© Herbert Kuhner
Redaktionelle Mitteilung:
Ich bin nicht in allem von Herbert Kuhner geschriebenen einverstanden. Das muss ich als Herausgeber auch nicht sein. Eine schlimme Form des Ausschlusses von Publizitaet ist jedoch jene, die sich einem Autor voellig verweigert, nur weil einem die eine oder andere Sequenz des Autors gegen den Strich geht.
Harry Kuhner hat seit seiner Rueckkehr aus den USA unablaessig Probleme mit
dem Publizieren. Er hat sichs mit dem oesterreichischen Literaturbetrieb verdorben.
Davon erzaehlt er in seinen Memoiren Der Ausschluss, erschienen in der Edition 39,
mit einem Nachwort von David Axmann. Man kann es so oder so lesen. Ihn
als Noergler betrachten oder die Anklage ernst nehmen. Es ist eine mit Verve niedergeschriebene Erfahrung des Scheiterns eines Autors, der nicht gewollt worden ist,
der mehr vor verschlossen Tueren gestanden hat als vor offenen, in der auch eine
latente Klage ueber den oesterreichischen Antisemitismus im Hintergrund
mitschwingt.
Ich habe auch anderenorts Bestaetigung dazu gefunden, so zbsp. im Nachlass von Wolfgang Kraus, in dem sich ein Brief von Erich Fried findet, der Kuhner empfoheln hat und ihn gefoerdert wissen wollte und einer von Martin Enslin, der Kuhner 1976 als einen skurrilen Querulanten hinstellt.
Kraus hatte sich schon laengst fuer die Enslinsche Variante entschieden.
Kuhners Ausschluss ist nicht bloss eine persoenlicher Erfahrungsbericht, in gewisser
Hinsicht zeichnet er auch bestimmte Erscheinungsformen des oesterreichischen
Antisemitismus nach.
Die Einschaetzung Herbert Kuhners des oesterreichischen Aktionismus im folgenden
Text teile ich so nicht. Es ist eher richtig, dass dieser sich als Antwort auf den
Nationalsozialismus und die rueckwaertsgerichtete wie stehen gebliebene Hinterwaldheimat verstanden hat.
Doch die Mitteln aktionistischer Antikunst waren keineswegs aufklaerend gewaehlt, sondern provokativ und koennen so den Eindruck der Menschenverachtung erwecken.
Ich persoenlich habe aus dem Aktionismus nie besonderen Gewinn gezogen oder
gar ueberzeugtes Gefallen gefunden und finde den bei weitem ueberschaetzt und halte es fuer
eine tragische Fuegung, dass gerade der Aktionismus als der oesterreichische Beitrag
zur internationalen Kunst des 20.Jhdts. angesehen wird, vor allem wenn ich mir das
Gestammle der Epigonen und Befuerworter ansehe.
Originaereres als den Aktionismus hat es jedoch leider im Oesterreich der zweiten
Republik nicht gegeben
Andererseits: Hermann Nitsch hat sich haeufig u.a. auf Richard Wagner und Stefan George
bezogen. Welche Bedeutung die fuer die nationalsozialistischen Kulturvorstellungen hatten, brauche ich hier nicht weiter auszufuehren.
Otto Muehl hat in einigen seiner Ausstellungsprospekten anlaesslich der
Ardenenoffensive (die letzte Abwehrschlacht gegen die US-Truppen) wissen
lassen, dass er einer der letzten und juengsten Wehrmachtsoldaten gewesen sei,
die noch in den Leutnantsrang befoerdert worden sind.
Der seine Aesthetik tatsaechlich aus seinen Impressionen aus der Ardennenschlacht zur Kunstform erhoben hat.
Zermanschte, von Panzern ueberrollte blutende Leichname im letzten schmutzigen Schnee des Nazikriegs.
Aber das ist in der Waldheimat und im Kampland immer schon Anichtssache gewesen. Nicht in der
Kuttszene des Aktinionismus. Die hat noch immer schrill reagiert, so man am Pantheon des
vermeintlichen Austro-Avantgardismus zu kratzen beginnt.
Ganz nach Nitschens dionysischen Schreikrampfchor und Pfeifferltrupp.
