Theater des Westens
– Behind World War II Theater


Marcel Prawy im Zeitraum von 1949 bis 1956


© Franz Krahberger


Der Marshallplan war sowohl für Österreich als auch für Deutschland und Europa eine überlebensnotwendige Hilfe. Zumindest Europa erlebte, abgesehen von Teilung und Kaltem Krieg, wirkungsvollen Wiederaufbau, der in eine fast fünfzig Jahre anhaltende Epoche des Friedens mündete. Parallel dazu lief ein ausgeklügeltes, weit vorausschauendes kulturelles Gestaltungsprogramm für Westeuropa inklusive die alliiert besetzten Länder, das von der CIA zentral geleitet wurde. Diese Organisation uns kulturelle Struktur ist der Allgemeinheit am ehesten als Kongress für kulturelle Freiheit bekannt.

Einer der Exponenten dieses Programms war Marcel Prawy. Er stand jedoch nie ganz vorn im Rampenlicht der neuen Weltbühne des Post-War-Theaters, trotzdem bestimmte er mit viel Geschick das Spiel um die Freiheit wesentlich mit. Prawy war eher ein Mann der Backstage, aber er war in seiner Kompetenz und seiner Handlungsfähigkeit niemals von einer Direktion der großen Opernhäuser dieser Welt abhängig.


Der Propaganda und Agitation der Sowjetunion setzten die USA ein Programm von Freiheit, Kultur und effektiver Wirtschaft entgegen. Dass dieses Programm nicht nur ein Pott allgemeinen Glücks und Zugeständnisses war, soll nicht verschwiegen werden.

Das Credo der Freiheit lässt sich aus den Erinnerungen Marcel Prawy erzählt aus seinem Leben ebenso ablesen wie aus seinem Ansinnen und Bekenntnis, Humanität zu lehren, einem Bemühen, das er mit Leonard Bernstein teilte. Erste Kontakte zu Bernstein entstanden bereits in den 50er-Jahren.

Eine der wesentlichen Leistungen Prawys ist es, nicht bloß Transporter auf einer amerikanischen Einbahn gewesen zu sein, sondern vielmehr für einen Austausch in beiden Richtungen gesorgt zu haben. Das trug einiges zum österreichischen Selbstverständnis bei. Dass Prawy Anhänger Richard Wagners war, mag ihm bei alten wie neuen rechten Konservativen Respekt verschafft haben.

Ich sehe diese Sache etwas nüchterner. Bayreuth war ebenso Teil des amerikanischen Plans, und ein Mann, der im amerikanischen Kulturkonzept für Westeuropa und in der Mitgestaltung des Festspielwesens eine wichtige Funktion innehatte, durfte die Wagnerianer nicht verärgern.
Marcel Prawy verstand sich später jedoch ebenso auf den kulturellen Austausch mit dem kommunistischen Osten wie mit dem westlich orientierten Japan, das die aus Wien stammende Musik und die Wiener Philharmoniker besonders liebt.

Prawys Vater war Jurist am Verfassungsgerichtshof der Ersten Republik, sein Großvater war Jurist am Hof Franz Josephs. Prawy folgte der Familientradition, studierte Jus und absolvierte die praktischen Gerichtsjahre. Daneben studierte er bei Egon Wellesz Musik. Aus dem Elternhaus bekam er eine exzellente kulturelle Vorbildung mit. Die Studien erwiesen sich nützlich für seine spätere Karriere.

Der Überfall Nazideutschlands auf Österreich änderte Prawys Schicksal schlagartig. Wie die meisten seiner jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stand er vor dem drohenden Schicksal der Vernichtung. Er floh nach Frankreich, wurde dort in ein Internierungslager des Vichy-Regimes gesteckt, das Juden bedenkenlos an die Nazischergen auslieferte.
Der große Opernstar Jan Kiepura, von dem Goebbels unbedingt wollte, dass seine Stimme weiterhin im Deutschen Reich erklinge, verzichtete auf die Arisierung und emigrierte nach Frankreich. Er konnte Prawy mit den ihm zur Verfügung stehenden Beziehungen aus dem Internierungslager holen. Danach gingen Kiepura, dessen Frau Marta Eggerth und Prawy ins amerikanische Exil. Kiepura wurde an der Metropolitan State Opera New York mit offenen Armen empfangen, und Prawy diente ihm als Sekretär.

