the.net part II


Kontrolle im Feld einer global medialen Kultur


© Franz Krahberger

Die realen Produktionsbedingungen wie die allgemeine Situation des On-Line Publishing zeigen, wie sich eine gross angelegte Utopie, die von sich aus eine radikale Veränderung der wirtschaftlichen wie auch kulturellen Strukturen in Anspruch genommen hat, die eine neue, bisher ungeahnte Dimension umfassender Freiheiten verprochen hatte, sich allmählich in ein kaum mehr entwirrbares Netz neuer Abhängigkeiten vewandelt. Abhängig von permanent sich neu konstiuierenden Technologien und Phantasien, die alle von sich behaupten, jeweils die bisherigen Probleme zu lösen. Die Vision allumfassender Kommunikation lässt sich nicht aus den bislang bekannten Phänomenen grosstechnologischer Entwicklungen lösen. Technik vereinnahmt, sie befreit nicht und sie schafft auch kein mehr an Flexibilität. Anstelle des grossen Horizonts tritt die Metapher des Staus. Wenn nun globale Technologie alles miteinander vernetzt, einen gemeinsamen kulturellen Raum schafft, potenziert sie auch alle bestehenden Probleme. Die Auswirkungen des Zusammenbruchs der New Oeconomy, die in der Entwicklung und der Nutzung der Neuen Medien sich gründete, hat zwar vorläufig am Bestand des entfalteten technischen Apparates noch keine sichtbare Spuren hinterlassen, wirkt sich aber umsomehr in den Existenzgrundlagen der globalen Industriegesell- schaft aus, die in radikaler Form die bisherigen sozialen Bedingungen in Frage stellt. Tatsächlich spiegelt sich in der Krise der Neuen Technologien die allgemeine Krise und so wird aus der Perspektive einer gemeinsamen globalen Kultur, in der alles gleichberechtigt nebeneinander existiert, möglicherweise ein unabsehbares Szenario von Fehlschlägen.

Probleme der Finanzierung stellen sich in kleineren bis in kleinste Bereiche unübersehbar. Ein Vermarktungsmodell im Netz einzurichten erscheint aussichtslos. Allein die Einrichtung einer Verrechnungssoftware setzt etwa den Betrieb eines eigenen Servers bzw. entsprechende Dienstleistungen des Serverbetreibers voraus. Hinzu kämen die hohen Kosten der nötigen Software, die damit verbundenen Sicherheits- einrichtungen, die dem Kunden garantieren, dass seine Daten etwa von Creditcards nicht missbräuchlich von dritten eingesehen werden.

Wie absurd bezahltes Webpublishing sich gestaltet, lässt sich auf der Homepage des Spiegels einsehen. Ein Paket Titelgeschichten werden um 85 Cents angeboten. Hinzu kommen 6 einzelne Artikel zu je 40 Cents. Zählt man das zusammen, kommt man auf Euro 3,45. Am Kiosk in Deutschland wird für die Printausgabe des Spiegel, in der alle Artikel versammelt sind, 2,80 Euro verlangt. Es mag sein, dass sich ein bekanntes Journal eine derartige Verkaufsstrategie leisten kann. Im Falle eines kleinen Kulturjournals erscheint jedoch die Kostenpflichtigkeit von vornherein undenkbar wie unsinnig. Der Internet User ist es gewohnt, seine Informationen im Netz kostenlos zu erhalten und wird seine Verhaltensweise auch künftighin kaum ändern.
So gesehen bewegt man sich ökonomisch im Internetpublishing auf Dauer gesehen auf einem dürren Zweig. Dies liess sich in Zeiten des Internet Hypes und des überraschenden wie berauschenden Höhenfluges der New Öconomy nur schwer argumentieren. Heute zeigen sich die Verhältnisse angesichts der geplatzten Visionen und gescheiterten Aktiengesellschaften, die mit rein virtuellem Kapital handelten, in einem ebenso realitischen wie bitteren Licht. So zieht der Soziologe Sean O’Riain, Professor der University of California eine Bilanz der Arbeitsbedingungen der IT Branche und kommt zu dem bestürzenden Ergebnis, dass sie mit jenen der Fabrikarbeiter des 19.Jahrhunderts verglichen werden können

Der typische IT-Angestellte ist laut O'Riain eine isolierte, stets von Arbeitslosigkeit bedrohte und mit überdurchschnittlichen Arbeitszeiten konfrontierte Ware. Die hochgelobten und idealisierten Vorzüge eines IT-Berufs, wie etwa ein spannender und abwechslungsreicher Job mit Flexibilität, einem hohen Maß an Eigeninitiative und guter Bezahlung sind fernab von jeder Realität. Auch die familiäre Atmosphäre in IT-Firmen sei schon seit langem mehr Wunsch denn Tatsache. Programmierer und andere IT-Arbeitskräfte wurden zur Ware degradiert und müssen sich selbst zu Höchstleistungen treiben, sowie eigenständig für die Fortbildung sorgen, um so für ein Unternehmen interessant zu bleiben.