Die Texte Kuhners sind sowohl in deutscher wie auch englischer Sprache verfasst. Das entspricht
durchaus seiner Persoenlichkeit, der nach der Vertreibung 1939 mit dem amerikanischen
English aufgewachsen ist, und nach der Rueckkehr in den 60 er Jahren wieder auf deutsch zu schreiben begonnen hat.
Herbert Kuhner lebt und arbeitet als Uebersetzer in Wien. .
Ich habe den Namen Gabriel immer mit dem Typen mit Flügeln und einem Horn verbunden.
Blow, Gabriel, blow!
Come on and blow, Gabriel, blow!
I wanna join your happy band.
Gabriel, ein einflussreicher österreichischer Rechtsanwalt, tadelte die Herausgeberin einer Sammlung "Klagelieder" österreichisch-jüdischer Autoren, weil auch mein Gesang im Buch zu finden ist.
Gabriel hat denselben Hintergrund wie ich, und, obwohl wir uns nie begegneten, bin ich davon überzeugt, daß wir sonst nichts Gemeinsames haben.
Als ich dies einer Kollegin erzählte, die von Juden nicht besonders begeistert ist, sagte sie: "Siehst du was ich meine! Wer weiß, wenn du nicht wärst, was du bist, wärst du vielleicht auch ein Antisemit".
"Oh", antwortete ich, "das hielt manche, die wir kennen, nicht davon zurück." Dann nannte ich mehrere österreichische Schriftsteller und einen sehr prominenten Politiker.
Ich zitierte Henry Morgan, den Humoristen, nicht den Seeräuber: "Jeder ist ein Antisemit außer einigen Juden, aber die sind ihrer nicht sicher".
Das Zusammentreffen fand in Wiens erster Spelunke statt, einem Treffpunkt von Künstlern und Journalisten, wo das Essen gut, und die Luft schlecht ist. Der übergewichtige Maler war ihr bester Gast. Er war an diesem Tag nach einer Operation am offenen Herzen frisch vom Spital hingekommen. Ich war frisch von einem Disput mit einem Verleger hingekommen, der mich betrog, mich als "ekelhaft" bezeichnete und alle Exemplare meines Remigranten-Tatsachenromanes in meine Wohnung geschickt hat.
Der Maler saß hinter mir, während ich nach Luft rang. Alles was ich bekam, war eine rauchige Substanz, die in der Lunge kratzte und in den Augen brannte. Ich war von einem Ehepaar hingeschleppt worden, das Touren von Lokal zu Lokal und von Tisch zu Tisch liebte. Obwohl man, was das Letztere angeht, Stelzen für eine solche Aktivität benötigte.
Noch bevor ich etwas bestellen konnte, bohrte mir der Maler seine Zeigefinger zwischen die Rippen. Ich drehte mich um und sagte, er solle das sein lassen. Als ich wieder in die Speisekarte schaute, wiederholte sich das Bohren. Vor jenem Zusammentreffen hatte ich ihn für die Umschlagsgraphik einer Anthologie die demnächst erscheinen sollte, vorgeschlagen. Mein Tischkollege überbrachte mir seine Bedingungen: Er würde zustimmen, vorausgesetzt, die Texte würden von einem "Literaturexperten" seiner Wahl ausgesucht und die Herausgeber, in seinen Augen Dilettanten, hätten nichts mitzureden. Dieser Vorschlag hatte eine sofortige Reaktion meinerseits zur Folge. Details sind nicht wichtig. Das war der Prolog zum Bohren. Nach einem mehrmaligen Wechsel von Bohren und Ermahnen teilte ich ihm mit, daß er nach dem nächsten Bohren eine Ohrfeige kassieren würde. Meine Augen brannten und ich kochte. Ich brauchte nur noch eine einzige Provokation und ich würde mich vergessen. Und trotzdem war mir bewußt, daß nur ein einziger Ausrutscher mein (und vielleicht auch sein Ende) bedeuten würde. Ich hatte mächtige Gegner, und sie würden dafür sorgen. Ein Schlag gäbe sicher ein Gefühl von göttlicher Erleichterung, gefolgt von einem emotionalen Tiefflug. Zweifelsohne hätte ich einen der Oberschurken dieser Stadt getroffen, einen Meister der Intrige und einen der prominentesten antifaschistischen Faschisten. Die Knöpfe seines Hemdes würden abspringen, seine Narbe würde sich öffnen wie ein Reißverschluß und das eben operierte Herz würde herausplumpsen. Wäre er so unvorsichtig gewesen, mich nochmals herauszufordern, hätte er möglicherweise seine fahrlässige Tötung provoziert, wäre das möglicherweise seine letzte Provokation gewesen. Wie immer - ob ich sein Ende verschuldet hätte oder auch nicht, der Schlag wäre das Aus für mich gewesen. Aber sei es wie es sei, die Geschichte endet nicht mit einem Knalleffekt. Ich teilte den Schlag nicht aus, denn anstatt nochmals seine Zeigefinger zu benutzen, bat er mich, mit meinem Sessel ein wenig zu rücken, damit er etwas mehr Platz zum Atmen fände.