Dies hat Prawy die Türen zur Welt der großen amerikanischen Oper, der Politik und zu New Yorker Medienunternehmen geöffnet. Ich habe keinen Zweifel daran, dass der gewandte Marcel Ritter von Frydmann sich auf diesem Parkett so glänzend wie gewinnend bewegt hat. Sowohl die juristische Ausbildung als auch die disziplinierte Erziehung und die frühen New Yorker Erfahrungen, daneben die großen musikalischen Kenntnisse und Fähigkeiten bildeten das Rüstzeug des späteren Organisations- und Managementprofis Prawy.
Im Weiteren möchte ich auf die europäischen und transatlantischen Beziehungen eingehen. Prawy war die charakteristische und prägende Person der österreichischen Kulturpräsentation nach außen, aber auch der US-Kulturexpansion in Form des Kulturimportes.

Nach dem Tod seines Vaters, den er nach New York geholt hatte und einem Zerwürfnis mit den Kiepuras, das allerdings nicht von Dauer war, wollte Prawy einen anderen Dienst leisten und meldete sich zur US Army. Er ging mit der Army back overseas und erreichte im Dienste des US-Militärs den Rang eines Master Sergeants. Es wird jedoch aus den vorliegenden Unterlagen deutlich, dass Prawy die Funktion eines Kultur- und Informationsoffiziers in der Zeit der alliierten Besatzung ausübte. Er wurde zu Unterrichtszwecken in den USA, England, Paris, Bad Schwalbach und an der American University in Biarritz eingesetzt. Diese militärische Ausbildung und Erfahrung war ein weiteres Plus in seiner folgenden Karriere im Aufbau des von den USA gelenkten Kulturprogramms der Re-Education und der kulturellen europäischen Erneuerung im Sinne des demokratischen Westens.

Prawy hatte berufliche Beziehungen zu den US Information Branches in Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich und zu den zentralen US-Zensurstellen, zum State Department und zum US-Senat. So liegt etwa eine persönliche Dankadresse von Senator Fulbright an Prawy vor.

Prawy wurde amerikanischer Staatsbürger. Dies geht aus seinem Schreiben vom 23. Oktober 1956 an eine bundesdeutsche Behörde in Köln hervor. Er stellt sich darin als amerikanischer Staatsbürger vor, mit Reisepass 99315, ausgestellt vom State Departement Washington am 29. April 1953. Gleichzeitig hält er fest, dass er bis zum Frühjahr 1956 keinen Wohnsitz in Europa hatte. Das wirkt nur auf den ersten Blick irritierend, doch die ersten zehn Wiener Jahre nach 1945 war er Military Civilian, also Angehöriger des US-Militärs, schlicht Alliierter.
Die militärische Zugehörigkeit dürfte für Prawy von Vorteil gewesen sein. Die Stärke der diversen US-Dienste zeigt etwa das Ende McCarthys, der sich in die Angelegenheiten des US-Militärs einzumischen versucht hatte und schließlich von Eisenhower abgesetzt wurde, als McCarthy versuchte, die Army zum Gegenstand seiner Untersuchungen zu machen. Unter vielen anderen war Leonard Bernstein eine Zeit lang Ziel des rabiaten Politikers gewesen. Eisenhower ließ jedoch in bestimmten Fragen nicht mit sich spaßen.

Prawy unterhielt keine nachvollziehbaren konspirativen Kontakte, sondern vielmehr sachliche und operative Beziehungen zu den Information Branches, zu den Amerikahäusern in Österreich, Deutschland und Italien, an denen er zu musikalischen und kulturellen Themen Vorträge hielt.
Vorerst arbeitete er in Wien als Military Civilian der US Army unter dem Befehl Ernst Haeussermans, leitete die Produktion der Wochenschau Welt im Film, arbeitete in der US-Filmzensur und übersetzte US-Education-Filme für die Wien-Film aus dem Amerikanischen ins Deutsche.

