Der Film wurde 1961 gedreht und beschreibt den letzten Nürnberger
Militärgerichtsprozess im Jahre 1948 gegen hohe Nazirichter und den
Justizminister Janning, die mit ihren Urteilen die verbrecherische Gesetzgebung
der Nazis bestätigten, ausarbeiteten und umsetzten. Kramer zeigt
die Einflussnahme auf Ankläger und auf den Richter des Richter des
Tribunals, die Urteile milde ausfallen zu lassen. Man brauche nun
die Hilfe der Deutschen, um der sowjetischen Bedrohung , etwa in der Berlin
Blockade und angesichts der Entwicklungen in der Tschechoslowakei stand
zu halten. In einer entsprechende Dialog Sequenz zwischen Ankläger
und einem kommandierenden General der US-Armee wird dies sehr deutlich
ausgedrückt.
Eine ganz klare Bestätigung dafür, dass die Nazis mit Hilfe
der USA reintegriert und für deren politischen Zwecke instrumentalisiert
werden sollten. Dem Richter, der sich von dieser Einflussnahme nicht beeindrucken
liess, und lebenslängliche Haftstrafen aussprach, hielt der deutsche
Verteidiger in einem abschliessenden Vieraugen Gespräch entgegen,
die würden Urteile bloss für fünf sechs Jahre halten und
hob den parallel laufenden IG Farben Prozess hervor, in dem bereits Freisprüche
ergangen wären.
Der Film wurde mit vielen Preisen überhäuft. Einen Oscar erhielt Maximillian Schell, der die Rolle des deutschen Verteidigers spielte, einen weiterer erging an Abby Mann für das beste Drehbuch. Auf den internationalen Filmfestspielen wurde der Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet und in der Bundesrepublik Deutschland erhielt er das Prädikat Besonders wertvoll zugesprochen.
Der Drehbuchautor Abby Mann, ebenso mit einem Oscar ausgezeichnet, musste jedoch Widerstand in den USA hinnehmen:
Als ich im Winter 1957 begann, Das Urteil von Nürnberg zu schreiben, betrachtete man es in der gebildeten Gesellschaft als einen Verstoß gegen die guten Sitten, über das Thema der deutschen Schuld oder über die Opfer des Dritten Reiches zu sprechen. Der Grund hierfür lag in der Politik: Das junge Bundesdeutschland war ein wichtiges Glied im westlichen Bollwerk gegen den bitterbösen Kommunismus, daher stellte man die Abrechnung mit einem unmenschlichen System, das völlig neue Maßstäbe der Barbarei gesetzt hatte, in die zweite Reihe, setzte falsche, ja heuchlerische Prioritäten. Das Urteil von Nürnberg wurde in dieser Hinsicht fast zu einem Mahnmal.
Umso bestürzender, dass man 50 Jahre nach dem Geschehen, 40 Jahre
nach diesem Film, nach der Beendigung des Kalten Krieges und des Sowjetkommunismus
noch immer auf Schwierigkeiten in der Vermittlung und Diskussion der Tatsachen stösst.
Die Erkenntnisse österreichischer Historiker zur
Rolle der USA, die im letzten Dezenium erarbeitet wurden, haben nur eine
kleine Öffentlichkeit erreicht. Das gibt doch zu denken und zeigt,
dass es ebenso wichtig ist, sich mit den Vorgängen der Verdrängung und nicht nur deren
Hintergründen und Ursachen auseinander zu setzen.
Diese Vorgänge waren für die Entwicklung Österreichs
und die seiner politischen Konstitution ebenso bestimmend, wie für
die Bundesrepublik Deutschland. Politische Integration ehemaliger Nazis
wurde hier zu Beginn der 50er Jahre, also noch zur Zeit der militärischen
Besatzung seitens der Alliierten nach demselben Plan wie in der BRD vollzogen.
Auch dies ist Teil einer gemeinsamen Geschichte, die über 1945 weit
hinaus reicht.