Diese triste ökonomische Situation entspricht in gewisser Weise der uns allgemein bekannten Situation vieler literarischen AutorInnen. Nicht nur, dass sich Herausgeber das Herausgeben auf Dauer eigentlich nicht leisten können, sind sie in den schmalen Segmenten des Web Publishing auch nicht in der Lage Honorare zu bezahlen. Das, was als die Kulturleistung des 21.Jahrhunderts erscheinen will, schafft extrem asyemtrische Bedingungen und ein Netz kaum entrinnbarer Abhängigkeiten.

Allgemein hat sich in den letzen Jahren im Netz eine Athmosphäre diffuser Überwachung breitgemacht, die der Kreativität nicht gerade förderlich ist. Waren bis von Anbeginn an der Rechtsextremismus und die Hersteller und Verteiler von Kinderpornographie noch Anlass, die Freiheit im weltumspannenden Internet zu kontrollieren, sind es heute Al Kaida und deren verbündete Organisationen, die als Begründungen für eine weiterere Anspannung der Überwachungsschraube im Netz und in der zivilen Gesellschaft gelten.

Die Überwachungsbegehrlichkeiten der staatlichen Sicherheitssysteme im Rahmen des transatlantischen Bündnisses haben sich jedoch von vornherein ausgebreitet. Kinderpornografie und illegale Terrorganisationen dienten da bloss als nachgereichte Argumente, um die Aktivitäten von NSA, ECHOLON und ENFOPOL, die weltweit ihr Abhör- und Mitlesenetz ausgeworfen haben, auch wirklich zu rechtfertigen. Diese Kontrollinstanzen wurden bereits in der Gründungsphase des Webs eingeführt, frei nach dem Motto: Wer den Krieg vermeiden will, muss im Frieden rüsten.. Doch in Wahrheit befinden wir uns bereits in einem unheimlichen Krieg, gegen den wir eben nicht oder kaum gerüstet sind, der mit Mitteln geführt wird, an die nicht gedacht worden ist.

Andererseits stehen diese elektronischen Überwachungsstrategien, an denen auch die Europäische Union nicht unwesentlich sich beteiligt, im merkwürdigen Gegensatz zu den Vereinbarungen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit Helsinki 1975, deren völkerrechtliche Bindung nach wie vor Gültigkeit hat und in denen der freie Fluss der Information zwischen Ländern und Personen garantiert wird. Dieses Dokument orientiert sich wesentlich, auch akzeptiert von der damaligen UdSSR - Führung und den Comecom Ländern, am 1.Amendment der amerikanischen Verfassung, die grundsätzlich die Respektierung von Toleranz und Meinungsfreiheit einfordert.

Welches Vertrauen Politiker heute in die Freiheit setzen, zeigen die Forderungen der Politik nach einer weltweit einheitliche Einführung von biometrischen Personenerkennungsverfahren Urspruenglich wurde solche Forderungen von rechtspopulistischen Politikern erhobt. Jetzt begruenden diese Massnahmen alle mit der Existenz des internationalen Terrors.

Die Medienwirtschaft und die EDV Industrie, insbesondere der Zweig der Software-Hersteller, die Marketingstrategen von Wirtschaftsunternehmen haben frühzeitig die vielfältigen technischen Kontroll-Möglichkeiten der Netztechnologie erkannt und versuchten extensiv, diese für ihre Zwecke nutzbar zu machen.

Besonders deutlich wurde das an dem von Micro Soft angestrebten geschlossenem System und in allen Bereichen kontrollierbaren On-Line Projekten. Andererseits ist die gegenläufige Open Source Strategie auf der Überholspur. Die allgemeine Anwendung von Open Sources ist bereits so weit gediehen, dass der grösste Hardwarehersteller der Welt, IBM, für die Zukunft nicht mehr allein Windows, sondern eben Linux präferiert. Doch formieren sich bereits in Industrie und Medienwirtschaft, in den Handelsunternehmen Taskforces, die die Open Source Area in den kontrollierenden Griff zu bekommen versucht. Tatsächlich bietet auch des Open Source Konzept keine wirkliche Alternative.

