Claus Gatterer - auf Seiten der Wahrheit und auf Seiten Europas


Eine Biografie - Besprechung von Franz Krahberger

Der Innsbrucker Studienverlag veroeffentlicht seit einiger Zeit interessante wie unerlaessliche Titel zur juengeren Geschichte der 2.Republik.

Kuerzlich erschien die vom jungen Publizisten und Poltikwissenschaftler Thomas Hanifle kompotent wie umfassend geschriebene Biografie des aus Suedtirol stammenden oesterreichischen Journalisten Claus Gatterer Im Zweifel auf Seiten der Schwachen.

Gatterers Lebensweg wie berufliches Engagement ruft in Erinnerung, wie sehr die osterreichische Innen-und Aussenpolitik der 60 er Jahre durch das Suedtirolproblem bestimmt worden ist. Unterschiedlicher Patriotismus und extremer Nationalismus fuehrte kurzfristig in die Bumsersackgasse und erschreckte sowohl Rom wie Wien mit Spreng-Anschlaegen auf Infrastruktur und Stromversorgung.

Selbst Gerd Bacher zeigte damals Sympathie fuer eine patriotische der drei militanten Formationen. Bloss der weitsichtige Gatterer brachte sowohl diesen wie auch Fritz Molden vom Zuspruch fuer diesen Weg in die falsche Richtung ab.

Gatterer kam aus einer Familie, die in den Besatzungjahren nach 1943 nicht der von den Nazis vorgegebenen deutschen Option zustimmten und fuer einen Verbleib in Suedtirol votierten. Sie galten damit als walsche Verraeter und Ueberlaeufer.

Claus Gatterer studierte an einer italienischen Universitaet und bemuehte sich darum, die italienische Mentalitaet zu begreifen und lernte mit Land und Leuten umgehen. Der Kontakt zu liberalen wie linken Intellektuellen und Journalisten Italiens wurde damals erstmals hergestellt und solle in verschiedenen Konstellationen das ganze Leben nicht mehr abreissen, obwohl Gatterer selbst aus einem katholisch konservativen Hintergrund gekommen war.

Das bestimmte auch Gatterers Perspektive, der nicht allein die Misere der Tiroler Minoritaet der Suedtiroler in Oberitalien aus oesterreichisch nationalistischer Perspektive im Auge hatte, sondern vielmehr die Situation der Minoritaeten generell in Italien und darueber hinaus im gesamten Europa in einen Begriff brachte. So hiess auch seine wichtigste historische Arbeiten Im Kampf gegen Rom - Buerger, Minderheiten und Autonomien in Italien, ein Plaedoyer fuer die regionale Autonomie wider die Gaengelung durch die Zentralmacht.

In dieser Ansicht fand er auch die Unterstuetzung Bruno Kreiskys, der in diesem Sinne seine letztendlich erfolgreiche Suedtirolpolitik gegenueber der UNO daran orientierte, durchaus im Sinne der Auffassung Kreiskys des buergernahen Staates als Dienstleister an Buerger und Buergerin. Hinzu kam,. dass Gatterer eben in europaeischen Dimensionen dachte und ueber den oesterreichischen Suppentellerrand weit hinaus gesehen hat. Auch das mag einer der Gruende der Sympathien seitens Bruno Kreiskys gewesen sein.

Am Rat Claus Gatterers war Kreisky immer gelegen und dieser Ausnahmejournalist zaehlte mit Sicherheit nicht zu jenen, denen Kreisky ein Studium der Geschichte anempfahl. Gatterer selbst war eben fundierter Zeithistoriker, der in der wissenschaftlichen Kollegenschaft hoch eingeschaetzt worden ist. Das bezeugt etwa seine Teilnahme am Historikertreffen Innsbruck Venedig 1971 / 72 mit sowohl italienischen wie oesterreichischen Fachreferenten.

Besonderen Wert erhaelt die vorliegende Biografie der journalistischen Karriere Gatterers durch die Zuordnung zu einem bestimmten Umfeld, zaehlt er doch zu einer Seilschaft, die es an die Spitze der oesterreichischen Medien in Print, Rundfunk und TV gebracht hat.

Bereits Ende der 40 er und zu Beginn der 50 er Jahre war der Lokalredakteur der „Tiroler Nachrichten“ Tirol- und Italien-Korrespondent der legendaeren „Salzburger Nachrichten“ Gustav Adolf Canavals und lernte da Gerd Bacher und Alfons Dalma kennen.
1952 wurde er italienischer Korrespondent des von Dalma geleiteten „Muenchner Merkurs“.

Gemeinsam mit Bacher gelang Gatterer der Sprung nach Wien, war da staendiger freier Mitarbeiter des von Friedrich Torbergs herausgegebenen FORUMs, dessen stellvertretender Chefredakteur er 1957 kurzfristig geworden ist.