Der Bereich des durchgeplanten wie durchgestylten westlichen Musiktheaters in ernster und unterhaltender Form, initiiert von Nicolas Nabokov, einem Cousin des Lolita-Autors, nahm eine Sonderrolle innerhalb des „Kongresses für kulturelle Freiheit“ ein, dessen wahre Funktion 1966 mittels eines Artikels in der New York Times zum Entsetzen seiner Mitglieder öffentlich gemacht worden ist. Das Kulturprogramm, an dem Prawy mitwirkte, hatte Langfristcharakter und zielte auf eine völlige Neuorganisation des internationalen Musikproduktionswesens unter amerikanischer Leitung ab, was letztendlich auch gelang.

Im Buch Wer die Zeche zahlt von Frances Stonor Saunders, einer fundiert recherchierten Arbeit über den Kongress für kulturelle Freiheit, findet sich ein Foto aus dem Jahre 1957, das den Komponisten und Impresario Nabokov im Foyer der Wiener Staatsoper gemeinsam mit dessen Ehefrau Marie-Claire und Michael Josselson zeigt. Nabokov war Verbindungsmann des Kongresses für kulturelle Freiheit und sowohl er wie Josselson waren Vertrauensmänner des innersten Kreises der CIA um den Agenten Tim Braden, der als globaler Controller agierte. Einen direkten Briefkontakt zwischen Prawy und Nabokov, dem „Generalmusikmeister“ der CIA, konnte ich bislang nicht finden. Tatsache ist jedoch, dass Prawy nicht an Nabokov und dessen Programm vorbei agieren konnte.

Im Gegensatz zu Frances Stonor Saunders, die in ihrem 1999 bei Granta Books in London erschienenen Buch (in deutscher Übersetzung unter dem Titel Wer die Zeche zahlt… Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg, Siedler, Berlin 2001), bin ich nicht der Meinung, dass es sich um ein Geflecht von Scheinfirmen handelte, sondern um vom Staat so klug wie effektiv entworfene und geleitete Musik- und Unterhaltungsagenturen, die mit den kommerziellen Labels, den Aufführungshäusern und den Rundfunkstationen kooperierten.
Interessant daran ist unter anderem, dass in diesen Strukturen neueste Medientechnologien im globalen Maßstab durchgesetzt wurden. Prawy, der etwas später die Dramaturgenstelle und die eines Produktionsleiters an der Volksoper Wien ausübte, zeigte sich technisch versiert und gut beraten und erwies sich als perfekter Player im Feld von Opernhäusern, Musikproduzenten sowie Rundfunk- und Fernsehstationen vor allem im deutschen Sprachraum. Den Rang eines großen Musiktheatermannes und Impresarios erwarb sich Prawy mit der Einführung des Musicals in Westeuropa, im Auftakt mit Cole Porters erfolgreichem Broadway-Hit Kiss Me, Kate, mit seinem ersten von ihm betreuten großen Star Olive Moorefield. Im Theater des Westens in Westberlin brachte Prawy Irving Berlins Annie Get Your Gun ins erfolgreiche Rennen. Ebenso von Prawy in Szene gesetzt und promotet wurden George Gershwins Porgy and Bess, Leonard Bernsteins West Side Stor und Jerome Kerns Show Boat.

