrenzansage zur führenden
Zeitschrift des linksliberalen Amerikas The Nation gewählt
worden sein.
Davor hatte Schlamm bereits für den ebenso streng antikommunistischen
Freeman
geschrieben. Schlamm hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen erstaunlichen
Lebensweg hinter sich.
Er war 1904 in Wien geboren worden. 1919 begegnete er in der Wiener
Jungwandervogel Vereinigung dem jungen Willi Reich, dessen psychoanalytisches
Werk mit seinen Theorien über die Funktionen das Orgasmus und seinen
Psychogrammen des autoritären Menschentypus, insbesondere des Nationalsozialismus
die rebellische 1968- er Generation wesentlich beeinflusst hat.
In seinen Erinnerungen an Reich schreibt Schlamm , wir beide suchten
erst im Jungwandervogel und dann in der revolutionären Bewegung einen
Weg zur Überwindung jener absurden Welt, in der dieser grauenhafte,
schmutzige und sinnlose Krieg möglich geworden war. In den späten
zwanziger Jahren wuchs unsere zunächst recht unpersönliche Beziehung
in eine herzliche Freundschaft. Paradoxerweise war das gerade die Zeit,
als ich mit dem Kommunismus brach (1929) und er in die Partei eingetreten
war.
Der junge Willi Schlamm war in den zwanziger Jahren eine Zeit lang Redakteur
der Roten Fahne, dem Zentralorgan der schon damals mehr oder minder
politisch chancenlosen KPÖ gewesen. Schlamm galt als Ultralinker.
Die Ereignisse um den Brand des Wiener Justizpalastes im Juli 1927 werden
von Schlamm und seinem Kreis als Aufstand wahrgenommen, der bis zur
siegreichen proletarischen Revolution, bis zur Diktatur des Proletariats
voranzutreiben sei . Eine Sicht, die von dem dem damaligen Vorsitzenden
der Komintern Bucharin, übernommen wurde, obwohl sie angesichts der
tatsächlichen historischen Verhältnisse völlig wirklichkeitsfremd
gewesen ist. Diese kleine Episode zeigt, dass Schlamm keineswegs ein kommunistischer
Mitläufer gewesen, sondern eben ein aktiver Anführer sein wollte.
1928 wird Willi Schlamm wegen Rechtsabweichung von den oesterreichischenKommunisten
ausgeschlossen.
1933 wird Schlamm Redakteur der wegen der Machtübernahme der Nationalsozialisten aus Berlin nach Wien übersiedelten Weltbühne. Ab 1927 war Carl von Ossietzky Herausgeber
der Weltbuehne. Der engagierte Pazifist Ossietzky wurde von den Nazis 28. Februar 1933 verhaftet und im Gefängnis Berlin-Spandau interniert.
Bereits am 10. Mai 1932 hatte er vorher eine Haftstrafe im Gefängnis Berlin-Tegel anzutreten. Ossietzky ist den Nazis nie mehr entkommen. Am 6. April 1933
wurde er in das Konzentrationslager Sonnenburg gebracht, danach in das KZ Esterwegen. Er wurde staendig schwerstens misshandelt und
verstarb am 4.Mai 1938 in Berlin an spaeten Haftfolgen. Der Nobelpreis, der im rueckwirkend fur 1935 verliehen worden ist, half im wenig, ebensowenig
wie die Interventionen aus aller Welt zu seinen Gunsten. Man verlegte ihn zwar im November 1936 in das Berliner Krankenhaus Westend, er wurde aber staendig
bis zum seinem Tod von der Gestapo ueberwacht. Die internationalen Interventionen zugunsten von Carl von Osietzky wurde von Willi Brandt organisiert, der
zu diesem Zeitpunkt im norwegischen Exil zubringen musste.
Die Weltbuehne konnte sich mit Schlamm nur kurz in Wien halten, da dieser aus dem österreichischen Ständestaat
nach Prag emigrieren musste.
In Prag gründet er die Europäischen Hefte mit, in denen
er pazifistische wie sozialistische Positionen vertritt. In dieser Zeit
entsteht eine vertrauliche Beziehung zu Milena Jesenska, der Freundin Franz
Kafkas. Die Jesenska rät und verhilft Schlamm zur Flucht aus der von
den Nazis bedrohten Tschechoslowakei.
Schlamm emigriert rechtzeitig 1938 in die USA. Die Jesenska kommt elend
im Konzentrationslager Ravensbrück um.
