© Franz Krahberger
Der Antisemitismus ist kein juedisches Problem, er ist unser Problem.
Jean Paul Sartre Betrachtungen zur Judenfrage 1946
Der Holocaust wirkt wie ein unergruendliches schwarzes Loch, das mehr als sechs
Millionen Juden und mit ihnen zivile, humane und religioesen Wertvorstellungen verschlungen hat.
Niemand ist imstande, diese Ungeheuerlichkeit zu argumentieren oder gar zu verzeihen.
Wir suchen nach Erklaerungen, nach rational verstehbaren Einsichten, wie
dies in einer scheinbaren zivilisierten Welt vor den Augen der deutschen, der oesterreichischen, der franzoesischen und der polnischen u.a. Bevoelkerung geschehen
konnte.
Gewiss, die Nazis haben versucht, ihr Verbrechen zu tarnen und vor der Nachwelt
zu verbergen und doch gab es einen erheblichen Anteil von Mitwissern, Gutheissenden
und Helfern, die es den Tätern leicht gemacht hat, ihr grausames Werk zu vollbringen.
Aber wie kommt es zu diesem enormen Antisemitismus und zu dieser ungeheuren
Gleichgueltigkeit, die den Nazis das Verbrechen erst ermoeglichten.
Zweifellos half die Aufklaerung und die in infolge erkaempften buergerlichen
Rechte, die Liberalisierung der Staaten den europaeischen Juden, das Ghetto zu verlassen.
Ihr Aufstieg in Gesellschaft; Wirtschaft und Lehre ist eng verbunden gewesen mit der
Entfaltung der modernen industriellen Gesellschaften, die wirkungsmaechtig
die alten feudalen, agrarischen und klerikalen Machtstrukturen in Frage stellte und
abloeste.
Die katholische Kirche sah im 19.Jahrhundert Juden vor allem als
Traeger einer zersetzenden Moderne. Dies fuehrte in Frankreich
zu einer grossen antisemitischen Welle, propagiert von Jesuiten,
die sich sowohl gegen die Aufklaerung und deren sozialen Auswirkungen
wie auch gegen die von grossen juedischen Bankiers gepraegten neuen
Formen der Wirtschaft richtete.
Theodor Herzl, der Visionaer eines einheitlichen juedischen Territorialstaates,
verfasste seine programmatische Schrift Der Judenstaat unter dem Eindruck
der Erfahrungen, die er als Zeitungskorrespondent zu Ende des 19.Jahrhunderts
in der Affaire um Albert Dreyfus machen musste.
Ebenso bestaerkte ihn die Kenntnis der Pogromme an Juden im zaristischen
Russland.
Theodor Herzl kam als Beobachter des Dreyfus Prozesses zur Ueberzeugung, dass
der Antisemitismus in der europaeischen Kultur derartig verwurzelt ist,
dass allein die Gruendung eines eigenen Staates Israel die Zukunft der juedischen Gemeinschaft sichern koenne.
Ariel Sharon, der israelische Ministerpraesident, sagte am 5.Mai 2005 anlaesslich
der Holocaustgedenkfeier in Auschwitz zu versammelten israelischen Jugendlichen,
sie moegen froh sein, in einem eigenen Land zu leben. Nur so koenne sich der
Holocaust nicht mehr wiederholen.
Sowohl aus der ideengeschichtlichen Untersuchung der Grundlagen des
Nationalsozialismus, die der katholische Bischof und Nazisympathisant
Alosis Hudal 1937 veroeffentlichte, wie aus dem von Brigitte Hamann penibel
recherchierten Buch Hitlers Wien, das eigentlich Karl Luegers Wien gewesen ist,
laesst sich deutlich erkennen, dass der oesterreichische Antisemitismus vor allem im politischen Katholizismus, und in den deutschnationalen Stroemungen sich ausbreitete.
Andererseits ist der Antisemitismus Ergebnis realpolitischer Entwicklungen
und eine rabiate Reaktion auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Aufstieg der Juden. 1867 wurden den Juden in der liberalen Staatsgesetzgebung
voellige und uneingeschraenkte Gleichstellung zugesichert.
Die Staatsordnung Franz Josephs war keineswegs antisemitisch.
Im kaiserlichen Index verbotener Buecher und Schriften finden sich eine
Reihe indexierter antisemitischer Schriften, die aus dem Verkehr gezogen
worden sind. Franz Joseph meinte es ernst mit der rechtlichen und
staatsbuergerlichen Gleichstellung der Juden. Wenn es da nicht den aufkeimenden
und sich entfaltenden Widerstand in Bevoelkerung, der klerikalen und insbesondere deutschnationalen Kreisen gegeben haette.
Ich werde in diesem zweiten Teil meiner Untersuchung Originalzitate
wiedergeben, die athmosphaerisch und inhaltlich den Antisemtismus des ausgehenden
19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts wiederspiegeln, auch um damit zu
belegen, dass der Nationalsozialismus bereits eine Fuelle von fertigen Argumenten
und Vorurteilen und Praktiken der Judenverfolgung und Judenvernichtung bis tief
in die Anfaenge des 2. Jahrtausends christlicher Zeitrechnung vorgefunden hat.
Letztendlich ist der Antisemitismus vor allem ein Phaenomen der christlichen Kulturen
und zentral ein europaeisches Problem.
Diese Ansicht soll jedoch keinesweg den deutschsprachigen Raum von seiner Hauptschuld am
Holocaust entlasten.
Manes Sperber schreibt in seiner seinem Buch Churban oder die furchtbare
Gewissheit:
Da die Juden der ganzen Welt wussten, was niemand verkennen konnte, hatten
sie kein Recht, darauf zu warten, dass der Sturm ausbreche und vorueber ziehe.
Hitler liess die Juden auwandern, aber die Assyllaender verschlossen sich ihnen.
Keinen einigen Augenblick erwogen die Briten, die Tore Palestinas weit genug
zu oeffnen oder einen provisorischen Zufluchtsort in ihren zahllosen ueberseeischen
Gebieten jenen Menschen anzubieten, denen Hitler die Ausrottung im Falle
eines Krieges ohne Unterlass ankuendigte.
Die Juden Amerikas und Westeuropas waren wohlhabend genug, um ihren
toetlich bedrohten Bruedern in Lateinamerika oder in Asien das Asylrecht zu
erkaufen. Doch als alles auf die Solidaritaet ankam, versagten sie, weil im Verlauf
der vorangegangenen Jahrzehnte innere Widersprueche den Zusammenhalt der
Judenheit verringert hatte.
Der Historiker George Mosse spielte wiederholt in Gespraechen ein
Gedankenszenario durch.
Wenn Sie ins Europa des letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts
versetzt waeren und Sie nichts vom spaeteren Verlauf der Geschichte
wuessten, man Ihnen erklaeren wuerde, in einem Land wuerden die
Juden in einem unvorstellbaren Ausmass ermordet werden, auf
welches europaeisches Land wuerden sie tippen ?
Aus seiner historischen Kenntnis des damaligen Europa schloss
Mosse, dass die meisten Menschen an Frankreich gedacht haben wuerden,
oder an das zaristische Russland,. in dem infolge der Ermordung
Zar Alexanders II. Pogrome aufflammten und die Juden in
groesste Gefahr gebracht worden sind.
Den Holocaust haetten deutsche Juden in ihrem Land, trotz anwachsender
judenfeindlicher Rhetorik, für nicht denkbar gehalten.
So Michael R. Marrus in seinem Beitrag Die schwaerzeste Stunde in Illustrierte
Geschichte des Judentums, hrsgb. von Nicholas de Lange.
Obwohl es auch da jeder vernehmen haette koennen. 1878 hielt der preussisch
protestantische Hofprediger Adolf Stoecker vor der christlich sozialen Arbeiterpartei Deutschlands,
die fuenf Jahre nach dem grossen Boersenkrach gegruendet worden war, eine
Rede, die eine antisemitische Welle ausloeste und instrumentalisierte den
Antisemitismus als politische Waffe, die in aehnlich gelagerter Form auch in Wien Wirkung
zeigen sollte. Auch da dieses verhaengnisvolle Wirken von katholischem
Antisemitismus und rassistischen deutschnationalen Kraeften.
Beide Ereignisse, der wachsende franzoesische Antisemitismus,
der vor allem von franzoesischen Jesuiten im reaktionaeren Kampf
gegen das Fortschreiten der franzoesischen Aufklaerung geschuert
worden ist, wie auch das gewalttaetige Vorgehen des zaristischen
Russlands mit seinem Rückhalt in der Orthodoxie fanden ein
enormes ideologisches Echo im Wien der Gruenderzeit, bzw. fuehrten
durch den enormen Zuwanderungsdruck der Ostjuden zu
realen gesellschaftlichen Konflikten, die in einem extrem radikalisierten
Antisemitismus gipfelten, der letztendlich zumVorbild Hitlers in seiner
auf Deutschland uebertragenen Judenhetze geworden ist.
An diesem fruehen Antisemitismus, dem Antisemitismus
der Gruenderzeit, der damals zum modischen Denkaccessoire nicht
nur restaurativer Kräfte sondern auch gesellschaftlich sich
fortschrittlich definierender Kraefte geworden war, hatte
die Kirche und der politische Katholizismus, der der Aufklaerung
den Kampf erklaert hatte, wesentlichen Anteil. Antisemitismus
galt als modern.
So verurteilte das Provincial Concil Viennensis unter der Leitung
des Josef Kardinal Rauscher 1859 die zeitgeistigen und in der
Aufklaerung wurzelnden Stroemungen des Atheismus, des Materialismus,
des Kommunismus, der Toleranz als kirchen- und glaubensfeindlich, voellig im
Sinne des Papstes Pius IX.
Am 8. Dezember 1864 veroeffentlichte Pius IX. die Enzyklika „Quanta cura“, der von
Kardinalstaatssekretaer Antonelli ein Syllabus, d.h. eine Zusammenstellung der hauptsaechlichsten Irrtuemer der Zeit, beigefuegt war. Die Saetze betrafen Ansichten ueber den Pantheismus, Naturalismus, Rationalismus, Indifferentismus, Sozialismus und Kommunismus, irrige Lehren ueber die Gesellschaft, die christliche Ehe und die natuerliche und christliche Sittenlehre.
Papstgeschichte. Aktualisierte Neuausgabe" (Freiburg 1988, 353-367) von August Franzen und Remigius Baeumer.
Hinter all diesen Stroemungen wurden juedische Aktivitaeten vermutet und so verband sich der traditionelle Antisemitismus der Kirche aus theologischem Kalkuel nun dem Kampf gegen die Aufklaerung, die im 20.Jhdt. in der populistischen Perspektive der Nazis als Werk juedischen Verderbens der abenländischen Kultur hingestellt worden ist.
Die Nazis brauchten sich der vorgeformten Muster bloss zu bedienen und in ihrer Absicht weiter zu verdichten und wiederum massenhaft zu propagieren..
Tatsaechlich hat der rabiate Antisemitismus Karl Luegers und seiner christlichen Sozialpartei zuvor bei weitem mehr Menschenmassen erreicht als vergleichsweise der deutschnationale Schoenerer mit seinem voelkisch rassistisch begruendeten Antisemitismus.
Der Antisemitismus wird von Kardinal Rauscher selbst nicht ausdruecklich formuliert, wird aber zweifellos zu einer gefaehrlichen politischen Waffe des politischen Katholizismus, der der Formel Rauschers: Oesterreich ist ein katholischer Staat neue Realitaet verleihen wird.
So schreibt Wilhelm Goldbaum, Schriftsteller und Journalist, ab 1872 Mitherausgeber
der Neuen freien Presse in seiner Schlussbetrachtung der 1883 in Wien erschienenen
Geschichte der österreichischen Juden von Gerson Wolf Die Juden:
Sie geben sich einen Namen: Antisemiten, sie predigen das rohe
Gebot von der Rechtsverschiedenheit der Race, sie erheben die
brutale Gewalt zu einem Faktor in einem modernen Staate. Und
die Juden sind das Versuchsobjekt fuer die neue Lehre. Aber
was liegt am Ende an den Juden ? Ginge es nur darum, diese mit
Gewalt niederzukämpfen, so waere der Antisemitismus eine
schamlose Feigheit, der Riese stuende wider den Zwerg. Doch
es geht um etwas anderes. Was man den Juden nehmen kann,
obwohl es ihnen in den Verfassungen verbuergt ist, die persoenliche
Sicherheit, den gleichen Anspruch auf Pflicht und Recht im
Staate, das nimmt man gelegentlich auch den uebrigen, denen
es ebenfalls nur durch Verfassung verbuergt ist.
Und das verhuete Gott. Die Antisemiten bilden den Vortrab der
Reaktion. Wenn sie vom Capitalismus, vom Nationalismus, vom
Patriotismus reden, so ist es Luege und nichts als Luege.
Der Capitalismus ist nichts ausschliesslich juedisches und noch
weniger etwas an und fuer sich schaedliches. Der Nationalismus
ist in seiner Ausschliesslichkeit ein Unglueck fuer den Staat, welchen
man ihm als den treibenden Gedanken aufnoetigen will. Der Patriotismus
hingegen ist ein gemeinschaftliches Gut aller, welches den selben Boden
zeugt. Er hat mit Race und Bekenntnis nichts zu schaffen.
Goldbaum erkennt die ueber den Antisemitismus hinausgehenden Moeglichkeiten,
die mit seiner Hilfe in Szene gesetzt werden koennen, die sich nicht allein
gegen die Juden, sondern gegen alle richten werden, die nicht in den
reaktionaeren Kanon passen wollen.
Ja wohl, die Judenfrage ist nur eine Formel der Reaktion, in ihrem Kern
weder wirtschaftlich noch social, sondern politisch; sie wird aufgerufen
im Kampfe der Parteien als Mittel, um den Liberalismus zu discreditieren.
Die Juden galten aber nicht nur als Verursacher des Liberalismus.
Vorgeworfen wurden ihnen auch die Beteiligung an den sozialen und
umstuerzlerischen Bewegungen.