Ich fand die 1936er Ausgabe der Zeitschrift Esquire in einen Antiquariat in der Gumpendoferstraße. Darin waren zwei Männer mit Schnurrbart abgebildet. Einer war der glubschäugige, klein gewachsene Dandy, der als Maskottchen diente und als "Esky" bekannt war. Der Zweite war klein, dunkel und nicht besonderes fesch, aber er war ein verblendender Redner und nebenbei Aquarellmaler: Ja, sie haben seine Identität erraten: Es konnte nur der deutsche Kanzler und österreichische Künstler Adolf Hitler, gebürtiger Schickelgruber, sein. Der Artikel konzentrierte sich auf die künstlerische Seite des großen Redners, seine "Wiener Zeit".
Eines seiner Bilder hat als Sujet die Kirche von Maria am Gestade. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich packte die Zeitschrift in meine Tragtasche und brachte sie zu meinem Freund Stephan Eibel, der in einem Barockhaus in der Schwertgasse lebt. Die Schwertgasse ist tatsächlich schwertförmig, und die Kirche befindet sich auf der Spitze. Man kann sie sehen, wenn man aus Stephans Wohnzimmerfenster schaut.
Als ich die Zeitschrift öffnete und fragte, was er vom Bild halte, sagte er: "Nicht schlecht". Dann hob ich meinen Daumen von der linken Ecke weg. Er schaute auf die kleine Signatur und las: "A. Hitler". Wir schauten uns an. Danach gingen wir die vier Stiegen des Hauses hinunter, den Bogen der Schwertgasse entlang, bis zur Spitze. Dann die Stufen hinunter zum Concordiaplatz, bis wir uns an der Stelle befanden, wo der Künstler aller Wahrscheinlichkeit nach, vor fünfundachtzig Jahren gesessen war. Alles schien so, wie es im Aquarell dargestellt war. Nur die Gebäude auf der linken Seite der Stiege sind neu, aber die Häuser auf der rechten Seite sind dieselben. Der Mann, der hier saß und die Kirche sorgfältig malte, ist später als einer der zwei großen Massenmörder in die Geschichte eingegangen. Hatte er das Morden schon im Sinn, als er da saß und seine Farben mischte? Er hatte nicht als Nazi angefangen; er ist es geworden. Er ist nach Wien als strebender Künstler und Architekt gekommen. Als er älter wurde, hat sich die Einstellung geformt und verstärkt, und er ist einer der Gründer des Nationalsozialismus geworden. Man hat ihm sicher auf dem Weg dorthin geholfen. Jetzt ist er lange tot, aber er hat Jugendlichen den raschen Weg als Hooligan zum Nazismus ermöglicht.
Der junge Hitler ist nicht der einzige, der künstlerische Ambitionen pflegte: Sein späterer Kumpel, Joseph Goebbels, ein ehemaliger Seminarist, schrieb in jungen Jahren einen Roman. Und ist nicht Julius Streicher ein weiterer Weggefährte, auch Maler gewesen? Die Muse hatte auch einen Hitler -Alliierten, der später sein Gegner geworden war, geküßt. Josef Stalin, sein großer Konkurrent im Massenmorden, war in sein Jugend Seminarist und Lyriker gewesen. Ja, es scheint beinah, daß eine Tätigkeit in der Kunst in jungen Jahren nicht notwendigerweise in das Licht führt.
