<li><a href="../index.html">e.journal</a> : [ <a href="../toc-nf.html">Inhalt</a> ]<br> <li><b>es.say</b> : [ <a href="toc.html">Inhalt</a> | <b>Der Abendl&auml;nder</b> ]<br> <hr>

DER ABENDLAENDER


Ein Film von Peter Zach über Helmut Eisendle



Die Sprache ist nichts als Gedächtnis,
weil sie gar nichts anderes sein kann.
Fritz Mauthner

Der in Graz geborene Schriftsteller Helmut Eisendle hat in sieben europäischen Städten gelebt und gearbeitet. In dieser Zeit schrieb er über dreißig Romane, Hörspiele und Essays, in welchen er eine "dialogische Bewußtseinsliteratur" entwickelte, den Text zu einem koketten Tanz der Begriffe und Definitionen machte aus dem ein Wortfluß mit nachhaltiger Wirkung für Sprache und Literatur wurde.
Der Film folgt dem Dichter in das "nachtländische Reich", also jene Bereiche des Lebens, die sich Nachts in den Bars und Kneipen der Städte öffnen, wenn man trinkt und redet, wenn man beginnt nachzudenken über das Leben, die Liebe und den Tod. Es ist ein Begriff, den der Autor sehr früh begonnen hatte literarisch zu bearbeiten. Der Film ist ein Roadmovie in das Abendland des Helmut Eisendle.
Der Abendlaender ist der Versuch den Weg durch die Zeiten des Literaten zu finden, eine Reise zu wagen entlang seiner Literatur, die diesen fraktalen Zustand beschreibt. Der Abstraktheit des Textes steht das Reale entgegen, Spiegelung einer Fiktion des Dokuments. Der Film zeigt in essayistischer Weise die Weltsicht des Schriftstellers und Sprachforschers Helmut Eisendle. Der Familienvater und extensive Wirtshausnutzer gerät - ähnlich den Protagonisten seiner Romane - in den unendlichen Strom des Redens und Denkens: Über Gott und die Welt des Abendlandes.
Die erste Station dieses surrealen Roadmovies ist der Geburtsort Graz, wo Eisendle mit 51 Jahren dem jungen aufstrebenden Grazer Autor Werner Schwab begegnet. Die Beiden bereiten eine Lesung vor.
30 Jahre zuvor schrieb Eisendle in Barcelona, wo er damals mit seiner Frau und seinem Sohn lebte, einen quasi- autobiographischen Text: über die Flucht aus einer vorgezeichneten bürgerlichen Karriere. Im Januar 2000 liest er dieses Manuskript für die Kamera und es beginnt eine filmische Reise rückwärts.
Man sieht ihn 1985 mit seiner damaligen Frau und dem nun bereits 25-jährigen Sohn bei der Gestaltung eines Fluxusabends in Wien. In der "Alten Schmiede" dem Wiener Literaturhaus findet die sogenannte "actionfraction N 1" statt. Die ganze Familie- samt neuem Lebensgefährten der Frau- stellt Kunstwerke her, von Malerei bis zum gebundenen Buch.
Mit dieser Familie lebte Eisendle 1977 in Barcelona. Im Jahr 2000 entschließt er sich seinem zweiten Sohn (von seiner zweiten Frau) diese Stadt zeigen und fliegt mit dem 11jährigen Valentin der Erinnerung entgegen.
Dort treffen beide schließlich auf die Romanfiguren aus der Vergangenheit. Eisendle spielt mit am Billardtisch, während Fernandez und Luis die beiden Protagonisten des Spiels das "nachtländische Reich" definieren.
Dazwischen folgt der Film den Orten des Geschehens in biographischer Reihenfolge. Gedreht wurde aber nicht immer zu jenem Zeitpunkt, als Eisendle dort lebte, sondern später und unter anderen Umständen. Aus der zeitlichen Veränderung der "vergangenen" Orte und der Personen aus anderen Zusammenhängen, ergibt sich ein metonymes, verschobenes Bild des Lebens, eine Spannung, die der Film nicht nur sucht sondern auch findet. Erzählt werden die Geschichten in der Geschichte des Helmut Eisendle.
Es sind dies Treffen und Begegnungen mit seinen Söhnen, mit Frauen und Freunden, mit Schriftstellerkollegen und zaubernden Mechanikern in Triest, mit Wirten, Weinbauern und Malern in Österreich, mit seinem damaligen Züricher Verleger Ammann, mit einem befreundeten Maler und Buchhändler in Amsterdam, der ihm 180 Gramm Wurst als Buch verkauft. Im Film zu sehen sind u.a. Werner Schwab, Manfred Mixner, Bernhard Frankfurter, italienische und holländische Freunde, man hört Helmut Qualtinger sprechen und vernimmt die unterschiedlichste Musik von Mozart bis zu Ben Webster.
Der Abendlaender ist keine Biographie, vielmehr ein Kaleidoskop eines Schriftstellerlebens, ein dokumentarisch-surrealistisches Roadmovie, eine Irrfahrt durch die Sprache der Jahre.