Die Umstellung des Sicherheitsapparates auf digitale Überwachung und die Aufgabe der klassischen Methode des Undercovering haben jedoch den westlichen Diensten bislang keinen besonderen Vorteil verschafft. So schreibt Robert Baer in seinem Buch Der Niedergang der CIA, dass mit der alleinigen Forcierung digital erfassbarer Daten zbsp. aus dem Überwachungskanal ECHOLON keine wirklich tauglichen Informationen mehr gewonnen werden konnten, die früher von eingeschleusten Agenten, zwar unter höherem Risiko, aber doch mit höherer Gewissheit beschafft wurden. So erweist sich die Hochtechnologie als Achillesferse gegenüber den vergleichsweise einfachen, wen auch höchst ausgeklügelten Methoden der Terroristen.

Die Überwachung breitet sich im zivilen Bereich trotzdem weiter aus. Firmen überprüfen den e-mail Verkehr ihrer Mitarbeiter, lassen mit besonders geeigneten Programmen private mails herausfiltern. Mit vergleichbarer Software können besorgte Eltern das Surfverhalten ihrer Kinder in Erfahrung bringen und mit entsprechender Software den Zugang zu bestimmten Websites sperren.
Diese Filterverfahren sind bereits serverseitig angelegt und ein klarer Akt der Bevormundung. Auch Provider üben bereits Vorzensur. Als konkretes Beispiel kann ich folgendes anführen. Ein kleinerer privater Provider hat auf Grund von Beschwerden seitens seiner User wegen lästigen Spam Mail Zuflusses serverseitig einen mehr oder minder frei progammierbaren Filter angelegt, der dankenswerter auch mit Viren verseuchte mails von vornherein ausfiltert. Der übereifrige Systemoperator hat in der vorher nicht angekündigten Testphase das Filterprogramm mit besonderen Stichwortkontrollen ausgestattet.
Politisch inkorrekte Worte und Begriffe die auf sexuellen Missbrauch hindeuten, werden in den Filter eingegeben.

Ein Autor, der sich kritisch mit dem Thema Macht und und sexueller Gewalt auseinandersetzt, sandte einem Kollegen ein Dokument, das eben solche Begriffe enthielt. Wie soll man über etwas kritisch schreiben, wenn man es nicht benennen kann. Prompt wurde die mail von der Filterautomatik abgefangen. Die mail wurde vom Programm ausgefiltert und dem Adressaten nur mehr eine Mitteilung zugesandt, dass diese mail blockiert wurde.

Allein durch den persönlich möglichen Kontaktes zwischen User und Operator, weil es eben bloss ein kleiner Provider ist, liess sich das Problem leicht beheben. Bei Grossprovidern liesse sich gegen einen derartigen automatisierten Vorgang nichts mehr ausrichten.

Der Operator geht nun vorsichtiger im Umgang mit Sperrbegriffen um. Vor allem weil er nun gelernt hat, dass Filter unfähig sind, Kontext sinngemäss zu erkennen. Wie wird etwa der Satz (symbolisch) Ich hasse den Teufel vom Satz Ich verehre den Teufel unterschieden, wenn das Filterprogramm die mail allein schon wegen des Wortes Teufel nicht mehr weiterleitet.

Wie wird das ausfallen, wenn Grossprovider zu ähnlichen Methoden greifen. Ist derartige Bevormundung einer emanzipierten wie freien Gesellschaft überhaupt zumutbar. Kann und darf ein privater Provider überhaupt entscheiden, was nun von seinen Usern und an seine User weitergeleitet wird. Wo bleiben dann die unveräusserlichen Rechte etwa das Briefgeheimnisses.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob Zensur im On-Line Dienstleistungsbereich überhaupt von Privaten durchgeführt werden darf und soll. Es sollten hier doch allgemeine staatliche Regelungen beibehalten werden, an die sich dann alle zu halten haben. Alles andere würde der Willkür Tür und Tor öffnen.

Dazu müssten jedoch die Argumente für und wider Zensur in einem öffentlichen Diskurs auch mit ihren Hintergründen erarbeitet werden.
Das sind wir einem offenen Konzept der Gesellschaft wie mündigen Bürgern und Bürgerinnen schuldig. In diesem Kontext darf tatsächlich nichts der Willkür überlassen werden. Auch der potentielle Missbrauch der Kontrolle und der Zensur durch die etablierte Staatsmacht müssen mit bedacht werden.