Stephan und ich standen an der Stelle des Concordiaplatzes wie angenagelt. Hier hat ein Mann ein Aquarelle geschaffen, der später Millionen umbringen ließ. Die schöne, stolze Kirche stand damals so wie heute hier; und hat dem zukünftigen Führer als Model gedient. Sicher verdient sie nicht den Namen, den Stephan und ich verwenden: Für uns ist sie "Die Hitlerkirche" geworden.
Hitler, der Parteiführer und Diktator, hat mit den Malen aufgehört, aber er ist weiter Kunstfreund geblieben. Er förderte die Künstler, die ihm gefielen: Die, die er nicht mochte, blieben auf der Strecke, um es milde auszudrücken. Ein weiterer Connaisseur war Heinrich Hoffmann, Hitlers "Leibphotograph", der seine Nachkriegsmemoiren "Mein Freund Adolf Hitler" betitelte. Hoffmann war ein jovialer Bonvivant, der Hitler nur von der "guten Seite" sah. Er photographierte seinen Freund von den politischen Anfängen in den Zwanzigerjahren bis zu seinem Ende im Jahre 1945. Wenn die beiden sich trafen, redeten sie über Kunst, nicht über Politik. Hoffmann blieb in Hitlers Gunst und verwendete seinen Einfluß, um viele, die Hitlers Gunst nicht erhielten, vom Galgen oder vor der Guillotine zu retten.
Eine Stelle im Buch zeigt, wie widerlich für Hoffmann Treue zum Dogma war. Es gibt ein Hoffmann-Bild, auf dem Hitler Hand in Hand mit einem kleinen, blonden Mädchen spazieren geht. Hoffmann bezeichnet das Mädchen als "Hitlers ausgesprochener Liebling". Hoffmann erzählt, wie "ein übereifriger Parteigenosse", der erfahren hatte, daß das Mädchen nicht rein arisch war, Martin Bormann informierte, der weitere Kontakte verbat, ohne den Führer darüber zu informieren. Als Hitler entdeckte, was geschehen war, war er mit Hoffmann in Empörung vereint. Ihr Zorn richtete sich gegen Bormann und den Informanten, den Hitler als "Denunziant" bezeichnete: "Es gibt Leute, die ein wahres Talent haben, mir jede Freude zu verderben." Hoffmann weiter: "So mußte sich Hitler konsequent zeigen, konnte also das Kind nicht mehr einladen."
Der übereifrige Parteigenosse und Bormann, die Hitlers Zorn ernteten, sind nur Hitlers Nürnberger Rassengesetzen genau gefolgt. Hoffmann fiel es scheinbar nicht ein, daß, wenn das blonde Mädchen, jüdisch, statt "ein Mischling" gewesen wäre, hätte es sich in einem Viehwagen, auf einer Reise in den sicheren Tod gefunden. Hoffmann dachte nicht daran, seinen Zorn gegen den Schöpfer der Nürnberger Gesetze zu richten, die als Basis für Kindesmord dienten.
Hoffmann, der Photograph, "schoß" Hitlers Geschichte. Und obwohl er die meisten Geschehnisse außerhalb der Lager bildlich festhalten durfte, ist er aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich naiv geblieben. Dies bewies er, als er nach dem Krieg von den Amerikanern verhaftet wurde. Nachdem ein amerikanischer Offizier ihn verhört hatte, ersuchte er, daß man ihm "erbeutete" Aquarelle von seinem "Freund Adolf Hitler" zurückgeben möchte. Daraufhin nahm ein Deutscher, der dabei war eine gläserne Fruchtschale und schlug ihm damit auf den Kopf. Man kann ruhig annehmen, daß der Mann, der diesen Gewaltakt beging, kein Nazi war.
Glücklicherweise hat der Faschismus keine Chance im heutigen Österreich. Solche Kollegen wie Peter Weibel, Hermann Nitsch und Otto Mühl marschieren gemeinsam gegen die braune Pest. Peter Weibel: "Schwanz raus. Exhibitionisten an die Front .... Wir schlagen Staatsbürger zu Menschen". Hermann Nitsch: "Ich würde lieber mit Menschen arbeiten, mit toten Menschen, mit Leichen .... Die Berauschung durch Blut, und das Auseinanderreißen von rohem Fleisch soll befriedigend und genüßlich sein, weil man dadurch von seinen unterdrückten Begierden befreit wird. Die Erfahrung des Tötens ist überaus intensiv, da das Subjekt seine Umwelt betritt, um Sie zu zerstören .... Das Töten war und ist außerhalb des ethnischen Urteils". Otto Mühl: "Darstellung ist alles, was einfällt .... auch der Lustmord ist drin .... Zur Sexualität gehört natürlich das Morden. Haustiere dienen als Notbehelf. Ich will den perfekten Lustmord verüben mit einer Ziege, die ich als Frau anerkenne".
