Nestor - 9.5.2008 Frankfurter Tagung
Langzeitarchivierung von Netzliteratur


Ein Bildbericht und Kommentar von © Franz Krahberger

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Die deutsche Nationalbibliothek hat nach Frankfurt zu einem Workshop geladen zu einem ersten Erfahrungsaustausch zur Langzeitarchivierung von Netzliteratur. Anlass ist das 2006 erlassene Gesetz ueber die Deutsche Nationalbibliothek, das dazu verpflichtet, On-Line Publikationen rechtsverbindlich zu sammeln und sorgfaeltig zu bewahren. Dazu ein Zitat aus der Sueddeutschen Zeitung 15.9.2006:

Das digitale Erbe gehört zum kulturellen und geistigen Schaffen unserer Gesellschaft und darf nicht verloren gehen. Die Deutsche Nationalbibliothek soll alle deutschsprachigen Internetseiten archivieren - ein ehrgeiziges Projekt mit enormen Problemen.

Sisyphos bekam von den Göttern eine Strafe auferlegt: Jeden Tag musste er einen Felsbrocken einen steilen Hang hinaufrollen. Bevor er den Gipfel erreichte, rutschte ihm der Stein aus den Händen, und er musste von vorne beginnen. Seine Aufgabe sollte trotz aller Mühen niemals erledigt sein. Das Gesetz zur Deutschen Nationalbibliothek vom 22. Juni 2006 hört sich an, als wäre es direkt der griechischen Mythologie entsprungen.

Brigitte Wiechmann, DNB hielt ein Referat zu diesem Gesetz. Es zeigte sich, dass es flexibel genug angelegt worden ist, einerseits die Sammeltaetigkeit nach kulturellen Usancen zu fokusieren und andererseits virtuelle Raeume offen zu halten. Nicht alles muss gesammelt werden, wie die Sueddeutsche Printmedien Kassandra gestreut hat. Firmenprospekte und Websites ueber den ersten Schultag der Juengsten duerfen aussen vor bleiben. Brigitte Wiechmann: Sammlung von Netzpublikationen an der Deutschen Nationalbibliothek .

Fuer das mit sechs Mitarbeitern vertretene Deutsche Literaturarchiv Marbach (Teilnehmer siehe oben) referierte Reinhard Laube ueber den Marbacher Standpunkt .
Das Literaturarchiv plant die Erschliessung und die Langzeitarchivierung von Internetressourcen und sammelt derzeit Erfahrungen im Testbetrieb. Gegenwärtig werden literarische Zeitschriften im Netz und literarische Weblogs in das Projekt einbezogen, das gemeinsam mit dem BSZ Online Archiv durchgeführt wird. Verzeichnet werden Netzliteratur und Autoren-Homepages. Das DLA plant ein eigenes Sammlungsprofil nach inhaltlichen und qualitativen Kriterien
Folgende Punkte sind aus der Sicht Laubes zu diskutieren: Versionierung, Authentizität, technische Probleme, Rechtsfragen und das Erwerbungsprofil für Literatur im Netz.
Laube ist im Herbst vorigen Jahres auf mich zugekommen und ich habe mit dem DLA eine dauerhafte Sammelvereinbarung getroffen. Das war gut und richtig und hat Perspektive wie Zukunft.

Der Vertreter des Boersenvereins des deutschen Buchhandels war zugegen. Die haben gleich einen Anwalt geschickt, der hat aber kein Statement abgegeben. Sass gelangweilt da und hat nicht mitgeschrieben. Er ist vorzeitig gegangen, ohne sich zu verabschieden. Offensichtlich verkraftet der Printsektor und das damit verbundene Distributionsnetz des Buch- und Zeitschrifthandels noch immer nicht, dass mit dem Internet ein ernst zu nehmender Konkurrent in oeffentlicher Information und ein ernst zu nehmendes Kulturmedium erwachsen ist.

Annette Wagner von der VG Wort, die Verwertungsgesellschaft fuer Schreibende aller Art, vergleichbar mit der hiesigen Literar Mechana, hatte erfreuliches zu melden. Ab sofort koennen Internetpublizisten um ihren Tantiemenanteil vorstellig werden, die aus dem Pool von Pflichtabgaben auf PCs, CDs, Printer und Modems fliessen sollen.
Verrechnet wird nach einem Registriersystem der Anzahl von On-Line Zugriffen, in dem allerdings keine weitere Zugriffs - Daten gespeichert und weitergegeben werden. Damit waere endlich die Xanadu Vision von Ted Nelson Wirklichkeit geworden.