Hier sieht allerdings die die Medientheoretikerin Esther Dyson eine allgemeinere Entwicklung:
Menschen werden lernen, dass in Zukunft ohnedies alles öffentlicher als heute ist. Menschen machen heute viele Dummheiten, nur schaut keiner hin. Künftig wird man praktisch ständig fotografiert werden, jemand wird die SMS aufheben, die Sie verschicken, und wir werden uns einfach daran gewöhnen, dass Leute sehr oft sehr unsinniges machen, was nicht so blamabel sein wird.

Dyson setzt diese Zukunft im weiteren mit dem Leben von Rockstars, deren Leben im Fokus der Öffentlichkeit verläuft, gleich.
Die elektronifizierte Massengesellschaft hält also für alle den öffentlichen Blick bereit. Was für den einen die Kameras der TV-Stationen, der Bildberichterstatter sind, wird andererseits bereits im täglichen Leben praktiziert. Die Kameras in den U-Bahnstationen, die Kameras an den Geldausgabestellen, an den Arbeitsplätzen schaffen so einen Raum allgemeiner Beobachtung und das eingangs erwähnte Gefühl allgemeiner Überwachung.
Wo immer man sich bewegt, wird man im Blickfeld einer übergeordneten Instanz sein. Telefongespräche können jederzeit abgehört werden, Kommunikationsbewegungen im Internet, von angeklickten Websites bis hin zu den versandten mails an diverse Personen werden protokolliert.
Kürzlich hatte ich Probleme mit meiner On-Line Verbindung. Ich wollte heraus- finden, ob dies nun an meinem Modem, an der Leitung oder an meinem Provider lag.

Umgehend erhielt ich die Antwort, dass fast bei allen Log-Ons eine bestimmte Fehlermeldung serverseitig vermerkt worden ist. Es ist also tatsächlich so, dass jede Kommunikationsbewegung im Netz protokolliert wird, die über einen längeren Zeitraum rekonstruiert werden kann.

Der grosse Vorwurf, der an totalitäre Systeme gerichtet wurde, war der der permanenten Überwachung aller individuellen Handlungen. Ein ähnlicher Zustand scheint sich nun im elektronischen Raum der modernen Gesellschaften herzustellen. Es geht eigentlich nicht darum, dass man etwas zu verbergen hat oder etwa gesetzeswidrige Handlungen begeht. Es geht um jenes allgemeine Gefühl des sich beständig unter Beobachtung oder unter Aufsicht sich zu befinden. Die Maschinen zielen ja nicht darauf, den Allgemeinzustand in Frage zu stellen oder zu behindern, sie sind da, Ausnahmefälle wahrnehmen zu können. In Verdacht geratene zu beobachten und ihre Bewegungen zu verfolgen. Um dies im Anlassfall auch vollziehen zu können, beginnt der Staat alle möglichen Datenresourcen anzulegen, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann.
Nicht mehr die Inhalte von Information werden kontrolliert, wie dies traditionell durch staatliche Zensur geschehen ist, sondern eben der Umgang mit Information wird kontrolliert.

Es wurden nicht etwa radikale Sites, die der Al Kaida nahestanden bzw. verdächtig waren, ähnliche Strategien zu unterstützen, zeitgerecht aus dem Netz entfernt, sondern eben nach dem Anlassfall sämtliche Zugriffe auf derartige Sites überprüft.
Aber wer bestimmt darüber, was nun typisches und atypisches Verhalten ist. Wird unser Schicksal davon abhängen, ob die Maschinen unsere Verhaltensmuster akzeptieren und unbeobachtet lassen, oder eben als atypisch gefährlich einstufen und Sanktionen auslösen.
Der neue Totalitarismus zwingt uns zwar nicht direkt zu einem bestimmten Verhalten, er ist aber geeignet, abweichendes Verhalten umgehend in Frage zu stellen. Kontrolle im eigentlichen Sinne findet nicht statt, es ist der Mythos der Beobachtung, der zu einem bestimmten Verhalten veranlasst.