Leider mußte Mühl seine antifaschistischen Aktivitäten unterbrechen, da er wegen Vergewaltigung Minderjähriger und Kindesmißhandlung, zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Aber seine Ausstellungen werden weiter durch die Kulturmächtigen in Österreich hoch gefördert.
Das Mahnmal "gegen Krieg und Faschismus", bildet ein weiteres konsequentes Beispiel: Man könnte es tatsächlich für das Gegenteil halten, als es darstellen sollte. Der bronzene Jude, der für alle Ewigkeit den Albertinaplatz wischt, kniet nicht, sondern liegt auf dem Bauch. Die Marmorkolumnen, die sich über ihm türmen, enthalten Körperteile und "braune Memorabilien" die den Nationalsozialismus repräsentieren. Als Kontrast für das breite, formlose Hinterteil des Juden, befindet sich in einer der Kolumnen ein Paar makelloser Apollobacken.
Und wenn dein Schreibtisch zufällig staubig ist, kannst du eine kleine Replik des Wischers kaufen, um deinen Arbeitsplatz in alle Ewigkeit sauber zu halten.
Das Denkmal wurde 1988 enthüllt, im sogenannten "Gedenkjahr", dem goldenen Jahrestag des Anschlusses. Der Schöpfer des Denkmals, der in einem Interview in der Ausgabe vom 10. Juli 1988 der ehemaligen Tageszeitung der Kommunistischen Partei seine Bewunderung für Josef Stalin, Hitlers Konkurrent in Massenmord. Der Schöpfer trat 1956 nachdem die Sowjet Union in Ungarn einmarschiert war aus der Partei aus. Aber zurückblickend beteuerte er die Notwendigkeit dieser Invasion und auch die der Tschechoslowakei 1968.
Was die Nürnberger Gesetze anbelangt: Als ein ehemaliger Ostdeutscher jüdischer Abstammung zwei seiner ehemaligen Landsleute ebenfalls jüdischer Abstammung beschimpfte, sagte unser Bildhauer: "Ich wünsche Dir die Nürnberger Gesetze an den Hals". Er fügte ergänzend hinzu, daß alle sich vertragen sollen, "weil sie im selben rassischen Boot sitzen".
Die Kulturmächtigen versuchten es nochmals mit einem Holocaust-Denkmal auf dem Judenplatz: Ein Entwurf von Valie Export befand sich unter den Teilnehmern. Diese Antifaschistin ist berühmt geworden dafür daß, sie kochendes Wachs über lebendige Vögel goß. Der Spruch auf dem Export- Entwurf heißt: "das einzig reale ist der schmerz". Dies ist ein Kafka-Zitat. Die Quelle blieb aber unerwähnt.
Und man darf nicht Radovan Karadcic vergessen: Poetische Inspiration hat diesen prominenten Dichter nicht abgehalten, seinen Untertanen Befehle zu geben, zu vergewaltigen, zu massakrieren und "ethnische Säuberungen" durchzuführen.
Ich möchte nicht mit den oben erwähnten Künstlern und ihresgleichen in irgendeinem Boot sitzen.
Noch eine persönliche Note, betreffend "rassische Boote": Es gibt den Künstler, der bereit war, den Umschlag für eine meiner Anthologien zu gestalten, unter der Bedingung, daß ein "literarischer Experte" seiner Wahl, Autoren und Beiträge auswählen sollte. Dann gibt es die Dichterin, die wegen mancher meiner Ansichten über Kulturereignisse versucht, Redakteure, Übersetzer und Organisatoren von Lesungen negativ zu beeinflussen. Der erste ist Remigrant, so wie ich, und die zweite hat die Kriegsjahre in Wien mit ihre Mutter als U-Boot verbracht.