Abschließend möchte ich noch eine kleine Facette erzählen, die mir aufgefallen ist. Prawy ließ sich von vielen jungen Talenten, nach denen er im gesamten europäischen Raum suchte, vorsingen. Er überraschte sie mit der Bitte, keine einstudierte Rolle vorzutragen, sondern irgendein Lied aus ihrer Kindheit oder Jugend zu singen. So schloss er auf deren natürliche Emotionalität, die ihm wichtig war. Diese Methode ist durchaus mit der von Lee Strasberg vergleichbar, der Ähnliches in der Schauspielerausbildung eingesetzt hat.
So etwas zeugt nicht nur von großer Professionalität und guter Menschenkenntnis, sondern auch von der Marcel Prawy eigenen humanen Haltung. Er ließ den Künstlerinnen und Künstlern ihre Eigenheiten, und das macht den Menschen Prawy wahrscheinlich allgemein aus. So erfüllte er auf seine Weise das Credo von Freiheit und Humanität.

Am 25.September 1950 schreibt Marcel Prawy an den Schweizer Dirigenten, Gruender des Basler Kammerorchesters und des Collegium Musicum in Zuerich, Paul Sacher, einem einflussreichen Maezen neuerer Musik:

Sehr verehrter Professor Sacher,

Ich war in den letzten drei Jahren hindurch Filmoffizier der amerikanischen Militärregierung für Oesterreich, und habe mich vor einigen Monaten selbststaendig gemacht um Kurzfilme fuer Television und Musikaufnahmen fuer Schallplatten in Zusammenarbeit mit amerikanischen Firmen durchzufuehren.

Ich bin Europa Direktor der grossen, neuen amerikanischen Firma "Remington Records", welche das grosse Projekt unternimmt, den gesamten Meisterwerken der klassischen und romantischen Musikliteratur in Volksausgaben in hoechster Qualitaet, neuen Kreisen des internationalen Publikums zu erschliessen.

In unserem ersten Jahr hatten wir einen ganz bedeutenden Erfolg mit unseren Aufnahmen: wir brachten George Enesco in einem eigenen Album, Bela Bartok als Interpret seiner eigenen Kompositionen, Giuseppe de Luca in einem Arienalbum, Walther Schneiderhan in Mendelssohn`s Violinkonzert und Beethoven Sonaten, Giovanni Martinelli und Karin Branzell in Arien und Liedern, Andor Foldes in einem Klavieralbum, Robert Stolz als Dirgent seiner eigenen Werke, Jan Kiepura in der "Lustigen Witwe" und Opernarien, sowie Oscar Straus als Dirigent symphonischer Wiener Musik.

Unser symphonisches Programm war bis jetzt zum Grossteil auf Amerika abgestimmt und wir haben soeben eine Serie von grossen Symphonien unter der Leitung amerikanischer Dirigenten, wie zum Beispiel des hervorragenden Dirigenten Mr. H. Arthur Brown (Chef der Symphonie in Tulsa, Oklahoma) fertiggestellt.

Ich moechte jedoch gerne auch einige starke Dirigentenpersoenlichkeiten Europas praesentieren und waere sehr gluecklich wenn sie zustimmen wuerde, fuer uns zu dirigieren.

Wir haben einen exklusiven Vertrag mit dem Salzburger Mozarteumsorchester und dem Wiener Tonkünstlerorchester. Wir haben auch einen exklusiven Vertrag mit der einzigen in Wien zur Verfuegung stehenden Grammaphontechnik von internationaler Qualitaet und dem besten Tonmeister. Wir freuen uns, dass deshalb unsere Aufnahmen kuenstlerisch und technisch so hervorragend geworden sind.

Werke die mich besonders interessieren, waeren Brahms die 4., Mendelssohn italienische Symphonie, Tschaikowsky 4., Schubert grosse C-Dur Symphonie.
Da ich mich besonders freuen wuerde, sie als Gast zu haben, wuerde ich auch gerne andere Vorschlaege von Ihnen entgegennehmen.

Ich glaube, dass ich Ihnen versprechen kann, dass Sie von unserer Zusammenarbeit in Wien und in Salzburg eine grosse kuenstlerische Befriedigung davon tragen werden und dass Sie auch fuer Ihre Kunst neue Kreise erschliessen werden.