Gerson Wolf hat 1849 eine Schrift ueberDie Democratie und der Socialismus; das
allgemeine Wahlrecht und die Gleichheit verfasst, wegen der er sich
gegenueber der Justiz zu rechtfertigen hatte und dererwegen er jahrelang auf eine schwarze Liste kam, die von der Polizei infolge der 1848 er Revolution angelegt worden ist.
Schwarze Liste hiess der Suendenkatalog, weil die Namen und Verfehlungen
in ein schwarzes Buch eingetragen worden sind, das jeweils etwa bei Ansuchen
um einen Reisepass fuer eine Reise ins Ausland zurate gezogen werden musste.
Wie lange derartige Vorwürfe sich methodisch halten, zeigt die Affaire um den
Abgeordneten der CDU Martin Hohmann in Deutschland 2004.
Er behauptete ganz im Sinne des aktuellen rechten Revisionismus, dass die bolschewistisch leninistische Partei der Sowjetunion vor allem von Juden getragen worden waere.
Es waren zwar Juden Angehoerige des Politbueros und des Zentralkomitees
der KPDSU und es gab juedische Funktionaere unter der Bolschewiken
und juedische Soldaten der Roten Armee, die von Leo Trotzki aufgebaut worden ist.
Der reaktionaere Revisionismus hat immer schon versucht, missliebige Inhalte
in Verbindung mit Juden zu bringen um damit den jahrhundertealten Antisemitismus,
der zu einem praegendem Teilelement der auropaeischen Kultur gehoert, in voller
Wirksamkeit zu entfalten.
Aber es ist nicht ueberall juedisch drinnen, wo juedisch drauf steht und trotzdem
laesst sich der Antisemitismus in Szene setzen, selbst wenn keinerlei Juden in
Sicht sind.
Vor etwa zwei Jahren berichtete der Wiener Standard ueber eine Wortmeldung
im Wiener Haus der Heimat, dass vor allem von den Vertriebenenverbaenden
genutzt wird.
Wer sich wie ein Jude benimmt, wird wie ein Jude behandelt.
Vergleichbare Tendenzen lassen sich ebenso auf rechtsradikalen Websites erkennen.
Golo Mann hat in seinem 1960 erschienenen Essay ueber den Antisemitismus
am Bespiel Deutschland über die Unverhaeltnismaessigkeit dieser Anlastung
politischer Subversion hingewiesen. Es gab wohl viel mehr nichtjuedische Revolutionaere und Parteigaenger.
Es ist zwar richtig, dass fuehrende revolutionaere Theoretiker wie Marx, Lassalle,
Rosa Luxemburg, Bernstein, Hilferding, Adler, Trotzki juedischer Herkunft
gewesen sind, dass der Anteil an sozialistischen und kommunistischen Bewegungen
hoeher gewesen ist gegenueber dem allgemeinen Populationsanteil der Juden,
aber ebenso richtig ist, dass sie nicht um die juedische Vorherrschaft im
Sinne einer juedischen Weltverschwoerung kaempften, wie ihnen immer
vorgeworfen worden war, sondern die Ziele einer allgemeinen Emanzipation vor
Augen hatten, die weder an Rassen noch an Klassenherrschaft gebunden
waren.
Weder die KPDSU noch die deutschen oder oesterreichischenSozialdemokraten haetten
ihre Wirkung erzielen koennen, wenn sie allein eine juedische Partei gewesen waeren.
Den juedischen Revolutionaeren in der Sowjetunion wurde ihre Herkunft
auch ohne Zutun der Nazis zum Verhaengnis. Stalin liess viele von ihnen
als „trotzkistische Abweichler“ liquidieren oder in den Gulag verbringen.
Trotzkistisch ist in dieser Zeit oft auch fuer Juedisch gestanden.
Und man muss Leute wie Hohmann immer wieder entgegnen, das politisches Engagement
nicht Angelegenheit rassistisch ausgelegter Statistiken ist.
Es gab sowohl einen rechten wie linken Antisemitismus. Letzterer
stuetzte sich meist auf die rigide Ablehnung von Karl Marx sowohl des liberalen
capitalistischen wie des religioesen Judentums.
In der sozialdemokratischen Arbeiterklasse gab es antisemitische Ausbrueche,
die sich vor allem gegen kapitalistische liberale Geschaeftemacher richteten.
Der deutsche Militaerhistoriker Michael Wolffsohn, der sich 2004 im Zuge der Terrorismusbekaempfung fuer die Ausuebung der Folter eingesetzt hat, wirft dem SPD Chef Muentefering vor, wie die Nazis zu hetzen, weil der die Geschaeftsmethoden des Neoliberalimus mit einem Heuschreckenschwarm verglichen hat. Der SPD Vorsitzende benutze Worte aus dem Woerterbuch der Unmenschen. Er wuerde gegen Unternehmer so hetzen wie einst Nationalsozialisten gegen Juden.
60 Jahre 'danach' werden heute wieder Menschen mit Tieren gleichgesetzt, die - das schwingt unausgesprochen mit - als Plage' vernichtet, 'ausgerottet' werden müssen, schreibt Wolffsohn aktuell in der Rheinischen Post.
Muentefering hatte das Verhalten deutscher Firmen und internationaler Finanzinvestoren angeprangert, die keine Ruecksicht auf Arbeitnehmer und den Standort naehmen. Dazu hatte er in einem Interview mit der Zeitung "Bild am Sonntag" gesagt: Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplaetze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwaerme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter.
Tatsaechlich ist das Metapher ungluecklich gewaehlt. Der soziale Aufstieg von Juden
wurde im Jargon des politischen Katholizismus Ende des 19. Jhdt als biblische Plage der Wanderheuschrecken dargestellt. Eine Metapher, die auch Hitler in seinen Reden
verwendet haben soll, so Friedrich Heer in seinem Buch Der Glaube des
Adolf Hitler. Es waere allerdings unertraeglich, wenn Muenteferimg in Anlehnung
an Moellemann und Hohmann die Metapher bewusst gewaehlt hat, um auch neurechte
Zustimmung zu erlangen. In der Sache ist seine Kritik durchaus angebracht.
Die inhaltliche Kritik entspricht einer Tatsache, einer Strategie des neoliberalen
Kapitals, die so auch von den neokonservativen Vordenkern Alvin und Heide Toffler
in ihrem 1993 erstmals in New York erschienenen Buch Ueberleben im 21.Jahrhundert beschrieben worden ist, ohne jedoch eine biblische Metapher zu verwenden, und ohne einen Zusammenhang mit den Nazis herzustellen, wie dies nun Wolffsohn gegenueber Muentefering getan hat.
Der verbale Antisemitismus ist deswegen so gefaehrlich, weil er im unausgesprochenen
Kontext ebenso zu wirken beginnt. Wolffsohn hat bloss eine potentielle Anspielung
verlaengert.
Dass die sozialistischen Bewegungen sich mit juedischem Geschaeftssinn ohnehin
schwer getan haben, moege diese Passage aus Otto Bauers Oesterreichischer Revolution, erschienen in Wien 1923, belegen.
Aus Valutenspekulation und dem Schiebertum entstanden neue grosse Vermoegen.
Die schweren Hindernisse, die die staatliche Gesetzgebung der Valutenspekulation
und dem Schiebertum entgegenzustellen versucht hatte, konnten nur von besonders
gerissenen, besonders bedenkenlosen Haendlern ueberwunden werden. Es waren
Methoden der „urspruenglichen Akkumulation“ in Marxens Sinne, aus deren
Anwendung die neuen grossen Vermoegen entstanden. Den an die normalen Formen
kapitalistischer Betaetigung in hochindustriellem Milieu gewohnten Kapitalisten
waren diese Methoden nicht vertraut. Desto besser vertraut waren sie dem
Haendlertum aus dem agrarischen Osten, wo das Kapital, noch gleichsam in
den Poren einer noch vorkapitalistischen Gesellschaft lebend, noch die brutaleren
und korrupteren Methoden der „urspruenglichen Akkumulation“ anzuwenden
gewohnt war.
Die galizischen Juden, die der Krieg in grossen Massen nach Wien geworfen hatte,
die ungarischen Haendler, die vor der Revolution in Österreich Zuflucht gesucht
hatten, stellten zu den Nutzniessern der Geldentwertungskonjunktur ein starkes
Kontingent.
Und zu ihnen gesellten sich noch die zahlreichen „Goldsucher“ aus den
valutastarken Laendern, die nach Oesterreich kamen, um die Konjunktur des
„Ausverkaufs“ auszunuetzen.
So entwickelte sich aus der Geldentwertungskonjunktur eine neue Bourgeoisie,
die zum grossen Teil aus landfremden, kulturell tiefstehenden Elementen, die
ihren Erfolg ihrer geschaeftlichen Findigkeit und ihrer moralischen
Skrupellosigkeit verdanken, zusammengesetzt ist.
Es war war wahr geworden, was der junge Friedrich Engels im Jahre 1848,
wenige Wochen vor der oesterreichischen Maerzrevolution, vorausgesagt
hatte:
„dass es recht gemeine, ....... recht juedische Bourgeois sein werden, die das altehrwuerdige Reich ankaufen“.
Der kulturlose Luxus der an der Not des Landes bereicherten neuen Bourgeoisie erbitterte die Volksmasse. Eine Welle des Antisemitismus ergoss sich über das ganze Land.
Diese kritische, ablehnende, aber auch antisemitische Position Otto Bauers mag vielleicht erklaeren, warum sich
so manche revolutionaere Sozialisten in der Zeit der Illegalitaet der 30 er Jahre
sich mit ebenso illegalen Nationalsozialisten verstaendigen konnten und warum
die Sozialdemokratie mehr oder minder konfliktfrei ihre akademischen Kader in
der zweiten Republik im Bund Sozialistischer Akademiker mit ehemaligen
Nationalsozialisten auffuellen konnte.
Otto Bauer spricht hier weiters eine demographische Entwicklung an, die ihre Ursachen
jedoch nicht allein im Krieg 1914 hat.
Brigitte Hamann berichtet, dass 1860 etwa 6000 Juden in Wien gelebt haben. 30 Jahre spaeter lebten in Wien bereits 120000 Juden und 1910 war die Zahl der in der Hauptstadt Ansaessigen auf fast 180000 angestiegen. Das enstprach etwa einen Bevoelkerungsanteil von 8,7 Prozent, der in weiterer Entwicklung konstant geblieben ist. Diese Zahlen beruecksichtigen nur jene Juden, die sich zum moasischen Glauben bekannten. Nicht eingerechnet sind die assimilierten und getauften Juden und nichtgemeldete Zuzuegler.
Im Zuge der rechtlichen Gleichstellung, derAufhebung der Niederlassungsbeschraenkungen kam es zu einem enormen Zuzug juedischer Bevoelkerungsteile aus dem Osten der Monarchie nach Wien, der noch einmal durch die russischen Pogrome in der 1882 verstaerkt worden ist. Mehr als zweihunderttausend Juden flohen vor der drohenden Verfolgung nach Galizien und ein Teil davon zog nach Wien weiter.
Ein derartiger Populationszuwachs, der von der Krone durchaus gefoerdert und
keineswegs unterbunden worden ist, fuehrte zwangslaeufig zu strukturellen, wirtschaftlichen
und politischen Veraenderungen. Die Juden hatten durchaus Einfluss in den neu
sich entwickelnden Finanzstrukturen, waren beteiligt an der Industralisierung, die
wiederum die alten Gewerbeordnung und die damit verbundene soziale Ordnung
ueber den Haufen warf. Und sie entwickelten ein sehr selbstbewusstes und modernes
Kulturbild in Presse und Kulturleben, das alsbald mit den tradtionellen Wertvorstellungen
in Konflikt geraten ist.
Den Juden wurde sowohl ihre Beteiligung an der buergerlichen Emanzipation wie an
der sozialistischen Revolution angelastet. Sowohl die eine wie die andere
wurden als juedische Verschwoerung und Volksverhetzung dargestellt.
Dass sich die Juden in ihren emanzipatorischen Bestrebungen und Befreiungsbemuehungen
an die Seite der gesellschaftlich fortschrittlichen Kräfte gestellt haben, ist
ihnen nicht zu verdenken und auch nicht anzukreiden.
Anton von Schmerling, 1849 bis 1851 Justizminister des liberalen Kabinetts
Schwarzenbergs konstatiert folgenden Zustand.
Die Abgeschlossenheit, in welchem das Judentum sowohl durch die Lehre der
Rabbiner, als auch durch die christlichen Eiferer zurückgedraengt wurde, brachte
es mit sich, dass die Juden mit dem Volk, in dem sie lebten, nie verschmolzen.
Daher schreibt sich der heutige Zustand mit Erscheinungen, welche eine
tiefgreifende Trennung bekunden, mit seiner bedauerlichen Anfeindung in
confessioneller Beziehung, mit den vielfachen Einschraenkungen in rechtlicher
Beziehung, mit der eigentuemlichen fremdartigen Gestaltung im Familienleben,
mit der Erscheinung eines fortwaehrend sich vergroessernden Juden Fidei
Commissses in sozialer Beziehung, mit der Erscheinung des orientalischen
Typus in physiologischer Beziehung und mit zersetzenden Kriticismus in
literarischer Beziehung, kurz mit einer durch und durch gehenden Spaltung
durch alle Richtungen des physischen, psychischen, politischen, religioesen
und socialen Lebens.
Schmerling war durchaus ein Verfechter der Integration und
vor allem unter der Regentschaft Franz Joseph I wurde die Gesetzgebung
fuer eine Gleichstellung der Juden in die Wege gebracht und umgesetzt.
So kann Gerson Wolf 1883 feststellen:
Die Juden sind heute in Oesterreich vollkommen gleich berechtigt, die
Gleichberechtigung ist nicht nur am Papier, sondern sie wird tatsaechlich
durchgefuehrt.
Gleichwohl oder gerade deswegen wird die Gleichberechtigung von
den deutschnationalen und christlichsozialen Antisemiten angegriffen
und bekaempft.