Es ist mir egal, welche Boote es gibt; ich möchte lieber schwimmen.
Zwei Gleiche
Er ist in den Medien, sie ist Politikerin. Ihre Namen sind auf jedem Manifest zu finden. Sie sind auch Erklärer des Dritten Reiches und wie die Gegenwart davon beeinflußt ist. Sie sind, man muß es nicht betonen, Philosemiten par excellence und sie sind natürlich führende Sprecher für Emigranten und Remigranten.
Sie sind auch Vermittler für die gegenwärtige Kunst und Literatur. Sie tun ihr Bestes um Strömungen aufzuklären, die nicht gleich für alle verständlich sind, zum Beispiel die, die den Mißbrauch von Frauen und Kindern und das "rituelle" Quälen und Schlachten von Tieren beinhalten.
Sie sind Humanisten in jeder Hinsicht außerhalb der Kunst, und ihr Humanismus schließt die aus, die nicht konform gehen mit den Trends, die sie fördern.
Die Zustände sind natürlich ein gefundenes Fressen für die Revisionisten. Sie übermalen die Barbarei der braunen Vergangenheit mit rosigen Farben, aber verurteilen Gewalt, wenn sie von denen mit einer "anderen" politischen "Überzeugung", ausgeübt wird. Dadurch profitieren alle. Gültige Argumente werden den Revisionisten auf ein Präsentierteller serviert, und jeder der Kritik über Gewalt unter den Deckmantel der Kunst übt, wird mit ihnen in einen Topf geworfen.
Es darf kein Haar in der Suppe dieses Paares sein. Jeder, der den Weg mit ihnen gehen will, muß die Konsequenzen ziehen und verdient, was er bekommt oder nicht bekommt - wie, zum Beispiel, ein kleine Emigrantenpension.
Ein Theatermacher
Es gab ein Theatermacher, der eine zwölfjähriger Anstellung als Direktor eines Staatstheaters mit einem Stück über das Schicksal von Remigranten in Österreich begann, und ein Stück von einem echten Remigranten für die Dauer seiner Anstellung ignorierte.
Ein Philosemit
Er schreibt über die Übeltäter des Dritten Reiches und ist ein unerbittlicher Gegner der heutigen Braunen. Wenn du ein Lyriker bist, der über diese Themen schreibt, ist seine Adresse die richtige für dich, weil er eine Lyrikserie herausgibt. Es gab auch einen Mitherausgeber. Sein ehemaliger Kollege ist ein kultivierter, älterer Lyriker, der keine besonders angenehme Jugend hatte. Als junger Mann, mußte er eine Uniform anziehen, die er haßte, und sie sechs Jahre lang trug. Im Gegensatz zu Kurt Waldheim, der seine "Pflicht erfüllte," hat er diese Uniform getragen; sie auszuziehen, hätte den Tod bedeutet. Es war ihm immer bewußt, daß die Wehrmacht kein Schutzschild für Österreich war.
Als der ältere Kollege die Publikation zweier österreichischer Emigranten befürwortete, die das Dritte Reich aus erster Hand erlebt haben, hat der jüngere Kollege den älteren niedergeschrieen und gezwungen, sich aus der Redaktion zurückziehen. Solche Ereignisse sind aber atypisch. Antifaschisten und Philosemiten kommen den Opfern des Dritten Reiches immer mit ausgestreckter Händen entgegen.
Eine Philosemitin
Sie ist eine Schriftstellerin und Funktionärin. Sie schreibt über die Grausamkeit der Vergangenheit, organisiert und veranstaltet Symposien zu diesen Thema. Eine ihrer antifaschistchen Taten war eine Verhinderung eines Programms zweisprachiger Lyrik von Frauen, von einem Remigranten übersetzt. Die Bücher heilten Lyrik von fünf Frauen. Drei davon haben das Dritte Reich als Jüdinnen erlebt, und eine von ihnen ist eine Auschwitz überlebende.