Der Hinweis auf seine militaerische Taetigkeit findet sich in fast allen Briefen Prawys aus jener Zeit an Dirigenten, SaengerInnen, Orchester, Rundfunkstationen etc. Man koennte sagen, er zeigt deutlich, wer hinter ihm steht bzw. gestanden hat.

Die Zensurstelle der US-Militaerregierung, geleitet von Ernst Haeusserman, dem nachmaligen Burgtheaterdirektor, war fuer heimische Kuenstler von grosser Bedeutung.
Saemtliche Filme wurden da geprueft, Anlehnungen an das NS-Regime herausgeschnitten. Inhaltlich untragbare Filme wurden fuer Auffuehrungen nicht zugelassen.
Viele der Buehnen- und Tonkuenstler hatten nach dem Krieg bedingt durch ihre Kollaboration mit dem NS-Regime Auftrittsverbote. Zbsp. Karl Boehm, Marika Roekk und Herbert von Karajan mussten von jeder der vier Besatzungsmaechte eine Aufhebung ihres Berufsverbotes erlangen.
Herbert von Karajan, der diese Erlaubnis spaet bekommen hat, erfreute sich allergroesster Wertschaetzung seitens Prawy, wie eine Grussadresse aus dem Anfang der 50 er Jahre zeigt.

Prawys Rekurs auf seine militaerische Taetigkeit hat also gute wie wirksame Gruende. Einerseits war er einer der Maenner, zustaendig fuer die Persilscheine und andererseits einflussreich im Bereich im Netz der kulturellen Nachkriegsaktivitaeten unter amerikanischem Overhead. Dass dieser Rekurs auf den amerikanischen Hintergrund manchmal auf Widerstand getroffen ist, zeigt ein Brief des Theater Verlags Eirich, gez. von Franz (Garado). Er sah sich sich offensichtlich von einem Mitarbeiter Prawys unter Druck gesetzt

Zu Beginn der 50 er Jahre beginnt sich Prawy aus dem militaerischen Dienst zu loesen. Zu allererst bewirbt er sich bei den von der Metropolitan Opera Guild in New York herausgegebenen Opera News als Korrespondent und liefert offensichtlich regelmaessig Beitraege. Er kann sich auf exzellente Verbindungen und die Erfahrungen verlassen, die er in seinen ersten Jahren im amerikanischen Exil als Sekretaer von Jan Kiepura und in seinen Taetigkeiten in den Information Branches der US-Army im Wien der Nachkriegsjahre gesammelt hat.

Prawy gruendet eine Produktionsfirma und eine Kuenstleragentur mit Sitz in der Kolingasse im neunten Wiener Bezirk. Auf seinem Briefkopf steht Producer of Recorded Music and Short Films, Correspondent for Opera News, published by The Metropolitan Opera Guild New York und Formerly Information Service Branches der United States Forces in Austria.
Das Briefpapier weist eine Reihe von erfolgreichen Dirigenten, Komponisten und SaengerInnen sowohl der Metropolitan Opera wie der Wiener Staatsoper aus, ebenso prominente Pianisten und Geiger.
Prawy legt einen fulminanten Auftritt als Musikunternehmer und Impressario hin und sucht Kontakte zu US- Record Labels und US-Rundfunkstationen, auch zu Radio Free Europe. Er tritt mit anderen europaeischen Schallplatten Verlagen in Kontakt. Die einzige tatsaechlich effektive Geschaeftsverbindung scheint jedoch die zu Remington Records Music for Millions von Don Gabor in New York gewesen zu sein.

Eine Mitteilung seines mit Prawys Schwester in Denver lebenden Schwager John London wirkt desillusionierend. Prawys Produkte finden entweder gar nicht in den US-Schallplattenladen oder der Verkauf ist marginal.
Andererseits belegen die Rechnungen der Wiener Symphoniker Tonaufnahme Ges.m.b.H Symphonia und der Wiener Niederlassung von Telefunken eine rege Aufnahmetaetigkeit mit dem Niederoesterreichischen Tonkuenstlerorchester unter der geschaeftlichen Leitung von Erwin Czeppe.
Umfangreiche Einspielungen aus der klassischen Sinfonischen wie aus der Operetten Literatur im Mozartsaal der Konzerthausgesellschaft und im Brahmssaal des Wiener Musikvereins werden in den Jahren von 1950 bis 1952 getaetigt. Prawy konnte also unter ausgezeichneten Produktionsbedingungen arbeiten.