Ich bin sicher, die Fakten, die da noch immer bestritten werden oder umstritten sind, schon lange bekannt und wurden auch in der Öffentlichkeit kommuniziert. Heute sind sie um viele Details ergänzt. Sie müssen zwangsläufig bekannt gewesen sein, weil mit dieser Taktik Realpolitik gemacht wurde, die auch von den Massen verstanden werden sollte und auch verstanden wurde.
Es wäre zweifellos interessant, einen Überblick über
all diese Dokumentationen, ihre Erscheinungsdaten, ihre Rezeptions-und
Wirkungsgeschichte zu schaffen, um endlich aus dieser merkwürdigen
historischen Nebelzone, in der vieles auf unsichtbare Dienste verschoben
wird, herauszukommen. So war die US-Regierung immer bemüht, eine Mitverantwortlichkeit
weitgehend zu verdecken. Von diesem Nichterkennen der Verantwortlichkeit
kann man nach diesem 1961 entstandenen Film von Stanley Kramer nicht sprechen.
Öffentlicher konnte man das nicht plakatieren. Der Film war jedoch
weder in den USA noch in Deutschland erfolgreich gewesen.
Die grosse Mehrheit hat sowohl in Deutschland wie in Österreich
das Angebot des Vergessens gerne ergriffen und alsbald vergessen, dass
dieses Angebot überhaupt einmal gemacht wurde.
Das wurde zum Problem der Historiker. Eine historische Vereinbarung,
die sich auf lange Zeit für viele als nützlich herausgestellt
hat, ist offensichtlich bedeutender als die historische Wahrheit. Deswegen
wird sie verteidigt und lässt sich nicht so leicht kippen.
Wenn da nicht eines wäre. Der deutsche Verteidiger in Kramers Film
spricht es aus, bevor er zu einer Anklage der Mitschuld der Welt ansetzt.
Einerseits verwehrt er sich gegen die Verwendung von Originaldokumenten
aus den Vernichtungslagern als Beweismaterial seitens der Anklage und andererseits
gesteht er zu, dass der Holocaust auch in 160 Jahren noch nicht vergessen
sein wird. Dieses Verbrechen gegen die Menschen kann nicht vergessen werden.
So urteilt übrigens auch der amerikanische Richter. In einem privaten,
abschliessenden Gespräch stellt er gegenüber Jannings fest, das
erste Todesurteil, das Jannings gegen einen Unschuldigen verhängt
hat, war die Voraussetzung für das Sterben der folgenden Millionen.
Der US-Richter (ein ziviler Richter) verurteilt Janning, weil dieser die
Grundlage der Justiz, die Gerechtigkeit von Anbeginn ausser Kraft gesetzt
hat.
Aus juristischen wie ethischen Gründen kann nicht pardoniert werden,
was aus realpolitischen Gründen dann doch pardoniert wurde.
Damit wird aber auch die Lüge, die Vergiftung der Gesellschaft,
wie Jannings es in seinen selbstbezichtigenden Ausführungen im Zeugenstand
des Prozesses nennt, in den politischen Alltag von Nachkriegs Deutschland
und Österreich übertragen.
Das ist der wesentliche Punkt. Auf der einen Seite will man etwas vergessen machen, aus machtpolitischen Gründen, aus der Verteidigung der Freiheit gegenüber dem Kommunismus, gegen die Gefahr aus dem Osten etc. andererseits ist man damit gezwungen, die Schuld zu verdecken. Doch 50 Jahre danach merkt man einmal mehr, dass dieses Verstecken, Vergessen nicht gelingt, nicht gelingen kann. Das Verbrechen an den Juden übersteigt den historischen Verdrängungshorizont und so wird die Ambivalenz des aus einer unsäglichen Geschichte aussteigen Wollens und des nicht Könnens, weil eben das Geschehen so ungeheuerlich ist, weiterhin vorhalten.