Die zweite Garnitur
Sie gehören zur zweiten Garnitur österreichischer Staatskünstler. Sie sind kleine Schreiberlinge, die niemals so große Erfolge haben werden wie ihre Vorbilder. Sie sind kleine Fische, die mit den großen Fischen schwimmen und nach den Überresten schnappen. Sie sind die perfekten Vasallen und Agenten, und sie agieren, als ob sie dafür geboren worden wären. Sie werden aktiv, wenn jemand nicht konform mit den Mächtigen geht, die das Sagen haben. Sie sind nicht im Stand, offen mit konträren Meinungen umzugehen. Sie können nur im geheimen den Störenfried unterminieren. Sie kontaktieren Redakteure, Herausgeber, Übersetzer und Organisatoren von Lesungen und flüstern ihnen ins Ohr. Sie sind sehr tüchtig bei dieser Tätigkeit, und dafür gibt es kleine Belohnungen und Vergünstigungen.
Muß Man?
Man muß für den Direktor (Claus) Peymann, man muß für (Thomas) Bernhards "Heldenplatz" sein. - Christoph Braendle, Die Weltwoche, Nr. 45, 10 Nov, 1988, S. 45
Herbert Kuhner: Thomas Bernhard
ORF "5 vor 12" 28.4.99
Für mich sind Autor sein und Übersetzer sein, nicht zwei Tätigkeiten, sondern eine. Ich betrachte meine Übersetzungstätigkeit als eine Erweiterung meines eigenen literarischen Schaffens. Obwohl ich Prosa und Drama auch übersetzt habe, betrachte ich mich hauptsächlich als ein Übersetzer von Lyrik. Gelegentlich identifiziere ich mich so stark mit den übersetzten Gedichten, daß ich das Gefühl habe, die Autoren sprechen für mich.
Als ich den Lyrikband Auf der Erde und in der Hölle von Thomas Bernhard las, wußte ich, daß ich Gedichte daraus übersetzen müßte. Dieses schmales Band vom Otto Müller Verlag 1957 herausgegeben, hat mich sofort angesprochen, als ich ihn fünfundzwanzig Jahre nach der Publikation las. Ich arbeitete damals an Austrian Poetry Today / Österreichische Lyrik heute, das 1985 bei Schocken Sacks in New York erschienen ist. Ich wollte Bernhard unbedingt in diese Anthologie einschließen aber die Rechte für seine Gedichte hatte der Autor selbst, und es war eine lange, schwierige Prozedur sie zu bekommen,
Ich habe oft meine Tätigkeit als Übersetzer österreichischer Lyrik verflucht, weil es, um ganz ehrlich zu sein, keine Belohnung dafür gab, sondern nur Bestrafung. Und das hat sich auch heute nicht geändert.
Als ich das Gedicht "Gefangen" von Bernhard las, und mich damit auseinandersetzte war es, als ob ich den Autor kennen würde, und ich war nicht mehr böse, daß er es mir so schwer gemacht hatte, die Übersetzungsrechte dafür zu bekommen. Dieses Gedicht übersetzt zu haben, ist eine Art Belohnung, Ich werde es nun im Original und dann in meiner englischen Übersetzung vorlesen
Der Rabe schreit.
Er hat mich gefangen.
Immer muß ich in seinem Schrei
durch das Land ziehn.
Er hat mich gefangen.
Gestern saß er im Acker und fror
und mein Herz mit ihm.
Immer schwärzer wird mein Herz,
denn es ist von schwarzen Flügeln
zugedeckt.
Imprisoned
The raven shrieks.
He has captured me.
I must go through the land forever
in his cry.
The raven shrieks.
He has captured me.
Yesterday he perched in the fields and froze,
and my heart with him.
My heart blackens more and more
because it is enfolded
in his black wings.
Da zwei Briefe an Claus Peymann mit Informationen ueber mein Theaterstück, Der Fließbandprinz unbeantwortet blieben, konnte ich nicht widerstehen. dem Burgtheaterdirektor vor der Premiere von Thomas Bernhards Heldenplatz, welches sich thematisch mit den Schicksalen österreichischer Remigranten auseinandersetzt, nochmals zu schreiben. Meine eigenen Erfahrungen, die ich in Der Ausschluß. Memoiren eines Neununddreißigers dargestellt habe, sind nicht unähnlich jenen von Bernhards Charakteren. Die Tatsache, daß alle meine Briefe unbeantwortet blieben, zeigt daß Claus Peymann nicht neugierig auf Stücke österreichischer Autoren ist und sein Interesse an Remigranten nicht über die Bühne hinausgeht. Selbst als Übersetzer von Lyrik und Prosa von Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek, Lyrik und Prosa von André Heller und Drama von Peter Turrini bin ich einer Antwort nicht würdig. Wenn man diese Tatsachen ins Auge faßt scheint es, daß Claus Peymann sehr wohl ein Teil der österreichischen Szene geworden ist, wie sie Bernhard beschreibt.