Der kaiserliche Index der verbotenen Buecher in dieser Zeit ist voll
von Titeln antisemitischen und deutschnationalen Inhalts. Aber auch
die Schriften der Sozialdemocraten und die der nationalen Unabhaengigkeits
bewegung der Tschechen und Italiener werden haeufig indiziert.
Ebenso indiziert in dieser kaiserlichen Liste der verbotenen Buecher
ist Das Kapital von Karl Marx. Ein entsprechendes Verbot im Index
des Vatikan ist jedoch in diesem Fall nicht gegeben.
Es scheint so, dass sich in der Reaktion auf die Emanzipation
der Juden wie auch auf die allgemeine Emanzipation im kaiserlichen Oesterreich parallel sowohl in den deutschnationalen Stroemungen wie auch im politischen Katholizismus,
der sich uebrigens auch gegen den Kaiser richtete, der Antisemitismus zu
einem entscheidenden politischen Kampfmittel entwickelt worden ist,
der spaeter im nationalen Sozialismus die zentrale Rolle gespielt hat.
Gerson Wolfs Geschichte der oesterreichischen Juden beinhaltet eine
Mengen Quellen über die Jahrhunderte andauernde Diskriminierung
und Verfolgung der Juden in Oesterreich und in Europa.
Einige davon moechte ich in Erinnerung rufen, um den historischen Hintergrund
dieser jahrhundertalten Praegung, die wie ein konditionierter Reflex je nach
Bedarf abgerufen werden konnte, darzustellen.
Der paepstliche Legat Guido berief im Auftragvon Papst Clemens IV (1265 -1268)
am 12.5. 1267 ein Concilium zu St.Stephan in Wien ein, in dem
unter anderen Bestimmungen für Juden festgelegt worden sind.
An dem Concilium nahmen Bischoefe, Aebte, Proebste und Dechanten
der Dioezesen Salzburg, Prag, Passau, Brixen, Freisung und
Regensburg teil.
Juden mussten von da an eine besondere Kleidertracht und den
gehoernten Hut tragen. Der Besuch von christlichen Badeanstalten
und Gasthaeusern wurde ihnen untersagt.
Neue Synagogen durften nicht mehr errichtet werden und es
wurde den Juden verboten christliche Dienstboten zu halten.
Die Kirchenversammlung 1279 im ungarischen Ofen in Anwesenheit
polnischer Bischoefe hat aehnliches beschlossen.
Das zivile und religioese Leben von Juden wird sowohl in Polen wie
in Ungarn empfindlich eingeschraenkt.
1496 werden die Juden aus der Steiermark, 1498 aus Salzburg,
1513 aus Krain und Kaernten, 1518 aus Tirol und 1596 aus
Oberoesterreich vertrieben und duerfen sich in den genannten
Kronlaendern bis 1848 nicht mehr niederlassen.
1242 wurden in Paris juedische Schriften und der Talmud oeffentlich
verbrannt.
Es sei angemerkt, dass Thomas von Aquin zu dieser Zeit seine ersten Studienjahre in
Paris in dieser aufgepeitschten Athmosphaere des Judenhasses verbracht hat.
Auch er war nicht frei von feindlicher Haltung gegenueber
der juedischen Religionsgemeinschaft
Aquin gilt als der theoretische Begruender der Inquisition. Er war Angehöriger des Dominikanerordens, der in Folge wesentlich die Geschicke der Inquisition bestimmte.
In seiner Summe der Theologie ueberantwortete er die Ketzer allgemein
nach vorgehender zweimaliger Verwarnung der physischen Vernichtung.
Das sollte sich in den spanischen Inquisitionsprozessen gegen christianisierte
Juden, die zum Uebertritt gezwungen worden sind, und fuer die, die an ihrem Glauben offen festhielten, verhaengnisvoll auswirken.
Henry Charles Lea zitiert in seiner in New York 1888 erstmals erschienenen Geschichte
der mittelalterlichen Religion aus Summe der Theologie des Thomas von Aquin, aus dem
zweiten Teil sec.sec. Q.XI, art. 3,4
Der heilige Thomas von Aquin, dessen Autoritaet all seine Vorgaenger in Schatten stellte, und der die Canones und die Dogmen in ein dauerndes, moch heute giltiges System brachte, setzt mit erbarmungsloser Genauigkeit folgende Regeln fest:
sec.sec. Q.XI, art. 3,4
Ketzer, sagt er, duerfen nicht geduldet werden. die liebevolle Barmherzigkeit der Kirche gestattet ihnen zwei Warnungen, worauf sie im Falle der Hartnaeckigkeit dem weltlichen Arme ueberlassen werden muessen, um durch den Tod aus der Welt geschafft zu werden. das, schliesst er, zeigt die grenzenlose Liebe der Kirche. denn es ist weit schlimmer, den Glauben zu verderben, von dem das Leben der Seele abhaengt, als Muenzen zu faelschen, die nur fuer das zeitliche Leben den Unterhalt bieten. darum, wenn der Falschmuenzer und andere Uebeltaeter zum Tod verurteilt werden, muessen Ketzer mit noch viel mehr Recht, sobald sie ueberfuehrt sind, hingerichtet werden. doch wird die Kirche in ihrer Gnade den Suender stets wieder in ihren Schoss aufnehmen, gleichgiltig, wie oft er rueckfaellig gewesen sein mag, und wird ihm voll Guete eine Busse auferlegen, wodurch er das ewige Leben gewinnen kann; aber die Liebe gegen den einen darf nichts Boeses fuer andere mit sich bringen.
Darum wird der erstmalige Ketzer, der bereut und widerruft, zur Busse angenommen, und sein Leben wird geschont. wenn er aber rueckfaellig wird, kann er zwar um des Seelenheils willen auch zur Busse zugelassen, aber von der Todesstrafe nicht befreit werden.
Nach diesem Urteil des Aquino ist klar, dass die Juden, nachdem sie Christus leugneten,
also einen wesentlichen Teil des katholischen Glaubens nicht angenommen haben,
zu den Verderbern der Religion zaehlten. Das wurde ihnen in Spanien zum Verhaengnis,
und nicht allein da.
Nachdem der Katholizismus in jenen Zeiten totalitaer gewesen ist, und keine andere
Religion neben sich duldete, wurden alle Juden, die sich nicht zum christlichen Glauben
bekennen wollten, in Acht und Bann getan haben.
Selbst jene Juden, die in Spanien unter Zwang zum Christentum uebergetreten waren,
wurden ueber Generationen hin observiert. Bemerkte man oder stellte man fest, dass sie
im Geheimen ihrem alten juedischen Ritus folgten, wurden sie erbarmungslos der
Inquisition uebergeben und nach der Verurteilung dem weltlichen Arm ueberantwortet,
der die Hinrichtung oeffentlich zu vollstrecken hatte.
Bereits die Kreuzfahrer richteten im 11.Jahrhundert auf ihren Zuegen ins heilige Land,
die zu Beginn zwangslaeufig durch Europa fuehrten, Blutbaeder in den juedischen
Gemeinden an. Es gab juedische Gemeinden, deren Mitglieder sich selbst und ihre
Kinder ums Leben brachten, weil sie es vorzogen von eigener Hand als durch die
Waffen der Unbeschnittenen den Tod zu erleiden. So in Mainz des Jahres 1096.
Solche Selbstmordwellen wiederholten sich in der Zeit um Reichskristallnacht 1938 in Wien, 680 Wiener Juden brachten sich ums Leben, weil sie nicht in die Haende der Nazis fallen wollten.
Die spanischen Dominikaner und Ordensbrueder des Thomas von Aquin fuehrten
1263 in Barcelona Disputationen durch, in denen Juden und Muslime missioniert
werden sollten. Diese Dispute waren jedoch eher Tribunale als friedlicher Austausch
unterschiedlicher Glaubensauffassungen.
Nur eine Schlussfolgerung durfte es geben. Die Juden mussten das Christentum
annehmen. (Ora Limor in Illustrierte Geschichte der Juden). Grausame Judenverfolgungen
Vernichtung und Vertreibung folgten.
Papst Leo XIII stellte Aquin 1879 in den Rang des grundlegenden wie verbindlichen
Philosophen des Katholizismus und wurde entsprechend in den
katholischen Schulen und insbesondere in der Ausbildung von
Priestern zur Lehrmeinung erhoben.
Das zweite vatikanische Konzil bestaetigte Aquin in dieser fundamentalen
Rolle. Andererseits oeffnete sich Johannes Paul XXIII gegenueber den Juden
und leitete eine neue Ordnung der Beziehungen ein, die mit Johannes Paul II
ihren vorlaeufigen Hoehepunkt gefunden hat. Im Anhang findet sich ein
Nachruf der Israelischen Botschaft in der Schweiz auf den kuerzlich verstorbenen.
1553 bis 1559 folgten Verbrennungen juedischer Schriften
in Venedig, Bologna und Cremona.
Die letzte oeffentliche Verbrennung juedischer Schriften vor den
Autodafes der Nazis findet 1714 in Prag statt.
Am 16.8.1812 erlaesst Franz I in Wien ein Dekret, nachdem Juden
nach wie vor nicht zu den hoeheren akademischen Wuerden zugelassen werden,
da die Wuerdentraeger der Universität gottesdienstlichen katholischen Feiern
beiwohnen muessen.
Das ist einerseits ein Beweis für die Diskriminierung von Juden und
andererseits ein Beleg dafuer, dass die wissenschaftliche Lehre zu diesem Zeitpunkt
noch streng an die katholische Glaubenslehre und Ideologie gebunden
gewesen ist.
Der merkwuerdige Grenzgaenger zwischen Katholizismus
und Nationalsozialismus Bischof Alois Hudal, der beide Weltanschauungen
miteinander verbuenden wollte, sieht den Ursprung des Nationalsozialismus
nicht etwa in Deutschland, sondern im alten Österreich und auch da nur
in einem bestimmten Gebiet der Habsburger Monarchie, das durch die
Länder Steiermark und Kärnten und das von Deutschen besiedelte
Sudetenland (Boehmen und Maehren) begrenzt ist.
Der nationale Gedanke war in diesem Voelkerstaat frueh lebendig geworden.
Ein Buchdruckergeselle sammelte dort Gleichgesinnte zum Volkstums-
und politischen Weltanschauungskampf gegen Tschechen und Marxisten.
Sie gruendeten die „Deutsche Arbeiterpartei“, aus der 1917 die deutsche
nationalsozialitische Bewegung entstand, deren Programmatiker
Ing.Rudolf Jung zwei Jahre spaeter das Buch vom „Nationalen Sozialismus“
schrieb. Hakenkreuz und Hammer waren Symbol dieser volksdeutschen
Bewegung, deren fuehrende Männer, Hans Knirsch, Rudolf Jung, Hans
Krebs und Franz Jesser, allgemeine Bedeutung haben.
So empfing die oesterreichische Jugend in Oesterreich - der Katholizismus
wurde seines Fuehrerberufes sich in voelkischen Belangen erst an der Wende
des zwanzigsten Jahrhunderts wieder staerker bewusst - eine andere
politische Praegung als jene im Deutschen Reich. Sie wurde hart und
unmittelbar vor Aufgaben Fragen und Entscheidungen gestellt, die das
Reich nicht kannte.
Die Gefahr der abbroeckelnden Grenzen, die Not der Deutschen im Vorfeld
und in der Zerstreuung schuf hier eine ganz andere Atmosphaere.
Lebendig stand der Volkstumskampf vor allen, der Kampf um Hof und
Feld in den deutschen Gebieten in Böhmen und Maehren und Schlesien,
in Suedtirol, in Suedkaernten, Suedsteiermark und an den Grenzen des
deutschen Siedlungsraumes im Osten.
So Bischof Dr.theol.Alois Hudal, der sich 1914
an der Theologischen Fakultät Graz für alttestamentliche Bibelwissenschaft
habilitiert hat. 1923 wird er zum ordentlichen Professor ernannt und
uebernimmt das Rektorat des Anima Kollegs in Rom, der Ausbildungsstaette
deutschsprachiger Priester im direkten Umfeld des Vatikans.
Das Zitat ist seiner ideengeschichtlichen Untersuchung der Grundlagen
des Nationalsozialismus, die, 1936 veröffentlicht, sowohl in katholischen
wie nationalsoialistischen Kreises Anstoss und Misstrauen erregte, entnommen.
Hudals Machwerk wurde von der Verteidigung Franz von Papens, ehemals Reichskanzler und Wegbereiter Hitlers als Dokument für die objektive Wuerdung der positiven
sozialen Gedanken des Nationalsozialismus im Nuernberger Kriegsverbrecher
Prozess vorgelegt. Franz von Papen wurde in Nuernberg freigesprochen.
Julius Streicher, Gauleiter zu Nuernberg und Herausgeber der uebelsten antisemitischen Hetzschrift
Der Stuermer, hat sich auf Luther berufen und seine moerderische
antisemitische Propaganda mit Luthers antisemitischen Spaetwerk begruendet,
konnte weniger Nachsicht als der Herrenreiter erwarten und wurde zum Tod
durch den Strang verurteilt.
Hudal, zweifellos eine besondere Erscheiung in der Tradition des politischen
Katholizismus oesterreichischer Prägung. nennt seine politischen
Vorbilder. Einen davon stellt er gleich in den zutreffenden Kontext.
Einen der groessten dieser Kaempfer, den Wiener Buergermeister
Dr. Karl Lueger, behandelt der Fuehrer der Nationalen Bewegung
in seinem Buche "Mein Kampf" geradezu als Vorbild und Lehrmeister.
Hudal nennt ihn den groessten deutschen Buergermeister aller Zeiten.
Zu Beginn der politischen Karriere des Lueger stand seine von ihm ins
Leben gerufene Gesinnungsgemeinschaft Die Antisemiten, in Anlehnung
an den preussischen Hofprediger Stoecker, aus der
dann die erste Wiener Christliche Volkspartei geformt worden ist.
Auf diese charakteristische Namensgebung der politischen Interessengemeinschaft
Lueger hat Brigitte Hamann in ihrem Buch Hitlers Wien hingewiesen.
In seinen Grundlagen des Nationalsozialismus aeussert sich Alois Hudal
zur Judenfrage, wie er sie nennt, in folgender Weise.
