Zum Gedenken

© Franz Krahberger

Electronic Journal Literatur Primär ISSN 1026 -0293


Geschichtsverdrängung in Österreich wurde methodisch betrieben und folgte sowohl innen- wie auch aussenpolitischen Zielen. Die damit befassten Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben diesen Weg mit Wissen und Duldung der Alliierten begangen. Bis zur endgültigen Festlegung auf die prowestliche Orientierung konnte Österreich mit weitgehenden Sympathien seitens der Sowjetunion rechnen.
Erst im Zuge des kalten Krieges, dessen Anfänge bereits im letzten Drittel der 40 er Jahre zu bemerken sind, wurde der wirtschaftliche Druck und die Ausbeutung Ostösterreichs seitens des Sowjets drastisch verschärft. Trotzdem gelang es, den österreichischen Staatsvertrag unter Wahrung der Neutralität zu erreichen.
Sowohl aus politischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen wurde gegenüber den Sowjets geschickt taktiert und Konfrontationen wurden möglichst vermieden.
Gemeinsamer Nenner österreichischer innenpolitischer Bemühungen war der Antikommunismus. Es gab keine ausgeprägten und wirksamen Formen des Antifaschismus.
Die österreichischen Sozialdemokraten folgten im grossen und ganzen dieser Strategie, gerade weil sie seitens der Volkspartei aus wahltaktischen und aus ideologischen Gründen immer wieder in die Nähe der Kommunisten gerückt wurden.
Die direkte Nähe zur weltpolitischen Demarkationslinie „Eiserner Vorhang“ verstärkte dieses ausgeprägte politische Bedürfnis.
Die antikommunistische Politik wurde verstärkt durch die Wiedereinbindung kollektiv belasteter Bevölkerungsschichten. Damit nahm man das Erbe eines nur unscharf bewältigten Nationalsozialismus in Kauf. Schrittmacher dieser Integrationspolitik waren die Katholische Kirche, die ihr nahestehende Volkspartei. Aber auch die Sozialistische Partei nahm Ehemalige in ihre Reihen auf. Das führte oft zu grotesken wechselseitigen Vorwürfen, wer die schlimmeren Nazis in der Partei habe.
Die österreichischen Politiker konnten sich des Rückhaltes ihrer antikommunistischen Politik in der österreichischen Bevölkerung sicher sein. Die Wahlen 1946 erbrachten trotz sowjetischer Präsenz nur 4 von 165 Nationalratsmandaten für die Kommunisten.

Die Briten warnten bereits früh vor Expansionsbestrebungen der Sowjetunion, eine Ansicht, die durch die weiteren Entwicklungen in Mitteleuropa mit der Übernahme der Tschechoslowakei in den kommunistischen Machtbereich bestätigt wurde. Historiker sind der Ansicht, dass der Beginn des Kalten Krieges in Österreich auf Grund britischer Aktivitäten bereits 1947 anzusetzen ist. Im März 1946 zeichnete Winston Churchill mit seiner Iron Curtain Rede das Bild künftiger Auseinandersetzung zwischen Ost- und West:
Abgesehen vom British Commonwealth und den Vereinigten Staaten , in denen der Kommunismus noch in den Kinderschuhen steckt, bilden die Kommunistischen Parteien (in West- und Osteuropa) und die fünften Kolonnen eine Herausforderung und wachsende Gefahr für die christliche Zivilisation.

So sehr rückblickend die antisowjetischen Strategien und insbesondere der Antistalinismus gerechtfertigt erscheinen, so bedenklich ist die bis ins Heute verdrängte nationalsozialistische Vergangenheit und Mitverantwortlichkeit, die aus vorgenannten pragmatischen und realpolitischen Gründen weitgehend unbewältigt blieb und deren Aufarbeitung erst im letzten Jahrzehnt unbeschwerter in Gang gekommen ist. Otto Habsburg zum Beispiel hält nach wie vor am Opfermythos fest und zeigte sich zu Ende des 20.Jahrhunderts über den ursprünglichen Inhalt der Moskauer Deklaration, der eine Erklärung der Kriegsmitschuld enthielt, noch immer beleidigt, obwohl diese Deklaration entgegen so manch anderer Ansicht für Österreich geradezu günstig ausgefallen ist. Nach ihr war Österreich als erstes Land der Angriffspolitik Hitlers zum Opfer gefallen, übrings mit Duldung fast aller anderen Staaten. Dieses Österreich müsse von deutscher Herrschaft befreit werden, wurde jedoch an seine unabdingbare Mitverantwortung für die Teilnahme am Krieg an der Seite Hitler-Deutschlands erinnert. Diese Erinnerung an die Kriegsmitschuld Österreichs stört viele Österreicher heute noch. Unterzeichnet wurde die Moskauer Deklaration für die USA von Hull, für Grossbritannien von Eden und für die UdSSR von Molotow. Das französische Komitee der Nationalen Befreiung schloss sich dieser Deklaration an. Auch in den Jaltabeschlüssen ist diese Mitverantwortung ausdrücklich festgehalten. Fritz Bock, Handelsminister und Vizekanzler bis 1968 sieht die Ursache dieser Bewertung einer Kriegsmitschuld vor allem in der Tatsache, dass sich Österreich 1938 gegen den Anschluss nicht mit militärischen Mitteln gewehrt hat.
Ein entsprechender Absatz sollte noch im Staatsvertrag 1955 enthalten sein. Leopold Figl gelang es jedoch Dulles, Macmillan, Molotow und Pinay kurz vor der Unterzeichnung mit einem formalrechtlichen Argument zu überzeugen. Der Kriegsschuldparagraph wurde ersatzlos gestrichen.

Noch immer erregen Ausstellungen wie etwa Verbrechen der Wehrmacht wütende Reaktionen im nationalen Lager und unter den ehemaligen Kriegsteilnehmern. Nachdem sie sich einmal von Schuld pardoniert sahen, wollen sie bis heute nicht wahrhaben, an einem verbrecherischen Krieg teilgenommen zu haben und versuchen diese tragische Lebens- und Geschichtslüge noch gegenüber ihren Enkelkindern aufrecht zu erhalten. Eine verschwindende Minderheit hält aus politischer Überzeugung und fortgesetzter, wenn auch abgeschwächter nationalsozialistischer Ideologietreue daran fest. Die Mehrheit bezieht ihre Erregung aus Gründen der Ehre und sowohl vaterländischer wie auch nationaler Pflichterfüllung, eben mit der Rechtfertigung des Kampfes für die Freiheit in Abwehr des Kommunismus, wie aus schlichtem persönlich subjektiven Unschuldsgefühl.
Diese Ausgangslage bestimmt bis heute die Auseinandersetzung um die Bewertung der Vergangenheit und die Bemühungen um die österreichische Identität. Viele historische Einsichten erschüttern jedoch das Bild des österreichischen Opfermythos und des Mythos vom militärischen Zwang. Daran lässt sich nur mehr schwer festhalten. Der Mythos österreichischer Unschuld entstand aus bewusst konstruierter geschichtlicher Distanzierung, für die von den Alliierten von vornherein die Türe einen Spalt weit geöffnet worden war. Sowohl die West-Alliierten als auch die Sowjetunion, ebenso die kritische österreichische Intelligenz waren sich immer bewusst, dass derartiger Blickwinkel nicht stimmte und die Konstruktion von allen Beteiligten aus realpolitischer Absicht und Notwendigkeit heraus stillschweigend akzeptiert wurde. Eine Hürde, die im öffentlichen Bewusstsein nie übersprungen werden konnte.

Eine mögliche Erklärung zur verspätete Erregung über die historisch belegte Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverfahren finden wir in einer Publikation der 60 er Jahre. Der Autor Paul Carell hat damals in seinem im Ullsteinverlag erschienenen Buch Unternehmen Barbarossa in einem militärhistorischen Verfahren den Ostfeldzug von der Beschreibung aller Verbrechen, die in der gegenwärtigen Geschichtsschreibung wieder wahrgenommen und dargestellt werden, frei gehalten. Auf fast 600 Seiten findet sich keinerlei Hinweis auf die Greuel, die den meisten Beteiligten bekannt gewesen sein müssen. Kein Wort findet sich da über Pogrome, kein Wort vom Holocaust, kein Wort über den Massenmord an der Zivilbevölkerung . Nichts kann man von der unverhältnismässig hohen Sterberate der von den Deutschen gefangenen 5,7 Millionen Sowjetsoldaten erfahren. Fast 60 Prozent der Gefangenen verstarben. Auch in den wenigen Seiten über die Waffen SS Divisonen findet sich keinerlei Hinweis.
Auf einer Website findet sich die Feststellung, Paul Carells Version des Unternehmens Barbarossa habe nicht nur in der Boulevardpresse grossen Zuspruch gefunden. Selbst die seriöse Wochenzeitung DIE ZEIT vom 25.11.1966 und das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL vom 1.7.1964 habe positiv darüber berichtet.
In der zweibändigen Taschenbuchausgabe von 1968 findet sich ein Auszug der Rezension der ZEIT:
Diese Darstellung des Feldzuges in Russland hat bedeutende Vorzüge; Klarheit der Darstellung, volkstümliche Sprache, Genauigkeit der Untersuchungen. Es ist zu spüren, daß der Verfasser nicht nur die gedruckte Literatur kennt, sondern dass er auch zahlreiche Soldaten, Armeeoberbefehlshaber, Generalstabsoffiziere, örtliche Kommandanten und Landser befragt hat.
Die scheinen, so man Carell folgt, alle nichts gewusst haben. Wir kennen diese Haltung aus der leidigen Waldheim Affaire.
Die Welt der Literatur sieht die in jeder Hinsicht bereinigte Darstellung so:
Eigentlich wüssten wir kein besseres Buch, das in so fairer Art den schrecklichen Feldzug schildert und das auf seine Manier beiden Seiten, den Deutschen und den Sowjets, Gerechtigkeit widerfahren lässt.
Der Münchner Merkur berichtet über Carells militärhistorische Konstruktion:
Das Buch über den Russlandfeldzug schlechthin. Wie mit dem Seziermesser legt Carell die Tatsachen bloss. Die Entscheidung des Generals hat genauso ihren Platz wie die Entscheidung, die Reaktion des Landsers.
Um die bewussten Ausblendungen, die durchaus den medialen Strategien des Kalten Krieges entsprechen, noch weiter zu verdeutlichen, erscheint es angebracht, das Pseudonym des Autors zu lüften.
Paul Carell hat mit seinem bürgerlichen Namen Paul Karl Schmidt geheissen. Er hatte den militärischen Rang eines SS-Obersturmbannführers und ist Pressesprecher von NS-Aussenminister Ribbentrop gewesen. Schmidt hatte grossen Einfluss auf die gleichgeschaltete deutsche Reichspresse.
20 Jahre später prägte der Medienmusketier das sowohl in Deutschland wie in Österreich gefällige Bild vom sauberen, notwendigen und kameradschaftlichen Krieg. Ein Krieg in dem es deutsches Heldentum, aber keine Massenmorde gegeben haben soll.
1968 hat diese unheimliche Dokument der Verschleierung und Ausblendung eine Gesamtauflage von 352000 Exemplaren erreicht. Es gibt Bücher, die ihren Sinn erst offenbaren, wenn man nachsieht, was alles zum Thema gehöriges nicht drinnensteht. Eines davon ist zweifellos Carells Werk, das wesentlich den Darstellungstils der Militaria, die über Jahrzehnte in Form von Bildbänden und Videodokumentationen über Buchhandlungeen, Buchgemeinschaften, Versandhäuser, an Bahnhofskiosken und selbst in Supermärkten vertrieben worden sind, geprägt haben dürfte.

Der Mythos von der sauberen Wehrmacht wurde jedoch bereits Ende 1945 unter direkter Anleitung der US-Armee gebildet.
Franz Opitz schreibt in der Berliner taz im Juni 1999:
Die zahlreichen Denkschriften, Memoiren, Erlebnisberichte und Studien, die über 300 deutsche Offiziere unter Leitung von Generaloberst Franz Halder im Rahmen der Historical Division der US Army ab Januar 1946 verfaßten, zeichneten eben dieses Bild eines "sauberen" militärischen Krieges der Wehrmacht, in Abgrenzung zu den verbrecherischen Taten der SS. In Dienstanweisungen rief die deutsche Leitung der Historical Division die Mitarbeiter dazu auf, "dem deutschen Soldaten ein Denkmal zu setzen".
Auf der Website des Deutschen historischen Museums finden sich weitere Daten zu Halder:
Von 1946-1961 ist Halder Leiter der deutschen Abteilung des kriegsgeschichtlichen Forschungsamts (Historical Division) der US-Armee in Königstein/Taunus und Karlsruhe. Für die Amerikaner ist er einer der wichtigsten Mitarbeiter der ehemaligen Wehrmacht und hat erheblichen Einfluss auf die Kriegsgeschichtsschreibung des Zweiten Weltkriegs. 1961 wird Halder für seine langjährige Mitarbeit die höchste Zivilauszeichnung der US-Armee verliehen.
Franz Halder ist 1941 Chef des Generalstabes des Balkanfeldzuges und hat in dieser Funktion entscheidend die Strafaktionen in diesem Unternehmen mit dem Decknamen Strafgericht mitbestimmt. Ich werde im Verlauf dieses Textes noch darauf zurückkommen.
1951 gibt der Oberbefehlshaber der NATO, General Dwight D. Eisenhower in Bonn eine Ehrenerklärung für die deutschen Soldaten ab. Noch 1948 werden sie in seinem bei Berman Fischer in Amsterdam erschienenen Buch Kreuzzug in Europa als Nazi Soldaten bezeichnet, während die Russen als freigebig charakterisiert werden.
In bezug auf ihre grosszügige Art, ihr heiteres Wesen, ihre Kameradschaftlichkeit und ihre gesunden und unkomplizierten Anschauungen über die Dinge des Alltags kann man die Russen im allgemeinen sehr gut mit dem sogenannten "Durchschnittsamerikaner" vergleichen, schreibt Eisenhower. Doch nun ziehen die USA die ehemaligen Nazis vor und stimmen mit deren antibolschewistischem Feindbild überein.