- Herbert Kuhner, David - Jüdische Kulturzeitschrift
A Career
There was an actor
who was a member of the Nazi Party,
who acted in propaganda films
and denounced colleagues to the Gestapo,
causing them to be deported and executed,
and who continued his career after the war
with not one word of regret.
Said actor was used onstage
by Austria's top dramatist
and Germany's top director of drama
to expose Nazi thought and spirit
as manifested in present-day society
and pillory personalities who carry on
in the tradition of the Third Reich.
This was by no means opportunism,
rather there was "method in this madness."
Wasn't it simply a stroke of genius
to use a Nazi bat to batter Nazi heads?
Es gab einen Schauspieler,
der ein NS-Parteibuch hatte,
in Propagandafilmen spielte
und Kollegen bei der Gestapo denunzierte,
die dann im Lager ermordet worden sind.
Der Schauspieler spielte auch weiter,
nachdem der Krieg vorbei war,
ohne irgendeine Reue zu zeigen.
Österreichs größter Dramatiker
und Deutschlands größter Theaterdirektor
bauten den Schauspieler auf,
um Nazi-Gedankengut
in der heutigen Gesellschaft,
und Persönlichkeiten, die es verbreiten,
auf der Bühne anzuprangern.
Dies hat überhaupt nichts
mit Opportunismus zu tun.
Ist es nicht einfach genial,
einen Nazi-Knüppel zu verwenden,
um auf Nazi-Köpfe zu hauen?
Als ich nach Österreich zurückkam, konnte ich die menschliche Grausamkeit der Vergangenheit nicht fassen. Jetzt stelle ich mir keine Fragen mehr.
Meiner Meinung nach, die sicher falsch ist, sind neben den Revisionisten, die als Verteidiger und Apologeten des Dritten Reiches agieren, die selbst bezeichneten Anti-Faschisten und Philo-Semiten die Erben der Nationalsozialisten in der österreichischen Gesellschaft.
Die ärgsten unter ihnen sind die Vermittler und Sprecher für Emigranten und Remigranten. Sie sind nichts anders als Ausbeuter des Holocausts, die sorglos über Leichen gehen. Ihre wahren Ziele sind Macht und Geld zu sammeln.
Der menschenverachtende Geist des Dritten Reiches ist geschickt in die Kunst geführt worden und wird in ihr deutlich ausgedrückt. Die Beteiligten finden unter der Unantastbarkeit der Kunst Schutz. Die Gemeinheit und Grausamkeit von Förderern und Geförderten sind grenzenlos. Vergleiche mit der Mafia sind ungültig, da die "Beteiligten" viel geschickter und raffinierter vorgehen. Sie stellen reines, unverfälschtes Übel dar.
Mir ist der Schlüssel zur Vergangenheit nicht von den Revisionisten, sondern von ihren angeblichen Widersachern übergeben worden.
Ein paar und einer
Wenn man ihn als Amerikaner bezeichnet,
ist er beleidigt.
Wenn man ihn als Österreicher bezeichnet,
ist er beleidigt.
Amerikaner oder Österreicher,
er bleibt ein Jude."
- J.E.
Er glaubt, daß er als Autor verkannt ist,
weil er Jude ist.
In wirklichweit ist er ein schwacher Autor.
- A.V.
Wir werden ein paar durchlassen,
so daß wir einen kriegen können.
Und während wir ein paar vorwärts schieben,
werden wir den einen zurückschieben.
Wir können immer auf diese wenige pochen
um uns zu entlasten.
Die Antifaschistische Brigade
ist immer bereit zu handeln,
wenn ein Schriftsteller
von den Kulturmachern
diffamiert oder blockiert wird.
Wenn dieser zufällig
ein Schlupfloch
für Seine Arbeit findet,
ist die Brigade sofort zur Stelle,
um es schnell zu schließen.