Zweifellos stehen wir also hier vor einer der wichtigen Fragen des deutschen Volkes
Die reiche Statistik der Ausbreitung des Judentums in den geistigen Berufen seit
1890 ist erschuetternd, wenn man ihr die Tatsache gegenüberstellt, dass die Soehne alteingesessener nationaler Familien, die also das Erstgeburtsrecht hatten, jahrelang
stellenlos bleiben mussten, weil Fremdlinge ihnen das taegliche Brot wegnahmen.
Besonders der Marxismus hat in Deutschland und Oesterreich ueberall, wo er an die Herrschaft gelangt war, zielbewusst und ruecksichtslos seine Macht zum Vorteil des Judentums ausgenuetzt, das seinerseits wieder die sozialistische Bewegung
mit reichen Geldmitteln unterstuetzte.
Unverhaeltnismaessig hoch war der Prozentsatz der Juden in den Spitaelern (Wien, Berlin), im Rechtsberufe, in den freien kuenstlerischen Berufen, in der Presse - von der Finanzwelt
nicht zu sprechen.
Die Folge musste eine Vergiftung der deutschen Seele mit fremden Auffassungen und Lehren sein, da nicht immer die noch glaeubige. konservativ eingestellte Schicht des Judentums
an die Macht draengte, sondern die religioes und sittlich zerfallene.
Das Judentum hat erst durch die die franzoesische Revolution am Ende des 18.Jhdt. seine Gleichberechtigung erkaempft.
Seit diesem Ereignis, das man in liberalen Kreisen immer wieder als den Beginn der neuen Zeit und des modernen Rechtsstaates preisen hoerte, wurden immer staerker unter staatlichem Einflusse die zahlreichen Abwehrmassnahmen und Gesetze der katholischen Kirche des Mittelalters ueber die Stellung der Juden abgebaut.
Ueber diese vorgebliche Vergiftung muss noch genauer nach gedacht werden, vor allem
darueber, wie reaktionaer und rueckstaendig die deutsche Seele gewesen sein muss, weil
sie derartig akute Probleme mit Aufklaerung und Moderne gehabt hat. Ein passender
Schluessel dazu scheint mir die von Nazis und vom Staendestaat praeferierte Literatur
zu sein, um nicht wieder allein Wagner zu bemuehen, in der die schlichte Volkseele gepflegt
und in denen als Ausbeuter und Verfuehrer immer nur Juden genannt werden, und nicht
die Krupps, die Flicks und ihre oesterreichischen Entsprechungen. Anstelle von
Mordernitaet stand die Heimatpflege, die Trachtenvereine und die sogenannte
Volkstumspflege, die in zahllosen Musiksendungen und Reihen im oesterreichischen
und deutschen Fernsehen wieder froehlich Urzustaende abgeben.
Ich moechte aber den bemuehten Leser gleich vor der Langatatmigkeit, einfallsloser
Schlichtheit und nicht mehr zu aendernder Oede wie Verstaubtheit zu warnen. Auffaellig ist
vor allem ein ruckwaerts gewandter Historizismus.
und im Text weiter vorne bei Hudal
Die antisemitische Bewegung im deutschen Volke kann aber nicht gerecht beurteilt werden, wenn man nicht die Geographie Mitteleuropas beruecksichtigt, wo seitdem dieFranzoesische
Revolution die staatspolitische Gleichschaltung aller Menschen und Rassen festgelegt hatte, eine unheimliche Zuwanderung oestlicher Elemente stattfand, die bald das fuehrende Geistesleben unter den Deutschen in Beschlag nahm.
und an anderer Stelle:
Der Antisemitismus ist deshalb in gewisser Hinsicht ein auf das Reich uebertragenes ostdeutsches Grenzproblem, erwachsen in jenem Raum, in dem sich das Deutschtum gegen Slawen, Magyaren, Rumaenen zu behaupten hat.
Der lehrende Theologe Hudal belegt den tradierten Antisemitismus, in dem er sich auf Thomas von Aquin, beruft.
Bereits Thomas von Aquin hat uebrigens im 13.Jahrhundert in seiner
Schrift "De regimine Judaeorum" ueber die wirtschaftliche Vorherrschaft
der Juden sich in einer Weise geauessert, die kaum hinter modernen Antisemiten zuruecksteht. „De Regimine Judaeorum“ wurde von Aquin in einer Denkschrift an den Fuersten von Brabant verfasst.
1936 wurde die weitere kirchliche Karriere des Alois Hudal, der den Katholizismus
mit dem Nationalsozialismus offiziell verschmelzen wollte, unterbunden.
Der Versuch war zwangslaeufig zum Scheitern verurteilt, da die christliche
Dogmatik jegliche Form des Rassismus ausschliesst, eine Ansicht die Hudal
in seinem Buch selbst verficht und die dem „Hoftheologen der (Nazi)Partei“ andererseits
das Misstrauen der Nazis, vor allem der Gruppe um Rosenberg, einbringt.
Gleichzeitig zeigt aber dieser eklektizitische Versuch der Vereinigung zweier an sich
widerstrebender Ideologien, dass es uebereinstimmende Schnittmengen zwischen Nationalsozialismus und deutschnational orientiertem politischen Katholizismus gegeben hat.
Tatsaechlich war es ein absurdes Unterfangen, Nationalsozialismus und
Katholizismus in einem gemeinsamen ideologischen Rahmen fuegen zu wollen..
Der katholische Antisemitismus oder auch Antijudaismus kann nicht mit dem
biologisch begruendeten Rassismus der Nazis gleichgesetzt werden, obwohls
in der Bevoelkerung aufs Gleiche hinausgekommen ist.
Der Katholizismus empfand das nicht konvertierte Judentum, die Juden,die
an ihrer alttestamentarischen Form festhielten, als permanente Herausforderung
der religioesen Dogmatik, da die orthodoxen Juden das goettliche Wesen
Christi nicht anerkannten und bis heute nicht anerkennen.
1939 weigert sich Pius XII weiterhin das Protektorat ueber die deutsche Nationalstiftung
Anima wegen Hudals Linie fortzusetzen. Ein Jahr zuvor hatte im bereits Pius XI
untersagt, eine Messe anlaesslich des Einmarsches der Deutschen in Oesterreich
zu lesen.
Trotzdem kann Hudal spaeter weiteren, jedoch nicht mehr oeffentlichen Taetigkeiten
nachgehen, in dem ihm offensichtlich vatikanische Beziehungen nuetzlich sind.
Er leitet mit dem stillen Einverstaendnis des Vatikan und spaeter mit Hilfe der CIC
die beruechtigte Rattenlinie, die NS- wie SS Angehoerigen die Flucht
nach Argentinien moeglich gemacht hat.
Friedrich Heer erwaehnt 1968, dass Simon Wiesenthal ueber reiches
unveroeffentlichtes Material zu diesem makabren Kapitel verfuege. Moeglicherweise
war da eine gewisse Ruecksichtnahme auf die involvierten Dienste der Amerikaner gegeben,
obwohl Wiesenthal einer der wenigen gewesen ist, die deutlich gemacht haben,
dass etwa die Wiedergutmachung bedingt durch die Kalte Kriegs Politik immer
wieder hinausgezoegert worden ist bis in die Gegenwart. Mir ist jedenfalls keine
Arbeit bekannt, die sich auf diesen wesentlichen Teil des Wiesenthalschen Archivs,
von dem Heer spricht, bezieht.
In seiner Biografie berichtet Alois Hudal, dass der oesterreichische
Freiherr Otto Gustav von Waechter 1949 im roemischen Spital Santo
Spirito in seinen Armen gestorben sei.
Dieser Waechter kommandierte 1934 den putschistischen Angriff der
illegalen SS auf das Kanzleramt, dem Dollfuss zum Opfer gefallen ist.
Dieser Waechter wurde 1939 zum Staatskommisar im Liquidationsministerium
Seyss Inquart bestellt und war zustaendig fuer die Entlassung und
Zwangspensionierung aller juedischen Beamten.
Dieser Waechter wird im Oktober selben Jahres zum Chef des Verwaltungsdistriktes
Krakau ernannt, 1942 - 44 uebernimmt er die Leitung des Distriktes Galizien
des Generalgouvernementes Polen und ist einer der Vizegouverneure von
Hans Frank, in dessen Verantwortungsbereich die Todesmaschinerie der KZs
in Polen steht, in der auch ein Teil der zwangspensionierten Wiener Beamten
umgekommen sein wird.
Am 3.3.1941 erliess der SS-Grueppenfuehrer und General der Polizei
Dr. Karl Gustav Waechter, Distriktgouverneur von Krakau, eine Verordnung,
infolge derer die am Burgberg angesiedelten Krakauer Juden in die
Vorstadt Podgorze umziehen mussten, wo sie am 13.3.1943 liquidiert worden sind.
In der Krakauer Burg residierte Dr.Hans Frank, Generalgouveneur des besetzten
und an das dritte Reich angeschlossene Polen.
1945 findet dieser Waechter in Rom in einem katholischen Kollegium unter
dem Namen Otto Reinhardt Zuflucht und wird im weiteren von Alois Hudal betreut.
Waechter soll vor seinem Tod zu Hudal gesagt haben.
Wie sehr bedaure ich es, dass der NS nicht zu einer Verstaendigung mit der Kirche
gekommen ist. Vieles waere heute ganz anders in Deutschland und Europa. Die
Kraft des Bolschewismus waere gebrochen.
Sein direkter Vorgesetzter Hans Frank wird im Nuernberger Kriegsverbrecher Prozess 1946
verurteilt und hingerichtet.
Wahrscheinlich haette Waechter ein aehnliches Schicksal ereilt, wenn er nicht in
Rom Zuflucht gefunden haette.
Sowohl die Kirche wie auch die Nationalsozialisten sahen im Sozialismus,
im Kommunismus, im sowjetischen Bolschewismus den grossen Feind, das Reich des
Boesen und des Antichristen.
Hudal fuehrt in seinem Buch Die Grundlagen des Nationalsozialismus die
ihm wesentlich erscheinenden Vordenker und Wegbereiter an.
Vor allem orientiert er sich am Nationalismus, der in Frankreich zur
Ersatzreligion aufgebaut worden wäre. Hudal unterscheidet aber nicht
zwischen der franzoesisch patriotischen und der voelkischen deutschen
Orientierung. Eine wichtige Unterscheidung einer Wertgemeindeschaft von der
deutschen Blut-und Bodenkonzeption. Maurice Barres, Charles Maurras,
der Vordenker und Leiter der Action Francaise, den Theoretiker der
Ungleichheit der Rassen Joseph Gobineau und infolge Stewart Houston
Chamberlain, der seine Grundlagen des 19.Jahrhundert in Wien verfasst
hat. In dieser Schrift erklaerte er die Juden zum Feind der Menschheit und
wollte das Christentum von juedischen Elementen reinigen.
Damit beeinflusste er sowohl den Antisemitismus der Nazis wie auch
die voelkisch orientierten Anhaenger des positiven Christentums,
zu dessen Vertretern auch Alois Hudal zu zaehlen ist.
Im weiteren seien die Namen jener genannt, die Hudal zu den
geistigen Wegbereitern des Nationalsozialismus zählt.
Meister Eckhart, Nikolaus von Cues, Schopenhauer, Nietzsche,
Dilthey, Richard Wagner, Lagarde, Spengler.
In den Historikern Haeuser, Sybel, Treitschke,
Mommsen und Dreysen sieht Hudal eine der wesentlichen
Kraefte, die das nationale Deutschland geschaffen haben.
Es sei angemerkt, dass unzaehlige Germanisten an diesem Werk ebenso
beteiligt waren, so etwa August Sauer in Prag, der in seiner Monatsschrift
Deutsche Arbeit den Tschechen die kulturellen
Leistungen der Deutschen in Böhmen vorrechnete. Sauer
regte die Literaturgeschichte Josef Nadlers an, der dann in Wien
gelehrt hat, der eine strikte theoretische Bindung an die
germanische Stammeszugehoerigkeit und territoriale Bindung an
die Landschaft einforderte. Kafka wollte Germanistik studieren,
hat diesen Plan aufgegeben, nachdem er Sauer kennen gelernt
hat.
Als nationale Vorkaempfer unter den Dichtern und Kulturphilosophen
nennt Hudal fuer Oesterreich Anastasius Gruen, Anzengruber, Rosegger,
Hamerling, für Bayern Thoma, Felix Dahn, den Niedersachsen
Wilhelm Busch, Adolf Bartels, die volkbezogene Dichtung Stehrs,
Ernst, Strauss, Grimm und Carossa. Besonders hervor hebt Hudal
den Kreis um Stefan George.
Weiters Moeller van den Bruck, Dietrich Eckart, Hermann Loens.
Julius Langbehn, Paul de Lagarde. In diese Tradition stellt Hudal
ebenso Hans Johst und Erwin Kolbenheyer.
In der Betrachtung der sozialen und wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten stellt Alois Hudal audruecklich mit Zufriedenheit fest, dass diese mit den laengst aufgestellten Forderungen von fuehrenden Schriftstellern der Oesterreichischen Christlichsozialen Partei, mit der katholischen Arbeiterbewegung Deutschland (Bischof von Ketteler), der Schule von Moenchen Gladbach (Hitze) und der Kreise um den Baron Vogelsang, des Klassikers dieser christlich sozialen Reformbestrebungen und besonders des Ständestaatsgedankens, ferner von der in Berlin begruendeten christlichsozialen Bewegung uebereinstimmen. Auch mit den sozialen Rundschreiben der Paepste Leo XIII und Pius XI faenden sich weitgehende Uebereinstimmungen.
Gerade auf sozialem Gebiete hat der deutsche Katholizismus
im Reich und in Oesterreich (Lueger) vorbildliche Arbeit geleistet und
schon Jahrzehnte, bevor noch die Gruendung des Nationalsozialismus
eroertert wurde, Vorschlaege unterbreitet, die heute von letzterem
nicht besser formuliert werden koennten.