Der Autor


Wer an Wahrheit glaubt, der glaubt an Worte,
die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Fritz Mauthner

Der 1939 in Graz geborene Helmut Eisendle, hat die künstliche Grenzziehung zwischen Literatur und Wissenschaft nie akzeptiert. Vielmehr unternahm er immer wieder spielerische Versuche, beide Geistesdisziplinen kritisch miteinander zu ver-söhnen. Anlässe dazu fand der ehemalige Telefonmechaniker, ehemalige Pharma-Vertreter und Vater zweier Söhne überall um ihn herum. Ob in der literarischen Darstellung einer Partie Billard, einem Gespräch zwischen Musikwissenschaftern, oder einfach aus dem Gefühl heraus älter zu werden. Alles unterliegt der Wirklichkeitsbetrachtung des Helmut Eisendle. Sein Denken und seine Sprache reflektieren das Leben und erklären es im philosophischen Sinn zu Literatur. Sein Schreiben definiert jenen Freiraum, den Eisendle seit seinen späten Anfängen mit 30 Jahren in der jeweiligen Umgebung erforscht. Es ist seine Suche die Sprache erfaßbar, zumindest aber denkbar zu machen. Daher bezeichnet er seine Arbeit zurecht als Entstörung.
Als Telefonmechaniker entstörte er Telefonleitungen, als Psychologe menschliche Neurosen. Bis er schließlich mit seinem ersten, 1971 im Hanserverlag erschienen Roman "Walder oder Die stilisierte Entwicklung einer Neurose" mit der Entstörung von Sprache begann.
Nüchtern ein ausgesprochener Familienmensch, verwandelt er sich trunken in einen streunenden Wolf, der durch beliebige Lokale zieht, um jede Gelegenheit zu nutzen seine Neugier zur Sprache zu bringen. Die Bewegungen ziehen ihn spiralförmig in das Nachtleben, ins "nachtländische Reich", wie er einen frühen Roman betitelte. Ein Leben zwischen idyllischer Ruhe an den schönsten Plätzen Europas und dröhnender redseliger Lebenslust in den urbanen Pinten des Okzidents.

Wir definieren uns in nichts anderem als Sprache, wir sind Sprache. Sprache ist Psychologie, Philosophie, Geist, Geschichte, Überlieferung. Das Transportmittel unserer Vorfahren in uns ist die Sprache.
Fritz Mauthner

Eisendles Literatur kreist um das Leben als Spiel und um das Spiel des Lebens. Mit einer von ihm nicht immer fröhlich betrieben Wissenschaftlichkeit seiner angewandten Spieltheorie, widmet er sich im speziellen dem Billard-Spiel, das ihm als realer AnStoß zur Betrachtung des Denkens dient, als eine Möglichkeit nachzudenken über den "selbstreferenziellen Prozeß" seines Schreibens.
Viele seiner Arbeiten "behandeln" das Erfassen von Bewußtsein in literarischer Form. Das Handlungselement der fiktiv/autobiographischen Figuren tritt gegenüber den "Sprech- und Denkakten" zurück. Monologe entstehen, werden zu Dialogen, Gesprächen und Gedanken mit Monologisierenden, zu Imperativen oder Oder-fragen. Wolkenartige verDichtungen und Entflechtungen der Sprache entwerfen die Wahrnehmungsweisen des Autors, eine Wirklichkeitsdarstellung vor dem Hintergrund der verschiedenen Lebensgeschichten in unterschiedlichen europäischen Ländern und Städten.