Im ersten Jahrzehnt des amerikanischen Exils, also in den Kriegsjahren
schrieb Schlamm vor allem für Time und Life des Publishers
Henry R.Luce. 1942 wird Schlamm zum Senior Editor der Zeitschrift Fortune
ernannt. Das Projekt einer literarisch politischen Zeitschrift im Luce
Konzern gerät jedoch nicht. Zu einer geplanten deutschen Sonderausgabe
von Timemit dem Projekt-Titel Umlaut lädt Willhelm Schlamm
seinen Freund Friedrich Torberg nach New York ein. Das Projekt kommt jedoch
über eine Nullnummer nie hinaus.
Eine via Net zugängliche Datenbank Name Base zeigt in grafischer
Darstellung die sozialen Beziehungsgeflechte von führenden Persönlichkeiten
des Kalten Krieges.
Hier zeigt sich, dass Schlamm in einem eng verbundenen Personal Network
Kalter Krieger agierte. So hatte er über Whittaker Chambers und James
Burnham Beziehungen zum Congress for Cultural Freedom und zur New
Yorker Zeitschrift
Partisan Review.
Diese Grafik weist deutlich auf Beziehungen zu Joseph McCarthy hin,
und tatsächlich setzte National Review unter der Leitung von
Buckley und Schlamm das Werk des abservierten McCarthy ideologisch konsequent
fort. Russel Kirk, der Prophet des amerikanischen Neokonservativismus,
John Chamberlain, aber auch die militant antikommunistische John Birch
Society zählen u.a. zum Beziehungskreis von William S.Schlamm.
Das merkwürdige an Schlamm ist, dass er trotz seiner radikalen
Vergangenheit das uneingeschränkte Vertrauen exponiert militanter
Antikommunisten erringen konnte.
Das mag vielleicht daran liegen, dass Schlamm mit seiner Schrift
Die Diktatur der Lüge bereits 1937 öffentlich mit dem
kommunistischen System abgerechnet hat.
Schlamm demaskiert die Moskauer Schauprozesse und analysiert die Psychologie
der freiwilligen Geständnisse.Schlamm schwört in dieser Schrift
zwar dem Sozialismus noch nicht ab, verwirft aber weitgehend die marxistische
materialistische Dialektik und setzt an Stelle dessen frühe Vorstellungen,
die sich auf Glaube, Liebe und Hoffnungen berufen. Schlamm argumentiert
vor allem aus moralischen Positionen.
Die Theoreme des Kommunismus verwirft er völlig. Die politischen
Katastrophen in Deutschland und in Österreich führt er auf das
Versagen der dialektischen Theorie zurück.
In jedem Fall wendet er sich ab von der Pespektive einer Diktatur des
Proletariats, wie sie ihm noch zehn Jahre früher in Wien 1927
vorgeschwebt hat.
Schlamm zeichnet in diesem Buch deutlich seine summarische Abkehr vom
Kommunismus.
Die kommunistische Vergangenheit hat Schlamm in seiner ultrakonservativen
Karriere nicht geschadet. Sie bildete paradoxerweise die Voraussetzung
dafür. Denn Schlamm verfügt über umfassendes Insiderwissen
kommunistischer Strategien, das nun der Rechten in ihrem Kampf für
Freiheit zugute kommen soll. Vergleichbare Schicksale durchlebten Manes
Sperber und Arthur Köstler. Sie waren Mitarbeiter des Medienstrategen
Willi Münzenberg gewesen und lösten sich mit ihm zur Zeit
der stalinistischen Schauprozesse aus der kommunistischen Partei.
Auch der Herausgeber des Monats Melvin Lasky hatte eine Trotzki Biografie
veröffentlicht, die allerdings bis in die späten 40 er Jahre
in den USA nicht verkauft werden durfte, weil sich die USA nicht den Missmut
von Stalin zuziehen wollten.
Man kann also sagen, dass der ideologische Kalte Krieg, der Krieg der
Ideen wesentlich von Überläufern mit bestimmt wurde, die sich
aus tiefer Enttäuschung vom realen Kommunismus abgewandt hatten.
Die spätere ultrakonservative Haltung Schlamms ist jedoch etwas
Besonderes. Schlamm ist seinem Wesen nach moralischer Radikalist. Er verabscheut
die Politik der Mitte ausdrücklich. Er prägt das Wort vom Morast
der Mitte. Schlamm will eindeutige Verhältnisse. Nachdem er seine
linken Positionen längst verlassen hat , gibt es also nur mehr eine
Position. Die äussere Rechte...
Schlamms Aufmerksamkeit gilt nicht nur dem orthodoxen Sowjetkommunismus,
argwöhnisch wird auch das linksliberale Amerika ins Visier genommen.