Jetzt, wo der Kalte Krieg der Geschichte angehört, nachdem diverse politische Klammern hinfällig geworden sind, vor allem in Hinblick auf die europäische Integration, ist es an der Zeit, ein deutlicheres Geschichtsbild zu gewinnen.
Die Schöpfung der autonomen österreichischen Identität, die auf dem Opfermythos gegründet wurde, birgt die Verdrängung der aktiven Beteiligung an der nationalsozialistischen Bewegung, die historisch nachvollzieh- und belegbar ist.
Tatsächlich ergab die Volksabsstimmung der Nazis 98 % Zustimmung zur Eingliederung ins deutsche Reich. Bundeskanzler Schuschnigg hatte noch vor dem Anschluss eine Volksabstimmung geplant, die jedoch von den Nazis verhindert wurde. Über das Ergebnis dieser Abstimmung können wir nur rätseln.
Österreichische Politiker aller Parteien und Medien haben wenig dazu getan, die Einsicht historischer Mitschuld zu befördern. Der Preis des Antikommunismus war die stillschweigende Duldung des nationalsozialistischen Hintergrundes, für die einen taktisches Moment im kalten Krieg, für die anderen ein bequemer Unterschlupf, an dem alle kritischen und moralischen Fragen abprallten. Man durfte und konnte vergessen. Die Sünder wurden mit und ohne Reue wieder aufgenommen und über die Sünde wurde nicht mehr gesprochen.

In Deutschland dauerte dieses Schweigen bis in die Mitte der 60er Jahre, bis es im Zuge der Studentenrevolten gebrochen werden konnte. In den 80er Jahren versuchte Waldheim in Österreich noch immer den Mantel des Schweigens über die traurigen Ereignisse der Vergangenheit zu halten.
Die historische Vergesslichkeit und Laxheit kann den Alliierten nicht entgangen sein und es gibt guten Grund anzunehmen, dass die Verdrängung national-sozialistischer Schuld mit Wissen und Duldung der westlichen Siegermächte geschehen konnte, um sowohl in Deutschland wie auch in Österreich stabile innenpolitische Verhältnisse zu erreichen und zu garantieren.
Die Beziehungen von Siegern und Besiegten fanden jedoch nicht auf gleichberechtigten Ebenen statt. Für viele war es Genugtuung, von den Westallierten zumindest in einem Aspekt, dem des Antikommunismus, bestätigt zu werden.
Nachgesehen wurde den Österreichern alsbald die Beteiligung am versuchten Landraub in der Absicht Rohstoffe zu plündern, die Verfolgung nichtarischer Bevölkerungen bis weit in die Tiefen Russlands und in den westeuropäischen Staaten wie Frankreich, den Niederlanden und in Belgien. Das ursprüngliche Ziel der Eroberung wurde noch während des Krieges, nach Wende und Ende des Angriffs-Kriegsglückes mit der Losung der vaterländischen Verteidigung vertauscht. Der Angriffskrieg verwandelte sich in den Abwehrkrieg. Diese Bewusstseinsveränderung aus realen Kriegsgeschehnissen heraus bestimmt entscheidend die Position im Kalten Krieg mit.
Die Verurteilungen in den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg und die vielzähligen anderen Urteile im Zuge der Entnazifizierung gerieten alsbald in Vergessenheit. Die abschätzige Klassifizierung als Siegerjustiz wurde stillschweigend hingenommen. Hinzu kam das Werben der Parteien um die Stimmen des nationalen Lagers und der ehemaligen Nazimitläufer, denen stillhalten nahe gelegt wurde.

Auch die Kommunisten sprachen von der Befreiung Österreichs und untermauerten damit indirekt den Opfermythos, längst vorbereitet durch die Moskauer Deklaration.
Andererseits versuchten die Kommunisten, sich gerade wegen dieser mangelnden Geschichtsbewältigung und wegen der Integrationsbemühungen um das nationalsoziale Lager der sich nach westlichem Vorbild orientierenden demokratischen Parteien, als mehr oder minder alleinige antifaschistische Partei darzustellen. Die österreichischen Kommunisten versuchten damit ihre eigenen stalinistischen Züge zu verdecken. Was die österreichischen Demokraten an Kritik am nationalsozialen Geschichtsverhältnis weitgehend fehlen liessen, mangelte den österreichischen Kommunisten in Hinblick auf den leninistischen, stalinistischen und poststalinistischen Terror. Der Antifaschismus wurde instrumentalisiert, um von der Brutalität kommunistischer Machtgebarung abzulenken.
Michail Roms Film Der gewöhnliche Faschismus wurde anfangs der siebziger Jahre in Wien vor wenigen Zusehern in einem Subkultur Kino gezeigt wurde. Der russische Filmemacher thematisierte in diesem Film die Beteiligung gewöhnlicher Deutscher (und Österreicher) im Zuge der Kriegshandlungen, wie dies dann durch die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht in den 90 er Jahren erneut vermittelt wurde. Roms Film wurde in der Sowjetunion nur selten gezeigt, da man Rückschlüsse auf das eigene System befürchtete.
Vergleichbare Intensität erreicht Daniel Jonah Goldhagen mit seiner Studie Hitlers willige Vollstrecker über ganz gewöhnliche Deutsche und deren Handeln im Holocaust.
Die Widerstände gegen dieses Buch und die damit verbundenen Relativierungen des Inhaltes, der in seiner Perspektive glaubwürdig und annehmbar ist, haben jedoch gezeigt, dass mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Geschehen, ein wirklich offener Blick auf die furchtbare historische Wahrheit noch immer nicht möglich ist.

Der israelische Psychoanalytiker Zvi Rex bietet laut Spiegel folgend polemisch paradoxe Erklärung: Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen.
Der Herr hat hat sie in Versuchung geführt und sie haben der Versuchung nachgegeben. Diese tiefenpsychologisch angelegte Schuldumkehr: „Wie habt ihr mich nur dazu gebracht, derartig unverzeihliche Grausamkeiten zu begehen ?“ lässt sich einerseits auf das überwältigende Ausmass an Schuld zurückführen, andererseits ist es die schlichte Fortsetzung der nationalsozialistischen Propaganda. Der Satz Die Juden sind unser Unglück findet sich am Cover von Daniel Goldhagens Buchausgabe des Jobst Siedler Verlags.
Der Mörder versucht sein Opfer zum Anstifter zu machen, weil er mit allen Mitteln versucht, seine blutigen Hände rein zu waschen. Bevor es jedoch zur Vernichtung gekommen ist, haben die Nazis alles dazu getan, das Opfer als Verursacher ihres vermeintlichen nationalen Unglücks hinzustellen. Man muss also nicht allein das davor, sondern eben auch das danach genau analysieren.
Auch kollektive Schuldauffasssung drängt nach rationaler Erklärung. Doch da gibt es ausser des puren Judenhasses keine vernünftige Erklärung. Wie will den einer legitimieren, dass nicht nur die erwachsenen Juden, sondern eben auch mehr als eine Million Kinder, deren alleinige Schuld ihre Existenz und ihre Zugehörigkeit zum Judentum gewesen ist, im Holocaust umgekommen sind. Das tun allein Neonazis und extremistische Revisonisten..
Doch die von Zvi Rex angedeutete Crux beschäftigt ebenso Personen, deren Positionen weitab von denen der Nazis zu finden sind, die öffentlich kritisch zur Vergangenheit der Deutschen wiederholt Stellung genommen haben.
Henrik M.Broder deutet das Paradoxon von Zvi Rex so:
Die Erinnerung führt nicht zur Erlösung, sondern weckt den Wunsch, die Erinnerer für den Schrecken zur Verantwortung zu ziehen.
Selbst der durchaus bedachte und in Bewältigung der Vergangenheit untadelige Hamburger Politiker Dohnany versuchte in einer TV- Debatte um Walsers Rede, Juden dazu zu bringen, sich in den Zustand des Mitschuldigen zu versetzen. Wie anders kann man seine Frage nach dem Verhalten von Juden verstehen, ob sie nun, wenn sie nicht selbst vernichtet worden wären, zugesehen hätten bei der Vernichtung von Zigeunern, Homosexuellen, kritischen Intellektuellen und Kommunisten. Dohnanys verzweifeltes Denkszenario zeigt nur, wie tief die deutsche (und österreichische) Schuld sitzt. Da die Verbrechen eben unverzeihlich sind, bleiben sie unvergesslich. Das weiss Dohnany. So hat er einmal im deutschen Bundestag festgestellt, so lange Deutsche existieren, könnten sie aus dieser Geschichte nicht entlassen werden. Verdrängung nützt nichts.

Wir können unsere Zukunft nicht auf der Vergangenheit gründen. Nationalsozialismus und Holocaust stellen die Tradition nicht nur in Frage, sie taugt nichts mehr. Ihre Einbindung, alle die historischen Überleitungen sind obsolet geworden. Sie verdirbt unsere Zukunft. Alle Verwischungen setzen die Gerechtigkeit ausser Kraft, schwächen sie. Und diese Schwächung wirkt nicht nur historisch, sondern eben auch in der Gegenwart.

Die katholische Kirche in ihrem Verständnis der Wahrerin göttlicher Gerechtigkeit hat sich gerade in Hinblick auf den Umgang mit der nationalsozialistischen Realität und den damit verbundenen Folgen bedeckt gehalten und beschädigt, indem sie den Tätern wohlwollender gegenüberstand, da sie einen grösseren Gegner mehr gefürchtet hat. Doch ist es nicht völlig klar, ob diese Ambivalenz allein im Antikommunismus zu suchen ist.
Laut Spiegel 23/98 schrieb Papst Johannes Paul II 1994 an seine Kardinäle: Wie kann man die vielen Formen von Gewalt verschweigen, die im Namen des Glaubens verübt wurden ? Die Religionskriege, die Tribunale der Inquisition und andere Formen von Verletzung der Menschenrechte. und weiter Es ist bezeichnend, dass diese Zwangsmethoden von den totalitären Ideologien des 20.Jahrhunderts angewendet wurden. Erstmals stellt der Papst die Kirchengeschichte in Kontext zu den furchtbaren Ereignissen unseres Jahrhunderts. Und er wird in der päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden in seiner Reflexion über die Shoa ebenso deutlich:
Unser Jahrhundert wurde Zeuge einer unaussprechlichen Tragödie, die niemals vergessen werden kann: Der Versuch des Naziregimes, das Volk der Juden zu vernichten, und die daraus folgende Ermordung von Millionen Juden. Frauen und Männer, Alte und Junge, Kinder und Säuglinge wurden einzig und allein aufgrund ihrer jüdischen Abstammung verfolgt und deportiert. Einige wurden sofort ermordet; andere wurden gedemütigt, mißhandelt, gefoltert, gänzlich ihrer Menschenwürde beraubt und schließlich ebenfalls ermordet. Nur sehr wenige der Juden, die in ein Konzentrationslager eingeliefert worden waren, überlebten. Sie waren für ihr Leben gezeichnet. Die Shoah war eines der größten Dramen unseres Jahrhunderts, ein Ereignis, das uns noch heute betrifft.

In einer Verkündigungsbulle kommt er auf Vergangenes zu sprechen, gewisse Folgen der Sünde wären zurück geblieben, von denen man geläutert werden muss und zur Reinigung des Gedächtnisses verlangt er von allen einen mutigen Akt der Demut, nämlich die Verfehlungen zuzugeben, die von denen begangen wurden, die den Namen Christen trugen und tragen.
Letzteres weist wiederum nicht nur in die Vergangenheit sondern auch in die Gegenwart. Es bleibt nach wie vor im Ermessen des Papstes, wieviel Mitschuld eingestanden wird und wie sehr dieses Einbekenntnis zu einer Reinigung des Gedächtnisses und damit zu einer Sanktionierung einer neuen historischen Perspektive führt. Wie weit ist Mitschuld tatsächlich auszudehnen, macht das überhaupt noch Sinn ? Schuldig und verantwortlich war eigentlich die Generation, die Hitler an die Macht gebracht hat. Darüber hinaus ist sie für die Verschleierung und Verdunkelung der historische Wahrheit verantwortlich. Diesen Vorwurf kann man Waldheim und jenen, für deren Haltung er beispielhaft steht, nicht ersparen.
Sinn macht auf jeden Fall, die historischen Ereignisse in ihrer uneingeschränkten Gesamtheit darzustellen und nicht zu vergessen und ohne politische Rücksichtnahmen, also nicht gefärbt, abgeschwächt und gemildert zu zeigen.

