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Das Babylonprojekt


© by FRANZ KRAHBERGER


DAS BABYLON PROJEKT



Im biblischen Bericht über den Turmbau, der die Zeiten als oft bemühtes Symbol menschlicher Vermessenheit überdauert hat, wird erzählt, das alle Menschen die gleiche Sprache und die gleichen Worte gebrauchten. So entschlossen sie sich, eine Stadt und ein Bauwerk aufzurichten, dessen Spitze bis in den Himmel reichen sollte. Sie erweckten damit den Unwillen des Herren, der begriff, dass den Menschen in der Erfüllung dieses Projektes nichts mehr unerreichbar sein würde, was sie sich auch vornehmen würden. So beschloss der Herr, ihre Sprache zu verwirren, dass sie sich untereinander nicht mehr verstünden und zerstreute die Menschen über die ganze Erde hin. In der Interpretation wird das so gesehen, dass hohe Zivilisation ohne Bindung an ein höheres Ideal die Menschen nicht eint und innerlich näher bringt, sondern entzweit, so dass sie sich gegenseitig nicht mehr verstehen. Vergessen wird dabei, dass die höhere Macht Kommunikation unterband, indem sie die Sprache und damit den Text, den Plan verwirrte.


Die teleonomische Kraft des Turmbauprojektes führte die Menschheit jedoch über die Entwicklung der architektonischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, über die Spitzen der gotischen Kathedralen bis zu den Spitzen der Trägerraketen der Weltraumtechnologie. Das Projekt >Bewältigung des Raumes< ist zwar nicht abgeschlossen, doch weit über den terrestrischen Horizont hinaus gediehen.

Dieses Projekt umfassende > Bewältigung des Raumes< führte über die physische Realisation hinaus zu weltweitverfügbaren Telekommunikations Einrichtungen, die auf den ersten Blick den Eindruck einer babylonischenÜberfrachtung erwecken. Fürs erste steht man fassungslos diesem hypertrophen Datenraum gegenüber, der einem via Modem und Monitor und unter Kenntnis der entsprechenden >accounts< geöfnet wird . Die Hilflosigkeit wird noch gesteigert, wenn man sich klarmacht, dass hinter den elektronischen Foyers der institutionellen Datenbanken , deren Adressen man leicht herausfinden kann, erst die eigentliche Menge der Information gespeichert ist. Dort hin zu gelangen, bedarf es jedoch persönlicher Zugriffsberechtigungen. Der erst in jüngerer Zeit aufgetretene Public-Internet-Surfer bewegt sich nur an der Oberfläche der insgesamt ums Netz gebunkerten Datenmenge. Menschlichen Selbstverständnis entsprechend beginnen hier bereits Prestige- und Rangordnungen, die ihr Selbstwertgefühl aus der Menge der verfügbaren Zutrittsberechtigungen bezieht. Dieser globale Informationsverband ist eine historisch erstmalige Erscheinung und das Ende des Wachstums ist noch nicht abzusehen. Auch die Lehre und der Nutzen, die daraus zu ziehen sind, ist noch schwer abzuschätzen. Eine entscheidende Lehre des babylonischen Beispiels ist, dass zur Durchführung eines grossen und arbeitsteiligen Projektes eine gemeinsame Sprache vonnöten ist. Um den Plan für ein gemeinsames Ziel zu entwerfen und diesen Plan dann auch in Realität umzusetzen, bedarf es einer entsprechenden Sprachregelung.