Ob Prawy all diese Aufnahmen an Rundfunkstationen verkaufen konnte, laesst sich aus dem vorliegenden Material nicht erkennen. Moeglich, dass er sich ein Fundus fuer weiteres zugelegt hat. Die gemeinsame Geschaeftstaetigkeit mit Remington Records beginnt 1950 und endet 1953. 1955 wollte man diese wieder aufnehmen, doch Prawy sich laengst den Weg in das grosse Staatstheater geebnet.
Eine tatsaechliche Einschaetzung des Geschaeftsvolumens dieser Zeit wird es ohnehin nie geben koennen, da Prawy in den Besatzungsjahren weder in Oesterreich noch in Deutschland Steuern bezahlen musste, und damit jegliche umfassende Geschaeftsbilanz hinfaellig und auch nicht vorhanden ist.
Auffaellig ist ebenso, dass Prawy seiner privaten Geschaeftstaetigkeit keine Dauer verliehen hat. 1955 trat er auf Entscheidung von Ernst Marboe, dem ministeriellen Verantwortlichen fuer die Bundestheater, den Posten eines Chefdramaturgen in der Wiener Volksoper unter der Direktion von Franz Salmhofer an.

Es ist auf einen wesentlichen Unterschied hinzuweisen. Information Service Branches, als deren ehemaliger Mitarbeiter sich Prawy im obig erwaehnten Briefkopf ausweist, unterscheiden sich wesentlich vom zivilen Zweig The Foreign Services oft the United States of America, denen meist in befreiten und besetzten, spaeter befreundeten Gebieten die Amerika Haeuser unterstehen.
Information Service Branches dienten gezielter Propaganda und der sorgfaeltigen Beobachtung gegnerischer Aktivitaeten, sie dienten der Entnazifizierung ebenso wie der Bekaempfung des Kommunismus.
Das ehemalige Nazis regelmaessig als zuverlaessige Antikommunisten in die Dienste der USA genommen worden sind, mag auch erklaeren, warum Marcel Prawy in spaeten Jahren keinerlei Beruehrungsaengste gegenueber der Neuen Rechten zeigte. Ein Interview mit der einschlaegigen Zeitschrift AULA macht dies in bestuerzender Weise erahnen.

Die amerikanischen Kulturaktivitaeten in den besetzten deutschsprachigen Gebieten Deutschland und Oesterreich standen grundsaetzlich unter der Leitung und Beobachtung der CIA, wie Francis Stonor Saunders in ihrem Buch Wer die Zeche zahlt Die CIA und die Kultur im Kalten Krieg eindrucksvoll darstellt wie plausibel belegt.
CIA Kontakte sind im Fall von Prawy nicht erkennbar, ebensowenig eine grosse Naehe zum Kongress fuer Freiheit, abgesehen von einem Brief, wahrscheinlich 1959 verfasst an Salvador de Maderiaga, der nach dem Tod Benedetto Croces dessen Stelle im Vorstand des Kongresses eingenommen hat.

1957 wird Prawy von der American Guild of Musical Artists anlaesslich des 20th Jahrestages der Gruendung zu einer Conference im Hotel Roosevelt in New York eingeladen. Die AGMA verband sich von Anbeginn an mit den Associated Actors and Artists of America AAAA, einer Teilorgansiation des AFL CIO, des amerikanischen Dachverbandes der Gewerkschaften. President dioser Gewerkschaft war damals George Meaney, ein Antikommunist in Hard Core Manier.
In allen wesentlichen Dokumentationen, die in den letzten Jahren von deutschen TV Sendern ausgestrahlt worden sind, wird die AFL CIO als die Organisation bezeichnet, ueber deren Konten die CIA politische und kulturelle Einrichtungen wie einzelne Personen in Westeuropa finanzierte, und im Gegenzug ein klares antikommuinistisches Bekenntnis wie effektive Handlungen einforderte. Auch der Kongress fuer Freiheit hat sein Geld via AFL CIO erhalten.