Alles was da geschehen ist, wurde in den Pürgger Dichterwochen in den fünfziger Jahren völlig ausgeblendet. Nachdem die Nationalsozialisten wieder Bürger mit Wahlrecht geworden waren, war es nicht mehr opportun über die Sünde zu reden. Dieser eingeschlagene Weg hat sowohl das politische wie auch das kulturelle Leben des Landes bis ins Heute beschädigt.
In der kritischen Auseinandersetzung mit der Pürgger Tischgesellschaft ist mir rasch klar geworden, keinen Einzelfall vor mir zu haben. Der eingeplante offizielle Besuch im Stift Admont zeigt, dass man in diesem Unterfangen den Segen der Kirche hatte und dies auch öffentlich deutlich machte.
Der vom obersteirischen Landtagsabgeordneten Alfred Rainer gegründete Ennstaler Kreis diente der Wiedereingliederung von Kriegsheimkehrern und ehemaliger Nationalsozialisten. Engste Beziehungen bestanden zu den einflussreichen christlichsozialen Politikern der Nachkriegszeit Alfons Gorbach und Josef Klaus.
Sowohl Gorbach wie auch Klaus spielten wesentliche politische Rollen in dem vom Erzbischof von Salzburg, Andreas Rohracher, 1947 gegründeten Versöhnungswerk zur Wiedereinbindung der Nationalsozialisten ins öffentliche und ins politische Leben.
Am 7.März 1947 erklärte Rohracher in einem an der Universität Innsbruck gehaltenen Vortrag: Ich halte das neue Nationalsozialistengesetz für einen Irrweg...Mit welchem Recht, frage ich, erlauben sich die Siegermächte, jene, die ihnen politisch belastet erscheinen und die ein höheres Amt, eine führende Stellung in der Wirtschaft bekleidet haben, zu Tausenden der Freiheit berauben und monatelange unverhört gefangen zu halten?...Ich weiss, man wird mich jetzt wieder den Nazibischof heissen.
Nach Einschätzung des Kirchenhistorikers Rinnerthaler spielte Rohracher weder eine Vorreiterrolle noch war er ein Einzelgänger, sondern befand sich durchaus im Gleichklang mit den übrigen österreichischen Bischöfen. Bereits im Sommer 1945, kurz nach dem Zusammenbruch war Erzbischof Rohracher in Gespräche eingebunden, die auf Initiative des ehemaligen Chefs des Reichssicherheitshauptamtes sowie der Deutschen Polizei Ernst Kaltenbrunner zustande kamen und die Errichtung einer Gegenregierung zu Karl Renners provisorischer Staatsregierung zum Ziel hatten. Der von Hitler dem Kabinett Schuschnigg aufgezwungene Minister für nationale Befriedung, Edmund Glaise Horstenau suchte die Gesprächsverbindung zu Rohracher. Die USA lehnten jedoch zu diesem Zeitpunkt ein derartiges Unterfangen strikt ab. Kaltenbrunner wurde kurz nach dieser Salzburger Episode in den Altausseer Bergen gefangen genommen und in den Nürnberger Prozessen zum Tod verurteilt.
Der Historiker Manfried Rauchensteiner weist in seinem Buch Der Sonderfall - Die Besatzungszeit in Österreich von 1945 - 1955 mehrmals auf die Bemühungen der USA hin, die Sowjets nicht zu verstimmen. Anfangs der 50er Jahre änderten sich jedoch die Rahmenbedingungen der amerikanischen Politik gegenüber der Sowjetunion entscheidend. Man ging auf Konfrontationskurs. Der Kalte Krieg schlug im Koreakonflikt in eine heisse Phase um. Die Änderung in der amerikanischen Aussenpolitik ermöglichte den abschwächenden und verzerrenden Umgang mit Vergangenheit in Österreich Kardinal Innitzer warnt in einem Schreiben an Bundeskanzler Figl davor, hunderttausende Nationalsozialisten und deren Familienmitglieder auszugrenzen und drängt darauf, diese wieder in das gemeinsame Haus aufzunehmen.
Alfons Gorbach wurde zum politischen Exponenten und Wegbereiter dieser eindeutig formulierten Absicht. Er selbst war 1937 als prominenter Vertreter der vaterländischen Front in der Steiermark Ziel missglückter Bombenanschläge der Nationalsozialisten gewesen. Nach dem Anschluss Österreichs bzw. der Besetzung durch deutsche Truppen wurde Gorbach zweimal inhaftiert und verbrachte fast sechs Jahre mit kurzer Unterbrechung in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager und entging knapp der tödlichen Selektion. Zwei Tage nach der Rückkehr aus dem KZ soll er seinem Bruder gegenüber geäussert haben: Wenn wir es mit den Nazis so machen, wie die mit uns, dann können wir das Wort christlich streichen.
Die ÖVP vertrat von Anfang an die Meinung, den gering belasteten ehemaligen Nationalsozialisten das Wahlrecht sofort zuzuerkennen. Dieser Standpunkt wurde zwar von Sozialdemokraten nicht völlig in Frage gestellt, doch folgte man der Meinung von Karl Renner, es wäre in der kurzen Zeit bis zu ersten Wahlen im November 1945 unmöglich, die wirklich innerlichen Nationalsozialisten von denen zu unterscheiden, die durch Widrigkeiten und Umstände des Lebens hineingezogen wurden.
Da man die Parlamentswahlen nicht verzögern und den Alliierten den Willen zur Entnazifizierung deutlich machen wollte, beschloss man gemeinsam, den ehemaligen Nationalsozialisten das allgemeine Wahlrecht nicht zu gewähren. Gleichzeitig liess man die Öffentlichkeit wissen, diese Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt wieder rückgängig zu machen.
Insgesamt bemühten sich sowohl Volkspartei wie auch Kirche besonders darum, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen und zu vergessen. Dieses Vergessen allerdings sollte der zweiten Republik noch in jüngster Zeit Beschwerden bereiten.
Einen erwähnenswerten Standpunkt nahm der kommunistische Nationalratsabgeordnete Franz Honner, der in der provisorischen Staatsregierung im Kabinett Karl Renner noch leitender Staatssekretär im Staatsamt für Inneres gewesen war, ein. Anlässlich des Abschlussberichtes seines Nachfolgers, Innenminister Oskar Helmer im Jahr 1947 über die Erhebungen gegen Neonaziaktivitäten unter der Führung von Soucek und Rössner stellte Honner in seinem Debattenbeitrag fest, dass der grosse Umfang dieser frühen Neonazi-Verschwörung nicht in der Lebenskraft der NS-Ideologie, sondern in der Politik der Koalitionsregierung, der Bindung Österreichs an den westlichen Kapitalismus, an den amerikanischen Imperalismus und in der Politik des Antikommunismus, in der solcher Faschismus gedeihen kann, zu suchen sei. Er tritt zwar im weiteren für die Minderbelasteten ein, fordert jedoch aufgrund der aufgedeckten Verschwörung eine gründliche Säuberung.
Dieses Statement war aufgrund der Parteizugehörigkeit von Honner zu der zwangsläufig an Moskau orientierten KPÖ keinen Dollar wert, doch zeigt es klar und deutlich die Konstellation.
Im Wechsel zum ersten Kabinett Figl wurde Honner alsbald auf Wunsch der USA aus dem Amt eines Staatssekretärs entfernt. Die geschah auf Intervention des amerikanischen Geschäftsträgers in Moskau, George Kennan, der offensichtlich die Moskauer Wertschätzung dieses kommunistischen Politikers mitbekommen hatte,
George Kennan ist wesentlich Schrittmacher des Kalten Krieges gewesen. Sein langes Telegramm aus Moskau 1946 enthielt alle jene Einschätzungen eines unausweichlichen Konfrontationskurses, der den künftigen Kalten Krieg bestimmen sollte. Kennan organisierte ab 1950 für das US-Aussenministerium die damit verbundenen Aktivitäten der CIA.

Die Kommunisten gründeten eine eigene Auffangorganisation für Nazis. Die österreichische Liga, mit ihrem Zentralorgan Der österreichische Beobachter. Ihre Mitglieder waren als Kommunazis bekannt. Von diesen kommunifizierten Nazis hiess es in der österreichischen Bevölkerung, sie wären die schlimmsten Nazis gewesen.

Die Geschichte des Kalten Krieges lässt sich ohne Einbeziehung der kommunistischen Positionen nicht objektiv darstellen. Antifaschismus wurde in Österreich immer wieder mit kommunistischer Zugehörigkeit bzw. Hörigkeit verbunden und damit diskreditiert. All jenes, dass sich antifaschistisch verhielt oder profilierte, wurde alsbald ins kommunistische Eck gedrängt und damit wirksam paralysiert.
Der Quellcode des Antifaschismus kann jedoch ebenso aus den Menschenrechten gespeist werden, bzw. schlicht und einfach aus der demokratisch republikanischen Verfassung heraus sich bilden und muss sich nicht, wie dies in Österreich immer dargestellt wurde, auf den Kommunismus gründen. So würde er bedeutend wirksamer und nicht deformierbar sein. Eine interessante, zu untersuchende Variante wäre in diesem Zusammenhang die Geschichte der französischen Resistance.

Die Wertungen des Widerstands blieben aus Rücksicht auf die Nationalen bewusst ambivalent. In einer Parlamentsrede im Dezember 1954 kommt der steirische Landesobmann der ÖVP und Nationalratsabgeordnete Alfons Gorbach auf die Soldatentreffen zu sprechen: Die Frage, wer nun der eigentliche Held und wer ein Verräter sei, der österreichische Widerstandskämpfer oder jener Österreicher, der seinem geschworenen Eide getreu bis zur letzten Stunde in der deutschen Wehrmacht seine bittere Pflicht erfüllt habe, könne nie ganz entschieden werden. Der österreichische Soldat wäre unter dem Eindruck der furchtbaren Erkenntnis gestanden, die Niederlage der deutschen Wehrmacht werde voraussichtlich die völlige Bolschewisierung Deutschland und Österreichs zur Folge haben.
So wurde also der nationalsozialistische Agressionskrieg in antikommunistischen (antibolschewistischen) Abwehrkampf umgemünzt, damit die Argumentationslinie der Nationalsozialisten fortgesetzt, während von den prononciert antifaschistischen Kräften immer das Gegenteil behauptet wurde, die Befreiung Österreichs durch die sowjetische Armee. Tatsächlich ist Österreichs Freiheit durch den Kommunismus nie beschädigt worden.

Die Mitglieder von O 5, der österreichisch republikanischen Widerstandsorganisation, wurden von den Kommunisten Ernst Fischer und Johann Koplenig, Mitunterzeichner des österreichischen Staatsvertrages, als Schwindler, Naivlinge und Schwätzer hingestellt. Diese polemischen Zuspitzungen zeigen, wie sehr Intoleranz in der österreichischen Politik bereits wenige Monate nach Beendigung der nationalsozialistischen Katastrophe das politische Leben bestimmte. Nicht wahr ist die Mär vom alleinigen kommunistischen Widerstand. Über andere Widerstandsformen wissen wir zuwenig Bescheid und es ist durchaus möglich, dass sie in der Politik der Nachkriegsjahre ebenso ausgeblendet wurden wie die Opfer, schlicht und einfach dem Vergessen überantwortet, um den nationalen Konsens nicht zu stören.
Das junge Leben zbsp. von Fritz Molden ist zwar abenteuerlich gewesen, aber durchaus im positiven Sinne und er trug wesentlich mit Hilfe von Alan Dulles zur Organisation der Widerstandsorganisation O5 wie zur Gruendung des Provisorischen Oestereichischen Nationalkomitees u.a. gemeinsam mit Hans Thalberg bei, und das unter illegalen Umstaenden mit hohem Risiko im persoenlichen Einsatz wie Engagement.

So unberechtigt waren die Sorgen gegenüber dem Sowjetkommunismus jedoch nicht, zeigt dies doch das Schicksal des geteilten Deutschlands, das erst in der jüngeren Zeit im Zuge des Niederganges des sowjetischen Systems wieder vereint werden konnte, ebenso wie die bereits erwähnte Einbindung der Tschechoslowakei, Polens und Ungarns in den Warschauer Pakt. Gorbach sagte in seiner Wahlrede im Jänner 1953, man den könne den Staatsvertrag binnen vierzehn Tagen haben, so man bereit wäre, auf Ostösterreich zu verzichten. Damit wird der Antikommunismus zur nationalen Frage und Solidarität und erwies sich als wirksames Feindbild, wider das fast alle Österreicher und die nationalsozialistisch Gesinnten vereinigt werden konnten. Das garantierte den Konservativen für mehr als ein viertel Jahrhundert knappe bis satte Wahlsiege.
Geändert wurden die Machtverhältnisse zugunsten der Sozialdemokratie erst 1970. Das erste Minderheitskabinett Kreisky konnte jedoch nur mit der stillen Duldung des dritten, nationalen Lagers sein Amt antreten. Auch hier zeigt sich der nationale Kompromiss, geschlossen zu Beginn der 50 er Jahre, als wirksam. Auch hier gilt das Wort: Der Kommunismus ist unseres Volkes sicherer Tod. Wer von ihm isst, der stirbt. Eine Meinung, die mit Gorbach sozialistische Politiker wie Kreisky Olah, Helmer, Schärf teilten.
Die politischen Aktivitäten Gorbachs, Klaus und Rainers in Richtung nationales Lager leiten sich aus der von der Kirche ins Werk gesetzten Versöhnungsabsicht her. Diese Initiative war an sich vernünftig, da es auf Dauer politisch, sozial und wirtschaftlich undenkbar gewesen wäre, grosse Teile der Bevölkerung aus dem normalen zivilen Leben auszuschliessen. Man muss in derartige Berechnung auch die Familienmitglieder der Nationalsozialisten einbeziehen. Fragt sich denn doch, wie diese Repatriierung vor sich ging und welcher Preis dafür bezahlt werden musste.
Zum Wirkungskreis Gorbachs zählten weiters die Politiker Alfred Maleta, Ernst Kolb und Gschnitzer. Ernst Kolb war jener Unterrichtsminister, der die Pürgger Dichtertreffen finanzierte. Die vier werden in einer 1949 mehrmals erschienenen merkwürdigen Propagandaschrift genannt. Die Parole wurde von ehemaligen Nazis unter Anleitung der Volkspartei für Ehemalige gemacht und sollte diese vor allem dazu bringen, anstatt der vierten Partei VdU die österreichische Volkspartei zu wählen. Hier wird diesen vier Politikern bestätigt, sich für die Rechte und die Interessen der ehemaligen Nationalsozialisten glaubwürdig einzusetzen.
Am 28.Mai 1949 trafen im Schloss Oberweis bei Gmunden Julius Raab, Alfred Maleta, Karl Brunner und Theodor Hornbostel auf ehemalige Nationalsozialisten, unter anderen Manfred Jasser und Taras Borodajkewycz und offerierten ihnen die Aufnahme in die Volkspartei. Der von Alfons Gorbach in der Steiermark bereits in die Praxis umgesetzte Weg setzte sich nun auch in der Führungsspitze der Volkspartei durch. Laut Manfred Rauchensteiner neigte vor allem Raab dazu, die Nationalsozialisten zu inhalieren.
Karl Brunner übernimmt 1953 das Nationalratsmandat Obersteiermark von Ökonomierat Franz Thoma, der von 1952 bis 1959 das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft leitet. Beide sind Exponenten des Ennstaler Kreises.

Der Haus-, Staats- und Nationalfrieden wurde nicht vor einem strahlenden Altar geschlossen, sondern über den Gräbern und auf den Friedhöfen, unter den Schatten der Vergangenheit, die bis heute unbewältigt blieben. An den meist trüb vernebelten ersten Novembertagen, also zu Allerheiligen und zu Allerseelen wurde aufmarschiert. Und ewig bleibt der Toten Tatenruhm, so titelte der Ennstaler vom 13.November 1953. Nach den Gottesdiensten führten die örtlichen Kameradschaftsvereine die Heldenehrungen durch, wobei nur jener gedacht wurde, die im Kampfe für das Vaterlandes in den beiden Weltkriegen ihr Leben liessen.
Das wird allerdings auch völlig zurecht für die Opfer des Kampfes um Österreichs Freiheit, also die Widerstandskämpfer, die Wehrdienstverweigerer und die Wehrkraftzersetzer in Anspruch genommen, die jedoch von Ehemaligen nach wie vor verächtlich behandelt und mit Hass angesehen wurden.
Man musste einem hartnäckigen Nationalsozialisten nicht zumuten, in die Kirche zu gehen, sondern es genügte, wenn er sich am Friedhof im Angesicht des Priesters bei seinen Kameraden im Gedenken an die Toten und an die verlorenen Schlachten einfinden konnte. Alfred Rainer, der obersteirische Landtagsabgeordnete und Gründer des Ennstaler Kreises konnte sich auf ein breites Verständnis weitester Bevölkerungskreise stützen.
Ich erinnere mich an eine Episode meiner Kindheit. Eines Tages versammelte sich die Bevölkerung meiner Heimatstadt, in einem Seitental der Enns gelegen, um einen Spätheimkehrer aus russischer Gefangenschaft zu begrüssen. Sowohl der Hauptplatz, wie auch die Hauptstrasse links und rechts des Platzes waren voll von Menschen. Ich habe noch dunkel die ärmlichen grauen, fahlen Farben der Kleidung der Nachkriegsjahre in Erinnerung. Es herrschte eine bedrückte und angespannte Stimmung, die sich nach langem Warten durch die Ankunft eines erdfahlen Volkswagen löste, dem der Heimkehrer in Uniform entstieg.
Erinnerlich ist mir vor allem die grosse Menge anwesender Personen, die ich in solcher Zahl in meinem Heimatort nie mehr erlebte. Um diese hohe Anteilnahme zu erreichen, bedurfte es sicherlich einiger Vorarbeit und organisatorischer Anstrengungen. Der Heimkehrer wurde alsbald Kommandant des städtischen Gendarmeriepostens, und damit zu einer Respektsperson von Dauer. Ein oder zwei Jahre später hielt eben dieser Mann anlässlich einer Wintersportveranstaltung, die sich grossen Zulaufs erfreute, eine Rede, in der ich erstmals in meinem Leben den Begriff "Eiserner Vorhang" hörte.