Die Entwicklung einer universalen Sprache kann zwar nicht Ziel eines Netzwerkes sein, Ziel ist zumindest Einrichtung eines universellen Vermittlungsmediums.
Eine gemeinsame Sprache ist wesentliche Voraussetzung in einem globalen Netzwerk. Dies trifft jetzt weniger auf die gespeicherten Inhalte zu. Dem System ist es völlig egal ob spanische, russische, italienische oder deutsche Texte gespeichert werden. Wenn diese >Inhalte< einmal in Maschinensprache codiert sind, stehen sie zur weiteren umfassenden Verwertung zur Verfügung.
Die gemeinsame Sprache ist nötig für das >handling< des Systems. Quellensprache ist meistens das Englische, nicht zuletzt bedingt durch die führende Rolle der technologischen Entwickler im anglo amerikanischen Raum. Sowohl Internet und Fido-Net haben ihren Ursprung in den USA. Auch die Vernetzung der Universitätsbibliotheken und Forschungszentren nahm dort ihren Ausgangspunkt. Auf Grund dieser technologischen Vorreiterrolle werden hier auch bestimmte kulturelle Vorstellungen amerikanischer Provenienz weltweitbestimmend, unabhängig davon ob einem das genehm oder nicht genehm ist. Ein bestimmtes amerikanisches Selbstverständnis kann nicht ausgeschlossen werden.
Durchaus verständlich und bedingt durch die führende Rolle von US-Unternehmen. In der Vermittlung etwa meines E-Journals ins InternationaleNetz müsste ich diese Sprachbarriere überwinden.
Es müsste eigentlich auch in englischer Sprache angeboten werden. Es ist andererseits absehbar, das sich jeweils wieder national sprachliche (-schriftliche) Netzgemeinschaften bilden werden, wie es etwa im THING Netz und im Fido bereits selbstverständlich ist. Vor allem der Druck der kommerziellen Anwender wird in dieser Richtung einiges bewirken, da sie sich ja an die Konstitution des bestehenden Marktes zu halten haben.
Technisch gesehen war eine Vereinheitlichung der maschinenbezogenen Sprache unerlässlich. Unterschiedliche Computer Systeme unterschiedlicher Hersteller und diverse Kommunikationsprogramme waren aufeinander so abzustimmen, dass sie einander >verstehen<. Dazu dienen spezielle international festgelegte Übertragungsprotokolle. Man kann die Lösung dieser Kompatibilitätsprobleme etwa mit dem europaweiten Angleich der Eisenbahnspurweiten im Zuge der Einführung der Eisenbahn vergleichen. Das europaweit einheitliche Eisenbahnwesen ging aus einer Entwicklung hervor, und war nicht von Anfang an so geplant. So gibt es in der EDV-Entwicklung nach wie vor einen Konkurrenzkampf unterschiedlicher Betriebssysteme.
Am bekanntesten ist derzeit wohl die Auseinandersetzung zwischen IBM (jetzt OS-2), Microsoft Windows und dem Apple System auf dem Personal Computermarkt. Man kann jedoch eines mit Sicherheit sagen, dass die führenden Computerhersteller darum bemüht sind, ihre Programme auf Kompatibilität hin auszurichten. Anstelle des Alles oderNichts Prinzips ist sozusagen der grosskoalitionäre Konkurrenzkampf getreten. Vor allem eines, allewichtigen Hersteller statten ihre PC mit netzwerkfähigen Komponenten aus.
Eine Reihe wesentlicher Indikatoren weisen darauf hin, dass es tatsächlich innerhalb des Informations-, Speicher- und Medienwesens zu einem epochalen Umbruch kommt. Man muss sich darüber im klaren sein, dass, wenn einmal ein Text im offenen Netz ist, dieser für jeden Teilnehmer frei zugänglich ist. Michael Harts Gutenberg-Projekt etwa will bis ins Jahr 2000 10000 Titel der Weltliteratur (in englischer Sprache) speichern. Der Vatikan möchte alle Titel der vatikanischen Bibliothek via Modem zur Verfügung stellen. Dieser >Organisation< traue ich die Realisierung dieses gigantischen Vorhabens eines Informationstransfers vom Träger Buch zum digitalen Medium auch zu.