Weniger erfreulich ist, dass die Literar Mechana, die fuer das Ueberleben der oesterreichischen SchriftstellerInnen immens wichtig ist, trotz Einladung der VG Wort sich an der Sache nicht beteiligt hat. Das ueberrascht, da doch die Zusammenarbeit bei Rundfunk und TV-Tantiemen zwischen Literar Mechana und VG Wort bestens funktioniert. Neuerliche Verhandlungen fuer den Internet Sektor waeren da zu empfehlen, um auch ich in Oesterreich alsbald zu einer brauchbaren und fuer alle nuetzlichen wie gesetzlich abgesicherten Dauer- Loesung zu kommen.
Andererseits kann ich als oesterreichischer Autor, so ich in Deutschland aufgerufen werde, meine Forderungen bei der VG Wort zur Geltung bringen. Immerhin wird das E- Journal auch jenseits des Rhein und des Inn gelesen. Eine Gemeinschaftsloesung fuer den deutschen Sprachraum waere unter Beruecksichtigung kuenftiger europaeischer Perspektiven jedoch allemal besser.

Ebenso anwesend war Volker Michel, ViFaVirtuelle Fachbibliothek Germanistik im Netz und im weiteren Creative Commons, vertreten durch Prof. Herberger, der klar stellte, das es kein Zitatenverbot gibt, wie es sich die Elfriede Jelinek auf ihrer Website so vorstellt. Ihr privater Maulkorberlass ist, was das kleine Zitat anlangt, solange authentisch mit Quellenangabe zitiert wird, null und nichtig. Siehe dazu auch den Newsflush des Electronic Journal Literatur Primaer.

Die Oesterreicher waren vertreten durch Dr. Renate Giacomuzzi und ihrem Mitarbeiter Matthias Maschler vom DILIMAG, ein seit Maerz 2007 bestehendes, auf drei Jahre anberaumtes Forschungsprojekt des Innsbrucker Zeitungsarchivs IZA zur Erfassung, Beschreibung und Archivierung von deutschsprachigen digitalen Literaturmagazinen. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit DEA (Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung der UB Innsbruck) ausgeführt. Die Finanzierung trägt der österreichische Forschungsfond FWF.
Auslandsmeetings haben fuer Oesterreicher einen Vorteil. Da kann man bei einem oder mehr Bierchen jene Probleme ansprechen und moderat loesen, denen man zuhause aus dem Wege geht. Das ist mir auch mit den Innsbruckern im Schirn Cafe am Roemer gelungen. Es hat ohnehin nicht Innsbruck selbst betroffen…

Zwei Literaten, Gasser aus Deutschland und Suter aus der Schweiz referierten. Oliver Gassner hat seinen Vortrag in seinem BLOG folgenden Kommentar hinterlassen.

Freitag, 9. Mai 2008

NESTOR - Langzeitarchivierung von Netzliteratur
Ich bin gerade bei www.langzeitarchivierung.de/ zu Gast (nicht verwechseln mit Vorratsdatenspeicherung :) in der Nationalbibliothek Frankfurt/Main und habe gerade ein Kurzreferat gehalten zu den Formen, in denen Literatur im Netz vorkommt.

Gerade referiert Beat Suter zu Schreibkonzepten im Netz. Heavy stuff

Ich blogg mal nicht weiter live, ich glaub die Leute sind das hier nicht gewöhnt ,)
((Mein Treo macht übrigens kein GPRS mehr, hat jemand ne Ahnung woran das liegt?)

Geschrieben von Oliver Gassner um 12:05

Die hilfreiche Mindmap Gassners aus seinem Vortrag ueber literarische Resourcen digital wie im Netz finden sie mit dessen Erlaubnis auch hier. Diverse Quellen

Oliver Gassner hat mich bereits 1997 in seiner Internet Resource Oliver Gassners Linklist
Herausgeber der Literaturzeitschrift "Der Wandler" gefuehrt.

Electronic Journal Literatur Primaer

Fünf Sterne Link des Monats Jänner 1997
Erste Sahne, trotz der Frames.
5 ***** = Unentbehrlich

Jetzt habe ich ihn persoenlich kennengelernt, 11 Jahre nach dem Erstkontakt im Netz.
Siehe auch seine Website literaturwelt.de, eine Adresse, die seit damals besteht und nicht out-dated ist.