Ein wesentliches Moment und öffentlich wirksames Symbol bildete die Neuerrichtung wie die Pflege von bestehenden Kriegerdenkmälern, die Alfred Rainer für den Liezener und Ausseer Raum in die Weg leitete, ebenso wie die politische Obsorge über die neu gegründeten und wieder zugelassenen Kameradschaftsverbände. Diese Denkmalsbewegung bezog das ganze Bundesgebiet mit ein. In vielen Fällen wurden den Tafeln der Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg 1918 bis 1914 einfach die Tafeln jener im Krieg von 1939 bis 1945 angefügt , eine Ordnung die der am zentralen Heldenmal in Wien am Heldenplatz entspricht und die eine historische Kontinuität konstruiert, die eigentlich gegen die These steht, dass Österreich am zweiten Krieg nicht mitverantwortlich gewesen wäre. Zur Weihe des österreichischen Heldendenkmals in Wien im September 1934 wurde ein „Prolog“ von Franz Karl Ginzkey vorgetragen.

Noch einmal vereint euch, wie einst euer Fahneneid,
Der Feldruf „P f l i c h t“
Der Feldruf „ P f l i c h t“ und die Losung „Ö s t e r r e i c h“

Wie leicht sich die Losung Österreich durch die Losung Deutsches Reich ersetzen liess, zeigt die Karriere von Franz Böhme. Er trat 1905 in das Infanterieregiment Ritter von Rodakowski Nr.95 in Lemberg ein. 1907 ist er bereits Leutnant der k.u.k Armee. 1933 wird er Oberst des Bundesheeres, 1938 wird er zum letzten Generalstabschef des österreichischen Bundesheeres der ersten Republik ernannt und kurz darauf sehen wir ihn in der Generalsuniform der deutschen Wehrmacht.
Der Wechsel des Oberkommandierenden des österreichischen Heeres zur deutschen Wehrmacht hatte Vorbildwirkung auf die Soldaten. Die Designierung des Generalmajors, der den militärischen Abwehrdienst im österreichischen Landesverteidigungsministerium von 1936 bis 1938 geleitet hatte, zum Generalstabschef geschah bereits auf Druck Hitlers. So wie Seyss-Inquart auf Wunsch Hitlers im Kabinett Schuschnigg, ein Monat vor dem tatsächlichen Einmarsch, zum Innen- und Sicherheitsminister bestellt wurde. Hitler hatte sich damit des Heeres und der Polizei versichert, ein Ergebnis des Berchtesgadener Diktats an Schuschnigg vom 12.Februar 1938.
Alexander Löhr, vorher Kommandant der Österreichischen Luftstreitkräfte des Ständestaates, nahm die führende Stelle im jugoslawischen Feldzug der deutschen Wehrmacht ein und ist direkter Vorgesetzter Kurt Waldheims gewesen.
Die Nazis selbst betonten diese Kontinuität. Dies können wir einer Todesanzeige in der Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachter's vom Dezember 1941 entnehmen. In dieser wird der Generalfeldmarschall Freiherr von Böhm-Ermoli, Heerführer des K.u.K Heeres im ersten Weltkrieg und sogenannter Sieger von Lemberg, Ritter des Ordens pure le mérite mit Eichenlaub, Kommandeur des Militär-Maria-Theresien-Ordens in all seinen Funktionen anlässlich seines Ablebens gewürdigt. Gezeichnet am10.Dezember 1941 vom Oberbefehlshaber des Heeres, Generalfeldmarschall von Brauchitsch.
Hitler hat Böhm Ermoli anlässlich eines Geburtstages in Würdigung seiner Verdienste um den grossdeutschen Gedanken die Uniform eines Generalfeldmarschalls der Wehrmacht verliehen. Daran lässt sich ablesen, dass es hohe kaiserlich königliche Offiziere gegeben hat, die dem böhmischen Gefreiten, wie er sonst in der Aristokratie verächtlich genannt wurde, mit Sympathie zur Seite standen. Böhm-Ermoli wird nicht der einzige gewesen sein.
Nur wenige stellten sich in fataler Konsequenz gegen die Vereinnahmung des Bundesheeres durch die deutsche Wehrmacht;
Der Oberst des österreichischen Bundesheeres, Franz Heckenast ist im Februar 1939 im KZ Buchenwald umgekommen.

Wie sehr die Soldaten im Feld mit ihrem wenig heldenhaften Schicksal tatsächlich gehadert haben, erfahren wir aus den Dokumentationen der jüngeren Zeit. Da steht nicht mehr Tatenruhm und Tapferkeit im Vordergrund, da erkennt man die blosse Angst und das Ringen ums nackte Überleben.

Sowohl im Antikommunismus und im latenten Antisemitismus trafen sich Nationale und katholische Kräfte. Die von Karl Lueger gegründete Christlichsoziale Partei, die Vorgängerorganisation der österreichischen Volkspartei nannte sich ursprünglich „Die Antisemiten“. Sie bewirkten jenen Judenhass mit, der Voraussetzung von Hitlers Vernichtungswerk gewesen ist.
Insgesamt wurde der Antisemitismus in der zweiten Republik in der Politik nicht mehr offiziell eingesetzt, soweit war man denn doch. Es gab jedoch immer wieder Ausfälle und im alltäglichen Umgang war es nicht ratsam, an der Oberfläche zu kratzen. Denn je nach Widerborstigkeit konnte man noch immer ins Gesicht gesagt bekommen, Hitler habe zuwenig Juden erwischt.

Das jüdische Feindbild, der Antisemitismus sowie andere nationale Feindbilder wurden überlagert durch das kommunistische Feindbild und durch ein diffuses Bild westlich orientierter Freiheit. Aus dem österreichischen Bewusstsein sind die alten Feindbilder nicht verschwunden und können offensichtlich jederzeit reaktiviert werden. Jörg Haider ist es in wenigen Jahren unter Ausnutzung der sozialen Frage gelungen, Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass erneut an die Oberfläche zu bringen. Selbst antisemitische Anzüglichkeiten bringt er wieder ins politische Spiel.
Sein angestrebter Isolationismus gegenüber der europäischen Union hat eng mit dieser Fremdenfeindlichkeit und alten nationalistischen Überlegenheitsgefühlen zu tun. Ebenso projiziert er das Bild der nationalen Abschätzigkeit gegenüber den osteuropäischen Ländern und kann hier nicht nur auf die Vorgaben der Nationalsozialisten, sondern ebenso auf das noch aus dem Nationalitätenstreit der Donaumonarchie herrührende nationale Unbehagen und und die damit verbundenen Abgrenzungsbestreben bauen. Er pflegt den nationalen Isolationismus, der auf alten Vorurteilen beruht, und tatsächlich denken seine Wähler über die Grenzen nicht hinaus. Haider zeigt sich als Garant des alten Heimat- und Wehrgedankens, den er gerne am Ulrichsbergtreffen in Kärnten mit beschwört, an dem der politisch harte Kern der alten Frontkämpfer jährlich teilnimmt.

Die Kameradschaftsbünde selbst waren weitgehend bestimmt durch die Volkspartei und wichtigstes Instrumentarium des Versöhnungswerks. Vor Kriegerdenkmälern und in Totenfeiern sollte nicht diskutiert werden und man konnte gedenken, ohne die Vergangenheit kritisch betrachten zu müssen. Sie waren vor allem, und sind es noch, Veteranentreffen, in denen der eigenen gefallenen Kameraden gedacht wurde und in denen Schuldbekenntnisse und Schuldeinsicht gegenüber den politischen, rassischen und anderen Opfern der NS-Gewaltherrschaft keinen Platz fanden. Man dürfte auch weit davon entfernt gewesen, sich selbst als Opfer der nationalsozialistischen Politik zu begreifen. Die Sowjetsoldaten wurden als russische Bestien angesehen. Wer dieser Veteranen gedenkt der deutschen, französischen, und spanischen politischen „Schutzhäftlinge“, der jüdischen politischen „Schutzhäftlinge“, der Bibelforscher, der Emigranten, der in Massenaktion wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ eingelieferter Aktionshäftlinge, der Juden, der Zigeuner, der jüdischen „Asozialen“, der „Arbeitsscheuen“, der jüdischen „Rassenschänder“, der Soldaten der Strafkompanien.
Deren Heimat haben jene nicht verteidigt. Die wurden als vaterlandslose Gesellen abgestempelt. Was ist mit den Saboteuren und Deserteuren, den Wehrdienstverweigern, den viertausend katholischen Priestern, die wegen Volksverhetzung und Wehrkraftzersetzung hingerichtet wurden ?
Die Ehre der einen schliesst das Gedenken an die Opfer aus. Das ist die bittere Wahrheit, die aus jedem Kriegerdenkmal spricht. Was denkt sich der Priester einer Religion, die über den Nationen und Rassen stehen muss, die ihre Botschaft mit der Aufhebung der Pein der Erniedrigten und Beleidigten rechtfertigt, angesichts derartigen Toten- und Heldenkults ?
Was bringt den Kulturstadtrat der Stadt Graz dazu, der Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht in Graz keinen Platz anzubieten. Ist es die Angst vor den Freiheitlichen und den rechten Katholiken vom Schlage eines Hans Wegerts, der im Geiste des Ennstaler Kreis eine wesentliche Rolle spielte und stolz in einem TV-Interview erklärte, er hätte nach einem längeren Amerikaufenthalt als erster in Österreich US-Wahlkampfmethoden eingeführt. Ist es die Scham und die Schande, die fern jeglicher Heroik des sogenannten Freiheitskampfes wider den Bolschewismus entsteht, wenn man sich die Bilder der Opfer betrachtet, die der Grazer Kulturstadtrat Helmut Strobl den alten Soldaten und deren Familien, deren Kindern und Kindeskindern ersparen wollte?
Strobl bestätigt damit jene Nachkommen, die vollkommen richtig finden, was ihre Vorfahren getan haben. Im Totenkult wird das Erbe des Nationalsozialismus ebenso wach gehalten, wie die nationalen Ressentiments. Die Rücksichtnahme auf den Vater allgemein gesehen verhindert die Aufklärung.

Politisch instrumentalisierter Totenkult hat nichts mit Pietät und wenig mit der nötigen Verehrung der Toten zu tun. Hier wird Geschichte nicht bewältigt, sondern bewahrt und es gibt weder eine Erlösung für die Toten noch deren Nachkommen.
In der Wehrmachtsausstellung wurden nicht allein Bilder von Opfern gezeigt. Diese Bilder sind Trophäen, Fototrophäen, die von deutschen Landsern auf ihrem Raub- und Vernichtungszug von den Opfern geknipst wurden, um diese zu Hause der Frau, der Braut , dem Nachbarn und Arbeitskollegen am Biertisch zeigen zu können. Man machte Erinnerungsfotos, um sie herzuzeigen, und man hat sie sicher nicht gemacht, um sie dem heimischen Pfarrer anlässlich einer Beichte zu zeigen. Im bewusst demütigenden und erniedrigenden Darstellungstil der Nazis, zu dem Juden und andere Opfer in ihren letzten Minuten gezwungen wurden, zum Gaudium und zur Befriedigung ihrer Quäler, Henker und Mörder. Die Hinrichtungsstätte Plötzensee war eingerichtet wie ein Schlachthof und tatsächlich hängte man die Toten zur letzten und abschliessenden Schaustellung, die auch noch fotografisch festgehalten wurde, an einen Sauhaken. Das traf vor allem politische Gegner und Wehrdienstverweigerer und Widerstandskämpfer. Auf Schändung und Entwürdigung zielte der Darstellungsstil der Nazis ab und diese Bilder gehenkter und hingerichteter heroischer und mutiger Menschen, dieser aus rassischem Überlegenheitsdünkel ermordeten Menschen, die nicht einmal mehr um ihr Leben bettelten, weil sie wussten, dass sie von dieser neuen Herrenrasse keinen Pardon erwarten konnten, kann ich in der Betrachtung von Kriegerdenkmälern nicht mehr wegdenken. Den Schergen wurde vermittelt, sie hätten bloss Vieh hinzurichten, vorgeblich krankhafte und verbrecherische Auswüchse des Volkskörpers oder dem sogenannten Volkskörper fremdes auszumerzen.
Sie mussten sich nicht als Mörder sehen. Sie verrichteten vermeintlich ein Werk zur Erhöhung des völkischen Triumphes. Das ist so schwer verstehbar, wie man morden kann, ohne dabei als Mörder sich zu fühlen. Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, schrieb Paul Celan und tatsächlich trieben die Nazis das Töten zur Meisterschaft, zum politisch durch argumentierten, industrialisierten Massenmord.

Haben die Soldaten der Wehrmacht tatsächlich nichts gesehen ? Die Nazis schufen einen Mythos des Todes, der vor dem göttlichen Bereich nicht halt machte. Sie schwangen sich zum Weltgericht auf und Hitler bestimmte sogar für diese Höhe einen Preis, den der völligen Selbstvernichtung bei Versagen. Ihr seid es nicht wert gewesen, mein Volk gewesen zu sein. Das kam, nachdem er im Rückzug die unbedingte Vernichtung befahl. Hier drehte sich das Schicksal der Soldaten real, hier wurden sie bewuss von ihren eigenen Befehlshabern zu Opfern gemacht. Die Nazis entfesselten erstmals eine vollkommene Strategie der Vernichtung, der Vernichtung der politischen Gegner, der Vernichtung der verhassten Juden, der Vernichtung der Lebensgrundlagen anderer Völker und in letzter Konsequenz die eigene Vernichtung. Sie zeigten erstmals eine reale Vision des Endes der Welt, des letzten apokalyptischen Strafgerichts. Niemand ihrer Gegner im inneren und im äusseren konnte ihren Wahnsinn verstehen.
Ihre Verachtung gegenüber den Opfern und den Getöteten haben sie auf ihre Feldzüge übertragen. Jeder Tote eines fremden Volkes war ein Triumph der eigenen Rasse und kaum ein Kriegsheer vorher hat dieses grausige Fronttheater des Todes so instrumentalisiert wie es die Nationalsozialisten taten. Wie anders soll man jene Tafeln verstehen, die man den Toten umhängte, auf denen zweisprachig stand: Ich war ein Partisan und habe auf deutsche Soldaten geschossen. Das erregte einerseits die Wut der deutschen Soldaten und war andererseits ein unmissverständlich an die Einheimischen gerichtetes statuarisches Exempel. Für einen von Partisanen getöteten Deutschen mussten einmal zehn, dann zwanzig, dann fünfzig und irgendwann gar hundert Zivilisten erjagt und zu Tode gebracht werden. Entsprechende Bekanntmachungen gab es im öffentlichen Aushang. Für Richard Heydrich, den in einem Attentat getöteten Reichsstatthalter der Tschechoslowakei, wurden über tausend Tschechen hingerichtet. Das war die Tauschwährung des Todes der vorgeblich edelsten Rasse der Welt.