Helmut Eisendle beschreibt das so:
Ende der Sechzigerjahre habe ich zu schreiben begonnen. Ich habe damals studiert - Philosophie, Psychologie und Biologie - und hatte sicher das Bedürfnis die über meine Bildung und Ausbildung entstandenen Fiktionen in der mir möglichen Form mitzuteilen oder zu formulieren. Literatur entsteht aus dem Bedürfnis eines Bewusstseins nach Fiktionen innerhalb des Möglichen. Literatur war dazu nutze, mein Sinndefizit zu stillen. Und ist es noch.
Ich studierte in Graz, zog mit Frau und Kind nach Barcelona und landete am Anfang der Siebzigerjahre in Berlin- West. Graz- Barcelona- Berlin-West war die von der äusseren Wirklichkeit abhängige Struktur. Voll mit Bildung und Erfahrungen; politischen, privaten, unglaublichen, erschütternden.
Die Wirklichkeit eines Autors, die innere, ist eine andere, keine, die sich politisch verwerten lässt, ausser er lässt sich verführen. Sie ist eine egozentrische. Literatur hat - wie gesagt - das Sinndefizit des Autors auszugleichen. Dieses Sinn-defizit entsteht während des Schreibens, davor oder danach. Seine Wirklichkeit ist die Literatur. Anders wäre es ein tauto-logischer Versuch, mit Buchstaben etwas nachzuahmen, eine Wirk-lichkeit zu imitieren. Jeder Autor versucht, seine Welt durch das Schreiben in den Griff zu bekommen.
Das ist auch mein Ansatz gegenüber der Geschichte, meiner und der Geschichte anderer gegenüber.


Die Akteure des Films

Helmut Eisendle & Valentin Eisendle

Und in der Reihenfolge ihres Erscheinens:

Graz
Werner Schwab

Wien
Alte Schmiede
Sigrid Eisendle
Thomas Eisendle
Detlev Hartmann

Berlin Wohnung
Veronika Wolschlager
Egon Ammann

Südsteiermark/Gamlitz
Fritz Melcher

Wien
Restaurant Panigl
Kurt Heigel
Thomas Gamperl
Jurek Schaumann

Südsteiermark/Sulztal
Robert Knaus

Wien
Heeresgeschichtliches Museum
Heinrich Recht und Sohn

Contovello/Trieste
Carlo Pappucci
Dario Starc

Niederösterreich
Schloß Harrach
Notto
Thomas Gamperl

Hörspielstudio Wien
Manfred Mixner

Amsterdam 1985
Camilla Nielsen
Heinz Trenczak

Amsterdam 1996
Jan Voss

Barcelona
Teatre Principal
Billiar Monteforte
Oscar Fontradona
López als Fernandez
Carles Flaviá als Luis
Manuel Palau als Kellner

Wien Café Bendl
Manfred Watzek

Wien Kix
Bernhard Frankfurter

Realisation:
Peter Zach

Kamera:
Peter Zach
Stephan Settele
Heinz Trenczak

Montage:
Stephan Settele
Peter Zach

Ton:
Peter Zach

Team in Barcelona:
Billiar Monteforte

Kamera:
Ricardo Iscar Alvarez

Ton:
Stephan Settele

Aufnahmeleitung und Übersetzung.
Anuschka Seifert

Assistenz:
Guillermo López Conejo

Texte von

Eisendle Helmut
Nietzsche Friedrich
Mauthner Fritz
Schwab Werner
Settele Stephan
Valery Paul
Peter Zach

+ 4000 weiteren Autoren

Musik von

Johannes Brahms
Gustav Mahler
Eric Satie
W.A.Mozart
Billy Holliday
Ben Webster
Friedrich Gulda
Glenn Gould
Dino Saluzzi

+ 4000 weiteren Geräuscherzeugern

Hörspiele von Helmut Eisendle

"Wie man verschiedene Geräusche erzeugt" 1984
Sprecher: Helmut Qualtinger

"Billard und andere Spiele in einer großen Stadt" 1985

"Stadtgespräche" 1998

"Ich bin älter" 1999

Digitaleffekte
PZF

Produktionsberatung & Filmgeschäftsführung
Jana Cisar

Dank an alle Eisendles, Oliver Herrmann, Guy Bettini, Kristina Konrad, Christian Frosch, Michael Pilz, Heinz Trenczak, Knuth Muhsik, Bernadette Neckermann, Alfred Hitchcock,Francois Truffaut, Jean-Luc Godard,Paul K. Feyerabend, Slavoj Zizek, Allen Ginsberg.

Mit Unterstützung von:

Bundeskanzleramt
Kunstsektion Abteilung 4/II

Steirische Landesregierung

Graz Kult

Hergestellt von PZF-Produktion

DER ABENDLAENDER
copyright PZF 2001

Premiere im Programm der DIAGONALE Graz
22.3.2001; Schubertkino 2



<li><a href="../index.html">e.journal</a> : [ <a href="../toc-nf.html">Inhalt</a> ]<br> <li><b>es.say</b> : [ <a href="toc.html">Inhalt</a> | <b>Der Abendl&auml;nder</b> ]<br>
·^·