Am Taufbecken des runden Leders


© Malte Olschewski


(1):Woher die Klubs ihre Namen haben


Wenn, nehmen wir an, Cashpoint Altach bei Superfund Pasching einsandte oder wenn, gegebenenfalls, Bauwelt Koch Mattersburg bei Josko Fenster und Türen Ried mehrmals das Kreuzeck besucht hat, so konnte das die Tabelle der österreichischen T-Mobile-Liga nachhaltig ändern und die Verlierer auch in der versinken lassen. T-Mobile ist Telefon, Red Zac ein Energiedrink. In Österreich ist im Gegensatz zu anderen Ländern die Kombination des Ortsnamens mit der unterstützenden Firma durchgesetzt worden. In Deutschland hingegen wird die Koppelung von Firmen mit Vereinsnamen vom Fussballbund vermieden, obwohl die Klubs durchaus ihre Sponsoren haben. So etwa durfte Eintracht Braunschweig nicht zu Jägermeister Braunschweig werden, obwohl der Erzeuger des bekannten Magenbitters den Verein grosszügig subventioniert hatte.

Die meisten deutschen Fullballklubs sind gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Folge der von Turnvater Jahn eingeleiteten Bewegung zur Körperertüchtigung gegründet worden. Die Sozialdemokratie hatte damals im Sport ein Instrument der Emanzipation gesehen. Daher gründeten Arbeiter in den grösseren Industrieregionen Vereine, die sich in verschiedenen Disziplinen wie Ballspiel, Turnen, Leichtathletik oder Boxen zu üben suchten. Der VfB Stuttgart verweist als Verein für Bewegungssport noch heute auf diesen breiteren Rahmen. Die meisten Fussballklubs sind aus allgemeinen Turn- und Sportverbänden der Arbeiterbewegung hervorgegangen, während Adel und Bürgertum anfangs diese Sportart als proletarisch verachteten. Das wachsende Publikum machte den aus England kommenden Soccer wegen seiner Dramatik zur vorrangigen Sportart.

Da sich bald Ligen mit mehreren Klubs gebildet hatten und da man Stärke gewinnen wollte, sind viele Vereine fusioniert worden. So haben frühe Fussballfreunde, die damals noch keine Fans waren, bei einem solchen Zusammenschluss in Berlin bei Bier und Wein über einen neuen Namen nachgedacht. Hierbei ist jemandem bei Schoppen und Molle eingefallen, dass er vor Jahren eine Schiffsreise mit einem Dampfer namens Hertha unternommen hatte. Die leicht berauschte Runde hat den neuen Klub nach diesem Dampfer benannt. Im Suff jejründet... pflegt daher der Berliner zu sagen. Im Industriegebiet von Gelsenkirchen hatten sich 1904 Bergwerksarbeiter zum Klub Westfalia Schalke zusammengetan. Schalke ist ein Stadtteil von Gelsenkirchen. Auf die westfälische Regionalbezeichnung wurde später verzichtet, während mit 04 das Gründungsjahr des Vereins hinzugekommen ist. Da der Westen des Deutschen Reiches seit 1871 politisch wie militärisch von einer Revanche Frankreichs bedroht war, hat man den neuen Fussballklubs in dieser Region Namen gegeben, die auf Preussen oder auf das Germanentum verwiesen. Für ein paar Jahre ist damals sogar ein Verein namens Deutsche Eiche über den Rasen gerauscht. Bis heute tun dies die Vereine Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund, Arminia Bielefeld, Alemannia Aachen oder Preussen Münster. Borussia ist der lateinische Namen für Preussen. Arminia bezieht sich auf Hermann, den Cherusker, der auf Lateinisch Arminius hiess. Alemannia wird von dem südwestdeutschen Germanenstamm der Alemannen abgeleitet, der in alten Zeiten mit allen Mannen gegen die Römer gekämpft hatte. Preussen Münster machte klar, dass sich diese Stadt Preussen als dem Einiger Deutschlands verbunden fühlte. In Düsseldorf hatten mehrere Vereine bei der Fusion der römischen Glücksgöttin vertraut: Fortuna Düsseldorf war die Folge. In diesen Jahren wurde in Frankfurt die Viktoria mit den Kickers fusioniert. Damit Eintracht herrschen sollte, hat man den neuen Klub Eintracht Frankfurt getauft. Werder Bremen nennt sich nach dem Peterswerder, das ist eine Flussanschwemmung der Weser. Vorangestellte Buchstaben wie SC bzw. SK oder SV sind immer ein Sportclub oder eine Sportvereinigung, während FC einen Fussball-Club bedeutet. SpVgg ist eine Spielvereinigung.