Wenn einmal in ruhigen Zeiten die Geschichte der Kaempfe des
19.Jahrhunderts geschrieben ist, wird die Tatsache von niemand
mehr bestritten werden können, dass der Nationalsozialismus
wertvolle Elemente seiner sozialen Forderungen von den genannten
politischen Richtungen und Persönlichkeiten herübernehmen
konnte.
Tatsaechlich ist es an der Zeit, diese Zusammenhaenge auszuleuchten
und mit historischer Praezision zu analysieren..
Auch Alois Hudal stellt fest, was Brigitte Hamann zur
Kernaussage ihres Buches Hitlers Wien gemacht hat.
Wer die Reden gewisser Vertreter dieser Vereine und Organisationen
(Deutscher Schulverein, Südmark, Jahn Turnerbewegung), ebenso
die Sprache der deutschnationalen Zeitungen Oesterreichs in den
Jahren 1890 bis 1914 mit der fuehrenden Literatur des heutigen
Nationalsozialismus (1935) vergleicht, wird ueberraschende
Parallelen finden.
Einer dieser fuehrenden Schriftsteller der Osterreichischen Christlichsozialen,
die Hudal meint, duerfte der von Brigitte Hamann ebenso erwaehnte Josef Scheicher
sein, der zum engsten politischen Kreis um Karl Lueger zaehlte.
Scheicher wurde 1842 als Sohn eines Bergbauern im steirischen Stainz
geboren, studierte ab 1865 Theologie im Priesterseminar im niederoesterreichischen
St. Poelten und wurde ebenda 1878 zum Professor für Moraltheologie berufen.
Scheicher wurden vor allem von Sebastian Brunner gefoerdert, der mit
Joseph von Goerres, einem fruehen Exponenten des deutschen politischen Katholizismus und Herausgeber des Rheinischen Merkurs in eine Reihe gestellt wird.
Seine Position in St.Poelten nutzt Joseph Scheicher mit Hilfe des Bischofs von St. Poelten, Matthaeus Josef Binder den jungen Klerus in Österreich im Sinne der Lehren Karl
von Vogelsangs und des rabiaten antisemitischen politischen Katholizismus entscheident und wirksam zu beeinflussen.
Scheicher war sowohl Abgeordneter zum niederoesterreichischen Landtag wie auch des Reichstages. Scheicher scheint ein militanter Politiker gewesen zu sein und wurde vom
Statthalter Joseph Graf Kielmannsegg bei Kaiser Franz Joseph I. als Aufwiegler von Volk
und Klerus gegen Thron und Staat verklagt.
Die besondere politische Sorge Scheichers galt der politischen Organisation der baeuerlichen Bevoelkerung und hat mit Sicherheit zur Erneuerung des Antisemitismus im laendlichen
Raum beigetragen.
Scheicher verfasste theologische, kirchengeschichtliche, sozialpolitische Schriften und
lterarische Erziehungsromane.
Eine kleines wie bezeichnendes Traktat ist die im Jahr 1900 verfasste Utopie Aus dem Jahre 1920 , Ein Traum vom Landtags- und Reichsrathsabgeordneten Dr.Joseph Scheicher.
Scheicher hatte zwar das Ende der Monarchie herbeigewuenscht, doch nicht den
vorangegangen Krieg, der seine Ursachen in den sich verschaerfenden Nationalitaetengegensaetzen der Donaumonarchie hatte, in denen sich die Widersprueche vor allem zwischen slawischer, ungarischer und deutscher Bevoelkerung unloesbar zuspitzten.
In Scheichers Vision tritt anstelle des zerfallenden Kaiserreichs ein Staatenbund von
zwanzig Teilstaaten. Einer dieser Teilstaaten ist die Ostmark mit Wien als Hauptstaat.
Wien ist Sitz des Staatenrates aller vereinigten Oststaaten, die ein gemeinsames
Sternenbanner mit 20 goldenen Sternen auf rotem Grund führen, eine bewusste
Anlehnung an den nordamerikanischen Staatenbund.
Staat und Kirche sind klar getrennt. Die Religion ist kein Polizeimittel mehr, wie man einst gesagt haben wuerde.. Eine bemerkenswerte Feststellung eines Priesters und
Zugestaendnis zur repressiven Funktion des Katholizismus in der feudalen Ordnung.
Den gemeinsamen Wertekatalog bilden die Menschenrechte. Eine allen Staaten
gemeinsame Regierung besorgt die gesellschaftlichen, sozialen Angelegenheiten
und vertritt die Staaten nach aussen. Die Verwaltung wird von jedem Einzelstaat
frei und selbststaendig geordnet. Eine staatenuebergreifende Konstruktion von
Zentralismus und Foederalismus, wie wir sie aus der oesterreichischen Republik
im kleinen ohnehin kennen. Das Heer ist abgeschafft und an seine Stelle eine Art Volksmiliz
getreten, die je nach Bedarf aktiviert wird. Die fuehrenden Amtsinhaber, also
Staatsvorsitzenden, Ministerialen werden nun Obristen genannt. Ein Vergleich
mit der staendestaatlichen Ordnung und der Vaterlaendischen Front
mit ihren faschistioiden Fuehrerpersoenlichkeiten erscheint hier angebracht.
Tatsaechlich hat Dollfuss einen Staatsrat, allerdings nur im bescheidenen
Restoesterreich eingerichtet, im Rest der kleinen Welt in der die grosse ihre Probe
haelt.
Die Obristen waren von den Volksvertretern zu waehlen und durch die
Krone, die in konstitutioneller Form verblieben war, zu bestaetigen.
Der politischen Willensbildung wird durch Volksabstimmungen nach Schweizer
Vorbild Ausdruck verliehen.
Die sozialdemokratische Partei scheint in der Politik keine Rolle mehr zu spielen.
In den Zeitungen der socialdemokratischen Arbeiter in den 90 er Jahren
waere laut Scheicher jeder Satz eine Aufforderung zu Mord und Totschlag, jedes Wort eine gemeine Beschimpfung der Nicht Soci, besonders der Christlichsozialen,
jede Silbe eine Ehrenbeleidigung, ja jeder Buchstabe nahm sich wie ein
Gassenstein oder Kothpatzen aus, der von Juden nach Christen geschleudert
wurde.
Die Sozialdemokraten und die Deutschnationalen bezeichnet Scheicher
als Judensoci und die Nationalen als radicale Wurzelhafte.
Die Wurzelhaften hielten sich mehr an die sogenannten gebildeten,
beziehungsweise studierten oder studierenden Kreise, die Soci an die
nichtstudierten.
Tatsaechlich hatte der antisemitische Deutschnationalismus grossen
Rueckhalt an den Universitaeten, an denen sich die Konflikte zwischen
Nationalen und juedischer Intelligenz verschaerften. Sowohl Parlament
wie auch der Hochschulboden waren die ersten Buehnen extremistischer
Kontroversen und Quell oesterreichischen Verbalradikalismuses.
Den Parlamentarismus seiner Zeit sah Scheicher vor allem von
Obstruktionisten und radikalen Minderheiten missbraucht, die seiner Ansicht
nach jede konstruktive Arbeit verhinderten, waehrend dem hingegen
sich die Massen ruhig verhielten.
Tatsaechlich scheiterte der Reichsrat am fortwaehrenden Nationalitaetenstreit.
Die deutschnationalen betrieben ihre Politik der Vereinigung der
deutschsprachigen Teile Oesterreichs mit Preussen, die anderen Nationen
drangen auf Abspaltung.
Die Rolle des Gruenders des neuen Staatenbundes nimmt in Scheichers
Utopie Karl Lueger ein.
Wir sind Brueder ! Wir reden deutsch, boehmisch, slovenisch, kroatisch,
wälsch, ruthenisch, rumaenisch. Aber wir lieben uns.
und im weiteren
Schlimme Gesichter machten nur die Juden, die Judensoci und
die Anhaenger Wolff Schoenerers.
Da zeigt sich, dass ein wesentliches Element des Politikverstaendnisses
des christlichsozialen Abgeordneten Scheicher die Judenfeindlichkeit
gewesen ist, die sich im weiteren bis zur Forderung nach Vertreibung
steigern wird.
Eine wesentliche Rolle im neuen Staatswesen weist Scheicher der
Wirtschaft zu, die in Form des Kammersystems, dass bis ins heute
die Republik mitbestimmt, geregelt ist, dem sowohl Vertreter der
Arbeiter, des Gewerbes und des Handels angehoeren.
Die auf freien Wahlen beruhende allgemeine parlamentarische Demokratie
ist abgeschafft.
Die hoeheren Staatsämter werden durch die Kammervertreter gewaehlt
und die Staatsraethe (Obristen) aller vereinigten Staaten waehlen den
Staatenrat, auch heute noch manchmal Reichsrat genannt.
Das enstspricht dem Wahlsystem eines totalitaer durchkonstruierten
Staende-Staatswesens.
Offensichtlich hat Ignaz Seipel die Scheichersche Utopie in seinen Ueberlegungen zu einem
Staendestaat mit faschistischen Koerperschaften zum Vorbild genommen.
Der Staendestaat war also nicht Antwort auf die sozialdemokratischen
Umsturzversuche 1934, sondern eben ein seit langem gehegtes wie
fundiertes Projekt, wahrscheinlich vergleichbar den Vorstellungen der
spanischen Falangisten.
Auch paepstliche Enzykliken bevorzugen derartige Staendekammern
von Bauern; Gewerbe- und Handelstreibenden wie Arbeitern.
Scheicher ist Gegner des wirtschaftlichen Liberalismus und
so kommt es, dass in seiner Utopie Grossbetriebe und die
Industrie insgesamt verstaatlicht sind, die von den Obristen
verwaltet werden.
Den Sozialisten wirft Scheicher durchgaengig vor, einen Sklavenstaat
errichten zu wollen und unterstellt ihnen, vor allem juedischen Interessen
zu dienen. Auch hier ist ein Vergleich mit den rechtsradikalen
Verschwoerungstheorien der Nazis angebracht.
Scheicher ist andererseits auch Gegner des Kapitalismus und so ist
in seinem utopischen Staatengebilde die Zinswirtschaft abgeschafft und
anstelle des Geldkreislaufes treten frei sich bildende Kooperativen und
Geschaeftsmodelle, die an die ebenso utopische Freigeldlehre
erinnern.
Die Mittel fuer grosse Infrastrukturvorhaben werden allein vom Staat
vorgeschossen. Einen privaten Kapitalmarkt gibt es nicht mehr.
Auch hier wird das zeitweilige Versagen des freien Kapitalmarktes
von Scheicher genutzt, um seinen notorischen Antisemitismus
anzubringen.
In Wien haben wir einmal dreihundert Juden und zwanzig Arier
an einem Tag gehaengt. Die Kerle hatten einen schwarzen Freitag
praeparieren wollen.
Scheicher meint damit nicht den New Yorker Boersenkrach vom 25.10.1929, den konnte
er nicht vorhersehen, er spielt auf den Zusammenbruch des Wiener Boersenverkehrs am
9.5.1873 infolge rapider Zunahme von Insolvenzen kurz nach Eroeffnung der Wiener Weltausstellung an. Dieser katastrophale Boersentag wurde ebenso Schwarzer Freitag genannt. Ein Ereignis, dass
auch Stoecker in Berlin zu seinem politischen Engagement bewogen hat.
Der Auswanderung der Juden widmet Scheicher ein eigenes, das
letzte Kapitel. Ich fuehre diese Punkte an, weil sie sowohl einem
weit verbreiteten christlichen wie auch nationalsozialistischen Antisemitismus
entsprechen, der in weiten Teilen der Bevoelkerung, ob die
nun deutsch, boehmisch, ungarisch oder ruthenisch gewesen ist
verbreitet gewesen ist.
Scheicher ist ein eliminatorischer Antisemit. Er wollte die Juden
vertreiben, zwar nicht umbringen wie die Nazis, aber doch insgesamt
aus der Gesellschaft draussen haben.
Oesterreich waere reich an Juden, und deswegen so arm. Die Juden
machten etwa 4,20 Prozent der gesamten Bevoelkerung aus. Sie wuerden
sich aber benehmen, als ob das Verhaeltnis ein umgekehrtes waere.
Ueberall versuchten sie die erste Geige zu spielen, in den Vereinen,
unter der Maske des Freisinns und der Humanitaet. Auch die Freimaurer
waeren von ihnen beeinflusst.
Die Literatur wird von Juden gerade zu ueberschwemmt, die juedischen
Schriftsteller, besonders die des dramatischen Faches, bilden eine
Clique, die einen Nichtjuden einfach nicht aufkommen lassen.
und wuerden fast ausschliesslich von juedischen Kritikern rezensiert.
Vier Fuenftel der gesamten oesterreichischen Presse sei in den Haenden von Juden.
Was natuerlich Unsinn ist, da es auch genuegend deutschnationale Zeitungen
gegeben hat, bis hin auf die Bezirksebene und die Predigtkanzeln in den
Kirchen vor allem auf dem Lande.
Selbst die Minister wuerden sich vor jeder Handlung fragen, was denn
die Neue Freie Presse dazu sagen wuerde.
Und was ist der Inhalt dieser Neuen Freien Presse. Die Entstellung der
wahren Tatsachen, die Verhetzung der Nationen untereinander, die
Irrefuehrung und der Betrug des Volkes, die Verhimmelung der Lumpen
und die Verleumdung der ehrlichen Leute und vor allem die Verhoehnung
des Christentums, speciell der katholischen Kirche und ihrer Diener.
Ja, diese Verhaeltnisse sind unertraeglich.
und weiter
Wie steht es in volkswirtschaftlichen Dingen ? Das Bank-und Boersenwesen,
fast alle Versicherungsanstalten sind in den Haenden von Juden.
Woher stammt dieses Geld ?
Aus den Taschen der christlichen Handwerker, Bauern und Arbeiter,
Wer bekommt dieses Geld. Der Jude...
.... Sie schachern im Grossen mit den Lebensmitteln des christlichen
Volkes, sie bilden Ringe für den Vertrieb der Kohle, der Metalle, des
Petroleums und schreiben dem Volk die Preise vor, die dieses
gutmuetig bezahlt. Die rentabelsten Bahnen, Dampfschiffsgesellschaften,
die Minen und Bergwerke - ihre Actionaere sind Juden...
