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EINE NOTIZ ZU DEM PROJEKT NATUR-GEDICHTE.


© Franz Josef Czernin

Ich arbeite zur Zeit an etwa zwanzig Gedichten, die ich NATUR- GEDICHTE nenne, und dazu an einem Text mit dem Titel EINE KLEINE VOR- ODER NACHSCHULE ZUR ÄSTHETIK, AUCH DER NATUR-GEDICHTE, an einem Text, der, wenngleich selbst AUCH Dichtung, bestimmte Züge des Dichtens, auch des Dichtens der Natur-Gedichte, zu reflektieren versucht. Das ganze Projekt betrachte ich als einen Teil meiner KUNST DES DICHTENS, aus der 1992 in dem Band GEDICHTE (AUS: DIE KUNST DES DICHTENS) erste Fragmente erschienen sind (Verlag Droschl, edition neue texte). Einige Beispiele für die NATUR-GEDICHTE finden sich in den MANUSKRIPTEN 122/'93 und im SCHREIBHEFT 42. Die folgende Notiz bezieht sich sowohl auf die Gedichte als auch auf die ästhetischen Reflexionen zu ihnen.

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Welche Natur, wenn überhaupt eine, wird erforscht oder zeigt sich, wenn man mit Worten so umgeht wie zum Beispiel ich in den Natur-Gedichten? Die sogenannte NATUR DER SPRACHE bzw. der DICHTUNG oder die sogenannte EIGENE NATUR oder die sogenannte NATUR jener Dinge, die man als sinnlich wahrnehmbare, als Teile der äusseren Welt vorzufinden behauptet? Und schliessen diese verschiedenen NATUREN einander aus, ja sind sie überhaupt verschieden?

Man kann Fragen solcher Art auf zwei verschiedene Weisen betrachten. Einmal als Schein-Fragen, indem man sich antwortet: Schreibt man Gedichte, oder denkt man über das Schreiben von Gedichten nach, kann man alles, was man NATUR nennt, mit dem gleichen Recht NATUR nennen wie irgendetwas anderes. Und gerade deshalb ist die Benennung gänzlich folgenlos. Da man ja mit Hilfe des Wortes NATUR nichts über eine Welt herauszufinden versucht, die jenseits dieser Benennung als so und so existierend angenommen wird, da somit also nicht herausgefunden werden kann, was gemäss jeweils bestimmbarer SACHLICHER Kriterien zu Recht als NATUR bezeichnet wird und was nicht, sind jene Fragen, wenn überhaupt Fragen nach ETWAS, eigentlich (und gegen den Anschein der Form, in der sie gestellt werden) Fragen nach dem Gebrauch des Wortes NATUR und nicht Fragen nach den Eigenschaften der Gegenstände, die man NATÜRLICH bzw. nach jenen, die man NICHT-NATÜRLICH nennen will.

Um diese Fragen als Schein-Fragen betrachten zu können, muss man allerdings eine bestimmte Voraussetzung in Anspruch nehmen: Dass man zwischen Fragen nach dem Sprachgebrauch und Fragen nach dem, worauf sich die Sprache bezieht (ihren Gegenständen) zu Recht unterscheidet. Und diese Voraussetzung enthält auch, dass man die Erfahrung von Sprache von anderen Erfahrungen, die man mit Hilfe von Sprache WIEDERGEBEN kann, unterscheidet. Doch in welchen Sinn sind nun die Kriterien dafür, diese Voraussetzung in Anspruch zu nehmen, ihrerseits SACHLICH? Ist diese Frage nicht genau in dem Sinn eine Frage nach dem Sprachgebrauch wie jene Fragen nach der NATUR, die man, wenn überhaupt etwas, erforscht oder die sich zeigt, wenn man mit Worten so umgeht wie zum Beispiel ich in den NATUR-GEDICHTEN?

Die zweite Weise, jene Fragen nach der NATUR zu betrachten, besteht darin, dass man die Antworten auf sie selbst als Erfahrung ansieht: Es geschieht etwas so, oder ich erfahre etwas so, wenn ich die Elemente NATUR DER SPRACHE, EIGENE NATUR und NATUR DER SINNLICH WAHRNEHMBAREN DINGE unterscheide oder nicht unterscheide, dass ich dabei die (sprachliche) Erfahrung dieser Gleichsetzung oder Unterscheidung nicht von der Erfahrung jener Dinge unterscheide, die ich unterscheide oder gleichsetze. Die Unterscheidung oder die Gleichsetzung von NATUREN selbst ist jetzt eine Tat-Sache, und diese Tatsache ist insofern wirksam, als sie eine Welt herstellt, in der etwas, zum Beispiel auch NATUR oder das Verhältnis zwischen NATUREN sich zeigt oder erforscht wird.

Um jene Fragen so zu betrachten bzw. um mit ihnen so umzugehen, muss man allerdings eine bestimmte Voraussetzung in Anspruch nehmen: Dass es keine anderen Unterscheidungen oder Gleichsetzungen gibt bzw. keine andere Welt als die, welche man herstellt, indem man spricht; dass man also zu Recht, das heisst gemäss sachlicher Kriterien alle Erfahrungen als Erfahrungen von Sprache betrachtet. Doch in welchem Sinn wären nun die Kriterien dafür, diese Voraussetzung in Anspruch zu nehmen, SACHLICH? Wären diese Kriterien, wenn sie SACHLICH sein sollen, nicht nur damit rechtfertigbar, dass ich mich mit der Frage nach ihnen auf eine Welt beziehe, die als so und so existierend angenommen wird, sodass die Erfahrung einer Antwort auf die Frage nach den Kriterien selbst nicht mehr in dem Sinn WIRKSAM sein kann, dass sie jene Welt erst herstellt? Ist also diese Frage nach den Kriterien für jene Voraussetzung nicht genau in dem Sinn eine Frage nach dem, worauf sich ihre Sprache bezieht (ihren Gegenständen), wie es jene Frage nach den NATUREN dann ist, wenn man mit Hilfe von Unterscheidungen und Gleichsetzungen etwas über eine Welt herauszufinden versucht, die jenseits dieser Unterscheidung oder Gleichsetzung als so und so existierend angenommen wird?

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Ich überlasse es der Phantasie des Lesers von dieser Notiz aus die Linien zu anderen Fragen zu ziehen, die mit dem Dichten selbst, aber auch mit dem Nachdenken über Sprache und Erfahrung von Dichtung oder anderen Dingen, wie ich glaube seit jeher, zusammenhängen.


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