In den unteren Ligen stösst man oft auf lateinische Vornamen wie etwa Wormatia Worms oder Germania Halberstadt. Buchonia Flieden ist nach dem altdeutschen Gau Buchonien benannt, während sich Budissa Bautzen auf den wendischen Namen der Stadt, auf Budissin, bezieht. Jahn Regenburg erinnert an den Turnvater, während Hansa Rostock dem Seefahrtsbündnis der Hanse gewidmet ist. Nach der Wende 1989 hielten bisherige DDR-Clubs Einzug in die gesamtdeutschen Ligen. Einige davon haben dabei ihre typisch kommunistischen Namen wie Energie Cottbus oder Dynamo Dresden beibehalten. Der nach einem giftigen, vor Ort geförderten Schwermetall benannte Klub Wismut Aue wollte nicht mehr so heissen. Nach der Wende hat er wieder seinen alten Namen Erzgebirge Aue angenommen. SC Chemie Chemnitz war 1953 bei der Umbenennung der Stadt zu SC Chemie Karl Marx Stadt geworden. Ein paar Jahre wurde unter dem Banner des SC Motor Karl Marx Stadt gestürmt, worauf der Verein nach der Wende zum FC Chemnitz wurde.

Oft kommt es vor, dass der Name der Region vorangestellt wird: Bayern München, Sachsen Leipzig, Holstein Kiel oder Altmark Stendal. Konzernnamen sind in den deutschen Oberligen ausser den historischen Bezeichnungen Bayer Leverkusen oder Carl Zeiss Jena nicht zu finden. Namen, die den Vereinen mit Schneidig, Tapfer oder Hurtig ebendiese Eigenschaften zuerkannten, sind verschwunden. In einigen wenigen Fällen stürmen auch heute noch Klubs mit dem Titel Wacker über den Rasen.

In Österreich sind die meisten Vereinsnamen der Bundesliga mit den Namen der Sponsoren kombiniert worden. Rapid Wien (vom Lateinischen: rapidus= schnell) ist heute ohne Sponsorennamen, doch in Jahren grosser Finanznot ist 1976/77 der traditionsreiche Klub als Rapid Wienerberger angetreten. Man kickte im Namen einer Ziegelfabrik und empfing dabei so manchen Ziegel, der auf Wienerisch eine Niederlage bedeutet. Stammten früher fast alle Klubs der Bundesliga aus Wien, so hat sich dieses Verhältnis umgedreht. Nur mehr Rapid und Austria kommen aus Wien. Die Admira Wien (Von Latein: admirare = bewundern) ist ebenso aus der ersten Liga verschwunden wie die Vienna oder der Sportklub, der 1958 in einem legendären Match Juventus Turin mit 7:0 besiegt hat. Die Stürmerreihe mit Knoll, Horak, Hof und Hamerl kannte damals jedes Kind. Vor allem Josef Hamerl, der gleich viermal bei Juventus ins Netz gehammerlt hatte, wurde zu einem Idol. Seine Spielweise erinnerte an den Papierernen. Das war Matthias Sindelar, der für das österreichische Wunderteam in der Zwischenkriegszeit wie ein Blatt Papier durch die gegnerischen Reihen getanzt war.

Red Bull darf, Memphis nicht

Die Bundesliga wird heute von der Provinz dominiert. In der kleinen Stadt Mattersburg lässt die Firma Koch mit dem Slogan: Die weite Welt des Bauens Sponsorengelder wirken. Der Fenster- und Türenproduzent Josko ist in Ried mit der Parole Ganz schön schön! Ganz schön Josko!Red Bull Salzburg mischt mit dem Werbeslogan: Red BullAustria stürmte mehrere Jahre unter dem Titel , wobei Memphis eine beliebte Zigarettensorte ist. 1999 kam der Kfz-Assembler Magna als Sponsor hinzu, worauf das Leder unter dem Titel Austria Memphis Magna getreten wurde. 2004 ist in Österreich ein allgemeines Werbeverbot für Tabakwaren verhängt worden. Memphis wurde gestrichen, Magna blieb. Trotz grosszuegiger Finanzspritzen war die Austria Magna zeitweise durch interne Kämpfe geschwächt. Magna-Chef Frank Stronach musste einsehen, dass sich ein Fussballklub nicht so führen lässt wie ein Konzern. Liebherr GAK Graz nennt sich nach dem Hersteller von Kühlschränken und Kränen. Die lokale Konkurrenz verdingte sich als SK Puntigamer Sturm Graz der Brauerei, die mit dem Slogan: Puntigamer! Lustig samma! zu werben pflegt. Vereine aus Kleinstädten wie aus Altach in Vorarlberg oder Pasching bei Linz mit je 6 000 Einwohner sind von finanzstarken Sponsoren wie Cashpoint oder Superfund adoptiert worden. Die Sportwettenfirma mit dem Slogan Tausend Euro am Tag! und der Fonds, der die Zukunft der Geldanlage sichern will, hatten für die beiden Gemeinden Teams zusammengekauft, während grössere Städte wie Linz oder Klagenfurt in der Bundesliga lange nicht vertreten waren. Der Linzer Athletic Sportklub (LASK) ist 2007 aus eigener Kraft aus der Red Zac-Liga in die Bundesliga aufgestiegen. Kärnten ging einen umstrittenen Sonderweg: Für drei Millionen Euro liess Landeshauptmann Jörg Haider Pasching samt der Lizenz für die Oberliga aufkaufen. Ab Saison 2007 stürmt nun SK Austria Kelag Kärnten mit neu zusammengewürfelter Mannschaft in der ersten Liga, wobei Kelag der lokale Stromkonzern ist.