Doch zu Ende der fünfziger Jahre zeigte es sich, dass er in den USA
keine weiteren Karrieresprünge mehr erwarten konnte.Sämtliche
seiner Projekte deutschsprachiger Ausgaben von TIME waren gescheitert.
1959 entschliesst sich Schlamm die USA zu verlassen. Er verkauft sein Landgut
in Vermont und zieht nach Europa.
Von der Schweiz aus versucht er, ein deutschsprachiges Journal zu gründen.
Frank Tichy zitiert aus einem Brief Schlamms an Torberg:
Wir sind antitotalitär, antikommunistisch und antifaschistisch.
Wir sind Verfechter eines abendländischen, geeinigten Europas, das
den Nationalstaat nicht einfach (und unorganisch) verneint, sondern in
eine höhere föderalistische Organisationsform des Westens einfügt.
Wir sind endlich Anhänger der hellenistisch-judäisch christlichen
Konzept von der menschlichen Person, ihrer Bestimmung und ihrer Beziehung
zu Gott.
Dieses christlich juedisch hellenische, also abenlaendische Weltbild sollte auch den Hintergrund einer Wochenzeitschrift Moment werden, die Schlamm fuer den
Zeit-Eigentuemer Bucerius 1959 geplant hat.
MOMENT. Die Woche der Welt
Das Konzept:
Moment ist eine Nachrichtenzeitschrift. Moment berichtet getreulich die Weltgeschehnisse
der Woche - aber es berichtet sie mit einem sehr eigenen Stil und einer sehr eigenen
Aufgabe.
MOMENT hat keine politische Bildung, aber eine politische Verpflichtung. Wir sind
(auf der elementarsten Stufe politischer Meinungsbildung) anti-totalitaer, antikommunistisch
und antifaschistisch.
Wir sind auf der naechsthoeheren Stufe Verfechter eines abendlaendischen Europas, dass
die Nationalstaat nicht einfach (und unorganisch) verwirft, sondern in eine hoehere
foederalistische Organisationsform des Westens einfuegt.
Wir sind endlich auf der hoechsten Stufe politischer Verpflichtung glaeubige Anhaenger
der hellenisch juedischen christlichen Konzeption von der menschlichen Person und ihrer
Beziehung zu Gott.
Es waere sinnlos, ueber die ganz allgemeine Umschreibung unseres Standortes hinaus
zu gehen.
Die Kunst des Moments wird ja gerade darin bestehen, jede Woche mit der tausendfachen
Vielfaeltigkeit des beweglichen Geistes auf das Ereignis einzugehen, also (unter anderen)
nicht voraussagbar sein.
Wer seines Standortes voellig sicher ist, kann ohne Furcht ueber alle Mauern steigen.
Der Unsichere ist dogmatisch. Dem echt Verpflichteten steht die ganze Welt offen, der
kann jedes Abenteuer, jedes neue Ereignis bestehen, ohne selbst atomisiert zu werden.
Betreffend der NATO stellt Schlamm fest:
MOMENT ist so unwiederruflich der europaeischen Zusammenarbeit verpflichtet, dass
es den technischen und politischen Entwicklungen innerhalb der NATO eine regelmaessige
Sparte zur Verfuegung stellt.
In Hinsicht auf die deutsche Politik stellt Schlamm zwei Gruendsaetze auf:< br>
1) Die BRD ist kein Provisorium, sondern das souveraene Deutschland.
2) Jede Form von kommunistischer Unterwanderung wird bekaempft.
Aus dem Moment-Projekt mit Bucerius ist nichts geworden.
Erst in den 70 er Jahren wird Schlamm in der CSU des Franz Josef Strauss und
in Otto Habsburg Foerderer finden. Wahrscheinlich fand er deren Zustimmung
in Folge der 68-er Ereignisse und des Wechsels zur Brandt Administration
der SPD, der von den Konservativen als moeglicher historischer Verlust von Macht und Einfluss angesehen worden ist. So sieht dies zumindest Konstantin von Bayern
in seinem politischen Vermaechtnis Zukunft sichern.
Da brauchte man einen Haudegen wie den Ex-Kommunisten und Konvertiten Schlamm, um die Koepfe wieder nach rechts zu richten.
Was Torberg mit Schlamm politisch verbindet, laesst sich anhand eines Briefes
von Torberg an Schlamm aus dem Jahr 1973 dokumentieren.
Er berichtet von einer dreiwoechigen Vortragsreise durch die USA und
von zwei weiteren Vortraegen in Paris.