Prawys Kontakte duerften ueber die militaerische Schienen gelaufen sein, die sich dann langsam den zivilen Zweigen angenaehert haben, bzw durch diese ersetzt worden sind.
Prawy hatte offensichtlich auch ausgezeichnete Kontakte ins State Department und zum Senat, wie zu Senator Fulbright, wie ein Dankschreiben des Senators deutlich macht.
Tatsaechlich hat sich Marcel Horace Frydman Prawy beim Office of War 1942, beim State Department und Office of Censorship 1943 um eine Anstellung beworben.
Diese Ansinnen wurden fuer erste abschlaegig beantwortet.
Doch bereits sein Staatsbuergerschaftsnachweis vom 2.11.1943 weist ihn als Angehoerigen der US-Army aus. Seine Adresse ist diesmal nicht mehr privat, sondern The 2nd. Tng. Bn in Camp Ritchie im State Maryland, Washington Countie. Dieses Camp ist bekannt als Ausbildungslager fuer Spezialisten im militaerischen vedeckten Nachrichtenwesen.

Grundsaetzlich moechte ich mit einem Missverstaendnis aufrauemen. Die Analyse des kulturellen Netzes der Nachkriegszeit, dass vor allem in Deutschland und Oesterreich unter dem Einfluss der USA gestanden hat, faellt deswegen so schwer, weil diese Taetigkeit der kultuerellen Umerziehung (Reeducation) und Gestaltung unter der Aufsicht militaerischer Dienste und im weiteren der CIA gestanden hat.
Allgemein sieht man Geheimdienste in dunkle Machenschaften verquickt bzw. denkt man an das erotische Heldenleben etwa eines James Bond. Damit will man eigentlich nichts zu tun haben bzw. ist eine praktisch wenig vorstellbare Ebene, die eigentlich ins Unterhaltungskino passt.

Die kulturellen Taetigkeiten in der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit waren jedoch keineswegs geheimdienstlicher Natur, sondern dienten der weitgehend offenen Gestaltung des kulturellen Lebens und der Vorbereitung einer umfassenden Amerikanisierung, die letztendlich im Zuge des Kalten Kriegspolitik den westlich orientierten Teil Europa erfasste. Dazu zaehlte auch das neutrale Oesterreich.

Zweifellos kam es im Zuge der Kalten Kriegspolitik zu ideologischen Auseinandersetzungen der kapitalistisch freiheitlichen und kommunistisch sozialistischen Positionen, die zu heftigen Fehden und stillen Berufs-und Auftrittsverboten und wuesten Denunzierungen, wer denn nun als Kommunist einzustufen waere, geraten konnten, die vor allem den Konformismus foerderten.

Von solch Differenzen und Konflikten hat sich Marcel Prawy meist fern gehalten. Er war und blieb ein Opernenthusiast, zweifellos einer der groessten Kenner dieser Kunstgattung im 20.Jahrhundert an einem der besten Opernhaeuser der Welt, der Wiener Oper.
Prawy scheint im wesentlichen ein unpolitischer Mensch gewesen zu sein . Er machte sich stark fuer die traditionelle Oper und fuer den Siegeszug des amerikanischen Musicals in Europa.
Nur einmal, im vorgeschrittenen Alter verdammte er Hans Weigel oeffentlich anlaesslich einer Opernmatinee, weil dieser sich erlaubt hatte, Richard Wagner als einen Vorlauefer der Nazis zu bezeichnen. In diesem Fall wollen wir Weigel recht geben.