Die Medien werden mit Nachdruck ersucht, in der Berichterstattung immer den ganzen Namen zu nennen. Die Bekanntgabe der Spielergebnisse am Wochenende hört sich daher oft wie ein Branchenverzeichnis an: Energie-Drink gegen Hedgefond, Bier gegen Fensterbau, Kühlschränke gegen Baumarkt, Kfz-Teile gegen Sportwetten. In den unteren Ligen stürmen heute wundersame Klubs über den Rasen: Ein SK Komm und Kauf kann da gegen den SCS Bet-at-home-com antreten. Das wären: Steyr gegen Schwanenstadt. Der nach türkischem Vorbild benannte Fenerbahce kann durchaus gegen Fernwärme Vienna punkten.Red Star Penzing sendet bei Dinamo Ottakring ein. Ankerbrot Montelaa mag sich Chancen gegen Etsan Vienna Türkgücü ausrechnen, ein Verein, der vom türkischen Supermarkt Etsan unterstützt wird. Solche exotische Namen fehlen in den deutschen Unterligen. Dort hat Wacker Burghausengegen die SpVgg Unterhaching anzutreten .

Katharsis im Torschuss


(2): Die Dramaturgie des Spielfeldes


Fussball ist deswegen so populär ist, weil er wie kein anderer Sport den Gesetzen der antiken Tragödie und den Grundlagen der Dramatik gehorcht. Griechische Autoren wie Sophokles, Euripides und Aischylos wussten ge-nau, mit welchen Kunstgriffen die alten Athener zu bannen waren. Zunächst war eine Einheit von Ort und Zeit vorgeschrieben. Die Handlung konnte durch Akte oder epeisodioi gegliedert werden. Das Fussballspiel ist somit ein Zweiakter, der durch ein Elfmeterschiessen zu einem Dreiakter werden kann.

Der Ball wechselt zwischen den Protagonisten oder protagonistes auf einem genau begrenzten Feld in zwei durchlaufenden Zeitfolgen. Der Pro-logos oder Prolog des griechischen Dramas spiegelt sich im Einlaufen der Mannschaften und folgenden Handlungen wie Begrüssung, Fahnentausch oder Münzwurf. Mit dem Ankick kommt es zum Agon, dem Wettstreit. Hier kämpfen eleos und phobos, Mitleid und Furcht. Der antike chorego, das ist der Trainer, der vom Rande der Bühne bzw. des Spielfeldes mit ausufernden Gesten zu dirigieren sucht.
. Die Zuschauer stellen den Chor oder den choros dar, der die Handlung kommentiert und begleitet. Die von den Rängen donnernden Chöre wollen als parados, kommos oder stasi-mon die Helden verspotten, den Spielverlauf beklagen oder anfeuern. Oft wendet sich der Held im alten Theater wie auch am grünen Rasen in einer gestischen parabase oder Anrufung an das Publikum. Jede Unterbrechung oder katalexe wird vom Zuschauerchor mit Unmutäusserungen oder mit einem Pfeifkonzert geahndet. Ist sie etwa durch Verketzung gerechtfertigt, so rollt einekkyklema als Maschine oder Tragbahre von aussen auf das Feld. Man will keine Verzögerung, ein langsameres Tempo oder eine kata-basis hinnehmen. Die Handlung muss ständig vorangetrieben werden. Sie soll in einer peripeteia, in einem jähen Wechsel des Glücks, überraschen. Ist eine Mannschaft eindeutig überlegen und gelingt ihr kein Treffer, so steigt die Spannung bis zur katharsis eines gelungenen Schusses. Katharsis ist nach Aristoteles die Reinigung der Leidenschaften durch Schrecken. Sie soll Umwandlung von Unmut in Tugend sein. Katharsis ist eine Entladung von Gemütsaffekten, ist eine Läuterung der Seele zu einem vernunftgeleiteten Leben. Es ist das Verstummen der Ichgefühle vor dem Drama auf der Bühne. Es ist eine ekstatischen Entäußerung bei Verlust des kritischen Bewußtseins. Die Fussballrowdies sind die Negation dieser Läuterung, doch der Grossteil des Publikums wankt seltsam erschöpft und entspannt aus dem Stadion. Er hat eine katharsis erlebt.