Beat Suter , Autor, Editor, Bloger, hauptberuflich Dozent fuer Game Theory (Games History, Spiele- Theory und nicht nach John von Neumanns Spieltheorie) an der Hochschule fuer Gestaltung und Kunst in Zuerich, hielt einen interessanten Vortrag ueber die Struktur - Veraenderungen des Autors, der im Dia- bzw. Multilog seine Texte und die Beitraege anderer im Netz generiert und dann u,a, im CD Format vertreibt. Sein Frankfurter Referat: Schreiben im digitalen Zeitalter

Im weiteren Zurufe ueber die oekonomischen Noete aus dem Netz Dschungel des ebenso eingeladenen Autors Alban Nikolai Herbst, der aber zur Tagung nicht erschienen ist.

Erst am Nachmittag in Frankfurt angekommen ist Ellen Euler vom Institut fuer Informationsrecht der Universitaet Karlsruhe, nachdem sie zwischen Karlsruhe und Frankfurt mehrmals in Megastaus auf der Autobahn gekommen war. Je nach Handyanruf der verzweifelten Dame berichtete Moderator Reinhard Altenhoehner, Leiter der IT- Abteilung der DNB ueber die Lage auf Deutschlands Strassen. Das erinnerte mich an die legendaere ORF Sendung Autofahrer unterwegs. Frau Euler hielt knapp vor Ende der Veranstaltung ihren Vortrag ueber Sammlung, Erhaltung, Vermittlung aus der Sicht des Urheberrechts und des geistigen Eigentums und vertrat damit die offizielle Rechtsmeinung .

Allerdings bin ich mit meiner geaeusserten Meinung , das Avantgarde eigentlich immer im rechts- und regelfreien Raum entsteht, keineswegs auf Widerspruch gestossen. Die Runde zeigte Verstaendnis. Ich verstehe hingegen, dass man ab einem gewissen Abschnitt der Entwicklung den Wildwuchs reglementieren muss. Das war schon mit Pat Garrett, der seinen fruehen Kumpel Billy the Kid jagen musste, weil der den Bogen ueberspannt hatte, so.
Allerdings muss man feststellen, dass ganz im Sinne der Californian Ideology des Silicon Valley der prospektive Atem der ungezuegelten Freiheit heutzutage eine wichtige wie erfolgreiche Marketing Taktik ist, um ein Neues Medium generell durchzusetzen. Das ging querfeldein. Old Military Arpa Net, die ich zu meinen ersten Lesern zaehlen durfte, Open Source Concept von Robert D.Steele, Freak- , Science- Arts- and Human Communitarians Scene. Erst dann die Business Szene, die gleich den Mega Flop der New Economy produzierte, der dem Aktienmarkt und den Banken heute noch am Hals haengt. Selbst der Gedanke, dass google.worldwide eine Gruendung der CIA ist, ist nicht abwegig. Siehe auch das Concept von R.D.Steele, erstmals beschrieben in Alvin und Heidi Tofflers Ueberleben im 21. Jahrhundert, erschienen bei Little, Brown and Company, Boston - New York 1993.
Und weil das so und nicht anders ist, ist es gut, die Buerger-, Zivil- und Medien- und Individualrechte, aber auch das Strafrecht auf das Netz auszudehnen, so dass auch hier die allgemeinen Menschenrechte gelten. Gut ist ebenso, dass der PC + dessen Vernetzung mit der heurigen Entscheidung des Karlsruher Verfassungsgerichtshofes der BRD Aufnahme ins Grundgesetz und damit in den Grundrechtekatalog gefunden hat. Das Copyright und die individuelle Authentizitaet kann so nicht mehr ausgehebelt werden, wie sich das etwa die Copy Left Utopisten immer taxfrei vorgestellt haben. So koennen auch den willkuerlichen Ueberwachungsbegehren einer polizeistaatlich orientierten Obrigkeit in die noetigen Schranken verwiesen werden. Fair Play is good Play.

Gemuetlich zuruecklehnen, ohne ein Wort zur Tagung sagen, konnte sich Stefan Wolf vom BSZ-Online Archiv. Das BSZ-Online Projekt ist des Teil des General Konzeptes des Landes Baden Wuerttemberg, das seit einem Jahrzehnt der Ergeiz antreibt, die bestvernetzte Region der Europaeischen Union zu werden.

Das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg (BSZ) ist eine Einrichtung des Landes Baden-Württemberg in der Rechtsform einer unselbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Konstanz.

Dem BSZ obliegen Dienstleistungen für die Bibliotheken sowie für Archive und Museen.