Eine allgemeine Tatsache in der Kommunikation der neuen Medien ist, dass sie zu Schmälerungen der gewohnten sozialen Kontakte führt. Menschen liefern sich insgesamt dem Procedere der Maschinerie aus. Menschen unter Menschen korrigieren einander in flexiblen Interaktionen. Maschinen verstehen allein die Regeln, nach denen sie strukturiert und programmiert sind. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine wird durch die von der Maschine vorgegebenen Regeln beschränkt.
Diese einseitige Maschine Mensch Beziehung verstärkt das Gefühl des Ausgeliefertseins an einen mächtigen technischen Apparat.

Während sich in der Medienszene zunehmend Ratlosigkeit breit macht, das kreative Potential ausgereizt scheint, während die New Ökonomy gigantische wirtschaftliche Einbussen verursacht hat, während der elektronische Überwachungsstaat weiter ausgebaut wird, während sich die Arbeitsbedingungen in der IT Branche rapide verschlechtern, wächst die Anzahl der neu hinzugekommenen Internet und PC Benutzer weiterhin.

Es wäre falsch, zum Schluss zu kommen, das Netz wäre am Ende angelangt. Tatsächlich genügt es vorerst trivialeren Vorstellungen, als die ursprünglichen Utopien vorgegeben haben. Es gerät zunehmend zu einem Instrumentarium präformierter wie kontrollierbarer Interaktion.

Sowohl Politik wie auch Kultur vereint in der Gegenwart weitgehend die Machtlosigkeit gegenüber Entwicklungen in der Massengesellschaft. Beide haben für sich immer in Anspruch genommen, gestaltend Einfluss zu nehmen. Davon kann heute weitgehend nicht mehr die Rede sein.
Obwohl dies weder Politiker noch Intellektuelle wirklich wahrhaben wollen, entstehen Massentrends über technologische Innovationen und verbreiten sich rasant über den freien Markt.. Tatsächlich muss das Angebot etwa einer technischen Innovation einem Massenbedürfnis entsprechen. Wobei hier unter Bedürfnis keineswegs Notwendigkeit zu verstehen ist. Notwendigkeit ensteht erst dann, wenn eine umwälzende technische Neuerung zu strukturellen Veränderungen des Lebenszusammenhanges führt.

Man kommt der Nutzung eines bestimmten Produktes nicht mehr aus. Genau diesen Punkt hat die Verbreitung des Persononalcomputers und die Ausweitung des Netzes bereits seit einigen Jahren unumkehrbar überschritten.
Zu Beginn der Entwicklung konnte man noch erahnen, welche Inhalte für wen interessant sein könnten. Wissenschaftlicher Informationaustausch, neue Formen der Archivierung von Information, Hypertext, globale Erreichbarkeit: all dies bot interessante Perspektiven und machen auch jetzt noch viele Qualitäten des Netzes aus. Tatsächlich sind Wissenschaft und Kunst die impulsgebenden Kräfte in der Entwicklung des Netzes gewesen. Dies ist heute ein gut entwickelter Teilbereich im Netz, der auch qualitativ hohen Ansprüchen genügt, bestimmt aber längst nicht mehr den Trend des Netzes.

Mit den Musiktauschbörsen begann sich alsbald ein virtueller Massenmarkt, der sich fürs erste der produzierenden Industrie entzog, zu entwickeln.Dieser riesige Tauschmarkt, der vom Austausch kopierter Titel lebte, wurde alsbald zum Ärgernis der Musikindustrie, weil er merkbar die realen Verkaufszahlen sinken liess. Diese Entwicklung führte zu weiteren Anstrengungen, das Netz in den kontrollierenden Griff zu bekommen, um diese wildwuchernden Tauschmärkte von raubkopierten Gütern zu schliessen bzw. unter Kontrolle zu bringen. Die grösste Tauschbörse Napster wurde von der Musikindustrie aufgekauft. Hier kann nur mehr kostenpflichtig Musik bezogen werden. Doch ungerührt entwickeln sich parallel neue wild wuchernde Tauschbörsen, die den ökonomischen Regeln unserer Gesellschaft widersprechen.

Die eingeforderte Kontrolle rührt also nicht allein aus staatlichen Vorstellungen sondern eben aus handfesten privatwirtschaftlichen Interessen. Seit Jahren ist deutlich geworden, dass die Entwicklung vor allem bei Content und Software sich um die allgemeinen Geschäftsregeln nicht kümmert, sie permanent versucht ausser Kraft zu setzen, mit ein Grund, warum sich im Netz Publishing ökonomisch vernünftige Perspektiven sich nicht umsetzen lassen. Eine Entwicklung, die zu rigorosen Gegenmassnahmen führt, die nun in einem Bündel staatlicher wie wirtschaftlicher Interessen einen an sich völlig unregulierten Vorgang in den Griff zu bekommen versuchen.
Dass dabei auch bislang sorgfältig definierte Menschenrechte Gefahr laufen, beschädigt zu werden, darf angenommen werden.