Im weiteren laesst sich Scheicher über den juedischen Kleinhandel
und Geldverleih aus. Er ruiniere ganze Gegenden durch Wucher und
Betrug, er benuetze den Unverstand des Bauern, diesen von Haus
und Hof zu vertreiben.
Er betreibe vor allem im noerdlichen Oesterreich und in Ungarn
Schnapsschenken, und bestaeche Beamte.
Selbst im Gesellschaftleben wuerden sie in Sommerfrischen,
Kurorten, Baedern, im Theater und den Konzerthaeusern, auf
Bällen und Soireen dominieren.
Den Aerzte und den Advokatenstand haetten sie voellig uebernommen
und auch in der Armee haetten sie in den Offiziersraengen der Reserve
fuss gefasst.
Kaum ein Minister kann sich halten, der nicht nach der juedischen
Pfeife tanzt, kaum eine Verordnung kann ohne Zustimmung der
Juden erlassen werden.
Denn diese machen die Wahlen, sie haben die Herrschaft in
den Parteien an sich gerissen. Die Liberalen, die Socialdemocraten,
der Polenclub in Österreich sind nichts weiter als organsierte
Judenschutztruppen, Deutschnationale und Deutschradicale ihre
Zutreiber.
Da ist es. Das Verschwoerungsgespinst aus demokratischer
Aufklaerung, umstuerzlerischen Kommunismus und liberalem
Kapitalismus, das vor allem immer wieder den Juden zugeschrieben
worden ist. Das Gespenst, das in Europa umgeht und nach Umsturz
trachtet.
Der traditionelle Antisemitismus wurde dazu genutzt, alles
fortschrittliche, alle aufklaererischen Regungen, alle Moderne
zu verteufeln und als semitische Subversion und Machtgier
zu denunzieren. Der Antisemitismus musste im Kampf gegen die
Moderne als das Denunzierungsmoment schlechthin herhalten
und einer seiner herausragenden Propagandisten ist Joseph Scheicher.
Der Politiker, der damit Wahlen gewinnt, ist Karl Lueger, der
mit Parolen wie Grosswien darf nicht Grossjerusalem werden
zur Volkswahl antritt und damit Wahlen in uberwaeltigender Zustimmung gewinnt.
Selbst der Kaiser muss nach vier Jahren Widerstand aufgeben und Lueger
im Amt bestaetigen.
Die Juden benahmen sich, als ob sie die Herren von Wien waeren,
die Christen nur mehr die versklavte Urbevoelkerung.
An den Hoehepunkt wie Schlusspunkt seiner 1900 verfassten Utopie stellt Scheicher
die Vertreibung der Juden aus Wien und der Ostmark.
Scheicher verwendet fuer sein utopisches neues Oesterreich den Namen Ostmark.
So sollte Oessterreich nach der Einverleibung ins deutsche Reich durch Hitler
40 Jahre spaeter heissen.
Schleicher weiter in seiner Utopie.
Da erwachte endlich der deutsche Muth, da besannen die Christen
auf sich selbst. Und nun begann die Scheidung. Hie Jud, hie Christ,
beziehungsweise Deutscher oder Slave. Der Wolf heulte, es half
nichts. Man griff zu den naemlichen Mitteln, dass die Socijuden
oftmals gegen die christlichen Buerger empfohlen und angewendet
hatten, dem Boykott.
Worin jemand gefehlt, damit wird er gestraft, sagt ein bekanntes
Sprich- und Wahrwort.
Im Zeitraume von zwei Wochen schwuren hundertausend Wiener,
nur an das eigene Volk zu denken, schwuren die Bewohner der
Staedte ausserhalb und die des Landes, mit keinen Juden,
direct oder indirect mehr in Verbindung zu treten.
Das kann man als eine Art freiwillige Vorwegnahme der Nuernberger
Rassengesetze ansehen.
In den Geschaeften am Kai wurde es stille, in denen der Kaerntnerstrasse
und in Mariahilf aenderte sich das Bild vollstaendig. Von auswaerts
kamen die Reisenden der Judenfirmen verzweifelt zurueck: „Kein
Geschaeft, keine Auftraege“.
Die Judenzeitungen schimpften. Da traf auch sie der Boykott.
Kein Abonnement, kein Einzelverkauf. Die christliche Liebe wurde
wach. Christliche Schuldner an die Juden wurden durch eigens
gebildete Loesungsgesellschaften der Verbindlichkeiten enthoben.
Dafuer wurde es lebendig in den Fabriken christlicher Unternehmer
und Meister. Kein Mensch kaufte Judenware.
und
Eine unabsehbare Schar bewegte sich zum Staatsbahnhofe und dampfte
nach Budapest ab.
Der Uebermuth der Juden hatte ihnen das historische Geschick
neuerdings bereitet: Der ewige Jude musste wandern, weil der dem
Volke, das ihm Gastfreundschaft geboten, keine Achtung bewiesen
hatte.
Im weiteren beschwoert Scheicher die Gefahren, die von den Juden ausgingen. Sie haetten das Volk moralisch runiert. Moeglich, dass ihm die Hetzschrift Die Weisen von Zion bereits bekannt gewesen ist, eine den Juden unterschobene, von der zaristischen Ochrana
verfasste subversive Anleitung zur Unterminierung von staatlichen und gesellschaftlichen
Ordnungen.
Gewisse Juden hatten unser Volk verdorben; sie hatten es eigentlich
schon unfaehig gemacht, ein freies Staatswesen lebensfaehig zu erhalten.
...Soll ein Volk bestehen, soll es vorwaerts schreiten und bluehend werden,
ist unbedingt Moralität noetig. Nicht wahr ?
Und von Budapest reisen immer mehr Semiten ab und kehren in den
Orient zurueck.
Unter dem Eindruck des Dreyfusprozesses kam Theodor Herzl zur
Ansicht, das der Antisemitismus in Europa auch in Zukunft dauerhaft
sein wuerde und beschloss so die Juden zur Rueckkehr nach
Palestina zu bewegen. Ansichten und Hetztiraden wie die Joseph Scheichers ,
die ihm sicher bekannt waren, werden ihn in seiner Auffassung bestaerkt haben.
Doch die Auswanderung der Juden fuehrte sie nicht allein ins gelobte
Land der Vorfahren, sie fuehrte sie zum grossen Teil in die
Vernichtungs- und Todesfabriken der Nazis.
Politiker und katholische Theologen wie Scheicher tragen daran an ihre Mitschuld, waren sie doch aktive Wegbereiter der Eliminierung und bereiteten die Hetze in grossem
Masstab vor.
Scheicher setzt sogar noch den Schritt zum eliminatorischen Rassismus, der wesentlich
charakteristisch für den Nationalsozialismus gewesen ist.
Im Exodus behinderten uns vor allem die Talmi Christen, d.h. jene, welche die
Taufe sich nur geben hatten lassen, um officiell oder zum Scheine als Christen zu
gelten. Wir kamen bald zur Ueberzeugung, dass die Kryptojuden ausser Moeglichkeit
gesetzt werden muessten, geistiges Gift den Zeitgenossen einzuimpfen.
Wir reinigten darum die Universitaeten, die Schulen. Dabei lernten wir das Geheimnis
praktisch kennen, warum die Juden jahrzehntelang bemueht gewesen waren, die
weiland spanische Inquisition mit einer Kruste von Koth zu umgeben, d.h, in
Verleumdungen zu begraben.
Die Inquisition hat naemlich auch einst die Kryptojuden unter den Talmichristen
Spaniens herausgesucht. Damals gab es talmichristliche Statthalter, Richter,
sogar Bischoefe und Pfarrer, aeusserlich Christen, innerlich Juden. Wofuer sie
wirkten, laesst sich denken.
Ueber den antisemitischen Charakter der spanischen Inquisition gibt
Simon Wiesenthal in seinem Buch Segel der Hoffnung kenntnisreiche Auskunft.
Die endgueltige Elimination und Ausloeschung sollte drei Jahrzehnte spaeter mit
den Nuernberger Rassengesetzen und der Vorschreibung eines Ahnenpasses
beginnen, bis hin zur Endloesung in Auschwitz und den vielen anderen Vernichtungsstaetten
der Nazis und Ostmitteleuropa, in Oesterreich und in Deutschland, im russischen Feldzug und mit der Deportation der Juden aus Frankreich, Holland, Griechenland, Belgien in die Todeslager.
Zu Ende seines Buches bejubelt Scheicher die Wiedergeburt des christlichen
Volkes, wuenschte saemtlichen Völkern der Donaumonarchie Glueck und Segen und schliesst mit Heil uns und allen unseren Freunden in der ganzen Welt. O-Ton Wien 1900.
Nur einem Volk hat Joseph Scheicher Glueck und Segen verweigert, und die Menschenrechte,
auf die sich sein utopisches Staatengebildete gruenden sollte, versagt: Den Juden.
Dass er damit eine der furchtbarsten Katastrophen der Menschheit mithalf,
vorzubereiten und auch die Ethik seines christlichen Glaubens ausser Kraft setzte,
hat er nicht wahrnehmen wollen.
Auch Friedrich Heer raeumt in seinem 1968 erschienenen Buch Der Glaube
des Adolf Hitler Joseph Scheicher breiten Raum ein. Heer meint, dass
Scheichers Ansichten und Themen so bedeutsam für den gesamten mentalen,
politischen, religoesen und gesellschaftlichen Umkreis des jungen Adolf
Hitler in seinen oesterreichischen Jugendjahren waere, dass es sich lohnt,
Leben und Werk Scheichers zu analysieren.
Friedrich Heer liest Joseph Scheichers Jahrhunderttraum Wien um 1920
nach der Erfahrung und in der Zwischenzeit eingetretenen Realiataet des
Holocausts mit tiefem Erschrecken, den Scheicher sagt an, was ist; er spricht offen aus,
was aus „tiefstem Herzensgrunde“ so viele christliche Volksgenossen wuenschten:
was sein hochgeschaetzter (christlichsozialer) Parteigenosse Ernest Schneider
im Reichsrat offen forderte: Die Ausrottung der Juden.
Nach dem Zusammenbruch seiner Herrschaft (Hitlers), nach seinem Tode,
nach dem Sieg der Alliierten wurde in den deutschen Landen, zumal in
christlichen und konservativen Kreisen, Hitler gerne als Daemon, als ein
Antichrist, als ein Teufel, zumindest als eine ganz inkommensurable
Erscheinung, nicht zu ermessen, in metaphysische Wolken gerueckt.
Diese Entrueckung in eine wenigstens metaphysische Hoelle entsprach nicht
nur der frueheren, zum Teil von denselben Menschen ausgesprochen Entrueckung
in einen Himmel, der von seiner, Hitlers „Vorsehung“ bestimmt war, sondern
diente vor allem der Entlastung: Man wollte nicht wahrhaben, dass man
mitverantwortlich war für den Aufstieg, die Machtuebernahme, die verheerende,
Europa verwuestenden Erfolge dieses Mannes.
Und abschliessend Heer ueber Joseph Scheicher:
Das erhoeht das Mass der Tragoedie. Der Seelsorger eines armen, geistig, seelisch
und materiell verwahrlosten Volkes in Deutsch-Oessterreich, der Kaempfer fuer ein
kuenftiges Bruderreich der Kirche und fuer ein Bruderreich der Nationen im
Donauraum, ist gleichzeitig der Visinonaer jener Massaker, die sein Landsmann
Adolf Hitler, der Ostmark, seinem Europa einem univers concentrationnaire,
bereiten sollte.
Wie aus dem Otto Bauer Zitat hervorgeht, hat es sozialpolitische Implikationen des oesterreichischen Antisemitismus gegeben, der einen so schwierig auslotbaren Widerspruch in der allgemeinen Emanzipation darstellen.
Aber es hat ebenso anteilsmaesssig arme Juden gegeben. So schreibt Joseph
Roth in seinem kenntnisreichen Text Juden auf Wanderschaft; Ostjuden im
Westen.
Nur wenige sind revolutionaer. Viele sind Sozialisten aus persoenlicher Notwendigkeit
geworden. In der Lebensform, die der Sozialismus erkaempfen will, ist die
Unterdrueckung einer Rasse unmoeglich. Viele sehen im Antisemitismus eine
Erscheinungsform eine Erscheinung der kapitalistischen Wirtschaftsform.
Sie sind nicht bewusst deshalb Sozialisten. Sie sind Sozialisten, weil sie
Unterdrueckte sind.
Die meisten sind Kleinbuerger und Proletarier ohne proletarisches Bewusstsein.
Viele sind reaktionaer aus buergerlichem Instinkt, aus Liebe zum Besitz und zur
Tradition, aber auch aus der nicht unbegruendeten Furcht vor einer veraenderten
Situation, die für Juden keine verbesserte sein koennte. Es ist ein historisches
Gefuehl, dass die Juden die ersten Opfer aller Blutbaeder sind, welche die Weltgeschichte
veranstaltet.
Deshalb ist vielleicht der juedische Arbeiter ruhig und geduldig. Der juedische
Intellektuelle mag mit leidenschaftlicher Aktivität der revolutionaeren Bewegung
Antrieb und Schaerfe geben. Der ostjuedische Arbeiter ist in seiner Liebe zur Arbeit,
seiner nuechternen Denkweise, seinem ruhigen Leben dem Deutschen zu vergleichen.
Es gibt naemlich ostjuedische Arbeiter - ich vermute, dass man diese Selbstverstaendlichkeit
unterstreichen muss, in einem Land, in dem in so kurzen Abständen Organe der
Oeffentlichkeit das Wort von der“unproduktiven Masse der oestlichen Einwanderer“
wiederholen.