Die =Moira= spielt den Ball

Eben war der Ball noch von dem einen zum anderen gewandert und im Zickzack über das Feld getreten worden. Doch plötzlich schält die Schicksalsgöttin Moira aus den vielfältigen Verstrickungen und Konstellationen die goldene Gelegenheit heraus. Der Ball schwebt als ideale, goldene Kugel durch das Raumzeitgefüge. Raum und Zeit sind durch den Flug des Leders kurzfristig miteinander verheiratet. Und schon zappelt der Ball im Netz wie ein Neugeborenes in den Windeln. Die Kombinationen aus verschiedenen Spielzügen bis hin zum Torschuss sind im Fussball deutlicher zu sehen als in je-der anderen Form des Mannschaftssportes. Aus jedem Abspiel und aus je-dem Schuss kann sich ein siegreiches Tor entwickeln. Orgiastische Gesten nach einem Treffer verweisen in noch tiefere Schichten und in Zeiten, da die Beute gejagt und erlegt wurde: Der Jäger, der das Tor oder das Wild mit dem Ball oder mit dem Speer getroffen hat, wird von der Meute gefeiert.

Aber auch in Nebenaspekten finden sich Parallelen: Ein beliebtes Motiv der Tragödie ist das Aufbäumen des alt gewordenen Mannes gegen sein unvermeidliches Ende. Im Fussball ist das immer wieder zu sehen. Er, der einst umjubelt, als Flankengott gefeiert und als Dribbelkönig verehrt wurde, steht nun in wachsender Vereinsamung auf dem Rasen. In einem fulminanten Freistoß und bei seltenen Dribblings leuchtet sein Herrschaftskönnen noch einmal schwach auf, doch unablässig wird er aus zwei Seiten bedroht: Vom Gegner am Feld und von jüngeren Helden der eigenen Mannschaft. Bei jeder Fußball-WM oder EM wartet man auf neue Ballzauberer. Das Publikum will jene Throne stürzen sehen, die es in seiner Hybris selbst errichtet hat.

Die Nahaufnahmen des Fernsehens zeigen mit der agonia das tiefe Leiden und den Jammer des Helden nach einem fehlgegangenen Torschuß. Die Gestik des Leidens ist wie die des Triumphes sind dabei immer gleich geblieben. Aufdehnung des Körpers und Gesten in den Himmel zeigen den Sieg an. Zusammenkrümmung und einwärts gerichtete Gestalt künden von der Niederlage. Auch im klassischen Drama waren besondere Gesten vorgeschrieben, um einen inneren Zustand auszudrücken. Zur Erhöhung der Spannung wird wie auf der Bühne oft eine neue Person eingeführt. Ein Ersatz stürmt aufs Feld, während ein anderer Spieler sang- und klanglos abtreten muß. Der Schiedsrichter übernimmt in dem Drama um das runde Leder die Funktion höherer Mächte. Als neuer Olympier spricht er sein Urteil mit dem jähen Hervorziehen von gelben und roten Karten, vergleichbar den Blitzen des Göttervaters Zeus. Herrscherlich und unanfechtbar sind die Gesten seines ausgestreckten Armes. Oft bäumt sich der Frevler wild gegen diese Strafe auf. Schwer getroffen sinkt er auf den Rasen nieder. Die unparteiische Macht kann auch ein Auge zudrücken, wie es Zeus des öfteren getan hat. Ein Foul, ein Handspiel oder ein Tritt können seinem Blick entgehen. Der Aufschrei durch die benachteiligte Partei kann ihn nicht erschüttern. Umgekehrt kann schon ein kleiner Rempler den Zorn des Olympiers erregen. Unerklärlich und unergründlich sind oft seine Gesten und Entscheidungen: Pfiff, erhobener Arm und Griff nach der Karte entsprechen dem mythologischen Donner und Blitz.

Die Schwalbe und das Gurkerl

Beide Parteien setzen alle Mittel und Tricks ein. Es gilt, den Feind durch möglichst ungesehene Fouls zu treffen und zu verletzen. Auch auf der Bühne des klassischen Dramas werden mit Gift und Dolch solche Fouls begangen. Wie in der Tragödie knüpft man auch auf dem grünen Rasen Intrigen. Die beiden Parteien tarnen und täuschen. Listig werden Abseitsfallen errichtet. Scheinbar schwer getroffen sinkt ein Spieler in einer Schwalbe nieder, um einen Strafstoss zu erschleichen. Man will Tore sehen, doch verweigern ihm die geheimnisvollen Mächte der FIFA, der Internationalen Fussballfederation, beharrlich die Erfüllung dieses irdischen Wunsches. Torschüsse sind zu kostbar, um sie mit leichter Hand vor das Publikum zu streuen. Dabei bräuc-te man ja nur die Tore vergrössern oder das Abseits aufheben, um höhere Ergebnisse zu erzielen. Hier brechen Irrationalität und unerforschliche Ratschlüsse über das Spielfeld nieder. Das, was die Massen am meisten begehren und was leicht zu erfüllen wäre, bleibt ihnen ohne Erklärung verwehrt.