Jeder sensible denkende Mensch begreift, dass die Verbrechen der Nazis
sich nicht nur allein gegen die Juden, die politisch anders denkenden und
handelnden gerichtet haben. Sie waren generell gegen die Menschlichkeit
gerichtet. Und so wird jeder Versuch der Rehabilitation zu einer weiteren
moralischen Last, die auch durch das Schreckgespenst des Kommunismus nicht
aufgehoben werden kann.
Diese Rehabilitation hat eben aus pragmatischen Gründen stattgefunden
und lässt sich auch nach Erreichung des Zieles des Kalten Krieges
nicht als gerechtfertigt hinstellen. Das ist das Dilemma, in dem wir stecken.
Das ist die wesentliche Aussage des Films von Stanley Kramer.
Möglicherweise ist meine Sehweise nicht historisch wissenschaftlich
genug, mag sein, dass Historiker ihre Aufgabe anders lösen.
Es sind jedoch entscheidende Fragen der Moral, der Ethik, grundlegende
Fragen des menschlichen Zusammenlebens. Menschliche Grundhaltungen wurden
auf Dauer deformiert. In der Geschichtsschreibung kommt es wahrscheinlich
darauf an, Recht zu haben, die richtige Perspektive durchzusetzen. Im realen
Leben kommt es eher darauf an, Massnahmen gegen die Ungerechtigkeit zu
setzen.
Die Wiedergutmachung an den überlebenden Juden und an den Zwangsarbeitern
wurde weitgehend über Jahrzehnte hinaus gezögert. Auch dies hat
mit den Entscheidungen, die in den 50 er Jahren gefallen sind, zu tun.
Hätte man dies bereits nach dem Kriege getan, oder zumindest in
den 50 er Jahren, so hätte man sich der Mithilfe der Nazis nicht so
versichern können. Denn Wiedergutmachung ist ein klarer Ausdruck des
Eingeständnisses von Schuld. So geriet auch alles in dieser Richtung
halbherzig.
Die Existenz der Gesellschaft dieses Nachkriegseuropas, insbesondere
Deutschlands und Österreichs und der Nordatlantische Pakt ruht auf
einer Vereinbarung, die sich als schwerlastende Hypothek heraus stellt,
die aber allgemein anerkannt und abgesegnet worden war.
Ein befreundeter Staatsbeamter, der das KZ Mauthausen nur mit
viel Glück überlebte, hat mir im Verlauf unserer Gespräche
deutlich wissen lassen, die Gefahr des Kommunismus habe die Pardonierung
der Nazis gerechtfertigt. Er hat diese Rehabilitation seiner Widersacher
für politisch richtig empfunden.
Man habe eben versucht, sie wieder zu Christen zu machen. Dass dies
nicht völlig gelungen ist, zeigt der zynische Umgang mit den Geschehnissen
der Nazizeit, die Politiker einer bestimmten Richtung heute an den Tag
legen. Ebenso beruft sich die neue Rechte darauf, die Nazis hätten
am Erhalt der freien Welt aktiv mitgewirkt.
Der Film enthält einige weitere wesentliche Punkte. Der Ankläger
hält bestürzt fest, man wäre nach Nürnberg gekommen
und habe geglaubt, man müsse bloss eine gewissenslose Verbrecherbande
vor dem Gericht aburteilen und den entsprechenden Strafen zuführen.
Man habe es aber mit Beamten, mit Akademikern, die über eine ausgezeichnete
Ausbildung verfügen, zu tun. Die trotz ihres Wissens und Kenntnis
der Sachlage wider die ethischen Grundlagen der Justiz dem verbrecherischen
Unrecht Tür und Tor öffneten. Sie hätten das System durch
den Einsatz ihrer beruflichen Würde und Fachkompetenz erst legitimiert.
Man muss intensiv darüber nachdenken, welche Auswirkungen die
Nürnberger Rassengesetze mit sich brachten. Die allgemeine Akzeptanz
der Rassengesetze in der Bevölkerung war wesentliche Voraussetzung
für die folgende Vernichtung und die fortdauernde Xenophobie des Fremdenhassen,
die immer wieder hervorbricht.