Gewoehnlich begann ich mit der mit der Vorlesung meines in der Wiener
„Weltbuehne“ (in den 30 Jahren als Exilausgabe in Wien herausgegeben)
erschienenen Aufsatzes „Redepflicht“ und leitete ein mit den Worten.
„Sie sehen, meine Damen und Herren. ich war schon damals ein Kalter
Krieger und bin es bis heute geblieben.“
Zu einer Reihe antikommunistischer Postscripta ueber selbstverstaendliches
habe ich die Weltbuehne als die „von Willi Schlamm“ geleitete praesentiert.
Im selben Brief bittet Torberg Schlamm, dessen Einladung an ihn, an der
neu gegruendeten Zeitschrift ZEITBUEHNE mitzuarbeiten, zurueck zu
ziehen. Nicht Ablehnung, sondern Bitte um Ruecknahme der Einladung.
Das habe nichts mit seiner Gesinnung oder gar Freundschaft zu
Schlamm zu tun. Es waere eine Frage der Taktik und der Strategie,
die Torberg jedoch nicht naeher ausfuehrt.
Kurz und gut, der eher zu den oesterreichischen Sozialisten, insbesondere
zu Bruno Kreisky tendierende Torberg lehnt die Mitarbeit in einem
von der christlich sozialen bayrischen CSU unterstuetzten Blatt ab.
So weit ist die kalte Kriegskameradschaft dann doch nicht gegangen.
Schlamm hat in Folge alles unternommen, die Geschicke ohne Hilfe von
Torberg wieder nach rechts zu drehen.
William F.Buckley konzidierte Schlamm in einem 1992 erschienenen Interview,
in dem Buckley die christlichen moralischen Intentionen der National
Review hervorhob, dass Schlamm zwar jüdisch, aber doch pro-god
eingestellt gewesen sei.
Die meisten der Autoren des National Review hatten einen christlichen
(katholischen) Hintergrund.
Der deutsche Verleger Axel Springer
verpflichtet William S. Schlamm in den 60 er Jahren als Kommentator für
Die Welt und für andere Tätigkeiten in seinem strikt antikommunistischen
Presseimperium.
Schlamm veröffentlich in den 60 er Jahren eine Reihe von Büchern
zur Situation. 1959 wird sein Buch Die Grenzen des Wunders, Deutschland
und die Ost West Krise binnen drei Monaten mehr als hunderttausendmal
verkauft. So konnte er sich seiner Wirkungen in Deutschland gewiss sein.
1959 schrieb er in Springers Welt:
Die Entscheidung einer Regierung, Kriege als 'undenkbar' zu erklären,
schließt die Entscheidung ein, auf jegliche Außenpolitik zu
verzichten ... Aber der Westen, wenn er am Leben bleiben will, muß
glaubhaft entschlossen Krieg zu führen, ... eine militärische
Rüstung gegen den kommunistischen Expansionsdrang hat nur dann einen
Sinn, wenn sie auf einem Konzept der Offensive basiert ...
Schlamm exponiert sich als agressiver Falke und schreckt nicht davor
zurück, in der Auseinandersetzung auch den heissen, atomaren Krieg
für eine der möglichen Optionen zu halten. Schlamm passt bestens
in das Deutschland er beginnenden 60 er Jahre. William S. Schlamms Kommentare
in Springers Welt unterstützen die Wiederaufrüstung. Schlamm
selbst hat mittelbar beste Kontakte zum Kanzleramtsbüro Adenauers,
die entweder direkt oder über Klaus Dohrn laufen. Friedrich Torberg,
Klaus Dohrn und William S. Schlamm versuchen gemeinsam sowohl in Deutschland
und in Österreich Einfluss auf Politik und Medien auf höchster
Ebene auszuüben. Und man schenkt ihnen Gehör.
Selbstverständlich erhält Schlamm den im Rahmen der rechts
positionierten Deutschlandstiftung verliehenen Adenauerpreis neben
anderen kalten Publizisten...
1968 schreibt Schlamm in der Springerpresse, dass die linken Medien
einer verschandelten Jugend grinsend den Hof machten. Diese verschandelte
Jugend berief sich sowohl in ihrer antiautoritären Absicht wie in
ihren Strategien der sexuellen Befreiung auf den Jugendfreund Schlamms,
auf Willi Reich.
Und im ersten Heft seiner Gründung Zeitbühne 1972
sieht er schwarz.
Wer aber die deutsche Anpassungsfähigkeit an jede Dummheit
kennt, zweifelt nicht daran, dass, um des Jahr 2000 herum, die deutschen
Universitäten weitaus mehr zur Umweltverschmutzung beigetragen haben
werden als die ganze chemische Industrie.