Das Fernsehen ist in diesem Drama eher der Hofnarr, die Radioreporter aber sind die Seher. Der TV-Kommentator ist im Prinzip unnotwendig. Er muss über etwas reden, über das es bei in Realzeit laufenden Bildern nicht viel zu sagen gibt. Er muss erklären, was eigentlich nicht erklärt zu werden braucht. Eine packende TV-Übertragung abzuliefern, ist eine hohe Kunst, in der das Bild mit ergänzendem, aber immer wieder zurücktretendem Fachwissen verknüpft sein sollte. Dass nun der eine den Ball zu einem anderen gegeben hat, ist im Fernsehen offensichtlich, daher muss dieser Spielzug strategisch erklärt, humoristisch kommentiert oder mit Metaphern einer Fachsprache begleitet werden.

Neben den vorgegebenen Standardbezeichnungen wie etwa Freistoss, Elfmeter, Strafraum ect. haben Fans und Reporter einen typischen Jargon entwickelt, der etwa in Deutschland ein anderes Vokabular aufweist wie in Österreich. In Wien leitet sich ein Gurkerl von der sauren Gurke ab und meint den Ball, der durch die offenen Beine geht. In Deutschland nennt man dass gleiche Missgeschick einen Tunnel. Dort ist auch oft eine Gurkentruppe am Werk, die einen Grottenkick abliefert und eine Arschkarte erhält. Diese Worte würde man in Wien nur mit Mühe verstehen, während in Deutschland ein Schupferl, ein Scheiberl oder ein Fersler als Formen der Ballabgabe kaum bekannt sind. Der Ball ist in Wien eine Wuchtel oder ein Laberl oder die Blunzn. Man nimmt ihn Wuleh (im Flug). Man verleiht ihm eine Fettn (Drehung). Der Spitz geht als ein mit der Fussspitze geschossener Ball oft daneben. Lässt der Tormann einen haltbaren Schuss passieren, so ist ihm ein Steirergoal unterlaufen. Der Reservespieler ist ein Bankldrucker, während der Linienrichter als ein Outwachler amtiert.

Die Radioübertragungen von Fussballspielen erinnern an die teichoskopia oder Mauerschau des griechischen und des klassischen, deutschen Dramas. Ereignissse, die wie etwa eine Seeschlacht auf der Bühne schwer darzustellen sind, werden von einem Beobachter geschildert, der auf einer Mauer oder auf einem Turm steht und in die Ferne blickt. Im Radio muss das Wort allein alles tragen. Stürmen die Spieler dem Tor entgegen, so erhöht der Radioreporter Geschwindigkeit und Laustärke seiner Sprache. Ein Satzbau ist nicht mehr notwendig. Exklamationen oder Ausrufe verstärken die Spannung. Der TV-Kommentator sollte hier schweigen. Er darf keinesfalls die Dramatik am Rasen mit überflüssiger Sprache zureden. Unter anderem deswegen hat der Medienphilosoph Marshall McLuhan das Radio als ein heisses, das Fernsehen aber als ein kaltes Medium bezeichnet. Früher waren in Österreich Heribert Meisl und Edi Finger senior begnadete Teichoskopen.
Ihre Radioübertragungen haben viel stärker involviert und mitgerissen als das oft überflüssige Ergänzungsgelaber im TV. Heribert Meisl hat einmal die Fans von München bis Berlin begeistert, als er mit Wiener Schmäh für das deutsche Radio die Niederlage Österreichs gegen Max Morlock und seine Mannen schilderte. Seine lebendige Wortwahl und seine kühnen Vergleiche ha-ben damals den bisher drögen Ton deutscher Kommentatoren nachhaltig verändert. Jessas Maria, rief Meisl am 23.9.1951. Das österreichische Tor ist leer. Jöh, jöh! Na bitte net! Schuss! Tor! Deutschland führt gegen die Fussballgrossmacht Österreich..
Und dann zu Spielende: Ich verabschiede mich am Boden zerstört als Verräter meines eigenen Stammes, denn -bitt' schön!- i bin letztlich do a Weaner.
Seinem Nachfolger Edi Finger senior fuhr 1978 in Cordoba beim 3:2 gegen den Erzfeind Deutschland der bedeutungsvolle Urschrei aus heiserer Kehle: I wer'd narrisch! Mia busseln uns olle ab!
Fussballfeinspitze schalten daher im Fernsehen den Kommentar ab und drehen im Radio die Übertragung des gleichen Spieles auf.

Epithasis und Abpfiff

Bei der Europa- oder Weltmeisterschaft fallen immer weniger Tore, da die Teams fast alle gleich gut sind. Wogen die Kämpfe in der epithasis und in letzter Anspannung hin und her und will kein entscheidendes Tor gelingen, so kommt es zum Zweikampf der Helden vor der angetretenen Heerschar: Zum Elfmeterschießen. Und das entscheidende Tor ist dann wie ein Schwert-streich vor dem Fallen des Vorhangs. Geschlagen und verwundet liegen die Opfer am grünen Rasen. Und die Sieger tosen im Ritual des Triumphes. Die Niederlage in der Tragödie sei der durch Poesie erhöhte Schmerz, heisst es bei Aristoteles. Die Fügung in das Unvermeidbare einer Niederlage, die stärker macht, kann einen tieferen Sinn haben, der sich erst später enthüllt.