Im Unternehmen Strafgericht gegen Serbien, befehligt vom ehemaligen Generalmajor des österreichischen Bundesheeres und nunmehrigen General der deutschen Wehrmacht Böhme, standen nach Abschluss der Aktion 160 Toten und 287 Verwundeten der Wehrmacht zwischen 20000 und 30000 Hingerichtete in der zivilen Opferbilanz gegenüber, darunter sämtliche erwachsenen Juden des Landes. Dies berichtet der österreichische Historiker Walter Manoschek im Katalaog der der ersten
Wehrmachtsausstellung.
In seinem Tagesbefehl vom 25.9.1941 verlangt Böhme unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ereignisse von 1914 rücksichtloses Durchgreifen:
Eure Aufgabe ist in einem Landstreifen durchzuführen, in dem 1914 Ströme deutschen Blutes durch die Hinterlist der
Serben, Männer und Frauen, geflossen sind. Ihr seid Rächer dieser Toten. Es muss ein abschreckendes Beispiel für ganz Serbien geschaffen werden, das die gesamte Bevölkerung aufs schwerste treffen muss. Jeder, der Milde walten lässt, versündigt sich am Leben seiner Kameraden. Er wird ohne Rücksicht auf die Person zur Verantwortung gezogen und vor ein Kriegsgericht gestellt.
Nach durchgeführten Strafaktionen zu weiteren Aufgaben ausserhalb Serbiens abkommandiert, verabschiedet sich Böhme mit Dank von seinen Truppen
Zum Abschied spreche ich all meinen Truppen und Dienststellen meinen Dank und meine Anerkennung für ihre Leistungen im Kampf gegen den Kommunismus und für ihre Tätigkeit in der Befriedung des Landes aus -
Vorwärts zu neuen Taten, mit der üblichen Führerhuldigung gez.; Böhme, General der Infanterie (5.12.1941).
Ich glaube nicht, dass Hitler seine Soldaten getäuscht hat. Er hat ihnen die Kriegsziele klar vorgegeben und die auf ihn eingeschworenen Offiziere waren ihm in der Führung dieses unmenschlichen Krieges treu ergeben. Ich bestreite aber auch nicht, dass es viele Soldaten gab, die nur widerwillig in diesen Krieg zogen und sich im wesentlichen nicht dagegen stellen konnten, aber aus Angst um ihr Leben den Befehlen gefolgt sind.

Kein leichtes Los nun für die, die siegen, bis zum Endsieg, bis zur Endlösung siegen sollten und wollten, die nun Verlierer waren. Erwischt beim befohlenen Landraub, beim Rohstoffraub, beim Menschenraub, beim Kunstraub und bei der geplanten und vorsätzlichen Vernichtung von Menschen. Aber immer noch ein leichteres Los als das ihrer Opfer. Der Gedanken an einen möglichen Sieg verschreckt mich entschieden mehr als die Folgen ihrer Niederlage. Welche Menschen wären das gewesen, wenn sie gewonnen hätten ? Wie wäre es geworden, wenn jeder Deutsche und Österreicher das versprochene Ziel erreicht hätte ? Wie hätte das Leben dieser Herrenrasse ausgesehen ? Ich mag nicht daran denken. Ich will die Ruhe dieser Krieger eines unsinnigen und unmenschlichen Krieges nicht stören. Doch das offizielle Gedenken muss anders aussehen und generell mit dem Gedenken an die Opfer verknüpft bleiben. Nur so werden wir uns langsam von der historischen Schuld lösen können.
Die Nazis selbst kannten keinen Respekt vor dem Totenkult. Während Alois Brunner fast sechzigtausend Juden aus Saloniki nach Auschwitz deportieren liess, befahl er die Vernichtung des jüdischen Friedhofes. Tausende Grabsteine dieser uralten jüdischen Gemeinde wurden zertrümmert und zerscherbt.

In den Formen des offiziellen Totengedenkens gibt es graduelle Unterschiede. Der 1898 gegründete "Veteranenverein Saalbach" wurde 1957 in "ÖKB Kameradschaft Saalbach - Hinterglemm" umgewandelt. Nach dem 2. Weltkrieg, als die Sinnlosigkeit eines totalen Vernichtungskrieges drastisch deutlich geworden ist, verschrieb sich die Ortskameradschaft gegen jegliche Kriegshandlung. Besonders die Kriegsteilnehmer wären für diese Gesinnung eingetreten und ermahnen die jüngere Generation zur Wachsamkeit, so das Selbstverständnis der Saalbacher.
Doch auch hier nichts von den zivilen Opfern nationalsozialistischer Gewaltherrschaft.

Besonders strikt und stramm agiert der Kameradschaftsbund in Kärnten. 1997 bilden Altsoldaten einen Bund für eine freie Zukunft Europas. 250.000 Mitglieder des Österreichischen Kameradschaftsbundes sind engagierte Streiter für Frieden und ein freies Europa der Vaterländer. So titelt die Klagenfurter Ausgabe der Kleinen Zeitung.
Der Bundesverbandsobmann Keimel bezeichnete den ÖKB als stabilisierendes Element in einer sich wandelnden Gesellschaft. Unter neuen Bedingungen sei der Kameradschaftsbund bemüht, alte soldatische Werte wie Mut, Tapferkeit und Treue auch jungen Menschen nahezubringen. Er betonte weiters die überparteiliche Orientierung des ÖKB, der zunehmend seine große, gesellschaftliche Aufgabe in Österreich erfüllen wolle. Keimel sprach von einem Bund für die Zukunft Europas. Wie kaum bei einem Landesdelegiertentag zuvor habe das politische und öffentliche Kärnten dem Kameradschaftsbund seine Referenz erwiesen. Der Klagenfurter Altbürgermeister Guggenberger wolle als neuer Präsident der Ulrichsberggemeinschaft mit dem kritischen politmedialen Spuk um dieses Treffen aufräumen. Im Tätigkeitsbericht konnte man auf das Anwachsen des Landesverbandes auf 19.000 Mitglieder verweisen. Die Ausstellung Verbrechen der Wehrmacht wurde vom Vizepräsidenten des ÖKB, dem sozialistischen Kärntner Landesrat Rudolf Gallob als „größte Beleidigungsaktion“ von Soldaten bezeichnet Am Ulrichsberg versammeln sich alljährlich sogenannte Kameraden, Veteranen und der harte Kern alter SS-Mannschaften. Kein Kärntner Politiker will es wagen, dieses Treffen in Frage zu stellen.
In einer einstimmig verabschiedeten Resolution bekennt sich der ÖKB Kärnten zu Europa, allem voran jedoch zu Österreich und seiner Staatsform. Nachfolgenden Generationen solle bewußt sein, daß das Erbe der Vergangenheit und die Last der Geschichte von allen getragen werden müsse.

Merken sie denn nicht, wenn sie im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg und den Kriegszielen der Nazis von Mut, Tapferkeit und Treue sprechen, wie sehr sie die Opfer beleidigen und den Irrweg der Gefallenen in die Zukunft hinein verlängern, den Wahnwitz der nationalsozialistischen Politik damit fortsetzen ? Die Nachkommen instrumentalisieren das Schicksal der Gefallenen, nutzen es für ihre realpolitischen Ziele. Es wird unter den Gefallenen viele gegeben haben, die sich gesagt haben „Nie wieder Krieg“ , doch sie konnten nicht mehr umkehren. Bei Durchsicht der Gefallenenlisten, die im Wiener Heldenmal aufliegen, ist nicht zu übersehen, die Mehrheit der Gefallenen kommt aus den niederen Rängen. Doch die Festreden halten immer die höheren Ränge, sowohl Politiker wie auch Militärs. Den einfachen Soldaten hat man öffentlich erst spät in Dokumentationen reden hören. Auch da gab es pro und kontra. Es gab jedoch Kriegsteilnehmer, die mehr als ein halbes Jahrhundert danach Tränen der Scham in den Augen hatten, als sie sich vor der Kamera an die Verbrechen erinnerten, die sie mitansehen mussten. Es gab da aber auch die trunkenen Wirtshaustische bis hinein in die sechziger Jahre, an denen einschlägige Erinnerungen ausgetauscht wurden. Bei den einleitenden Worte: Und wo haben sie gedient ? und deren Beantwortung ist es
da nicht geblieben.

Die Doppelbödigkeit des Opfergedankens bestimmt die österreichische Befindlichkeit. Das offizielle Österreich sah sich zwar bevorzugt in der Opferrolle des von den Nationalsozialisten okkupierten Staates. Im inneren funktionierten jedoch die von Nationalsozialisten geprägten Feindbilder fort, stammten sie doch zu einem guten Teil aus österreichischer Tradition, wie Brigitte Hamann in ihrem Buch „Hitlers Wien“ überzeugend nachweist, und waren damit Bestandteil österreichischen Alltagsbewusstseins, aus dem die Nationalsozialisten die Glut entfachten und bis zum Höllenfeuer des Krieges und des Holocaust weiter schürrten. Bis heute dauern diese grausamen und unmenschlichen Vorurteile fort.

Wien Heldenplatz. Hier sind in Faszikeln die Namen all derer festgehalten, die im ersten Krieg und jener, die im zweiten gefallen sind. Es mag sein, dass sie sich in ihrem Eigenverständnis heldenhaft verhalten und heldenhaft geschlagen haben, doch die Ziele, für die sie ihr Leben gelassen haben, waren nicht heldenwürdig. Sie sind Teil der Tragik dieses Landes. Zuerst ist Mann für ein überholtes und historisch desolates Ziel ins blutige Feld gezogen. Die nächste Generation liess sich aus Verblendung in Folge für verbrecherische Ziele nochmals in den Krieg ziehen. Selbst wenn dies unter deutschen Zwang geschah, kann Einverständnis nicht geleugnet werden. Es ist anzunehmen, dass sich die deutsche Wehrmacht auf die österreichischen Kameraden verlassen konnte und ihnen an der Front nicht besondere Aufpasser zur Seite gestellt werden mussten.
Sie sind Verführte blutiger, sinnloser und verabscheuungswürdiger Politik, selbst Opfer politischer Kasten, die einen historisch am Ende, die anderen historisch falsch. Aber sie waren ebenso Täter, Mittäter, verstrickt in ihre eigenen Verirrungen.
Gekettet an Ziele, die dem Entwurf der modernen Demokratie und den Menschenrechten entgegenstanden. Deutsche und Österreicher stellten sich einmal für ein unrettbar überholtes Ziel und einmal für ein völlig falsches Ziel auf und wurden in beiden Fällen zurück- und zurechtgewiesen. Das mag sowohl für Angehörige und und noch überlebende Teilnehmer eine bittere und schwer verkraftbare Wahrheit sein. Die Erkenntns ist aber notwendig.

Erst 1965 entschloss man sich anlässlich einer Gedenkfeier zum zwanzigsten Jahrestag der Wiedererrichtung der Republik Österreich für die Opfer im Kampf um Österreichs Freiheit einen Gedenkstein und einen eigenen Weiheraum in der Anlage am Heldenplatz einzurichten, um damit des Widerstands zu gedenken. Ich wollte mir diesen Teil der Gedenkstätte ansehen. Es gelang mir erst nach einem längeren Gespräch mit dem Aufseher. Der Raum ist seit Jahren nicht öffentlich zugänglich. Er muss wegen Wasserschadens renoviert werden. Niemanden stört das.
Im Heldenplatzdenkmal sind im historischen Gedenken sehr unterschiedliche Ausrichtungen vereinigt: monarchistische, chauvinistische, ständestaatliche, ebenso wie der rassistische Kontext des zweiten Weltkrieges und abseits gehalten die Erinnerung an den österreichischen Widerstandes. Bewegungen, die im realen Leben erbitterte Gegner gewesen sind und sich wechselseitig verachteten. Dieses Zusammenfliessen unterschiedlichster Ursachen im Kult, im Mythos der Totenruhe macht die reale Bewertung österreichischer Geschichte noch schwieriger. Die Kriegergedenkstätte wird vom katholischen Militärordinariat verwaltet. Die Kirche dient als über allen stehender Sachwalter des Todes. Wie bei den Kriegerdenkmälern fehlen die Hinweise auf die Opfer der zivilen Bevölkerung und der Hinweis auf den Holocaust, dem nicht nur das jüdische Volk zum Opfer fiel. Ziviles Denken schliesst der Krieg aus.
Im historischen Denken können diese beiden widersprüchlichen Komponenten weder vereint noch versöhnt werden. Das geht nicht. Gerade an der Wehrmachtsdiskussion zeigte sich, wie emotionsgeladen dieses Thema ist. Wir müssen jedem Menschen ohne Ausnahme zugestehen, die ihm nahestehenden Toten zu ehren, doch niemand sollte uns dazu zwingen, auch nicht der Staat, vor allem nicht der Staat als Hüter und Bewahrer des Gesetzes, uns im Respekt vor dem Toten vor den mit diesem Tod verbundenen Zielen zu verneigen. Der Totenkult einer anderen Geschichte überdeckt den der Republik.
In der Auswahl seiner Helden erweist sich Österreich extrem vergangenheitsbezogen. Zur Thematisierung der Beitrittsbestrebungen zur Europäischen Union wählte man Karl V, den absoluten habsburgischen Herrscher über Europa und Begründer der Gegenreformation. Der autoritäre Herrscher hat wenig mit demokratischen Vorstellungen zu tun. Seine peinliche Gerichtsordnung mag eher den Nazis in den Folterungen politischer Gegner zum Vorbild gedient haben und anlässlich der 500 Jahrfeiern der Entdeckung Amerikas kam auf, dass Karl.V die ersten Verträge über den Handel von Negersklaven in die überseeischen Gebiete unterzeichnet hat. Ein bemerkenswert treffendes Beispiel österreichischer Symbolwahl.

Eine völlig andere Art von Denkmal habe ich im Sommer 1998 im Musée d' Art moderne de la Ville de Paris gesehen. Christian Boltanski's monument de juif, Installation in Permanenz, von einem Museum ins andere wandernd. Der erste Raum, im Halbdunkel gehalten, vollgehängt mit grossformatigen Bildern von umgekommenen Juden, so wie ich es von der Ausstellung in der Wiener Kunsthalle noch gekannt habe. Im Pariser Museum musste man durch einen schmalen Durchgang gehen, links und rechts von mächtigen Wallmauern begrenzt. Diese Wallmauern wurden aus gestapelten rostigen Kanistern mit aufgeklebten Karteikarten und kleinen Fotografien ermordeter jüdischer MitbürgerInnen gebildet.