Prawy war ein guter Organisator und Manager, ein eloquenter Moderator und ein grosser Erzaehler der Geschichte der Oper im Weltmasstab. Aber er war auch ein Showman. So brachte er von einer Konzeitreise aus China ein Mao Kapperl mit, mit einem offiziellen chinesischen Stempel auf der Innenseite und einen Stempel mit dem Schriftzug Marcel Prawy. Das Kapperl wurde auf dem Kuenstlerflohmarkt in Baden angeboten und erworben.

Ich habe Informationen ausgewaehlt, die den Kontakt Prawys zu amerikanischen Einrichtungen zeigen. Abgesehen von Bewerbungen bei einschlaegigen Einrichtungen waehrend der Kriegszeit, die aber abschlaegig beschieden worden sind, gibt es keinen Hinweis auf geheimdienstliche Taetigkeiten, aber sehr viele konkrete Hinweise auf umfassende Taetigkeiten im US- Cultur Networking der Nachkriegs und Besatzungszeit, das von der CIA kontrolliert und gestaltet worden ist.

Die Inhalte sind weder militaerisch, noch politisch und schon gar nicht machtpolitisch von wirklichem Interesse. Sie betreffen das Musikgeschaeft und den Umgang mit neuen kulturellen Absichten und Perspektiven.
Gleichzeitig machen die vorliegenden Briefe das engmaschige und bestens organisierte kulturelle Geflecht der USA im deutschen und weiteren europaeischen Sprachraum deutlich.

Konkret geht es allgemein, nicht allein auf das vorliegende Konvolut bezogen, unter anderem um die Einbeziehung der Neuen elektrischen Medien, der Schallplatte, der Magnetaufzeichnung, des Rundfunks als Distributor und Prawy ahnt im weiteren bereits Macht und Einfluss des Fernsehens.

Viele der Strukturen in Zusammenarbeit von Staatstheater und oeffentlichem Rundfunk, von Opernbuehne und Schallplatenindustrie, wie sie Karajan mit den Philharmonikern aus Wien und aus Berlin gemeinsam mit der Deutschen Grammaphon zum maximalen geschaeftlichen Erfolg fuehrte, wurden von Prawy bereits in den 50 er Jahren gelegt. Er wusste um die Macht und die Moeglichkeiten der Neuen elektronischen Massenmedien, die ueber den an sich schmalen Buehnenradius weit hinausreichen. Prawy hat wesentlich mitgeholfen, aus einem elitaeren Medium eines zu machen, dass auch die Massen erreicht.

Und er hat dies durchaus im Einverstaendnis mit seinen amerikanischen Freunden und deren Unterstuetzung getan. Prawy ist ein wesentlicher Exponent der Amerikanisierung Europas, insbesondere des deutschsprachigen Raumes, gewesen. Es ging vielmehr um die Durchsetzung des US-Musicals in Europa als umgekehrt den Export der Operette in die USA. Und diese Aufgabe hat Marcel Prawy zur vollen Zufriedenheit seiner amerikanischen Partner erfuellt.

Die Einbindung von Intellektuellen, Kuenstlern, Schriftstellern, Journalisten und Kulturmachern in Regierungsprojekte und militaerische Aufgaben ist in der Roosevelt Administration nichts ungewoehnliches. Derartige Kooperationen wurden bereits in Farm Security Administration, ueber die den AmerikanerInnen der fuer die notleidenden agraischen Laendern der USA der New Deal nahe gebracht worden ist, erfolgreich eingesetzt.
Als weiteres Beispiel sei an Herbert Marcuse erinnert, der waehrend des Krieges in der Abteilung fuer psychologische Kriegsfuehrung des von Vannevar Bush (As we may think) geleiteten Office of Scientific Research and Development (OSRD) arbeitete. Das OSRD beschaeftigt waehrend World War II. ueber 6000 Mitarbeiter aus allen Wissenssparten. Das OSDR koordinierte allen noetigen militaerischen Forschungsprogramme und unterstand direkt dem Presidenten Franklin Delano Roosevelt.



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Mit freundlichem Dank an die Wissenschaftsfoerderung der Kulturabteilung MA 7 der Gemeinde Wien


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