Klassische Zensurmethoden richteten sich auf Inhalte, während die elektronisch digitale Form direkt auf das Verhalten einzuwirken sucht, beziehungsweise auf die Ermittlung von Verhaltensprofilen aus ist.

Der Prozess der umfassenden Vernetzung von Kommunikation führt zwangsläufig zu totalitären Konsequenzen.
Die Technikgeschichte des 19. und des 20. Jahrhunderten zeigt, dass jede technische Innovation letztendlich alle Bereiche sowohl institutionell wie auch geopolitisch totalitär erfasst.

Ob dies nun die Entwicklung des Transport- und Verkehrswesens, die allgemeine Elektrifizierung der Welt, die globale Ausweitung der Informations- und Unterhaltungsmedien betrifft, immer ist die Tendenz und die Zielsetzung umfassender Vernetzung und Einbindung erkennbar.

Die interaktiven Neuen Medien durchdringen zunehmend die Alltagslebensweise. Der Überwindung von Distanz und Raum durch physische Beschleunigung, der allgemeinen Heraushebung der menschlichen Gesellschaft aus den Bedingungen der Natur durch die umfassende Elektrifizierung, also Schaffung von künstlicher Energie folgt nun die umfassende Neustrukturierung des Lebenszusammenhangs durch Technologisierung der Kommunikation, die digitale Abhängigkeit des gesellschaftlichen Lebens.

Der Mensch wird zum Akteur auf einer elektronischen vernetzten Bühne, die das traditionelle Terrain vollständig abzulösen versucht. Der künstlerischen Avantgarde kommt dabei nur mehr die Initialfunktion zu. Sie hat vor allem propagandistische Aufgaben, neuen technischen Entwicklungen den Weg zu bereiten. Die technische Innovation wendet sich grundsätzlich an die Massen. Das hat weniger mit politischen Zielsetzungen und Idealen zu tun, als mit marktstrategischen Hegemonieanprüchen zu tun. Der grosse Profit ist allein durch Initiierung eines Massenbedürfnisses zu erreichen.

In der Durchsetzung neuer Technologien scheint es völlig nebensächlich zu sein, wie viel traditioneller Lebensraum dabei zerstört wird, immer wird eine bessere Welt als die bisherige versprochen und dabei alles der Rückständigkeit geziehen, das sich solchem Prozess entgegensetzt. Auch in diesem Kontext spielt die Avantgarde die Rolle des ideologischen Wegbereiters.
Die technische Revolution des Verkehrswesens hat nicht allein die traditionelle Kulturlandschaft des 19. Jahrhunderts ausgehebelt, das Bild der modernen Städte endgültig bis zur heutigen Ausformung geprägt. Sie hat insgesamt neue existentielle Bedingungen geschaffen, in der die Natur nur mehr nachgeordnete Bedeutung hat und als blosse Rohstoffresource angesehen wird.

Vergessen wir aber dabei nicht, dass zu dieser Entwicklung auch die dunklen Ölteppiche vor Cabo Finis Terre, vor der Küste am Ende der alten Welt gehören. Das was uns heute als Naturkatastrophen entgegentritt, sind in Wahrheit Katastrophen der technischen Zivilisation.

In der Digitalisierung der Kommunikation, in der Einbindung der menschlichen Kommunikation in den technischen Apparat, der grundsätzlich totalitär im Sinne von umfassende ausgelegt ist, wird der traditionelle Erzählzusammenhang auf Dauer zerrissen.
Im Gegensatz zu den inhumanen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, die vor allem politisch wie ideologisch auf den Gleichheitssatz wie auf Ordnungsprinzipien sich begründeten, agiert der neue Totalitarismus mit den mit dem allumfassenden und scheinbar demokratisch libertären Angebot umfassender Kommunikation. Dabei kommt es weniger auf bestimmte Denkinhalte an, ebenso wenig auf eine diskursive Absicht, wirklich entscheidend ist offensichtlich die aktive Teilhabe, die entsprechend ökonomisch verwertbar ist. Da müssen Geräte angeschafft werden, diverse Software benutzt und On-Line Gebühren bezahlt werden.
Der groesste Anteil an Verschuldung von jungen Menschen in Deutschland ensteht sich laut juengsten Untersuchungen im Telekommunikationsbereich.

