Dauerausstellung im Technischen Museum Wien seit April 2004
Ein virtueller Rundgang von Franz Krahberger
Die Sammlung von Fabrics- und Manufacturprodukten wurde erstmals 1807 von
Kaiser Franz I ins Leben gerufen. Der Herrscher, den sie den Buergerkoenig nannten,
war mir bereits vorher aussergewoehnlich aufgefallen als Errichter der Fideibusbibliothek in der Wiener Hofburg. Der Herrscher hat da eine sachlich wie fachlich interessante Sammlung
in eigenem Handeln angelegt, deren Inhalt und Buchbestand sich klar und eindeutig
an den umfassenden Informationsbeduerfnissen des Regenten orientiert.
Sein Nachfolger Ferdinand, den die Wiener launig Guetinant den Fertigen nannten und
heute noch so bezeichnen, hat das Sammelwerk fortgesetzt.
Etwas zu kurz im Katalog der Ausstellung in Permanenz kommt das Wirken des
Bruders des Kaisers Franz, des steirischen Prinzen Erzherzog Johann, des Direktors
der k.u.k Geniedirektion, die wesentlichen Einfluss auf technische Innovationen,
ebenso auf grossangelegte Infrastrukturprojekte, militaerische Ruestung genommen hat und
insgesamt ein wesentlicher Impulsgeber in der Industrialisierung Oesterreichs
gwesen ist.
Der steirische Prinz hatte sich fuer diesen Job in einem lange dauernden Englandaufenthalt
vorbereitet und erwarb sich da ein umfasssendes Bild wie Kenntnisse der Industrialisierung
auf Basis der Kohleenergie und deren Transformierung in der Dampfmaschine.
Gleichzeitig errichtetete er den regionalen Sammelbestand, das Grazer Johanneum,
auch das alte Zeughaus beinhaltend.
Franzens Sammlung sollte wollte Abbild all dieser technologischen Bemuehungen sein, ist jedoch nur in Teilen gediehen und kann nicht als vollstaendiges Abbild der anwachsenden Industrieproduktion und der damit verbundenen Produktionen von Massenguetern
als Luxusgut aber auch als Alltagsgebrauchsgegenstand gelten.
Trotzdem erscheint hier eine faszinierende Menge von Guetern und Waren zusammen
getragen, die ich bloss beispielhaft anfuehren kann.
Ich beginne mit der Maehmaschine nach James Smith, die eben vom technischen
wie sozialen Strategen Erzherzog Johann zum Nachbau empfohlen worden ist.
Der erste oesterreichische Prototyp wurde 1817 im niederoesterreichischen
Voesendorf hergestellt. Das erste Modell fertigte Aloys Sibota nach Vorlagen
aus der „Encyclopedia Britannica“. Technologietransfer auf habsburgisch...
Als naechstes das Modell einer Papiermuehle, ersonnen vom Werkmeister
Nicolas Louis Robert der Papiermanufaktur Essones in der Naehe von Paris. die 1799 erstmals zum Einsatz gebracht.
Bemerkenswert wie aufschlussreich daran ist, dass diese technische Innovation, die die Papierherstellung allgemein revolutionierte, eine Antwort auf den Aufstand von 300 Arbeitern der Manufaktur 1793 gegen miserable Arbeitsbedingungen und schlechte Loehnung gewesen ist.
Wir kennen solche Vorgaenge aus der Gegenwart. Etwa den Streik der britischen
Druckerarbeiter gegen Murdoch und Co. und gegen die Einfuehrung der
digitalen Technologien im Druckereigewerbe. Das stand am Beginn von Mrs.Thatchers
antisozialer Schlachtschiffpolitik.
Passend zum Papier finden wir zum Schreiben praeparierte Gaensekiele aus einer
Pariser Manufaktur des Jahres 1851.
Ein Arbeiter entfernte taeglich von 3000 Kielen die anhaftende Gaensehaut, und
band noch dazu 8000 Stueck fuer den Transport zusammen, so berichtet Hubert
Weitensfelder in seinem Beitrag.
Ein gesamtes Steingutservice in klassischer Eleganz entworfen und hergestellt von der Firma
L. und C.Hardmuth wird angeboten.
Hardmuth ist zuerst Baumeister im Dienste von Liechtenstein gewesen, wurde Erfinder und im weiteren Fabriksgruender zu Ende des 18.Jhdts. Sein Enkel Franz verschaffte dem Unternehmen globalen Ruhm wie Absatz mit dem Koh-i-Noor Bleistift in unterschiedlichen Haertegraden.
Nach der Abfassung dieses Textes bin ich in eine alte, gut sortierte Papierhandlung gegangen, um mir einen Bleistift von Hardtmuth
zu kaufen. Ich habe das Produkt bekommen, noch in den alten Farben gehalten. Aber der Name ist geaendert worden. So geht
langsam Stueck um Stueck oesterreichischer Erfolgsgeschichte verloren. Bloss in Tschechien wird die Produkten Palette
noch unter dem Namen des Firmengruenders bzw. Erfinders und Entwicklers angeboten.