All jene, die die politische (Un-) Kultur unseres Landes kritisch betrachteten und der Verdrängung und dem Vergessen nicht Folge leisten wollten, wurden als Nestbeschmutzer denunziert. In diesem Land ist nicht der Nestbeschmutzer, der den Unrat produziert, sondern der, der auf den bereits vorhandenen Haufen und Gestank hinweist. Auch das hatte Tradition im Nationalsozialismus. Es gab nur eine verordnete Meinung, und wer sich dagegen aussprach, geriet alsbald in den Ruf des Volksfeindes und kurz darauf in die Fänge der Gestapo. Die unaufgeklärte Geschichte, das Festhalten der Politik an einem traditionellen und wertkonservativen Kulturbild, dass sich vor allem in den traditionellen Heimatverbänden und Volkskunstvereinen äusserte, an das sich auch nationalsozialistisches Verständnis andocken liess, ebenso wie deren Verhältnis zur Hochkultur, bedingen den tiefen Bruch, den die österreichische Gegenwartsliteratur und Gegenwartskunst gesetzt hat, setzen musste. Die Ursachen gegenwärtiger Auseinandersetzungen liegen im vergangenen Geschehen und insbesondere in dessen Nichtbewältigung. Doch hat die österreichische Gegenswartliteratur zu wenig getan in der Aufklärung und Berücksichtigung der historischen Tatsachen.

Die Kenntnis der nationalsozialistischen Greuel, das Wissen über die Taten dieses völlig pervertierten Herrenmenschentums wird heute umfassend dargestellt. Niemand kann sich dieser bitteren Wahrheit entziehen. Fernsehserien, Historiker, ganze Kommissionen breiten den nationalsozialistischen Wahnsinn bis ins Detail vor unseren Augen aus und niemand kann mehr wegschauen, es verdrängen oder gar als propagandistische Lüge abtun, wie dies über Jahrzehnte hin noch möglich gewesen ist. Im Mai 1998 hat der deutsche Bundestag mit den Stimmen aller Parteien die dreissigtausend Todesurteile, die im Bereich der deutschen Wehrmacht über Deserteure gefällt wurden, als unrechtmässig aufgehoben und damit auch die Aktivitäten der Wehrmacht, und nicht nur die der Waffen SS entscheidend in Frage gestellt.
Waldheim würde heute nicht mehr von einem Krieg sprechen können, in dem er bloss seine Pflicht getan hat, schon allein die Nürnberger Prozesse vergessen machend, in denen etwa der Chef des Oberkommandos der deutschen Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel nur nach kurzer Beratung zum Tod verurteilt wurde. Fast jeder Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht, in dem Kriegsverbrechen angeordnet wurden, trug Keitels Unterschrift.
Selbst wenn Waldheim während seiner Dienstzeit tatsächlich nichts von den von den grausamen Ereignissen des Vernichtungskrieges mitbekommen hat, diese Annahme spräche eigentlich gegen seine Qualifikationen, hätte er auf Grund späterer Einsichten und Erkenntnisse über diesen Krieg zu einer anderen Bewertung bekommen müssen. Sein Regierungskollege und Vormann Vizekanzler Dr.Fritz Bock, Herausgeber des Ost West Journals hält in einem Artikel vom 17.März.1973 in Die Furche fest: „Die Aussenpolitik der nationalsozialistischen Machthaber war - man konnte das schon 15 Jahre vorher in Hitlers Kampf nachlesen - ausschliesslich auf eine gewaltsame territoriale Ausweitung des deutschen Reiches ausgerichtet.“ Also Landraub und vorsätzlicher sowie planmässig durchgeführter Völkermord. Wie man die Sache auch dreht und wendet; Waldheim hat sich schlicht und einfach falsch verhalten, ob nun direkt involviert oder nicht. Am 21.Dezember 1998 lässt er uns in einem TV-Interview ORF ZIB 2 anlässlich seines 80. Geburtstages wissen, dass er insbesondere in Hinblick auf Pflichterfüllung doch einiges anders formulieren würde. Wie, sagt er jedoch nicht.
Waldheim verhielt sich nicht anders als viele seiner Landsleute. Sie wollten und wollen die Sehweise der Ereignisse des 2. Weltkrieges in eine Normalität überleiten, die historische Last verbirgt und ausschliesst.
Kaum beruhigt sich die politisch und moralisch motivierte Kritik, erstehen plötzlich zivilrechtliche Forderungen aus erzwungener Arbeitsleistung, die nun nicht mehr an die Regierung sondern direkt an die Unternehmen herangetragen werden. Und man wird bezahlen. Wenn schon nicht aus gerechter Einsicht und aus dem Wunsch nach Wiedergutmachung heraus, eben aus reinem Utilitarismus, um geschäftsschädigenden Imageschaden abzuwenden. Zeitgleich kommt es zu einer genauen Erhebung des Verbleibs von Beutekunst in den öffentlichen Museen. Erste Rückgaben werden angekündigt.
Die Affäre Waldheim hat zumindest Vranitzky für die SPÖ und Erhard Busek für die ÖVP veranlasst, die Perspektive der Mitschuld einzubeziehen und öffentliche Eingeständnisse zu machen.

Die repräsentative Demokratie hat dies bis dahin peinlich vermieden. So kam es in den siebziger Jahren zur grotesken Affäre um Simon Wiesenthal, die Bruno Kreisky auslöste. Sein Versuch, Simon Wiesenthal als Kollaborateur einer KZ-Lagerverwaltung hinzustellen, gar als Gestapo Agenten zu denunzieren, war bestürzend. Dies geschah in Verteidigung des freiheitlichen Parteiobmanns Friedrich Peter, der wiederum in Verdacht geraten war, als SS-Offizier in Kriegsverbrechen, in die Vernichtung von ukrainischen Juden und Zigeunern verwickelt zu sein. Die Attacken gegen Wiesenthal waren ungewöhnlich scharf. In einem Interview mit der deutschen Illustrierten Stern wirft Kreisky Wiesenthal laut Arbeiterzeitung vom 7.11.1975 Agententätigkeit vor. Weiters erklärt er, Wiesenthal habe seine Staatsbürgerschaft in Oberösterreich zu Unrecht bekommen, weil er eine Tätigkeit betreibe, die den Interessen Österreichs abträglich sei.
Es müsse eine klare Trennung zwischen Mitläufertum und Verbrechern zur Bewältigung der Vergangenheit gehören, wenn man das Ansehen Österreichs in der Welt nicht gefährden und seine Jugend für die Ideale der Menschlichkeit gewinnen will, hiess es in einer Erklärung, die von führenden Mitgliedern der SPÖ, von der „Aktion Österreicher für Kreisky“ und von der „Aktion kritischer Wähler“ mit unterzeichnet wurde.
Kreisky hielt sich damit an die mit der ÖVP bereits 1946 vereinbarte Formel, dass in der Nazifrage nur die Führer, die Verantwortlichen, die Aktivisten und nicht der kleine Streckenwärter und der Portier interessieren. Dass es plötzlich viele Streckenwärter und Portiere und nur eine schmale verantwortliche Spitze gab, war von vornherein anzunehmen. Befehlsnotstand: Der Führer wars. Punktum.
Damit konnte man jedoch dem totalitären Erfassungsprinzip des Nationalsozialismus nicht gerecht werden. Der tief eingedrungene Alltagsfaschismus blieb unangetastet. Was war nun die angeblich so verwerfliche Tätigkeit von Simon Wiesenthal ? Nazi Verbrecher wie Eichmann zu überführen, ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und unter Anklage zu setzen ? Gerade Wiesenthal hatte massvoll Recht vor Rache gesetzt.
Es gab Österreicher, die der Ansicht waren, Kreisky habe einen schweren Fehler begangen. Doch wenn Bruno Kreisky eine Meinung kund getan hatte, war es fast unmöglich, anderer Meinung zu sein. Kreisky konnte sich zwar mit derlei taktischen Schachzügen des Wohlwollens der Nationalsozialisten und all derer, die ihre Einstellung wenig verändert hatten, versichern.
Zur Bewältigung der österreichischen Geschichte und zur nötigen Katharsis hat derlei genau so wenig beigetragen wie das christliche Versöhnungswerk. Vor allem verhinderte solcher Zweckopportunismus die immer drängender werdende Geschichtsaufarbeitung und eine weltoffene Identitätsfindung. Kreisky war wie fast alle anderen österreichischen Politiker Pragmatiker. Aber letzendlich hat er damit indirekt einen weitreichenden Vorpass gelegt, der die weiteren innenpolitischen Entwicklungen, insklusive der kleinen Koalition von Sozialisten und Freiheitlichen bis hin zur Wahl Waldheims in fast in logischer Konsequenz erscheinen lässt.
Es wäre dumm, Kreisky Antisemitismus vorzuwerfen. Und doch boten seine Angriffe gegenüber Wiesenthal zugunsten Friedrich Peters, sein propalästinensische und damit zwangsläufige antiisraelische Politik, sein prononcierter Antizionismus Antisemiten die Möglichkeit, ihre Haltung beizubehalten. Die augenzwinkernden mündlichen Kommentare zu Kreiskys Politik in jener Zeit liessen deutlich werden, dass so mancher sein Vorurteil weiterhin beibehalten konnte, ohne es ausdrücklich kundtun zu müssen. Kreisky bewirkte mit seiner Stellungsnahme für Peter eine weitere Verdrängung nationalsozialistischer Vergangenheit.
Der Heeresminister Friedhelm Frischenschlager holte zu Zeiten der sozialfreiheitlichen Koalition den spät aus italienischer Haft entlassenen und rechtskräftig verurteilten Kriegsverbrecher Reder mit einen Militärmaschine des Bundesheeres heim, begrüsste ihn mit Handschlag am Flughafen Graz Thalerhof und verlieh dieser Heimkehr damit einen offiziellen Anstrich.
Reder wurde der Tod von 1863 Personen zur Last gelegt. 800 davon waren Kinder. Er wurde zum Tod verurteilt, das Urteil in lebenslängliche Haft umgewandelt. Bereits 1956 wurde Reder, nach wie vor in einer italienischen Festung inhaftiert, wiederum in Österreich eingebürgert. 1936 war ihm diese Staatsbürgerschaft wegen illegaler Nazitätigkeit und Zugehörigkeit zur 1. SS-Totenkopfstandarte Oberbayern entzogen worden.
1998 kursiert in einem via Internet zugänglichem Anti-Antifaschistischen Handbuch, dem rechtsradikalen Gegenstück zum Handbuch des österreichischen Rechtsradikalismus, eine Liste von engagierten Demokraten und Linken, denen unter anderem vorgeworfen wird, damals eine Protestnote gegen Friedhelm Frischenschlager in der Wochenzeitung profil unterzeichnet und finanziert zu haben.

Die Bundesrepublik Deutschland wurde bis in die siebziger Jahre hinein von grossen politischen Skandalen erschüttert, wenn etwa die Nazivergangenheit hoher Regierungsvertreter merkbar wurde. Doch daraus lernte man und die Stellungsnahmen des deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, insbesondere seine Rede vor dem deutschen Bundestag am 8.Mai 1985 trugen viel zur weiteren Einsicht und Bewältigung deutscher Schuld bei.
Währenddessen hielt Österreich noch mehrheitlich gerade zu verstockt an Waldheim fest, dessen eigentliche Schuld nicht seine Vergangenheit gewesen ist, sondern eben der Versuch den Kontext dieser Vergangenheit aus Eitelkeit und machtpolitischem Kalkül im Zuge seines Wahlkampfes zur Normalität stilisieren zu wollen, obwohl ihm die historische Gewissheit, dass dieser deutsche Krieg ein alle Menschenrechte ausser Kraft setzender Vernichtungskrieg gewesen ist, nicht unbekannt geblieben sein kann. Selbst wenn er damals nicht in Kriegsgreuel verwickelt gewesen ist, ist es untragbar, diesen Krieg in den Zustand der Normalität zu erheben, in dem man seiner Pflicht nachzukommen hatte. Offenbar hielten die Österreicher Sozialisten nicht für geeignet, Waldheim diesen Vorwurf machen zu dürfen. Zu sehr war das Eintreten Kreiskys für Peter noch in Erinnerung. Ihre antifaschistischen Bemühungen gerieten zur tagespolitischen Taktik. Die SPÖ hatte gerade zu diesem Zeitpunkt viel zu verstecken, sowohl die Lucona Affaire des Udo Proksch wie auch die Noricum Affaire des verbotenenen Waffenverkaufs an kriegsführende arabische Staaten. Waldheim gewann die Wahl.

Waldheims Verhalten steht für mich im ursächlichen Zusammenhang mit den politischen Integrationsbestrebungen der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre. Waldheim war damals bereits Mitarbeiter von Aussenminister Gruber, einem betont proamerikanischen Politiker. Personen wie Waldheim, sowie vorbelastete Personen und Nationalsozialisten, die ihren demokratischen Entlastungsschein erhalten hatten, konnten damit rechnen, künftighin mit Wissen und Billigung der Alliierten insbesondere der USA, nicht mehr an ihre Vergangenheit erinnert zu werden.
Im Fall Waldheim hielten sich die USA nicht daran und setzten Waldheim 1986 auf die Watch List. Die österreichische Volkspartei reagierte darauf ebenso fassungslos wie wütend. Ihre „Jetzt erst recht“ Kampagne verhalf zwar Waldheim zum Sieg, führte aber gleichzeitig zum Rechtsrutsch in Österreich, der dem dritten Lager und dessen jüngeren Exponenten zweistellige Zuwachsraten brachte. Rechts war durch das Verhalten Waldheims und der ÖVP wieder offen gesellschaftsfähig geworden.
Das dritte Lager, also jene, die sich nach der Niederlage 1945 weder dem bürgerlichen noch dem sozialistischen Lager anschliessen wollten, die aus der VdU hervorgegangene FPÖ dümpelte bis dahin um die 7 % Marke und konnte es in der Zwischenzeit in manchen Bundesländern auf einen Anteil von 28 % der Wählerstimmen bringen.
Das dritte Lager war über Jahrzehnte hinweg Nutzniesser der geübten Integrationspolitik und war sich über seine Rolle des Züngleins an der Entscheidungswaage bewusst. Diese politische Stellung garantierte, dass die Vergangenheit weder besonders durchleuchtet noch aufgearbeitet wurde. Es kam zu gewichtigen Einflussnahmen im politischen und kulturellen Leben der zweiten Republik, die die Blosstellung bzw. Verurteilung schwerstbelasteter Nazis verhinderte und damit dem Abbau des latenten Alltagsfaschismus nicht förderlich gewesen ist.
Der Freispruch etwa des Obmannes der Bezirksbauernkammer Liezen, Ennstal, Franz Murer, soll auf politische Intervention sowohl von schwarzen wie auch roten Politikern zustande gekommen sein. Murer wurde 1963 unter öffentlichem Applaus freigesprochen. Murer war von den Anklägern beschuldigt worden, an Massakern im Konzentrationslager Wilna beteiligt gewesen zu sein.