Der deutsche Verteidiger streicht die Rolle des Vatikans, der unter anderem mittels des Konkordats Hitler zu Prestige verholfen habe, heraus. Ebenso die Mithilfe von amerikanischen Industriellen in der Wiederaufrüstung nach 1933. Der Film zeigt ein detailreiches Bild. Ich bin mir sicher, die den Film damals gesehen haben, verstanden richtig. Allerdings ist diesem Film kein kommerzieller Erfolg beschieden gewesen. Es haben ihn offensichtlich zuwenige Menschen gesehen und verstehen wollen.
Nachdem dieses politische Geschäft, das dieser Film zeigt, als
gültige Konstruktion von Wirklichkeit angesehen wurde und wird, erscheint
der Versuch der Aufklärung darüber, also die Darstellung der
historischen Wahrheit, ebenso als politische Absicht.
Die Wahrheit soll nicht erkannt werden, da sie den politischen Konsens
stören würde. Die Schuldfrage erneut zu stellen, heisst auch
immer wieder den Konsens in Frage zu stellen. So gesehen hat die Perspektive
von Geschichte politische Wirkung.
Und das ist offensichtlich störend für jene, die den Pragmatismus
sowohl über Wahrheit wie auch Gewissen stellen. Dies ist nicht allein
das Dilemma des Historikers. All jene, die an dieser Konstruktion festgehalten
haben, steckten ebenso darin fest und wurden selbst dadurch beschädigt.
Eine Spätfolge dieser ausblendenden historischen Vereinbarung ist
unter anderem die von der extremen Rechten bewusst forcierte Auschwitzlüge.
Die sogenannten Revisionisten konnten eine Zeitlang in dieser perversen
Zuspitzung die vereinbarte Konstruktion schamlos und zynisch ausreizen.
Allerdings nur begrenzt, wie einerseits die klar ergangenen Strafandrohungen
und das jüngst in London ergangene Urteil wider David Irving
gezeigt hat.
Hätte man bereits früher der Verdrängungskampagne der 50 Jahre widersprochen, wäre es gar nicht soweit gekommen. Die Debatte wider die Revisionisten hat deswegen zu kurz gegriffen, weil eben genau diese allgemein akzeptierte Taktik von damals nicht zur Genüge beachtet wurde. So konnte auch der Historiker Nolte von einem europäischen Bürgerkrieg sprechen, den er in einem Zeitraum von 1917 und 1945 abhandelte. Alles wäre nur geschehen, weil die Bolschewiki die Oktoberrevolution in Gang gesetzt hätten. So haben auch die Nazis argumentiert.
Dass sowohl die Deutschen wie auch die Österreicher aus Vergangenem
nicht wirklich entlassen wurden, zeigen die erst in der jüngsten Zeit
abgeschlossenen Verhandlungen über die Wiedergutmachung. Beschämend
für alle, dass dies nicht aus moralischen sondern aus wirtschaftlichen
Gründen geschehen ist. Man fürchtete eben den angedrohten Zugriff
auf Vermögen jener involvierten Firmen, die Zwangsarbeiter in Anspruch
genommen und Niederlassungen in den USA haben. Die Wiedergutmachung jüdischer
Ansprüche ist noch nicht völlig abgeschlossen, und wird nun auf
staatlicher Ebene geregelt werden. Bemerkenswerte Randnote, ebenso erwähnt
im Stanley Kramer Film. Die leitenden Angestellten der IG Farben wurden
in einem ähnlichen Prozess von einem amerikanischen Kriegsgericht
freigesprochen. Auch sie nutzten in ihrem Unternehmen die Arbeitsleistungen
von Zwangsarbeitern aus.
Vom Verwaltungsgebäude der IG Farben in Frankfurt aus haben
die USA die Geschicke der Bundesrepublik Deutschland fast ein halbes Jahrhundert
lang mitbestimmt.