Die derzeitigen Übertragungsgeschwindigkeiten sind zu >langsam< und man überlegt sich nach ersten Erfahrungen gründlich, ob man sich ein umfangreiches >file< in den eigenen Speicher holt oder ob mans besser bleiben lässt. Datenvolumen und Übertragungsgeschwindigkeit bestimmen die Verweilzeit im Telefonnetz und im Server. Und diese Verweilzeit ist selbstverständlich kostenpflichtig. So erscheint etwa die Übertragungon Bildern und Videosequenzen beim derzeitigen Stand wenig sinnvoll, vor allem unökonomisch. Die Übertragungsgeschwindigkeit wächst jedoch mit dem Einsatz neuer Technologien und damit werden die Kosten sinken. Im voll ausgebauten Daten-Highway werden diese Kosten nur mehr eine geringe Rolle spielen. Nur so lassen sich auch Vorhaben wie etwa des Fernunterrichts, Teleuniversität und vor allem Telearbeit ökonomisch sinnvoll verwirklichen.

Vor allem eins. Um die Information wirklich zu verarbeiten, muss sie auch gelesen werden. Die Automatisation betrifft also nur die Speicherung und Vermittlung, nicht jedoch die Rezeption der Information. Das menschliche Zeitbudget ist natürlich eine subjektive Grösse. Aus diesem Gesichtspunkt wird sich die Angebotsseite relativieren.

Vor Jahren hat mich Jürgen Claus mit seinem Begriff des Elektronischen Bauhauses bekanntgemacht. Er vereinigt darunter die digitale Gestaltung, Netzwerke als Architektur der Kommunikation, Ökotechnologie und Intelligente Kunst, die zu einem Expertensystem für Künstler führen soll. Diese Formulierung wirkte griffig und brauchbar für den Beginn eines Entwicklungsprozesses, dessen Formen mehr erahnbar als durchschaubar waren. Auf das klassische Bauhaus bezogen wird jedoch die Absicht rasch deutlich. Die im überschaubaren, institutionellen Bereich entwickelten Modelle wurden in grössere gesellschaftliche Bereiche transferiert und im grossen, Kultur- und Infrastrukturbildenden Masstab durchgesetzt . Die Absicht ist klar und steht als ordnende Absicht der babylonischen Metapher gegenüber.

Im Unterschied zum klassischen Bauhaus haben wir es im elektronischen Bauhaus jedoch mit einer Architektur der Kommunikation und der Information zu tun, die nicht mehr physisch sondern virtuell via Computer >begehbar< wird.
Wir haben >Zugriff< auf Daten. Wir unternehmen >Datenreisen< im Internet. In der Verwendung von >begehbar<, von >Zugriff<, von >Reisen< die verglichen mit den tatsächlichen Vorgängen nur als Metapher, als Analogie zu verstehen sind.
Ich hole mir Information auf meinen Monitor, ein >file in meinen Speicher, ich versende von meinem Computer aus Informationen, Texte, etc. ins Netz. Ich handle zwar telematisch, wenn ich eine Information aus der Datenbank einer amerikanischen Universität hole, weil ich mit meinen Funktionen tatsächlich einen Vorgang in einem elektronischen Speicher, der sich auf einem anderen Kontinent befindet, auslöse.
Ich selbst bewege mich jedoch nicht vom Fleck. So ist Virilios Formulierung vom >Rasenden Stillstand< zu verstehen. Ich agiere zwar im elektronischen Netzwerk mit Lichtgeschwindigkeit, verhalte mich jedoch in Wahrheit nicht anders als der Bibliothekar einer Klosterbibliothek. Ich greife auf gespeicherte (>abgelegte < abgestellte) Information zu. Der Lesevorgang bleibt wohl der gleiche, ob ich nun von Seite, Blatt oder Monitor ablese.