Der heutige Nutzniesser des Gestrigen, Jörg Haider ging dann sogar soweit, diverse politische Strategien des Nationalsozialismus, wie etwa die „ordentliche Beschäftigungspolitik des dritten Reiches“, also Arbeitsdienst und Zwangsarbeit, als zynische Alternativen in den tagespolitischen Diskurs einzubringen.
Die österreichische Rechte konnte lange Zeit damit rechnen, mit ihren Losungen in Österreich unhinterfragt erfolgreiche Politik zu machen, allein schon deswegen, weil die politische Aufklärung seitens der bürgerlichen und sozialistischen Partei nie mit der Gründlichkeit durchgesetzt wurde, die nötig gewesen wäre. Und dies nicht aus Schlamperei, sondern aus politischen Kalkül, um auch im dritten Lager unter den Nationalsozialen und der Nachfolgeneration mit Stimmen und Zustimmung rechnen zu können.

Erst in den letzten fünfzehn Jahren können wir in diesem Zusammenhang von einer vermehrten Schuldeinsicht sprechen. Gleichzeitig verschob sich die realpolitische Gewichtung nach rechts. Das intellektuelle und kulturelle Klima des Landes ist nach wie vor von dem schwebenden Verfahren der Verdrängung bestimmt. Da dies aber auf Grund der vielfältigen historischen Kenntnisse nicht mehr möglich ist, kann man von einem neurechten Verhalten sprechen, in dem bewusst die Vergangenheit in Kauf genommen wird.
Alle haben sie den späten Triumph der Nachfolge des dritten Lagers in Form von Jörg Haider, der seine Wähleranzahl spektakulär und extrem steigern konnte, mit zu verantworten. Ich bin jedoch im Hinblick darauf der Ansicht, dass sich die Verhältnisse der Republik eben nur ähnlich der anteilsmässigen Bedingungen zur Zeit ihrer Gründung erneut ausdrücken. Der Teil, der von bürgerlicher und sozialdemokratischer Partei aufgesogen wurde, hat sich, wenn auch bereits in der zweiten und dritten Generation neu verteilt. Jetzt braucht die Geschichte nicht mehr verdrängt und vertuscht zu werden, jetzt hakt man sie einfach ab. Nur hin und wieder tritt das Unterfutter zu Tage, wie jene Erinnerung an „ordentliche Beschäftigungspolitik im dritten Reich“ . Doch gerade hier hat Haider die Geschichte erneut eingeholt. Teil dieser von ihm als ordentlich bezeichneten Beschäftigungspolitik war im dritten Reich jene Zwangsarbeit, für die jetzt völlig zurecht Entschädigung verlangt wird. Entschädigungsforderungen, die in den fünfziger Jahren möglichst abgewehrt wurden, weil man in der Wiederaufbauzeit einerseits über das nötige Geld tatsächlich nicht verfügte und andererseits die Nationalsozialen nicht verärgern wollte oder eben ein mangelndes Schuldbewusstsein hatte.

So hielt man sich in der Anerkennung berechtigt vorgetragener Ansprüche zugeknöpft und viele der Opfer wagten nicht einmal vorzusprechen, weil sie einfach froh gewesen sind, davon gekommen zu sein. Niemand darf sich jedoch wundern, dass die Enkelgeneration der Opfer, die in unbelasteten Demokratien aufgewachsen ist, radikaler und gründlicher darüber denkt, dass sie sich keineswegs als Bittsteller zweiter Klasse oder gar als Untermenschen und vernichtenswerte Subjekte fühlen.
Sie empfinden den Holocaust als unfassbare Katastrophe und totale Entwürdigung. Diese Generation ist bereit, wie etwa Daniel Goldhagen, härtere und breiter gefasste Schuldzuweisungen zu treffen, in Hitlers willige Helfer den ganz gewöhnlichen Deutschen und Österreicher mit einzubeziehen. Das muss man an Goldhagen akzeptieren und respektieren. Seine Ergebnisse und Thesen wurden in der Zwischenzeit durch weitere Forschungsergebnisse bestätigt. Forschungsergebnisse, deren wahren Gehalt wir bei genauerem Nachfragen auch in Österreich wiederfinden.
Gerade diese Einbekenntnis allgemeiner Mitschuld wollten eigentlich fast alle Parteien in Österreich bislang tunlichst vermeiden. Doch auch die Bundesrepublik Deutschland hat damit ihre Probleme, wie wir aus den Wortmeldungen von Walser, Bubis, Dohnany, Augstein entnehmen. Verständlich der Versuch, endlich Normalität zu erreichen. Doch die historische Katastrophe sperrt sich nach wie vor gegen derartigen Begehr.

Nur eine Änderung der inneren Einstellung lässt die wirksame Anerkennung des Unrechts zu. Die Veränderung der inneren Einstellung wurde jedoch durch politisches Zweckdenken erschwert, wenn nicht gar verhindert.

Die Haltung der Katholischen Kirche drückte gegenüber den ehemaligen Nationalsozialisten sowohl Versöhnung wie auch Verständnis aus. Auf den Gürtelschliessen der Deutschen Wehrmacht stand zu lesen „Gott mit uns“ und so zogen die Soldaten zu Felde, gegen den kommunistischen Osten, nachdem sie den europäischen christlichen Kontinent unterworfen hatten. Die offizielle Amtskirche hat den Nationalsozialismus nicht verdammt, hat 1933 ein Konkordat mit Hitlers Deutschland geschlossen. Papst Pius XI sprach zwar von brennender Sorge in der 1937 veröffentlichten Enzyklika gleichen Namens, sprach von einer grundlegenden Feindschaft gegen Christus, protestierte in einem Nebensatz gegen die immer härter werdenden staatlichen Maßnahmen in Einbeziehung der Konzentrationslager, und unterband damit weitere Annäherungen an den Nationalsozialismus. Doch eine massive Ablehnung wurde aus realpolitischen Gründen, die sich auf das Überleben der Kirche im grossdeutschen Reich bezogen, nicht geäussert.
Man muss erwähnen, dass Pius XI. in Vorbereitung einer weiteren Enzyklika einen Auftrag an den amerikanischen Jesuiten Pater John Le Farge erteilte, eine Schrift wider den Rassismus und den Antisemitismus, über Die Einheit des Menschengeschlechts zu verfassen.
Dieses Manuskript soll an seinem Todestag am 10.Februar 1939 auf dem päpstlichen Schreibtisch gelegen sein. Danach blieb das Manuskript verschollen und tauchte erst 1972 wieder auf.
Sein Nachfolger, Pius XII, galt als besonders deutschfreundlich. Eugenio Pacelli war Nuntius in Berlin gewesen. Das preussisch vatikanische Konkordat geht auf ihn zurück. Erhellend über diese Zusammenhänge ist die von Konstantin von Bayern geschriebene und 1952 erschienene Biografie des Papstes.
Hitler beschwor in einem Treffen mit dem Münchner Kardinal Faulhaber am 4.11.1936 auf dem Obersalzberg ein Bündnis gegen den Bolschewismus, allerdings unter Betonung der Vorherrschaft des Nationalsozialismus. So eindeutig konnte sich die Kirche jedoch nicht entschliessen und Papst Pius XI verurteilte sowohl Nationalsozialismus wie auch Kommunismus, erachtete letzteren als den schlimmeren Gegner. Kardinal Faulhaber gab sich in dem Berchtesgadener Treffen jedoch als loyaler Untertan Hitlers zu erkennen. Die Rassengesetzgebung des Reiches lehnte er ab, ohne jedoch wirksam dagegen anzugehen.
Die österreichische Bischofskonferenz unter dem Vorsitz von Kardinal Innitzer begrüsste 1938 den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland.

Wie willfährig sich die katholische Kirche gegenüber der militärischen Entwicklung verhalten hat, zeigen die von Konrad Hofmann sachlich zusammengestellten und herausgegebenen kirchlichen und staatliche Gesetze, Verfügungen und Richtlinien zu Seelsorge und kirchlichen Verwaltung im Krieg. Das Handbuch beweist eine enge Anpassung der katholischen Kirche in Deutschland und im angeschlossenen Österreich an die Erfordernisse des nationalsozialistischen Krieges. Das Buch erschien 1940 nicht in irgendeinem beliebigen Verlag, sondern bei einem der zentralen katholischen Verleger, bei Herder in Freiburg im Breisgau. Der Freiburger Generalvikar Prälat Dr.Anton Rösch schreibt in seinem Geleitwort: Seit September vorigen Jahres (1939) steht das deutsche Volk in schwerstem Kampfe. In diesem Ringen ist so wichtig wie die materielle Rüstung die Mobilisation der Geister , der unerschütterliche Wille aller zum Aushalten bis zum erfolgreichen Ende. Hier erwächst den christlichen Kirchen eine grosse bedeutungsvolle Aufgabe im Dienste der Volksgemeinschaft.
Im häufig bei Truppengottesdiensten verwendeten „Gebet für Führer, Volk und Wehrmacht“, veröffentlicht erstmals am 1.Dezember 1939 im Verordnungsblatt der Erzdiözese Salzburg, heisst es u.a: Segne die deutsche Wehrmacht, welche dazu berufen ist, den Frieden zu wahren und den heimischen Herd zu beschützen, und gib ihren Angehörigen die Kraft zum höchsten Opfer für Führer, Volk und Vaterland.
Keine Zeile der Distanzierung ist da zu finden. Man ist offensichtlich bereits völlig einverstanden mit den Kriegszielen des Vernichtungsfeldzuges und man bittet gar um den göttlichen Segen für den Führer. Die geistliche Zustimmung und Veröffentlichung des kirchlichen Standpunktes und Zuspruches kam nicht nur aus Salzburg, sondern aus allen wichtigen Diözesen, Erzdiözesen, Bistümern, erzbischöflichen Ordinariaten des gesamten deutschen Raums inklusive Österreichs.

Die grundlegende Demutshaltung und der Gehorsam an den geistlichen Oberen verbindet sich mit dem totalitären Staatsmechanismus und deren Befehlsgewalt zu einer unerbittlichen Kriegsmaschinerie, die keinerlei Lücken oder Fluchtwege zu lässt.
Wer sich dagegen stellt, verstösst nicht nur gegen den Willen der Macht, sondern auch gegen den Willen Gottes. Diesen Eindruck mussten Gläubige gewinnen. Das kriegerische Handeln bewegt sich im Rahmen weltlicher wie auch kirchlicher Autorität. Und der weniger Gläubige konnte zumindest durch den Zuspruch der Kirche bestärkt annehmen, dass die kriegerische Aufgabe, an der der teilzunehmen hatte, durchaus ethisch und sittlich gedeckt wäre. Man kann in solchem Zusammenhang durchaus von Missbrauch des Glaubens durch Amtskirche und staatliche Leitung sprechen.

Umso höher muss der Widerstand jener 4000 katholischen Priester gewertet werden, die in Kanzelreden Widerstand leisteten und wegen Wehrkraftzersetzung und Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden.

Der österreichische Bischof Alois Hudal, Leiter eines römischen Institutes, beschäftigte sich eingehend mit den Grundlagen des Nationalsozialismus. Das Werk erschien 1937 in Wien und in Leipzig. Hudal war zwar entgegen häufig geäusserter Meinung kein fanatisch rassistischer Nationalsozialist. Politisch bevorzugte er das italienische faschistische Modell Mussolinis.
Er distanziert sich halbherzig vom Kern des Nationalsozialismus, dem germanischen Rassismus, wohl wissend, dass dieser mit der christlichen Lehre nicht vereinbar ist.
Das Ziel des nationalen und christlich religiös Bewussten wäre jedoch eine nationalsozialistische Bewegung, die sich auf das rein politische beschränkt und die weltanschaulich-seelsorgerische Arbeit den berufenen Vertretern beider Konfessionen überlässt, mit anderen Worten: „ein wesenhaft christlicher Nationalsozialismus, in dem das Rassendogma aus dem kulturellen Bereich herausgehoben und auf das Gebiet der Hygiene und sozialen Volkswohlfahrt beschränkt bleibt, ohne als Weltanschauung ein für den tiefer empfindenden Menschen keineswegs ausreichender Ersatz für Religion und Christentum sein zu wollen.“
Mit der scheinbaren Beschränkung des Rassendogmas auf das Gebiet der Hygiene und der sozialen Volkswohlfahrt hat er den doch die Türen für das Vernichtungsprogramm der Nationalsozialisten einen Spalt offen gelassen. Hudal wird damit zum Beispiel dieses wankelmütigen Katholizismus, dessen Vorurteile auch den Nationalsozialismus legitimieren.
Hudals Vorstellungen scheiterten am Totalitätsanspruch der Nazi, die dem von ihnen geschaffenen germanischen Rassenkult zur Durchsetzung verhelfen wollten und keinesfalls die Absicht hatten, Kompromisse gegenüber dem Katholizismus einzugehen. Andererseits fand man, inklusive des Antisemitismus, viele Gemeinsamkeiten auf der Werteskala.
Hudal schreibt im Vorwort zu seinem Grundlagenwerk „ungezählte treue deutsche Söhne des deutschen Volkes, die im Nationalsozialismus die letzte Barriere erblickten, um den Europa bedrohenden Bolschewismus von deutscher Erde fernzuhalten, sind überzeugt, daß die grosse deutsche Einheitsbewegung durch das Hineintragen von weltanschaulichen Auseinandersetzungen in ihrem Schwunge und Eroberungsdrang leiden müsste.“ So sah Hudal in seinem Werk einen „Versuch, vom christlichen Standpunkt einen Weg zum Verständnis des Nationalsozialismus zu ebnen.“ Hudal trug seine Sympathien für den Nationalsozialismus zu offen vor und fiel deswegen im Vatikan scheinbar in Ungnade. Der Salzburger Erzbischof Rohracher, Begründer des christlichen Versöhnungswerkes hielt bis zum Tode Hudals zu ihm.
1933 hat Hudal am 1.Mai die deutsche Gemeinde Roms, etwa 700 Personen, in den Festsaal der Anima, eine deutsche Stiftung, die in die Zeit des Römischen Reiches Deutscher Nation zurückreicht, geladen.
Es versammelten sich der Bischof von Aachen, die beiden deutschen Botschafter im Vatikan und am Quirinal, der Leiter der römischen Auslandsgruppe der NSDAP, Ulrich von Hassel und die Tradition von Potsdam verkörpernd, ein grauhaariger kaiserlicher Offizier. Neben den schwarzen Talaren der Kleriker, neben den krebsroten der Seminaristen vom Collegium Germanicum sah man das Braun der SA-Hemden und die feldgrauen Uniformen des Stahlhelmbundes. So Konstantin von Bayern in seiner Biographie des Pius XII. Ulrich von Hassel schloss sich später der Bewegung des 20.Juli 1944 an und wurde gemeinsam mit Stauffenberg in Plötzensee hingerichet. Jede Phase dieses qualvollen Sterbens wird von den Schergen gefilmt, damit es Hitler sich zur Nacht in seinen Wohnräumen ansehen konnte.
Doch an diesem 1.Mai 1933 begrüsst der Österreicher Hudal in dieser Schicksalsstunde die auslandsdeutschen Katholiken, das kommende Deutsche Reich, das auf Christus und Volkstreue aufgebaut werden soll. Wenn auch in den Tagen des Weltkrieges, als die Sturmfluten der Revolution den Unrat über das deutsche Vaterland, sei es nun Deutschland oder Österreich, hereingeschwemmt haben, der Blitz die deutsche Eiche zu treffen schien, die Wurzel selbst ist unversehrt geblieben. So sind uns katholischer Glaube und nationale Gesinnung, Christentum und glühende Leidenschaft für Volk und Heimat keine Gegensätze. Es war eine Pflichterfüllung für den deutschen Bischof in Rom, in einer so bedeutenden Stunde Stellung zu nehmen und für die deutschen Katholiken einen Weg vorzuzeigen.