Um es mit Boris Becker, der als Werbeträger für die deutsche TeleCom aufgetreten ist, zu sagen: Man muss einfach drinnen sein. Je trivialer der Inhalt, um so grösser die Chance der Verbreitung. Sowohl die vorlaufenden Popkultur wie in Folge der Technokult legitimieren das Triviale. Mit ihm sind die grössten Umsätze zu erzielen.
Tatsächlich ist die IT-Wirtschaft allein an der Kontrolle der Distributionssphäre interessiert und keineswegs an den sonst noch transportierten Inhalten. Sie weiss jedoch genau, dass die vielen privaten Beiträge, welchen Inhaltes auch immer , dem Netz eben erst zu jener Attraktion verholfen haben, die es in Folge auch als gezielt zu bearbeitenden Marktplatz nützlich machen. Dort, wo sich die Massen drängen, kann und wird auch Markt sein.

Das On-Line Verhalten interessiert sie nur insofern, als sie sich ein Bild von den Gewohnheiten und Interessen ihrer potentiellen Kunden verschaffen können. Das unterscheidet die Interessen der Wirtschaft vom Interesse des Staates, der im Anlassfall auf konkrete Bewegungsprofile aus ist.

Zieht man all die bereits bestehenden Einrichtungen, angefangen bei den öffentlichen wie betrieblichen Überwachungskameras, den vielfältigen Überwachungsmöglichkeiten in der Telefonie, im firmeninternen Intra Net und im globalen Internet, weiters die Verwendung von Credit Cards, zusammen, ergibt sich ein umfassender elektronischer Raum, in dem sich fast alle Aktivität der handelnden Personen nachvollziehen lässt. Der Mensch beginnt eine transparente Existenz zu leben. Metaphern wie etwa das von gläsernen Menschen wiesen bereits in diese Richtung.

Eine Gesellschaft, die via TV monatelang eine in einem Container, von der Aussenwelt völlig abgeschottete zusammengewürfelte Wohngemeinschaft beobachtet, findet auch nichts mehr dabei, wenn der Einzelne in das Blickfeld von Life Cameras gerät. In der Nutzung der nächsten Generation der Handy Telefonie mit integrierter Kamera muss jeder damit rechnen, in verfänglichen Situationen visuell erwischt zu werden und sich damit auch abfinden.
Das merkwürdige an dieser Entwicklung ist, dass sich dieses allumfassende elektronische Monitoring sich in spielerischer Form ins Alltagsleben einschummelt. Janus zeigt die Kehrseite seines Kopfes erst, wenn er sich gewiss ist, dass ihm Akteure nicht mehr entrinnen können.
Die technische Innovation arbeitet noch mit einem weiteren Trick. Sie bringt die Kompetenz ins Spiel. Medienkompetenz, Computerführerschein suggerieren all denen, die draussen vor bleiben, dass sie Menschen zweiter Wahl sind. Der PC und das Internet erzeugt denselben Sog, wie dies bereits das Radio, und das TV vor ihm getan hat. Obwohl beides rigide Massenmedien, glaubte sich jeder ganz persönlich bedient.

Insgesamt ist sowohl das TV wie das Radio ein konformistisches Medium. Auch hier zeigt sich die allgemeine Tendenz. In Talkshows treten nicht allein Prominente auf, der Alltagsbürger wird zum Akteur. Da werden, beklatscht von den Zuschauern, die alltäglichen Nöte des kleinen Mannes und der kleinen Frau ins Scheinwerferlicht gezerrt und der Zuseher zuhause in die Position des Voyeurs versetzt. Da wird vom Alltags- und Beziehungselend bis zu hochwertigen Dialogen alles angeboten. Der Zuseher hat immer das Gefühl, das alles wäre nur für ihn gemacht.

Die Neuen Medien hingegen nehmen für sich die Fähigkeiten der Interaktion in Anspruch, das aktive Einwirken des Einzelnen.
Im Internet Medium kann sich der User zwar individuell geben, doch wird er es in den seltensten Fällen schaffen, verlässliche Beziehungen aufzubauen. Wesentlich bleibt es vordergründig die Auseinandersetzung mit dem technischen Apparat. Inhalte sind flüchtig wie ersetzbar, flüchtig und ersetzbar erscheinen ebenso die Akteure.