Innerhalb des Internets hat sich ein weltweiter Datenverbund herausgebildet, in dem es völlig gleichgültig ist, ob nun einer der beteiligten Speicher in Wiener Neustadt, in Orlando oder in Novo Sibirsk steht. Für den Netzwerkbenutzer ist es nur mehr wichtig, zu wissen, wo er sie zu suchen hat, wo er gewünschte Informationen vorfindet. Auch für das gibt es wieder eine entsprechende Wortneubildung > Netzwerknavigation<.
Der Vorläufer derartiger gophers und Datenverzeichnisse ist jedoch nichts anders als der gute alte Zettelkatalog einer klassischen Bibliothek, wie überhaupt die klassische Bibliothek ein gutes Modell zur Einübung in das Verständnis eines elektronischen Datenverbands darstellt.
Das Verständnis von historischen Modellen, von Wissenschaftssystematiken, von Enzyklopädien, sämtlich gut aufgelistet in Ecos "Suche nach der vollkommenen Sprache", ebenso in Künzels "Allwissen und Absturz" ist nützlich zum Begreifen des elektronischen weltweit verfügbaren Mega-Speichers, der aus vielen weltweit verstreuten Speichern gebildet wird.
Die potentielle Verfügbarkeit des Wissens ist gegeben, lässt jedoch kaum auf die tatsächliche Nutzung schliessen.
Die elektronischen Medien sind ins Gerede gekommen. Und Gerede bedeutet immer auch die Projektion von Visionen. Nur so wunderbar, wie uns Journalisten auf neu eingerichteten Medienspalten in durchaus seriösen Zeitungen weismachen wollen, ist es denn doch nicht und man handelt richtig, wenn man die Möglichkeiten des Neuen Mediums am Bestand des alten Informations- und Speicherwesens prüft. Dies war auch einer der Gründe, warum ich mich in einem langfristig angelegten Vorhaben mit der Universalbibliotheks des Stiftes Admont auseinander zu setzen begann. Ich wählte damit eine überschaubare, scheinbar überschaubare Grösse. Denn auch hier ist es bereits unmöglich, abgesehen von der nötigen perfekten Kenntnis des Lateinischen, die gespeicherte Information tatsächlich in sich aufzunehmen. Und so gilt auch hier der Grundsatz, dass der Bibliothekar , der die gelagerten Bücher zu lesen beginnt, als verloren zu gelten hat. Diese Gefahr besteht selbstverständlich auch im Netz. Ich würde sogar behaupten, dass sie hier noch grösser ist.