Mit Bomben und Granaten


(3): Fussball als globale Kugel


Der Stürmer schießt, doch der Abwehrwall hält stand. Der Angriff bleibt in der Verteidigung stecken. Der Strafraum wird belagert. Das feindliche Tor steht nach einem Flankenangriff unter Trommelfeuer. Der Mittelstürmer bombt vom Sechzehner, doch der Torwart wirft sich in die Schußlinie. Nun geht der Gegner mit einer neuen Strategie in die Offensive. Eine abgefeuerte Granate wird noch abgewehrt, doch dann schlägt das Geschoß ein. Schlachtenbummler mit Kriegsbemalung im Gesicht feiern den Sieg.

Fußball und Krieg sind entfernte Verwandte. Fußball ist der brave Enkel des Krieges. Beiden wird oft in hymnisch-religiösen Tönen gehuldigt. Fussball ist eine Abstraktion des Krieges, daher ist der Kampf um das runde Leder auch zur beliebtesten Sportart der Welt geworden. Fußball ist ein Pseudo-krieg, der alten Gesetzen der Dramatik folgt und durch ein relativ einfaches Regelwerk gezähmt erscheint. Mit den erzielten Treffern ergibt sich bei jeder Meisterschaft unweigerlich eine Rangordnung, wobei Tabellen und Ranking in allen Bereichen der Gesellschaft anzutreffen sind. Der herrschende Sozialdarwinismus unterwirft im Ranking alle Produkte und Aspekte dem Schema von Auf- und Absteigern. Heute regieren Tabellen oder Rankings das ganze Dasein. Einer muss siegen, der andere muss verlieren. Auf- und Absteiger kollidieren nicht nur auf dem grünen Rasen sondern in allen Ecken und Enden der Gesellschaft, die nicht mehr sein kann, ohne nicht gerankt zu werden und ohne Sieger und Verlierer festzustellen. Daher wird der Fussball besonders genau in Tabellen, Ligen und Ranglisten eingebettet.

Fußball war in Deutschland und Österreich von 1945 bis 1990 einer der wenigen Orte, an dem eine kollektive Identifizierung mit der Nation offen ausgesprochen und auch gelebt werden konnte. Der Bezug auf diese Nation im zivilen und politischen Leben war wegen vergangenen Lasten ein Tabu. Doch mit Emphase wurde man damals aufgefordert, den Helden des grünen Ra-sens die Daumen zu drücken und ihre Siege zu feiern. Im Fußball konnte politisch korrekter Nationalismus ausgelebt werden. Ob mit Worten oder Schienbeintritten, es war sogar ein wenig kontrollierte Aggressivität gestattet. Obwohl der Fussball heute entnationalisiert worden ist, wird das runde Leder von den Rängen immer stärker in nationale Geiselhaft genommen. Fanklubs tragen mit Wannseefront, Zyklon B oder Endsieg provokative Namen. Auf der Tribüne werden Hakenkreuzfahnen geschwenkt. Arme werden massenhaft zum römischen Gruss gereckt. Die Fans halten Transparente mit schlimmen Slogans hoch. Man beschmiert den eigenen Körper mit den Farben der Flagge. Die Stimmung ist rauschhaft. Das Individuum auf den Rängen geht in der Masse der Gleichgesinnten auf. Das kriegerische Potential bricht hervor. Der Philosoph Gilles Deleuze spricht vom Fussball als einer Quelle unerschöpflicher Rivalität, da sie die Spaltung zum Prinzip hat.

Der Fußball hat als Geschoss der Globalisierung seine Flugbahn verändert. Für die jeweiligen Nationalmannschaften müssen Spieler zusammengeholt werden, die von finanzstarken Vereinen anderer Staaten aufgekauft worden sind. Bei der letzten WM standen sich kaum mehr Spieler aus dem Vereins-fussball zweier Nationen gegenüber. Viele Teams setzten sich grossteils aus Legionären zusammen, die meist außerhalb ihrer Heimat bei europäischen Spitzenklubs spielten. Die insgesamt 32 Mannschaften hatten jeweils 23 Teilnehmer. Von den insgesamt 736 Teammitglieder waren 367 Legionäre. Die Teams von Togo, Brasilien, Ghana, Elfenbeinküste, Kroatien, Australien, Tschechien, Polen und Argentinien hatten zwischen 19 und 22 Legionäre. Unter den Favoriten trat nur Italien ohne Legionäre an, was die Qualität des späteren Siegers beweisen könnte. England zählte zwei, Deutschland und Spanien jeweils drei Legionäre. Umgekehrt spielt bei einigen Spitzenklubs kaum mehr ein im Land geborener Spieler. Im Finale der Champions kickten für Arsenal London nur zwei Briten, für den FC Barcelona nur drei Spanier.