Es gibt ostjuedische Arbeiter, Juden, die nicht feilschen, handeln, ueberbieten und
„rechnen“ koennen, alte Kleider nicht einkaufen, mit Buendeln nicht hausieren, die
aber dennoch oft gezwungen werden, einen demuetigenden und traurigen Handel
zu betreiben, weil keine Fabrik sie nimmt, weil Gesetze die einheimischen Arbeiter Konkurrenz Fremder schuetzen, gaebe es selbst diese
Geetze nicht, das Vorurteil der Unternehmer, aber auch der Kameraden den wuerden
juedischen Arbeiter unmoeglich machen.
Und in etwas anderer Sicht der Sachlage als Otto Bauer ueber die juedischen
Valutenspekulanten sieht sie Joseph Roth bedeutend weniger erfolgreich.
Die Valutenhaendler haetten mit allen Boersen der Welt in Verbindung stehen muessen,
um wirklich zu verdienen. Er aber stand nur mit einer schwarzen Boerse seines
Aufenthaltsortes in Verbindung Man hat die Schaedlichkeit, aber auch die
Informiertheit der schwarzen Boerse gewaltig ueberschaetzt.
Noch schwaerzer, als die schwarze Boerse, war die offizielle, schneeweisse,
in Unschuld prangende und von der Polizei geschuetzte.
Die schwarze Boerse war die schmutzige Konkurrenz einer schmutzigen Institution.
Die Valutenhaendler waren die gescholtenen Konkurrenten der ehrenhaft
genannten Banken.
Nur die wenigsten kleinen Valutenhaendler sind wirklich reich geworden. Die meisten
sind heute wieder, was sie gewesen sind: arme Ratenhaendler.
Satres Satz Der Antisemitismus ist kein juedisches Problem, er ist unser Problem
trifft jedoch nicht allein auf die Scheicher und Streicher zu, er formuliert ein
europaeisches Problem, sowohl der Politik und des Glaubens, des christlichen
in seiner katholischen, protestantischen aber auch die orthodoxie der Ostkirchen
und es trifft auch den Einzelnen. Kaum jemand kann sich da ausnehmen.
Sartre zeigt in seiner 1944 geschriebenen und nach dem Krieg veröffentlichen
Betrachtungen zur Judenfrage wie tief und wie verbreitet der Antisemitismus in
vielfaeltiger Erscheinung in das Alltagsleben eingedrungen ist, sich darin
festgesetzt hat und damit die Emanzipation der Juden und die vollkommen
gleichberechtigte Wahrnehmung des anderen verhindert, untergraebt und
unmoeglich macht. Zu aehnlichen Ergebnissen ist auch Manes Sperber gelangt,
der in seinem Buch Churban schreibt, dass Juden sich dem verzerrenden
Bild, dass ihre Gegner von ihnen gezeichnet, angepasst haetten, um nur ja
in Ruhe gelassen zu werden. Der Narr muss das bleiben, zu dem er gemacht
worden ist, um existieren zu koennen.
Der Antisemitismus hat durch die Jahrhunderte fest geformte
Stereotype erzeugt, die in anderer Weise auch gegen das Fremde, gegen den Fremden
und gegen das Neue, die bestehende Ordnung in Frage stellende eingesetzt werden, die den allgemeinen Umgang und die zwischenmenschlichen Beziehungen gepraegt haben. Diese Erkenntnis hat eben Theodor Herzl zur Gruendung eines eigenen, voellig unabhaengigen
Staatswesens bewogen.
Das gesamte Werk Franz Kafkas spricht von diesem Ausgesetztsein, dieser
Zuweisung des Anderssein, diesem unbedingten Mangel an Geborgenheit.
Was von vielen Kafkarezipienten und Lesern als Entfremdung der Moderne
verstanden worden ist, hat im wesentlichen sein Vorbild in der Entfremdung,
Verfremdung und Ablehnung der Juden, im ausserhalb der goettlichen Ordnung
seienden, die letztendlich in der voelligen Entrechtung und im Holocaust muendete.
Vor sechs Jahren bin ich in Prag gewesen und fand in einem Kiosk am Wenzelsplatz
eine Postkarte mit einem Kafka Portrait. Im Bildhintergrund waren drei
Silhouetten von Juden im Streicherschen Stuermerstil abgebildet. Darunter
stand Kafkas Prag. Die Zerrbilder sollten wohl Kafkas Albtraum
verdeutlichen. Tatsaechlich ist es der antisemitische Albtraum, der sich da
wiederholte, der Kafkas Werk so sehr gepraegt hat. Die Karte
wurde an allen Kiosken des Wenzelsplatzes als touristische Attraktion
angeboten.
In Lektuere von Gerson Wolfs Die Juden, erschienen 1883, bin ich auf einen
interessanten wie ueberraschenden Sachverhalt gestossen, der allgemein wenig
bekannt zu sein scheint und der auch fuer mich eine neue Perspektive eroeffnet..
Wolf charakterisiert das Wesen der juedischen Gemeinden, das er bis in die Zeit der
Zerstoerung des grossen Tempels zurueck verfolgt. Nachdem das Synhedrion,
das oberste Gericht in Jerusalem ebenso aufgeloest worden ist, gab es keine
Institution mehr, die fuer die Auslegung der Gesetze zustaendig gewesen waere.
Es entstanden unterschiedliche Schulen, die in verschiedenen Fragen unterschiedlicher
Auffassung gewesen sind. Keine Schule wollte jedoch ihre Ansicht einer anderen
aufdraengen und man einigte sich auf den Grundsatz, die eine wie die andere
Anschauung habe im goettlichen Wort ihren Ursprung und das Gotteswort
koenne verschieden gedeutet und ausgelegt werden.
Im Laufe der Zeit wurden die Rabbiner die Funktionaere der Gemeinden.
Sie hatten jedoch nicht die Seelsorge und auch nicht die Macht zu binden,
sondern es wurde bei ihnen die Kenntnis der juedischen Lehren und Gesetze
vorausgesetzt, auf Grund welcher sie, wenn religioese Fragen auftauchten oder
aufgeworfen wurden, zu entscheiden hatten.
Zeigte es sich nun, dass der Rabbiner ueberhaupt nicht das Wissen besass,
welches man voraus gesetzt hatte, oder dass er in obschwebenden Fragen
nicht praecis geurteilet, so wendete man sich an den einen oder den anderen
oder auch in diesen Dingen bewanderten Privatmann in und ausserhalb der
Gemeinde und rief dessen Entscheidung an. Wenn daher der Vorstand der
Gemeinde die Administration derselben zu versehen hatte und dem Rabbiner
in religioeser Beziehung die Entscheidung zustand, so konnte es doch geschehen,
dass zwischen der weltlichen und geistlichen Macht Conflicte entstanden.
Um diesen Konflikten vorzubeugen legte man sich Statuten und ein Regelwerk
zurecht, die fuer einzelne Gemeinden wie fuer das ganze Land galten.
Obwohl die Jurisdiction im 16.Jahrhundert in internen Angelegenheiten den
Juden zustand, wandten sich Rechtsuchende auch an die allgemeinen weltlichen
Gerichte. Unter den Juden herrschte grosse Uneinigkeit, weil sie nicht wussten,
ob sie dem Rabbiner oder dem Vorstand gehorchen sollten.
Um diesem Misstand und die Unsicherheit der Rechtssprechung zu
unterbinden, rieten die Kammerraethe 1567 Kaiser Maximillian II, die
Rechtsprechung wieder den Kammern zu unterstellen.
Doch der Kaiser entschied sich im Oktober 1571 nach einem Gutachten
des Paduaer Rabbiners Meir Katzenellenbogen, die Autonomie der
Juden weitgehend bei zu behalten.
Er verzichtete auf den Census, also auf die voellige Volkszaehlung wie
auf das Recht der Volksbefragung.
Jedes Mitglied der Gemeinde, das sonst nicht religioes oder sittlich
sich schuldig gemacht hat, hatte das aktive Wahlrecht.
Allerdings gab es keine Beteiligung von Frauen an den Wahlen. Das
Frauenwahlrecht erging allgemein ohnehin spaet 1919 in der
Gruendung der ersten Republik.
Alle ! unbescholtenen Gemeindemitglieder waehlten nach der juedischen
Prager Konstituion des 16. Jahrhunderts die Urwaehler,
aus denen ein Gremium von Wahlmaennern hervorging,
das nach Ablegung eines Eides nach besten Wissen und Gewissen, die Aeltesten,
die Gemeindeaeltesten und den Richter zu ernennen hatte. Der Begriff
Aeltester scheint da an die Funktion und nicht an das physische Alter
gebunden zu sein.
In gewisser Weise komplizierte sich das Wahlrecht, da es in gewissem
Masse von der Zahlungsfaehigkeit der Waehler, von ihren finanziellen
Moeglichkeiten, von der Steuerleistung und von den Beitraegen zur
Pflichtkontribution, die dem Kaiser zu leisten war, beigetragen abhaengig
gewesen ist.
Die Wahl musste vom Kaiser bzw. von den landesfuerstlichen Behoerden
bestaetigt werden.
Die Leitung der Gemeinde wechselte jedes Jahr. Es musste also jedes
Jahr gewaehlt werden.
Ab 1635 wurde die Amtszeit der Leitung auf drei Jahre verlaengert; nach Ablauf
dieser drei Jahre durfte jedoch keines dieser bisherigen Leitungsmitglieder
erneut gewaehlt werden.
Rabbi Meir Katzenellenbogen begruendete sein Gutachten, seinen Rat und
seinen Vorschlag an den Kaiser mit Moses aus dem Deuteronomium 1.13
Schlagt fuer jeder eurer Staemme weise, gebildete und bewaehrte
Maenner vor. Ich werde sie an eure Spitze stellen.
Die neue Ordnung wurde jedoch nicht allein von Meir verfasst. Ihm
zur Seite standen der Oberrabbiner der deutschen Juden, Jacob von
Worms, Lazar Treves aus Frankfurt, Rabbi Isaak Linz , Schalem
Herschlam und der hohe Rabbi Jehuda Loew, der bis 1577 als
Rabbiner in Nikolsburg waltete, bevor er nach Prag berufen worden ist.
Am 24.11.1578 beschlossen 53 Mitglieder der juedischen Gemeinde
in Prag die verbindliche Ordnung.
Loew unterzog die alten maehrischen Statuten einer gruendlichen
Revision nach den Prager Vorgaben, in 311 Paragraphen unterteilt.
Mit den folgenden Synodalbeschluessen wurde das Regelwerk
nicht allein fuer Maehren, sondern fuer die Gemeinden in den anderen
Kronlaendern verbindlich und erreichte Wirkung ueber das Kaiserreich
hinaus.
Diese Statuten bildeten die Grundlage der General-Process- und
Commercialordnung fuer die Juden in Maehren, erlassen von Maria
Theresia 1754.
Auch das zeigt, wie sehr die Juden in ihrer Autonomie gesichert waren
und ihre Beduerfnisse ernst genommen und beruecksichtigt worden
sind.
Die aus der Prager Ordnung hervor gegangenen Statuten galten weit bis in
das 19. Jahrhundert hinein und wurden erst mit der liberalen Gesetzgebung infolge der
Ereignisse 1848 den neuen Bedingungen angepasst und auf 192
Paragraphen komprimiert.
Die von der Nikolsburger und der Bruenner Gemeinde 1850
beschlossenen und der Obrigkeit zur Genehmigung und Bestaetigung
vorgelegte Synagogal Verfassung duerfte im Kern jedoch dem
Vorbild aus dem Jahre 1578 voellig entsprechen.
Das urspruengliche demokratische Ratssystem mit allgemeiner Wahl in passivem wie
aktiven Recht hat den Juden in einer ueber 260 Jahre ein- wie
ausgeuebten Demokratie-Enklave einen grossen Vorsprung im
Umgang mit der allgemeinen Emanzipation nach 1848 verschafft.
In gewissser Weise waren sie in ihrer Weise die Keimzelle eines aus der franzoesischen
Revolution hervorgehenden neuen demokratischen Europas.
Das wurde den Juden in schrecklicher Form in der Reaktion
auf die allgemeine Emanzipation in Folge zum Verhaengnis und
muendete im Grauen des Holocaust.
Die europaeischen BuergerInnen, die oesterreichischen Sozialdemokraten
und die Demokratie allgemein haben den maehrischen und den Prager Juden eine ganze
Menge zu verdanken, nicht allein Franz Kafka.
Als ich die Jahresausweise um 1900, das waren die jaehrlich abzugebenden
Bestandslisten der juedischen Gemeinden, ein nicht bis ins Detail personengebundener Census, las, in dem nur die Namen der Oberen vermerkt sind, musste ich unweigerlich
daran denken, wieviele Toechter und Soehne dieser Maenner,
und zumTeil noch sie selbst in den Todeslagern der Nazis umgekommen
sind.
Nicht allein die ersten Regungen unserer modernen Demokratie
vollzogen sich in Maehren, auch der finstere Vortrupp der Reaktion
in Form der maehrisch boehmischen Nationalsozialisten formierte
sich zu allererst auf diesem Boden. Es ist offensichtlich eine
unausweichliche oesterreichische Tragoedie, dass das Lichte und
das Dunkle immer so nahe liegen und der noetige Konsens so
schwer faellt.
Der Holocaust ist und bleibt ein ungeheuerliches historisches
Ereignis, dass durch nichts sich entschuldigen oder gar legitimieren
laesst, selbst wenn Juden wesentlich an der Entfaltung des
liberalen Kapitalismus mit seinen Imbonderabilien beteiligt gewesen sind und schon gar nicht durch die Tatsache, dass sie sich andere Juden wiederum an die Seite des sozialen und humanen Fortschritts gestellt haben.
Es gibt immer wieder unverbesserliche Revisionisten, die meinen, nach
den historischen Gruenden der Vernichtung suchen zu muessen,
wie etwa der Abgeordnete der CDU zum Deutschenbundestag Hohmann
im Jahr 2004.
Es gibt auch noch genuegend Leute in unserem Land, die glauben,
an der juedischen Schuld muesse was dran gewesen sein.
Dagegen kann man wenig tun. Aber man kann und soll die grossen
Leistungen der Juden hervorheben. Die Emanzipation gelingt ohnehin nur
mit allen Beteiligten und die Juden allein haetten niemals die
Deutschen und Oesterreicher unterjochen koennen. Die Kraft
Davids reicht fuer einen gezielten Schuss mit der Schleuder, aber
er wuerde den Riesen nie auf Dauer verwalten koennen.