Überschaubarkeit zählt wohl zu den uneinlösbaren Forderungen, die an die Informationsgesellschaft gestellt werden. Die Vorstellung Informationsgesellschaft will uns weismachen, dass wir über alle Information verfügen können, dass wir uns umfassend informieren können. Da jedoch das Speichervolumen längst das Aufnahmevolumen überstiegen hat und wir eigentlich nur mehr selektierte Nachrichten erhalten, wäre es richtiger von >Formationsgesellschaft zu sprechen<.
Obwohl es oder gerade weil Überfülle an Information vorhanden ist, nehmen wir nur Teilbereiche war.
Der Monitor zeigt uns nur Ausschnitte des virtuellen Speichers, sowie uns der Fernsehschirm nur Ausschnitte der Wirklichkeit in unser, statisches, Heim bringt.
Wir bauen an einem Werk, dass unseren individuellen Horizont längst übersteigt, dessen weitläufige Korridore aus unserem Blickfeld geraten sind.
In diesem Zusammenhang haben sich denn auch Bezeichnungen wie elektronischer Flaneur, Datenreisender und Netzwerk-Surfen gebildet.
Vor unseren Augen wächst ein babylonisches Gebilde, eine riesige (unendliche) Bibliothek, die via Telefonnetz, Modem und via Monitor aufgesucht werden kann. War das Projekt babylonischer Turmbau noch Schaffung von Urbanität erbunden mit Eroberung des Raumes, mit einer Spitze die an den Himmel heranreicht, so erleben wir nun ein Projekt umfassender Abbildung der Welt durch Vernetzung von Information. Wir haben eine Ahnung von der vorhandenen Fülle, müssen jedoch erkennen, dass wir sie nie bewältigen werden.
In Wahrheit sitzen wir einsam vor unseren Monitoren, steuern neugierig Speicher um Speicher an, verweilen je nach Interesse und >wandern< weiter, bewegen uns rund um den Globus. Wir beginnen darüber nachzudenken, warum uns diese Informationen eigentlich zur Verfügung gestellt werden, warum file für file in ftps gepackt werden und rund um den Planeten digitale Leuchtfeuer der Kommunikation aufgestellt werden.
Für den globalen Wissenschafts- und Studienbetrieb liegen die Vorteile direkter und vernetzter Kommunikation auf der Hand. Man erreicht bessere Überschaubarkeit und Vergleichbarkeit der Forschungsfelder, und das in weltweiten Verbund. Die Kosten werden aus universitären Budgets gedeckt , die accounts für der >user<, so sie Universitätsangehörige bzw. Studierende sind, sind kostenlos. In diesem Zusammenhang, kann man möglicherweise von Bündelung des zeitgenössischen Wissens sprechen. So man zusätzlich über besondere Zugriffsberechtigungen auf Universitätsspeicher verfügt, kann das Informationspotential noch entscheidend erweitert werden. Jeder der eine Info-Box oder einen Internetknoten einrichtet, eröffnet ein digitales Kiosk, das mehr oder minder kostenlos zugänglich ist, abgesehen einmal von den eigenen Telefonkosten und den Tarifen des Netzwerkbetreibers, dessen >point< man ist. Für grosse und bedeutende Institutionen des öffentlichen Lebens, für Forschung und Lehre, für die elektronische Interesse, hier vor allem die Computerindustrie ist es offensichtlich eine Prestigeangelegenheit geworden im Netz präsent zu sein, und um diese Präsenz glaubwürdig zu gestalten muss man wohl auch eine bestimmte Menge Fleisch, also Information auslegen. Für den Durchschnittsbürger ist es zur Prestigeangelegenheit geworden, auf seiner Visitkarte eine e-mail Adresse auszuweisen. Wird sie dann auch tatsächlich genützt? Es ist schwer vorstellbar, dass all diese Betreiber ein stilles Abkommen mit den Hard- und Softwareherstellern und mit den Telefongesellschaften geschlossen haben. Vorstellbar für mich ist jedoch, dass hier eine Art Flucht aus den Massenmedien angetreten wird, das sich hier gegenübern den Monopolen eine Art Telekratie herausbildet. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum dieses Medium für Künstler zunehmend an Interesse gewinnt, verspricht es doch fürs erste sowohl Unabhängigkeit wie auch Reichweite, die in eigener und institutionell unabhängiger Regie bewerkstelligt werden kann. Es herrscht da eine gewisse Gründerzeitstimmung die sowohl anarchische Vorstellungen erfüllt, wie auch verspricht , an einem grossen Abteuer teilzuhaben. Jetzt einmal abgesehen vom digitalen Medium hat die Nutzung der Elektrizität zur Telekommunikation einen neuen Mythos geschaffen, eben den Mythos Kommunikation, der trefflich den babylonischen All-Raum-Traum ergänzt. Globale Erreichbarkeit und Kommunikation sind die magischen Zauberworte der Gegenwart. Gerade Individualisten, und Künstler zum Beispiel zähle ich noch immer dazu, beginnen sich bald zu überlegen, wie sie innerhalb eines derartigen Mediums Kontur gewinnen können, sich profilieren. Erreichbarkeit und