Die Dienstleistungen des Zentrums bestehen vor allem in Beratung, Betreuung und Unterstützung von Bibliotheken, Museen und Archiven bei Einsatz und Betrieb von EDV-Systemen, insbesondere zur Automatisierung der Geschäftsgänge für Medien und Objekte.

Steuerung und dem Betrieb eines automatisierten, kooperativen Katalogisierungsverbundsystems sowie dem Gesamtnachweis der Medienbestände und Elektronischen Ressourcen der am Südwestdeutschen Bibliotheksverbund Baden-Württemberg, Saarland, Sachsen (SWB) teilnehmenden Bibliotheken.

Ich habe mir den zweiten Statusbericht der Landesmedieninitiative Baden Wuerttemberg media@ aus dem Jahr 1998 aus meinem Archiv herausgesucht. Die haben leicht lachen, die haben damals bereits Subventionen erhalten, die die Milliardenmark Grenze bei weitem ueberschritten haben. Offensichtlich laesst sichs unterm Stern leichter Geld ausgeben. Ich habe das Wuerttemberger Modell damals in Oesterreich ins Gespraech gebracht.
Als die in den befassten Ministerien und Institutionen von der zugehoerigen zentralen Lenkungsgruppe gehoert haben, gingen die Rollaeden runter. Nicht weil die Big Brother abgelehnt haetten, der daraus jedoch nicht zwangslaeufig erwachsen muss, sondern sie fuerchteten schlicht ein schreckliches Kompetenzgerangel um die Position des Platzhirschen im Spiel. Ein beliebtes oesterreichisches Spiel, das aktuell von der Regierung neu aufgefuehrt wird, deren Parteiungen sich wechselseitig blockieren. Aber ehrlich gesagt, mir ist ein kompetente wie effiziente Lenkungsgruppe lieber, als es macht der Herr Westentaschl von den Orangen Farmern im Alleingang und dem Herrn Platter wie sie seinem Vorgaenger trau ich auch nicht mehr voellig.

Wie mir Stefan Wolf in der Zwischenzeit ergaenzend mitgeteilt hat, ist er am Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg zuständig für alle Belange der Langzeitarchivierung elektronischer Publikationen und Objekte. Insofern ist er auch verantwortlich für die Installationen der Software BSZ Online-Archiv, so z.Bsp.. fuer die bislang noch im Teststadium befindliche Installation für das DLA Marbach .

In einem hat er mich korrigiert. Mit der Landesmedienanstalt ist das BSZ On-Line Archiv nicht institutionell verbunden - die sind eigenständig. Das BSZ Archiv ist direkt dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Baden-Württemberg unterstellt und hat aus dem grossen Kuchen viel zu wenig abbekommen. Seit 2003 wurde jährlich eine Technikerstelle (zeitweise sogar weniger) für die Projekte im Bereich Langzeitarchivierung finanziert. Das ist leider in etwa vergleichbar mit der aktuellen Situation der OENB in Wien

Die Organisation der Tagung lag in Haenden von Frau Sabine Schrimpf von NESTOR / DNB. Sie hielt sich weitgehend zurueck, kleine Problemchen konnten mit ihrer Hilfe rasch wie effizient und dankenswert geloest werden.

Ich fuer meinen Teile halte diese Tagung in Frankfurt fuer einen wichtigen Schritt. Ob sie ein Meilenstein ist, wird erst die Zukunft und die Einloesung aller Wuensche erweisen. Ich selbst war zum Missvergnuegen meiner meisten Neumedialen KollegInnen immer ein Verfechter des Copy Right und nie ein Kaempfer fuer Copy Left. Nicht zuerst wegen der oekonomischen Sicherung der Rechte, sondern weil ich der festen Meinung bin, dass das Copy Right zu den Menschenrechten zaehlt und die Authentizitaet des Textes wie die Identitaet von AutorIn garantiert. Copy Left Anhanger haben verschwimmende Vorstellungen von kollektiver Schoepfung und des Kollektivs als vorrangige Sozietaet. Das kann und konnte ich so nicht teilen.

Das Gerangle um Kuchen und Kohle ist noch nicht ausgestanden, steht am Anfang und es bleibt zu hoffen das es fair fuer Editoren; AutorInnen und Sammler ausgehen wird.

Ein Anfang wurde in Frankfurt gesetzt. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende, die geht weiter.

Und noch zwei wichtige Dokumente im freien Leseangebot:

Das Gesetz ueber die deutsche Nationalbibliothek

Das Urheberrecht in der Fassung der BRD




















Electronic Media - Electronic Journal - Review - Die Entwicklung einer Kontur

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