Nach 1990 wurde der Fussball dem Kapital unterworfen. In Brasilien, Osteuropa und Afrika sind Talente aufgespürt und weitergezüchtet worden, um dann für gigantische Summen durch die europäischen Spitzenklubs zu zirkulieren. Der Transfermarkt boomte wie eine Börse. Milliardäre begannen Klubs als Spielzeuge zu kaufen. Europäische Spitzenvereine agieren heute wie Konzerne oder Global Player. Ihre Merchandising-Einnahmen sind durch internationale Werbetourneen nach Asien und in die USA, wo Fussball nicht der vorrangige Mannschaftssport ist, gesteigert worden. Über das Fernsehen können gigantische Summen eingenommen werden. Da die Spiele in den nationalen Ligen international nur begrenzt zu vermarkten und weil Europa- und Weltmeisterschaften zu selten sind, wurde 1992 die Champions League mit den besten europäischen Mannschaften geschaffen. Im Vergleich zu dem vorausgegangenen Europapokal der Landesmeister wurde die Zahl der Mannschaften verdreifacht. Dabei sind mehrere gute Teams aus den starken europäischen Ligen zugelassen worden, um so ereignisreiche Spiele zwischen erstrangigen Mannschaften zu schaffen. So erhöhte sich die Zahl der Begegnungen um mehr als das Fünffache, was zu mehr Fernseh-Ein-nahmen geführt hat. Die Beträge, die für Transfers den Vereinen gezahlt und auch von den Fußballern eingestreift werden, verspotten in ihrer obszönen Höhe die Gemeinschaft der Fussballfreunde. Wer mehr Geld hat, hat auch die bessere Mannschaft. Der Ball umtanzt als ein Symbol der Globalisierung einen milliardenschweren Menschenhandel. Als Vaganten des grünen Rasens ziehen die Kickionäre von einem Club und von einem Land zum an-deren. Der Ball wird zu einem Symbol der vielen Nullen auf ihren Bank-Konten. Da Milliardäre oft nicht wissen, was mit ihrem Geld zu tun ist, haben sie als neuestes Hobby ganze Vereine aufgekauft. Der korrupte Ex-Premier von Thailand, Thaksin Shinawatra, hat sich Manchester United geleistet. Der russische Mogul Roman Abramowitsch legte für Arsenal über 200 Millionen Euro auf den Tisch. Für nochmals hundert Millionen wurden neue Spieler wie der Deutsche Michael Ballack angekauft. Es ist ein neuer Zeitvertreib für Männer mit viel Geld: Sie kaufen sich bei Abstiegskandidaten oder Zweit-Ligisten ein, um ihr wichtigstes Gesetz zu beweisen: Mit Geld kann alles und ein jeder Spitzenplatz erreicht werden. Eine Förderung von Kultur oder von kommunalen Projekten ist ihnen unmöglich, da hier das neue Grundgesetz von Gewinnern und Verlierern nicht greifen kann. So hat der Milliardär Dietmar Hopp den Fussballklub von Hoffenheim mit zwanzig Millionen Euro losgeschickt. FC Carl Zeiss Jena wird vom Konzern des in Russland polizeilich gesuchten Millionengauners Mihail Gutzerijew aufgerüstet. Der Salzburger Dietrich Mateschitz sieht keine andere Möglichkeit für eine Verwendung seiner überschüssigen Millionen als die Finanzierung von Teams, die seinen Produktnamen Red Bull tragen. Nach Red Bull Salzburg will er auch Sachsen Leipzig unter das Banner des Roten Stieres zwingen. Red Bull New York ist bereits am grünen Rasen vertreten. FIFA-Chef Michel Platini beklagt zwar die Geschwulst des Geldes im Fussball, hat aber keine Medizin zu seiner Heilung.

Nationalismus in den Rängen

Trotz der Entnationalisierung des Fussballs und der nachweisbaren Herr-schaft des Geldes klammert sich ein medial aufgeputschter Nationalismus an das runde Leder, das längst nicht mehr aus Leder, sondern aus Kunststoff ist. Das Ergebnis auf dem grünen Rasen bestätigt indirekt den urhaften Trieb des Nationalismus: Wir sind besser als die anderen!

In jedem Nationalismus wohnt Gewaltbereitschaft, die tendenziell immer den anderen verdrängen oder besiegen will. Ist der Fußball auf dem Spielfeld internationalisisiert worden, so geschieht in einem Paradoxon das Gegenteil auf den Rängen. Die bellizistische Pantomime am Rasen wird immer öfter von einem Krieg unter Zuschauern gerahmt. Ob das eine oder andere Team siegt, hat dabei wenig Bedeutung. Wie immer das Ergebnis ausfällt, so kommt es zu Aufruhr, Prügeleien und Randale. Die gezügelte Gewalt auf dem grünen Rasen wird oft ohne Zügel und blutig ergänzt: Auf den Rängen, außerhalb des Stadions, gegen Polizei oder Unbeteiligte oder Sachwerte. Die meisten dieser Hooligans sind Modernisierungsverlierer ohne Chancen und Zukunftsperspektiven. Vor ihren Augen am grünen Rasen laufen 22 Modernisierungsgewinner dem Ball nach und verdienen damit ungeheure Summen.