An der Seite Bachers und Fritz Moldens war er in den sogenannten Wiener Zeitungskrieg verwickelt, war Mitarbeiter des Bild Telegrafs und spaeter leitender Redakteur der Mutation Bild Telegramm in Finanzierung seitens Fritz Moldens. 1958 -1961 war er stellvertretender Chefredakteur des „Express“, ab 1961 bis 67 Ressortleiter der Aussenpolitik der Wiener „Presse.“

Zwischen 1967 und 1972 arbeitete und publizierte er als freier Schriftsteller. Danach begann seine ORF Karriere unter den Fittichen von Gerd Bacher, der sich in Folge des erfolgreichen Rundfunkvolkbegehrens, das sich zugunsten des freien Journalismus wider den Parteieneinfluss richtete, an die Spitze des groessten Medienunternehmens der Republik setzen konnte. Auch Franz Kreuzer war in diesem Kreis angesiedelt.

Der journalistische Freundeskreis, der sich da in den „Salzburger Nachrichten“, die viele ehemalige Nationale Rechte an sich gebunden hatte, zu Beginn der 50er Jahre fand, gab sich immer als parteiunabhaengig und betonte die journalistischen Freiheiten wie die allgemeine Information als erste Buergerpflicht. Das heisst aber nicht, dass diese Gruppierung unpolitisch gewesen waere, im Gegenteil, sie waren auf politische Effizienz und Wirkung aus.
Das Zusammenwirken mit Fritz Molden in Wien schuf eine gebuendelte Machgruppierung von Presse - und Medienleute, die ueber Jahrzehnte hinweg die Geschicke des oesterreichischen Journalismus und der Medien bestimmen sollten.

Eines ist ihnen auf jeden Fall abgesehen von Gatterer, der der ueberzeugte wie konsequente Europaer unter ihnen gewesen ist, gemeinsam. Eine ausgepraegte Amerikafreundlichkeit, die nach neueren Erkenntnissen darauf schliessen laesst, dass diese Herren strukturell eingebunden aktiv US-Interessen umgesetzt haben. Der grosse Schmaeh von der Unabhaengigkeit stimmt also bloss bis an die Landesgrenzen. Darueber hinaus hatten andere das Sagen... Ueber diesen Zusammenhang berichtet auch die vorliegende Biografie Gatterers kaum, sie ist aber ein ausgezeichneter Beleg fuer bestimmte Konstellationen von handelnden Personen.

Gatterer definierte mit seinem Format teleobjektiv den Gegenwartsdokumentarismus neu und verstand es unter grossen Engagement, die Leiste ueber lange Zeit im ORF trotz beginnender Widrigkeiten, vor denen ihn auch die alte Freundschaft zu Bacher nicht mehr bewahrten, ueber zehn Jahre bis 1984 zu halten. Seine Mitarbeiter sind durchaus bekannte wie eigenstaendige ORF Redakteure geworden. Peter Huemer, Elisabeth T. Spira, Traudl Brandstaller, Kurt Langbein, Peter Lonyay, Werner Fitzthum und Robert Dornhelm sind heute noch wirksam und bekannte Namen des Mediengeschaefts.

teleobjektiv war in seiner radikaldemokratischen Offenheit etwa so gefuerchtet wie das profil jener Tage, hat wesentlich zur demokratischen wie politischen Veraenderung des allgemeinen Bewusstseins beigetragen, war sozusagen ein unuebersehbarer Meilenstein auf dem Wege Oesterreichs in die Realdemokratie. Das Format kam zunehmend in Konflikt mit der Leitung des ORF, wurde oftmals vor den Rundfunkrat gezerrt, und Gatterer langsam zermuerbt, aber nicht geschlagen.

Zweifellos ist er ein grosser Oesterreicher, aber doch noch ein groesserer Europaeer, dessen gut recherchierte wie gut geschriebene Biografie, zu der man dem jungen Autor gratulieren kann, zur rechten Zeit erschienen ist und einen der Leuchtpunkte im Erinnerungs Jahre 2005 darstellt. Und Gatterer hat sich lange vor anderen als Mitarbeiter der deutschen Zeitschrift „Die Tribuene“ gegen jegliche Form des Antisemitismus eingesetzt.

Eines wuerde ich gerne genauer wissen. Warum die Mitarbeiter Gustav Adolf Canavals „Salzburger Nachrichten“ zu Beginn der 50 er Jahre ihren Namen gewechselt haben. H.T.Porta in Hans Thuer, B.K.Hillebrand in Bruno Skrehunetz und Bergmann in Helmuth Lenhardt.
Bei Alfons Dalma ist die Geschichte klar. Mit seinem urspruenglichen Namen Stjepan Tomicic schrieb er fuer die Ustascha Presse Croatia Hrvatski Novod, leitete die Zeitschrift Alarm und schrieb auch fuer die NS-Elitegazette Das Reich.
Fuer die zweite Republik darf angenommen werden, dass Dalma der journalistische Verbindungsmann Washington - Wien - Vatikan gewesen ist.
Ein weiterer Mitarbeiter der Salzburger Nachrichten aus jener Zeit und spaeterer ORF Intendant des Landesstudios Salzburg, Rudolf Bayr war stellvertretender Schriftleiter des Kulturteiles der Wiener Ausgabe des „Voelkischen Beobachters“.





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