Hudal betätigte sich nach Kriegsende als Fluchthelfer tausender SS-Männer über die so genannte Rattenlinie des Vatikans, und half mit, diese Männer der Gerichtsbarkeit zu entziehen. Alan Levy, der Biograph Simon Wiesenthals meint, etwa 80 % von ihnen wären zum Tode verurteilt worden Das lässt auf das Ausmass ihrer Verbrechen schliessen und Hudal dürfte davon gewusst haben.
Die sowjetische Gefahr jedoch muss in der Führung der katholischen Kirche weiterhin Priorität gehabt haben. So sehr, dass man auch über das Schicksal der von den Nationalsozialisten hingerichteten 4000 Priester hinwegsah und deren Märtyrerrolle eher versteckte. Erst in den letzten Jahren wurden einige von ihnen von Papst Johannes Paul II selig gesprochen. Das fatale daran ist, dass auch über die Schuld gegenüber den Juden, den Romas, den Zwangsarbeitern erst spät, zu spät gesprochen wurde. Man tat über Jahrzehnte hinweg, als ob nichts geschehen wäre, als ob da nichts gewesen ist, und wenn da etwas geschehen ist, dann hätte man es eben nicht gewusst.
Die eigentliche Schuld, die danach angehäuft wurde, ist nicht eine Mitschuld an den Verbrechen, die Schuld liegt darin, die Einsicht in die Verbrechen des Nationalsozialismus behindert zu haben.

Konstantin von Bayern, später Bundestagsabgeordneter der CSU, beschreibt in seiner 1952 erschienenen Biografie von Papst Pius dem XII Bemühungen, die auf eine Einbindung nationalsozialistischer Kräfte in die antikommunistische Abwehr hinausläuft. So habe SS General Karl Wolff via Vatikan ein Friedenskonzept vorgetragen und ein gemeinsames Vorgehen mit den Amerikanern gegen die Sowjets angestrebt, ein Vorschlag den Wolff laut Bayern auch Hitler unterbreitet hat. Wolff traf sich während des Krieges mit Allen W. Dulles, dem persönlichen Beauftragten Roosevelts in der Schweiz. 1952 sagt Dr.Hussman, ein enger Mitarbeiter von Allen Dulles zu Konstantin von Bayern: „Heute gilt Wolff als ein weitsichtiger Mann, weil er schon damals (also vor 45) die Deutschen mit den Amerikanern gegen den kommunistischen Osten verbündet sehen wollte.“
Allen Dulles wurde zu Beginn des Kalten Krieges zum Direktor der CIA bestellt. Mit dem Amtsantritt des US Präsidenten Eisenhower kam es zu einer antikommunistischen Welle in Amerika, die sich in Europa und insbesondere in den deutschsprachigen Gebieten fortsetzte. Die US-Hardliner, unter ihnen McCarthy, ernteten grossen Beifall in Deutschland und Österreich. Das katholische Versöhnungswerk durfte künftighin mit noch mehr Verständnis der Alliierten rechnen.
Wir können jedoch annehmen, dass das Versöhnungswerk schon vorher nicht gegen den Willen der Alliierten agiert hat. Der Grazer Historiker Siegfried Beer bestätigt, dass der Kontakt von Offizieren des OSS (Office for Strategic Services) zu österreichischen Bischöfen gut belegt werden kann. Erzbischof Rohracher befand sich in bestem Einvernehmen mit dem US-Hochkommisar für Österreich, Mark W.Clark, der die südliche Invasionsarmee befehligt hatte und schlussendlich die Alpenfestung eingenommen und eine Zeitlang in Salzburg residierte. Nach dem Entsatz von Rom durch die US-Armee unter der Führung Clarks dürfte es bereits erste Überlegungen im Vatikan gegeben haben. Bereits im Juli 1945 hatte sich Rohracher anlässlich einer Romreise des Wohlwollens des amerikanischen Hilfswerkes NCWC, der National Catholic Welfare Conference versichert. So können wir seine Kritik an den Alliierten anlässlich seiner Rede an der Innsbrucker Universität bloss als taktisches Moment begreifen, da die Zeit, die da kommen sollte und von der man schon wusste, noch nicht völlig reif war.
General Mark W.Clark half dem österreichischen Aussenminister Gruber im Interesse des neuen nationalen Kompromisses, berechtigte Forderungen jüdischer Organisationen zurückzuweisen. Das wird auch weiterhin Masstab österreichischer Politik sein. Im Jänner 1954 weist Innen-Staatssekretär Ferdinand Graf „masslose“ jüdische Forderungen erneut zurück. Neben der Ausblendung der wahren Opfer, neben der wohlwollenden Kooperation mit ehemaligen Nazis, neben der Verwischung der Geschichte ist dieses zähe Verweigern gegenüber berechtigten Forderungen bzw. des taktisch hinausgezögerten Anerkennens in Teilen ein weiteres Charakteristikum österreichischer Nachkriegspolitik.

Die USA hatten wenig Berührungsängste gegenüber den Nazis und einige nahmen sie in ihre Dienste, wie etwa den Entwickler von Hitlers Wunderwaffe, Wernher von Braun, der immerhin Direktor der NASA und damit des amerikanischen Weltraumprogramms wurde. Ähnliches entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland. Adenauers CDU und die CSU nahmen Ehemalige in ihre Reihen auf, die es bis in Spitzenpositionen des deutschen Staates brachten. So hat etwa der Kanzleramtchef Adenauers, Globke, die Nürnberger Rassengesetze mit verfasst.

Ein anderes Kapitel deutsch amerikanischer Geschichte wurde zeitgleich zur Washingtoner Konferenz zum Thema Beutekunst geöffnet. Der amerikanische Historiker Bradford Snell wies die Zusammenarbeit von General Motors und Ford mit dem Dritten Reich nach. Henry Ford war ein Antisemit besonderen Kalibers. Er veröffentlichte Der internationale Jude und versuchte damit eine jüdische Weltverschwörung zu belegen. Die deutsche Ausgabe wurde im Münchner Büro der NSDAP an besonders verdiente Parteigenossen ausgefolgt. Ebenso hing ein Portrait des amerikanischen Industrie Tycoons im Büroraum Hitlers. Ford finanzierte u.a. die amerikanische Ausgabe der antijüdischen Hetzschrift „Die Weisen von Zion“, die ebenso als Beleg der vorgeblichen jüdischen Weltverschwörungstheorie dienen sollte.
Hitler wusste um die Sympathien des Zeitungsherausgebers William Randolph Hearst, der 1934 Deutschland besuchte. Er wollte Hearst für die Pflege eines besseren Images in den USA gewinnen. Es kam zu Vorgesprächen. Du Pont wollte seine Sympathien für die nationalsozialistische Bewegung nicht verbergen und finanzierte in den USA eine parallelle Bewegung. Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen IG Farben und Standard Oil ist nachgewiesen. Sie bildeten ein gemeinsames Unternehmen, die Ethyl GmbH. ITT - International Telephone und Telegraf beteiligte sich nach mehreren Treffen mit Göring an reichsdeutschen Unternehmen. Der Büromaschinenkonzern IBM half mit dem Verkauf von Maschinen und Beratungsleistungen mit, die nötigen verwaltungstechnischen Voraussetzungen zur Vernichtung der Juden zu schaffen.

Allan Dulles, der CIA Direktor, der mit Wolff in der Schweiz unter Vermittlung des Vatikans gesprochen hat, baute das US & Nazi Network auf. Kennedy feuerte ihn erst wegen Versagens in der Kubakrise.

Noch sind erst Konturen des amerikanischen und britischen Einwirkens auf die Politik gegenüber den ehemaligen Nationalsozialisten spürbar. Man muss sich an die Konstellationen herantasten. Man trifft auf merkwürdige Überschneidungen, Handlungen, die auf Absprachen schliessen lassen und es ist anzunehmen, dass die Besatzer jede ernst zu nehmende politische Bewegung, und die der Wiedereingliederung der belasteten Bevölkerungsschichten war sehr ernst zu nehmen, genau beobachtet haben und im Hintergrund flankierende Hilfe leisteten. Die darin involvierten Österreicher schweigen zu diesem Thema, selbst wenn entsprechende Belege, auch über geflossene finanzielle Mittel in den US Archiven gefunden werden. Erst die heutige österreichische Historikergeneration nimmt diese Konturen ernst und versucht, sie mit mehr oder weniger Erfolg zu belegen.

Merkwürdiges hat sich auch nach 1945 ereignet. Bemerkenswert sind die Erinnerungen Reinhard Gehlens Der Dienst 1942 -1971. Gehlen war bis knapp vor Ende des Krieges Chef der Abteilung Fremde Heere Ost des Auslands- und Abwehrdienstes. Gehlen forciert bereits bei den ersten Gesprächen mit US-Besatzungsoffizieren das antikommunistische Zweckbündnis und hat damit Erfolg. Bereits ab 1946 wird der Aufbau der Organisation Gehlen von den USA finanziert, die dann 1956 planmässig als Bundesnachrichtendienst in die Kompetenz der deutschen Bundesregierung überführt wurde. Bis 1949 wurde diese Verbindung auch gegenüber dem militärischen Counter Intelligence Corps CIC geheim gehalten. Erst 1949 wurde die Organisation Gehlen aus dem militärischen Bereich herausgelöst und unter die Betreuung der Central Intelligence Agency, kurz CIA, gestellt.
In Gehlens Buch gibt es einen interessanten Hinweis auf Adolf Heusinger, General der deutschen Wehrmacht, der von 1940 - 1944 Chef der Operationsabteilung der Wehrmacht gewesen war und laut Gehlen zuletzt Vorsitzender des ständigen Militärausschusses der NATO in Washington wurde. Adolf Heusinger tat insgesamt dreizehn Jahre, von 1931 -1944, im Generalstab der deutschen Wehrmacht Dienst. Er wurde nach dem Attentat am 20.Juli 1944 vorübergehend verhaftet und war nach dem Krieg bis 1948 interniert. Ab 1950 beriet er gemeinsam mit Speidel Bundeskanzler Konrad Adenauer in militärischen Fragen, wurde zu einem späteren Zeitpunkt zum General der Bundeswehr ernannt, war dann gar Generalinspekteur und leitete von von 1961 bis 1964 den ständigen Militärausschuss der Nato in Washington.
Die Einbíndung der Aufklärung Ost mit Reinhard Gehlen ist offiziell seitens der USA bestätigt worden. Mehr als 250000 Dokumente über die Zusammenarbeit der USA mit Ex Nazis wurden im Frühjahr 2001 seitens der US-Regierung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein grosser Teil dieser Dokumente betrifft die Instrumentalisierung der Aufklärung Ost. Gehlens Buch erschien 1971.

War die mehr oder minder unkritische Reintegration der Nationalsozialisten in das Alltagsleben Österreichs und Deutschland tatsächlich für die Positionen im kalten Krieg bedeutungsvoll? Ein offener Konflikt mit der Sowjetunion wurde nicht ausgeschlossen. Man rechnete mit sowjetischen Expansionstrieb und begann in Österreich und Italien versteckte Waffenlager anzulegen. Jene Waffenlager, für die sich die Botschafterin der USA in Österreich, Mrs.Hunt entschuldigte.
Man fürchtete aber ebenso diverse linksdemokratische Entwicklungen, die ohne den Einfluss der Sowjetunion zustande gekommen sind. Man wollte und musste auch die innenpolitische Situation im Rahmen der Nato stabilisieren und vor allem konnte man sich die Nazis noch immer als Drohgebärde gegenüber jenen halten, die mit der neuen politischen Konstitution nicht einverstanden waren.

Das hatte allerdings seinen historischen Preis, der u.a. auch das historische Bild des Katholizismus überschattet. Nun muss die Kirche sich fragen lassen, ob sie nicht in der Bewältigung der nationalsozialistischen Folgen Fehler gemacht hat. Gerade sie, die für sich in Anspruch nimmt, oberste moralische Instanz zu sein, muss sich diesen Fragen stellen. Die Zeit der Verfolgung war gemessen an der Schuld von kurzer Dauer. Die Alliierten änderten unter der Eisenhower-Administration ihre Haltung zugunsten der Nazis. Die bereits geführten Prozesse waren alsbald vergessen, Verurteilte begnadigt und freigelassen. Die eigentliche Tragödie ist nicht die Resozialisierung der Nationalsozialisten. Die wahre Tragödie ist die Ausblendung der Opfer und die historische Vertuschung der Nazi-Schandtaten. Das widerspricht jeglichem Gerechtigkeitssinn. Dieser historische Missbrauch des Gerechtigkeitssinns lastet auf uns heute.

Aus der Perspektive der Menschenrechte gesehen erscheinen die Verbrechen des Nationalsozialismus noch viel schwerwiegender und sie lassen sich keinesfalls durch ihre antikommunistische Komponente, die in der nationalsozialistischen Propaganda eine wichtige Rolle gespielt hat, die im postnationalsozialistischen Österreich weiterwirkte, entschuldigen.
Wir wissen, dass diese Gesellschaft gegenüber dem Kommunismus immun ist. Ob sie auch gegenüber einen potentiellen neuen Faschismus immun ist, können wir leider nicht mit derselben Gewissheit sagen.


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