Das, was streng verboten ist, hat schon immer zur Übertretung gereizt. Die politische Korrektheit verbietet in nahezu ängstlicher Totalität alle Formen des Nationalismus und des Rassismus. Im Strafgesetz werden dafür schärfste Sanktionen angedroht. Einer, der schon als Jugendlicher trotz Lernens und bemühter Arbeit nie etwas gewinnen konnte, sieht den höchsten Reiz darin, die festgegossenen Tabus dieser Gesellschaft zu verletzen. Es geht darum, vor einem möglichst großen Publikum und vor TV-Kameras das zu tun, was maximal verboten ist. Oft wird während des Spiels von den Zuschauertribünen aus mit Wurfgeschossen und Feuerwerkskörper auf bestimmte Spieler, meist Schwarzafrikaner, gezielt.
Über Mobiltelephone verabreden die gewaltbereiten Gruppen ihre Aktionen in der dritten Halbzeit, das heißt: nach Spielende und jenseits jeder Katharsis.

In der Ökonomie der Aufmerksamkeit lockt der Fussball eine zweite Klasse der Modernisierungsgewinner an. Das sind die Politiker, die sich als Fans verkleiden. Sie erscheinen auf Tribünen. Sie nehmen notfalls einen Ankick vor. Sie herzen und beschmatzen siegreiche Spieler. Da Politik ohne Inszenierung nicht mehr möglich ist, drängen sich Regierungschefs und Minister in den ruhmreichen Schatten des Leders. Politik oder Parteien können die Massen mit ihren möglicherweise auch sozialen Programmen nie so mobilisieren, wie es der Fußball tut. Ach, wie freuen sich Bundeskanzler und die Kanzlerin, wenn da unten am Rasen der Millionäre einer einsendet!

Fussball als Geschoss des Werbeterrors

Fussball ist auch zu einem Geschoß des Werbeterrors geworden. Die Spieler sind oft gut beschriftet. In Österreich kickt eine Mannschaft, deren Spieler quer über das Hinterteil den Schriftzug Kleine Zeitung tragen. Die deutsche Lufthansa hatte bei der WM 2006 ihren Flugzeugen Nasen aufgemalt, die wie Fußbälle ausschauten. Im Kaufhaus wurden damals Büstenhalter mit Fußbällen als Körbchen angeboten. In Stadtzentren waren riesige Tore aus Neonröhren aufgerichtet. Vor dem Berliner Kanzleramt waren zwei riesige Kickerschuhe aus Plastik aufgestellt worden. Im Fernsehen nahmen 80 Prozent der Werbespots Bezug auf die Weltmeisterschaft. Stromkonzerne wollten nun Umweltmeister werden. Banken betonten ihre Geldmeisterschaft. Die Bahncard bot eine Verlääääängerung, während die Mastercard ihre Bonuspunkte als Toooooore anpries. Bei der EM 2008 sind ähnliche Einfälle zu erwarten. Multinationale Konzerne kaufen Werbeprivilegien, um ihre enthirnten Spots ohne Eeeeeeeende abzufeuern. In der Schweiz weniger, doch in Österreich umso ärger wird dieser Reklameterror fortgesetzt. Es kein Plätzchen, kein Bereich und kaum ein Schriftzug zu entdecken, der nicht aus Fussball Bezug nimmt. Da tritt ein Bischof nach dem Ball. Lokale Schreiber nehmen Feine Fallrückzieher vor. Und Erotik-Centers nutzen das Ball- und Phallsymbol.

Der Soziologe Gerhard Vinnai von der Universität Bremen hatte in seinem Werk Fussballsport als Ideologie (Europäische Verlagsanstalt, 1970) festgestellt: Der Fußball in seiner modernen Form würde die Gesellschaft zementieren: Freizeit darf hierbei nicht zur Freiheit werden. Die Pseudoaktivität rund um den Ball kanalisiere die Energien, die das Gehäuse der Hörigkeit sprengen könnten. Fussball sei eine Art Animierdame des Status quo. Der Spektakel tröste durch die Fiktion einer Nation als größeren Gemeinschaft. Und er kanalisiere und kontrolliere die Energien, die zu einer Veränderung eingesetzt werden könnten. Fußball diene in seiner Ablenkungsfunktion ganz besonders zur Stabilisierung politischer Herrschaft durch magischen Rituale am Spielfeld. Die Tore seien somit allesamt Eigentore der Beherrschten. Der Spektakel am grünen Rasen sei eine einzige Abseitsfalle. Damit hat Vinnai bei Erklärung des Mythos vom grünen Rasen voll ins Kreuzeck getroffen.

****














·^·