Der kalte Krieger im Kampf der Meinungen, Ideologien und Ideen hat nun endlich sein eigenes Journal, das er von Salzburg aus, in dem er heimisch geworden ist, redigiert. Er gibt es gemeinsam mit Otto Habsburg heraus, dessen Pöckinger Adresse auf dem Briefpapier der Zeitbühne mit angegeben ist. Schlamm und der verhinderte Thronfolger begründen eine Schule des Neo- Konservatvismus.
Es ist ein weiter Weg gewesen, vom revolutionären Chefredakteur
der Roten Fahne, über Qssietzkys Weltbühne, über
das Time Magazine und die National Review, über Springers
Welt bis zu seinem monarchischen Partner der letzen Jahre, dem er
in einem offenen Brief schreibt:
Als wir beide Kinder waren, hatten Geschichte und Schicksal Sie
dazu bestimmt, mein Kaiser zu werden. In meinem langen und bewegten Leben,
das mich jahrzehntelang mit der sogenannten Prominenz unserer Zeit in Berührung
brachte, habe ich keinen Staatsmann, keinen Politiker, keinen Denker von
Ihrer Menschlichkeit, Ihrem Pflichtbewußtsein, Ihrer unerschütterlichen
Glaubensfähigkeit kennengelern. Heute hat Europa in Ihnen den einzigen
Staatsmann, dem es vertrauen kann.
Aus dem ultraradikalen Revolutionär der zwanziger Jahre ist ein
ultrakonservativer Monarchist geworden. Es dürfte kein Zufall gewesen,
dass die Gründung der ebenso konservativen Hochschulbewegung
YES in die Jahre der Zusammenarbeit mit Otto Habsburg gefallen ist. Denn
eines hat der William S.Schlamm immer gewusst und gekonnt:
Wie man Ideen effizient unter die Leute bringt. Doch angesichts
der ungeheuer widersprüchlichen Bandbreite der weltanschaulichen Positionen,
historisch verleichbar mit dem Entwicklungsweg des Joseph Fouche, muss
man die Frage stellen:
Wie kann einer so irren ... Wie kommt einer von den Idealen der Gleichheit
zur Position eines wesentlichen Wegbereiters des Neokonservatismus, der
heute deutlich und unübersehbar dem Prinzip der Ungleichheit fröhnt,
indem seine Verfechter die Behauptung aufstellen: Die Gleichheit wäre
der Feind der Freiheit...
Schlamms persönlicher Lebensweg und seine Publikationsgeschichte
spiegelt in seiner Widersprüchlichkeit die Zerrissenheit und die Kontroversen
des 20. Jahrhunderts im internationalen Masstab. Es ist aber auch ein zutiefst
österreichisches Schicksal. Aus dem Wien der letzten Tage der Menschheit
des Karl Kraus gerät er in den revolutionären Aufbruch einer
charismatischen Ideologie, der sich grosse Teile der europäischen
aber auch globalen Intelligenz zugeneigt haben.
Die realen Gegebenheiten und Auswirkungen in der Umsetzung der Ideologie
bringen ihn zur völligen Abwendung. In der neuen Welt, deren libertäre
Strahlung nicht aus dem Neokonservatismus, sondern auf hedonistischen und
pragmatischen Vorstellungen beruht, kehrt er zurück zum Wertkonservatismus,
der ihn letztendlich wieder zum mitteleuropäischen Monarchisten werden
lässt.
Während sich in den Letzten Tage der Menschheit der Untergang
einer Gesellschaftsordnung und der damit verbundenen Weltanschauung spiegelt,
rückt in der zweiten Phase seines Lebens das Ende der Menschheit bedrohlich
nahe.
Schlamm spielt da sogar in seiner öffentlichen Polemik mit dem
Feuer des atomaren Krieges. Auf diese und andere Bedrohungen hat der Neokonservativismus
bis heute keine brauchbaren und annehmbaren Antwort gefunden. Der Rekurs
auf Freiheit und Menschenrechte erweist sich als rhetorische Verbrämung
einer restaurativen Absicht, die historisch an der ihr immanenten Ungerechtigkeit
von sich aus gescheitert ist. Es wäre zu kurz gegriffen, Schlamm allein
nur als einen machivellistischen Machtmenschen, der zu einer scheinbar
gottgewollten Ordnung zurückkehren wollte, anzusehen. Sein Leben zeigt
eine bestimmte schicksalhafte Tragik, die aber auch seine intellektuellen
und gesellschaftlichen Gegner in Anspruch nehmen dürfen.