Die Inneroesterreicher des 19.Jahrhunderts hatten einen demokratischen
Nachhang, sozusagen ein Demokratie-Defizit. Das provisorische Gemeindegesetz
wurde 1849 erlassen. Bis dahin erfüllten die Grundherren die Aufgaben
der Gemeinden. Erst 1866 kam es zu den ersten Gemeindevertretungswahlen,
nach dem Dreiklassenwahlrecht durchgeführt.
Es waren nur jene Personen wahlberechtigt, welche direkte Steuern (Grund-
oder Gewerbe-) bezahlten. Dieses Wahlrecht war nun auch den Juden zugaenglich.
Die Juden uebten ihr inneres Wahlrecht, bezogen auf die
juedischen Gemeinden seit der Prager Konstitution, hatten autonomen
Status und lebten nicht in finsteren Ghettos, wie faelschlich immer
angenommen wird. Sie hatten wohlgeordnete und aus eigener Kraft
durchfinanzierte soziale Verhaeltnisse. Und sie konnten sich auf Grund
ihren langen Tradtion in diesen Belangen im Zuge der allgemeinen
Emanzipation leichter und zielstrebiger bewegen. Wie haetten sie
das koennen, wenn sie vorher bloss in verschimmelten Hinterhoefen gelebt
haetten. Ihren Erfolg kann man ihnen nicht verdenken. Aber das hat
Neid und Missgunst erweckt, geschuert von der ebenso allgemeinen
Reaktion.
Dem Hohen Rabbi Jehuda Loew (1525 - 1609) zum Gedaechtnis
05. Mai 2005
21:07 Hoechste Zahl an antisemitischen Uebergriffen weltweit seit 15 Jahren
Institut an der Universitaet Tel Aviv: Zunehmende Zahl direkter Angriffe auf Juden
Jerusalem - Das Jahr 2004 weist einer wissenschaftlichen Studie zufolge die hoechste Zahl weltweiter antisemitischer Uebergriffe seit 15 Jahren auf. Besonders Besorgnis erregend sei die zunehmende Zahl direkter Angriffe auf Juden, sagte Stephen Roth vom Institut zum Studium von Antisemitismus und Rassismus an der Universitaet Tel Aviv am Donnerstag.
2004 habe es 480 Fälle von schweren gewalttaetigen Uebergriffen gegeben - gegenueber 360 im Vorjahr. Besonders deutlich haetten die Uebergriffe in Frankreich, Großbritannien und Kanada zugenommen. Hauptgrund für diese Entwicklung sei eine "boesartige antiisraelische Propaganda" und ein "von antisemitischen Motiven begleiteter Antiamerikanismus".
(APA/AFP)
MsLiberty
| 05.05.2005 22:59
Leider ist das wahr, und der Antisemitismus von Links ist wenigstens so schlimm, wie der von Rechts. Vielleicht sogar schlimmer, weil er sich als intellektuell tarnt und mit Argumenten kommt, bei denen man schon sehr fix sein muss in der Geschichte Israels/Palaestinas, dass man sie entkraeften oder kontern kann.
ISRAEL-SCHWEIZ Aktuelles Israel - Nachruf auf Johannes Paul II
http://www.israswiss.com/israswiss/news/50457395c11462904/504573963210f160d.html
Israel hat mit Trauer auf den Tod von Johannes Paul II. reagiert. Außenminister Silvan Shalom sagte, der Papst habe eine neue Aera der Versoehnung in den Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Juden eingelaeutet. Ministerpraesident Ariel Sharon sagte, die Welt habe ihren wichtigsten Fuehrer verloren. Man werde den Papst als den religioesen Fuehrer in Erinnerung behalten, der mutig aufgestanden ist und ein historisches Unrecht beendet hat, indem er Vorurteile und Anschuldigungen gegen die Juden offiziell zurueckwies, betonte Staatspräsident Moshe Katsav. Oberrabbiner Jona Metzger sagte, der Papst habe eine antisemitische Tradition der katholischen Kirche durchbrochen.
Offizieller Nachruf der isaelischen Botschaft in der Schweiz auf Papst Johannes Paul II.
Johannes Paul II. wird ins juedische Gedächtnis eingehen und gemeinsam mit Papst Johannes XXIII. in einem Atemzug genannt werden, als Wegbereiter für eine aufrichtige und echte Versoehnung zwischen der katholischen Kirche und dem juedischen Volk.
Die Graeuel des Holocaust haben Johannes Paul II., den jungen Karol Wojtyla aus der Kleinstadt Wadowice, gepraegt. Zusammen mit juedischen Altersgenossen teilte er die Schulbank. Viele von ihnen verloren im Holocaust ihr Leben. Jerzy Kluger, ein juedischer
Mitschueler, ließ sich nach dem Krieg in Rom nieder und nahm erneut den Kontakt zu ihm auf: Eine Verbindung, die bis heute andauerte.
Jugendzeit und Kriegstrauma, die Nähe zu juedischen Familien in der Heimatstadt sowie die
Besatzungszeit und der Holocaust haben bei Johannes Paul II. einen tiefen Eindruck hinterlassen und trugen zu seiner Verpflichtung zum Kampf gegen den Antisemitismus bei. Bei seinem Treffen mit fuehrenden Vertretern der juedischen Gemeinde in
Ungarn (Budapest, 18.08.1991) rief er dazu auf, das Gewissen zu erziehen, sich dem
Antisemitismus und allen Formen von Rassismus als Suende wider Gott und den Menschen zu stellen..
Einerseits setzte er sich fuer die Verlegung des Karmeliterinnen-Klosters aus Auschwitz ein,
andererseits folgte er in der Seligsprechung Edith Steins dem christlichen Trend, den Holocaust auch auf Christen zu beziehen.
Auf seinen zahlreichen Reisen in der Welt war Wojtyla stets auf Treffen mit Vertretern der örtlichen juedischen Gemeinden bedacht. Im April 1986 kam es zum historischen Besuch in der großen Synagoge von Rom. Dies war der erste Besuch eines Papstes
in einem juedischen Gotteshaus. Johannes XXIII., so erzaehlte Johannes Paul II. selbst, hielt einmal mit dem Wagen gegenueber dem Eingang der Synagoge an, um die Gottesdienstbesucher zu segnen, die nach dem Gebet herauskamen.
In seiner Enzyklika Nostra Aetate erklaerte Wojtyla:
Die juedische Religion ist uns nicht fremd, sondern in gewisser Weise Teil unseres eigenen
Glaubens. Daher haben wir zum Judentum eine Beziehung, die wir mit keiner anderen Religion haben.
Ihr seid unsere geliebten Brueder, und man koennte vielleicht sagen, dass ihr unsere aelteren Brueder seid..
Auf seine Initiative begannen die Kontakte, die das bilaterale Gruendungsabkommen hervorbrachten, das am 30.12.93 unterzeichnet wurde, und diese
Kontakte fuehrten zur Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl. Ende März 2000 brach der Papst zur Pilgerreise nach Israel, Jordanien und in die Palästinensischen Autonomiegebiete auf. An seine Rede und seine Gesten wird man sich in Israel noch lange erinnern.
Er traf nicht nur Holocaust-Ueberlebende in Yad Vashem, sondern legte auch einen Zettel mit der Bitte an das juedische Volk um Vergebung; zwischen die Steine der Klagemauer.
Waehrend seines Besuchs in Jerusalem traf sich Johannes Paul II. mit den Oberrabbinern Israel Lau und Eliyahu Bakshi Doron. Dieses Treffen ebnete den Weg für den Dialog zwischen dem israelischen Oberrabbinat und dem Heiligen Stuhl (5. Juni 2002). Seitdem fanden drei Treffen abwechselnd in Jerusalem und Rom statt. Am 16. Januar 2004
machte der Papst eine Geste gegenueber den Oberrabbinern Amar und Metzger, die den Vatikan besuchten, um einem Konzert zur Versoehnung zwischen den Religionen beizuwohnen, indem er sie zu einem Gespraech empfing, ohne dieses Treffen
durch ein Treffen mit muslimischen Führern auszugleichen, die ebenfalls an der
Veranstaltung teilnahmen.
Neben seiner Unterstuetzung für den inter-religioesen oekumenischen Dialog zeichnete sich der Papst durch theologische Konservativitaet und kompromisslose Treue gegenüber dem Dogma; aus. Diese ambivalente Einstellung manifestierte sich in seiner Unterstuetzung fuer das paepstliche Sendschreiben Dominus Iesus, (September 2000). Dieses Ereignis fuehrten bei christlichen Schwesterkirchen, liberalen Vertretern der katholischen Kirche und bei anderen Glaubensbrüdern, darunter auch zahlreiche Juden, zu großen Verstimmungen. Ein anderes Problem, das sich hauptsaechlich für Juden stellte, war die Seligsprechung von Pius XII., die Papst Johannes Paul II.vornahm.
Anmerkung des Autors: Der pensionierte Redakteur des ZDF Werner Kaltefleiter, Fachmann in katholischen wie vatikanischen Fragen hat mir kuerzlich mitgeteilt, dass Pius XII bislang nicht seliggesprochen worden ist, sondern das bloss das Verfahren zur Seligsprechung eingeleitet worden ist und noch nicht abgeschlossen werden konnte. Diese Korrektur in dieser heiklen Frage sei damit
angebracht.
Der Papst kuemmerte sich um das besondere Problem der Ernennung eines Sonderbischofs fuer katholische Gemeinden, in denen Hebraeisch gesprochen wird. Dies geschah, obwohl Patriarch Sabah einwandte, dass diese Ernennung seinen Status verletzen oder mangelndes Vertrauen des Vatikans in die Erfuellung seiner pastoralen Sendung zum Ausdruck bringen koennte. So wurde am 9. November 2003 der Benediktiner-Pfarrer Jean-Baptiste Gourion zum Bischof der hebraeischsprechenden katholischen Gemeinde geweiht. Damit gab der Heilige Stuhl seinen Willen zu erkennen, den Kontakt zwischen der oertlichen lateinischen Kirche und der israelischen Gesellschaft zu festigen, und auf diesem Wege letztlich auch den zur israelischen Regierung.
(Jerusalem)
© Botschaft des Staates Israel / Abteilung Oeffentlichkeitsarbeit
Inoffizielle Übersetzung des englischen Originals von U. Sahm
Der Sinn dieses Dokuments ist eine praktische Anleitung für das Identifizieren, das Sammeln von Angaben und die Unterstützung der Umsetzung und Durchsetzung von Gesetzen, die vom Antisemitismus handeln.
Antisemitismus ist eine gewisse Vorstellung zu Juden, die als Hass gegen Juden ausgedrückt werden kann.
Rhetorische und physische Ausbrüche von Antisemitismus sind gegen Juden und nicht-jüdische Individuen gerichtet, und/oder gegen ihr Eigentum oder gegen Institutionen jüdischer Gemeinden und religiöse Einrichtungen.
Zusätzlich können solche Ausbrüche auch den Staat Israel zum Ziel haben, wenn er als jüdisches Kollektiv gesehen wird.
Zeitgenössische Beispiele von Antisemitismus im öffentlichen Leben, in den Medien, Schulen, am Arbeitsplatz und im religiösen Bereich können folgende Elemente enthalten, unter Berücksichtigung des Kontextes. Die Liste ist allerdings nicht vollständig:
. Im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen religiösen Sicht aufrufen, helfen oder rechtfertigen, Juden zu töten oder ihnen zu schaden.
. Das Äußern verlogener, entmenschlichender, dämonisierender oder stereotyper Vorurteile über Juden, wie etwa die Macht der Juden als Kollektiv, der Mythos einer jüdischen Weltverschwörung oder Behauptungen über jüdische Kontrolle der Medien, der Wirtschaft, der Regierung oder anderer gesellschaftlicher Einrichtungen.
. Juden als Volk zu beschuldigen, oder Juden für reale oder vermeintliche Vergehen einzelner jüdischer Personen oder Gruppen verantwortlich zu machen oder gar wegen Vergehen zu beschuldigen, die Nichtjuden begangen haben.
. Die Tatsache, den Umfang, die Mechanismen (etwa die Gaskammern) oder die Absicht des Völkermords am jüdischen Volk zu verleugnen, der durch die Täterschaft des nationalsozialischen Deutschland, seiner Unterstützer oder Komplizen während des Zweiten Weltkriegs begangen wurde. (Holocaust)
. Die Juden als Volk oder Israel als Staat zu verklagen, den Holocaust erfunden oder übertrieben (dargestellt) zu haben.
. Jüdische Bürger zu beschuldigen, zu Israel oder den vermeintlichen weltweiten Prioritäten von Juden loyaler zu sein als den Interessen ihrer eigenen Nationen.
Beispiele, wie sich Anti-Semitismus zum Staat Israel manifestiert in einem umfassenden Kontext:
. Dem jüdischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen, etwa durch die Behauptung, der Staat Israel sei ein rassistisches Vorhaben.
. Die Anwendung eines doppelten Standards, indem an Israel Verhaltensansprüche gestellt werden, wie an keine andere demokratische Nation.
. Eine Charakterisierung Israels oder der Israelis unter Verwendung von Symbolen und Bildern des klassischen Antisemitismus wie dem Vorwurf, Juden hätten Jesus getötet oder Blutslegenden.
. Der Vergleich der heutigen Politik Israels mit der Politik der Nazis.
. Juden kollektiv für das Verhalten des Staates Israel verantwortlich zu machen.
Allerdings gilt Kritik an Israel, wie sie in vergleichbarer Weise auch gegenüber andere Länder geäußert wird, nicht als antisemitisch.
Das grosse Verderben Antisemitismus Teil I
Bibliographie
Acta et decreta, concilii provinciae viennensis, ex officina caes.reg. typographica aulae
et status, Vindobonae MDCCCLIX
Otto Bauer, Die oesterreichische Revolution, Wiener Volksbuchhandlung, 1923 Wien
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