Kommunikation wird hier zum Teil einer durchaus persönlichen PR-Strategie, und so kennt auch die Media Szene ihre Stars. Bislang haben wir vom Netz vor allem als Speichermedium gespochen. Das elektronische Medium Netzwerk bietet nun gegenüber den anderen Vermittlungsformen und Medien die Möglichkeit der Kommunikation über grosse Entfernungen, die sowohl Mitteilung wie auch Empfang von Antworten und deren Zwischenspeicherung zulässt. Diese Möglichkeit hat der Brief und das Telefon zwar auch geboten und in Wahrheit ist das Netzwerk eigentlich eine Erweiterung der Telegrafie. So wie Gutenberg durch die Zusammenfassung verschiedener Technologien und Fertigkeiten den seriellen Druck möglich machte, so werden im Netz und mit Unterstützung des Computers neue mächtige Werkzeuge aus verschiedenen Medien gebündelt und zur Verfügung gestellt, die heute unter dem Begriff Multi Media zusammengefasst werden. Multimedia ist nichts anderes als die Integration bislang unterschiedlicher Funktionen in ein operatives Ganzes. Noch ist das Netzwerk primär ein Text-Medium. Es ist mühsam minutenlang etwa auf einen Bildaufbau zu warten, oder noch mehr Zeit für die Übertragung der Information eines Video-Clips zu investieren, um dann ein lächerliches Etwas über den Schirm huschen zu sehen. Noch reichen die Übertragungskapazitäten für die rasche Übertragung von Videosequenzen nicht aus. Das Netzwerk ist derzeit vor allem ein Textmedium. Darin und in der Bereitschaft der Benützer, Informationen vorzufinden, die nicht der Norm der massenmedialen Landschaft entsprechen, sehe ich eine Chance für die literarische Nutzung. Das Netzwerk ist im gegenwärtigen Zustand ein alphabetisches Medium und weist auch alle Merkmale, die innerhalb der Schriften, Dokumenten und Buchkultur entwickelt wurden. Eigentlich ist das Netz im Zeitalter der visuellen Revolution zu einem mächtigen alphabetischen Gegenspieler geworden. Diese scheinbare Rückständigkeit soll im Zuge des Daten-Highways wieder überwunden werden. Der schmale Weg der Zeichen soll zu einer breiten Bahn für die Bildchen und Tönchen ausgewalzt werden. Dies wieder einmal unter dem Banner der Kommunikation. Nur, es ist zumindest technisch entschieden leichter Texte herzustellen als Filme und Musikalische Arrangements zu fertigen. Es ist leider eine traurige Tatsache der medialen Kultur, dass mit dem Einsatz sogenannt höherwertiger und damit teurer Technologie die phantasiereichen Pioniere der einfachen Mittel abgelöst werden und mit ihnen auch die andersartigen Inhalte, die nicht der Massenkonvention und damit dem Gebot der Marktfähigkeit folgen. Das Netzwerk wäre das ideale Textmedium. Es erlaubt nicht nur alle bibliothekarischen Funktionen, es erlaubt über den Dialog hinaus den Multilog. Multilog ist eine Bezeichnung für jegliche thematisch bezogene Konferenz. Hier können sich beliebig viele Teilnehmer zu einem Thema äussern. Jeder der beteiligten kann den Kommunikationsverlauf verfolgen und jeder neu hinzu Gekommene das bislang gespeicherte nachvollziehen. Selbstverständlich hängen derartige Konferenzen oder Multi-LOG Areas, die ja nichts anderes als elektronische Pin-Flächen sind, vom Niveau der einzelnen Beiträge ab. Obwohl oder gerade deswegen, weil das Medium ein Fülle technisch einwandfreier Möglichkeiten zur Verfügung stellt, sind die Ergebnisse nicht immer zufriedenstellend, je nach Netz sogar sehr enttäuschend. Das komplexe Werkzeug stellt schonungslos Mängel des kommunikativen Vermögens bloss. Kommunikation ist insgesamt ein komplexer interaktiver Vorgang zwischen unterschiedlichen Positionen. Und fasst man hier den Rahmen zu eng, kommt es leicht zu Missverständnissen. Es gibt da bestimmte sprachliche Unschärfen und Nicht Eindeutigkeiten, die eben so oder so aufgefasst werden können. Und so kommt es eben hin und wieder, oder sogar regelmässig zu >flames<, Unmutsäusserungen, die allerdings meist von den eingesessenen Netzwerk-Hasen zu ihren Gunsten entschieden werden. Man kann da auch ein wenig Revierverhalten und Platzverteidigung registrieren. Trotz alledem, gut strukturierter Text, interessante Information sollte zumindest langfristig gesehen entsprechendes Echo auslösen. Dies ist wohl nötig, um die Verwirrung im babylonischen Dorf der Medien klein zu halten. Beide Metaphern, >Babylonischer Turmbau< und >Elektronisches Bauhaus< haben ihre Berechtigung. Mit Sicherheit können wir nur sagen, dass wir uns auf einer medialen Baustelle befinden. Nachdem für den Bau nicht wirklich ein genereller Plan vorliegt, können wir noch die eine oder andere nützliche Struktur einbringen.


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