Nachtrag July 2004

Ich nehme die Veröffentlichung von Part III zum Anlass, mich bei den KollegInnen mit denen ich in Diskurs gestanden habe, in gemeinsamen Veranstaltungen auftrat, in einer mehr oder minder chronologischen Abfolge, die auf meinen bohrenden Sinn verständnisvoll reagiert haben und den Netzwerken alpin.or.at , thing.at und pvl.at für ihren flexiblen Support zu bedanken. Dies ist weniger auf obigen Text bezogen, als auf meine allgemeinen Tätigkeiten im Netz im Zeitrahmen eines Dezeniums.

Dank an Helmut Mark und Max Kossatz für den kreativen Prozess, den sie mit der sozialen Plastik the.thing.at in der östereichischen Medienszene eingeleitet haben, die vielen Künstlern und auch mir eine mediale Plattform geboten haben; an Friedrich Handel, der meine erste Website gebastelt hat; an Marcus Zelezny, der den noch immer brauchbaren Frame des www.ejournal.at entworfen hat und nach meinen strukturellen Vorgaben das Amontinische Universum programmierte; Christoph Nebel für sein Symposium des Werdens in Bregenz; Franz Xaver für seine ironischen Technobetrachtungen im Rahmen des Kunstlabors, und seine Einladung zur Beteiligung an der ElectronicGalery, Wolfgang Mungitsch, der mir im Rahmen des Unternehmens Phoenix die Realisation zweier Events finanzierte; Roland Alton Scheidl, Rene Pfeiffer, Ali Uelki und Thomas Hassan für ihren support duch pvl.at, Matthias Goldmann für seine guten Ratschläge im Umgang mit Winzigweich und anderen Tools, wie auch für die gepflegte Telefon-Gespächskultur; Gerhard Renner, Johann Tomaschek für alle Gespräche, die mit dem bibliothekarischen zu tun hatten, aber auch spezifischen Content betrafen, ebenso Marc Ries für Zusammenarbeit in thing.at, der nach dem Abgang von Helmut Mark das Netzwerk leitete; Andreas Braito für die filmische Wahrnehmung und Digitalisierung, Karlheinz Essl für seine digital- musikalische Unterstützung time shift; Franz Nahrada für seine utopischen Exzesse und für begnadetes Cyber Concept Bubbling, der sich leider zu seinem eigenen Leidwesen zu oft an den PR-Karren der Hardwaredealer und der staedtischen Politik spannen hat lassen, er ist, ohne sich dessen bewusst zu sein, ein Repräsentant der California Ideology; Alexander Holzer für die Einführung in daily straight Practice der EDV in der Welt des globalen Business, experienced by Big Blue IBM; Eduard Heilingsetzer und Wolfgang Ahamer für den realpolitischen Diskurs, Reinhold Wagnleitner für seine hilfreiche Einführung in die Amerikanische Geschichte und Gegenwart, Marie Mackenroth für begleitende Lektüre und Blumen und Blüten in Form von zugesandten Digi-Fotos; Harry Kuhner für vielfältige Gespräche in völlig anderern Belangen; Martin Krusche aktuell für die Eröffnung neuer Verbindungen in seinem Projekt >junction, und Helmut Eisendle posthum, mit dem ich so manchen verbalen Strauss gefochten habe; Lucas und Renate Gehrmann für den Print und Herausgabe des Babylon Projects; Beiträge zur Computerkultur; Elisabeth und Werner Leinfellner für ausgedehnte kritische Diskurse, in denen es manchmal ganz ordentlich in Machischer Energetik knirschte, die ich jedoch immer in Teslaische Eleoquenz verwandeln konnte.

Dank auch all jenen Freunden, die mir halfen, ökonomische Wüstenpartien zu überwinden, aber auch jenen, mit denen es Knatsch gegeben. Auch am Zoff kann man einiges an Erfahrung hinzugewinnen, man soll dabei nur nicht den Menschen verachten.

Ebenso Danke all jenen AutorInnen, die über die Jahre hinweg im Electronic Journal Literatur Primär publizierten und weiter publizieren werden. Dank auch unbekannter Weise all den KollegInnen in der weiten Welt des Netzes, auf deren Seiten aus dem Electronic Journal aktiv verwiesen wird.

Ein herzliches Dankeschön für tolerante Geduld an Jasna Maria gegenüber meinem unruhigen wie unsicheren Alltagen.


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