Hardtmuth Koh-I-Noor.
Der Name bedeutet Berg des Lichtes und bezeichnet eigentlich einen riesigen Diamanten von 110 Karat, der im Zuge des britischen Kolonialismus aus indischen Besitz in den britischen Kronschatz gewandert ist.
Im Gegensatz zum Alpin Strass zaehlt dieses Stueck nicht zur Massenware. Das ist aber eine andere Geschichte.
Durchaus vorstellbar, dass in fuenf Jahren ein grosses oesterreichisches Bankinstitut von sozialer wie staatlicher
Tradition VEGAS unlimited heissen wird. In future we trust ! sorry, only in future bonds...
Die k.u.k Porzellanmanufaktur, heute Augarten Porzellan, stellte um 1837 henkellose
Moccabecher im orientalischen Stil her, so bezeichnete Tuerkenbecherl, die ich selbst
gerne in der Kredenz stehen haette. Die farbliche Vielfalt wurde durch die Verwendung
von Metalloxiden bewirkt.
Eine gewisse Demokratisierung bzw. Massenverbreitung von weiblichen Schmuck ermoeglichten unechte Brillianten Ohrgehaenge von Adolph Bon et Comp., Paris 1845 und der unechte Schmuck von Ferdinand Unger aus Liebenau in Boehmen 1873.
Als der eigentliche Erfinder der preisguenstigen Clones von Edelststeinen gilt der
Wiener Josef Strasser. Daher ruehrt auch die Bezeichnung Strass. So konnten
die Wiener Damen des mittlern Buerger-und Beamtentums, die Damen der niederen Offizierschargen, die Frauen des Kleinbuergertums und die Midinetten so glitzern und glaenzen wie die Damen der Grossbuerger, des Wiener Hofes und der Adelsgesellschaft.
Heute sorgt das Tiroler Unternehmen Svarovski fuer die globale Versorgung mit Alpin Strass. Mehr scheinen als sein und Glitze Glanz fuer alle im globalen Masstab.
Von boehmischen Glasschleifern und Glasschneidern wurden jedoch nach wie vor
Besonderheiten hergestellt, die klarerweise die Imitatkunst bei weitem uebertrafen.
So etwa der Pokal mit Deckel, der die Inschrift Ferdinand der I, Kaiser von Oesterreich,
Koenig von Ungarn, von Boehmen und Maehren, usw. usf. traegt.
Die feinen staehlernen Naehnadeln von Stoehr aus Maehren duerften wohl fuer
alle Haushalte erschwinglich gewesen sein. Und von Joseph Madersperger, dem tragischen
Erfinder der Schreibmaschine ist eine mechanische Naehhand aus dem Jahre
1838 zu sehen, die wohl eine Art Vorform der Naehmaschine darstellt.
Selbstverstaendlich darf in solcher Ausstellung auch der Produktenkatalog der Firma
Thonet nicht fehlen, die ihre Arbeit in Wien 1842 aufnahm und die Herstellung
ihres elegant und klassischen Sitzgutes mit der mittels heissen Wasserdampf Holzbiegetechnologie industrialisierte und zu einem weltweit begehrten Gebrauchsgegenstand wie Handelsgut machte. Auch meine Grossmutter Anastasia hatte so ein Ding in ihrer aermlichen Zweiraum Arbeiterwohnung im Schlafzimmer stehen. Das war halt ein
feiner und doch erschwinglicher Gebrauchsgegenstand aus der Hauptstadt und mich hat
das gute Stueck frueh in klassischer wie spartanischer Aesthetik belehrt.
Hand in Hand mit der fertigungstechnischen Entfaltung des Werkstaetten und Manufakturwesens und der Industrialsierung von Serienguetern geht der Aufstieg
der Massengesellschaften und des Massenkonsums, deren und dessen Ende
heute, abgesehen von der oekologischen Krise, bei weitem nicht abzusehen waere.
Insofern ist auch eine parallele wie vergleichende Besichtigung der juengst eroeffneten Ausstellung Alltag - eine Gebrauchsanweisung zu empfehlen.
Beenden will ich meinen virtuellen Besuch mit einem Stueck Material, das mir aus
mehreren Gruenden besonders gut gefaellt und einem Musterbuch von Papierpraegungen
aus dem Paris des Jahres 1850 entnommen ist.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Reinhard Mittersteiner, gestaltet von Dietrich und
Untertrifaller. Der Katalog beinhaltet Texte von Gabriele Zuna Kratky, Mechthild Dubbi,
Robert Kinnl, Alexandra Kuhn, Hubert Weitensfelder, Juliane Mikoletzky, Andrea Komlosy,
Gerhar Stadler, Eva Ottilinger und Ulrike Scholda.
schaun se sich das an... Sie werden nicht das Gefuehl haben, Zeit zu verschwenden, sondern
eben Zeit zurueck gewinnen.