Ausgewaehlt und besprochen von Franz Krahberger
Mit bestem Dank fuer den freundlichen Support der Pressestellen des Wien Museums und der Wien Bibliothek
Tatsaechlich ist der Kernbereich Nagoya Teil einer umliegend angewachsenen Megalopolis mit einer Anzahl von 9 Millionen Einwohnern. 1870 haben die Stadt noch etwa 100.000 Menschen bewohnt.
Diese Situation laesst sich mit Wien also keineswegs vergleichen, und es besteht auch keinerlei Anzeichen dafuer, dass sich rund um Wien jeweils eine derartige Megalopolis herausbilden wird, wenn auch ein paar Staedteplaner von einem Zusammenwachsen von Wien mit Bratislava traeumen. Dazu sind aber in keiner Weise irgendwelche grundlegenden wirtschaftliche Faktoren erkenntlich.
Nagoya laesst sich im europaeischen Masstab am ehesten mit der Isle de France mit ihrem Pariser Stadtkern bzw. mit dem Ruhrpott Duesseldorf, Bochum, Koeln u.w. vergleichen.
Megalopolen sind nicht direkt in Einwirkung der Amerikanisierung entstanden, wie faelschlicherweise oft oberflaechlich behauptet wird. Sie sind zweifellos weltweit gesehen Ergebnisse des Bevoelkerungswachstumes und Ergebnis der allgemeinen technisch, wissenschaftlichen Revolution, eines weltweit sich entfaltenden Wirtschaftens, in dem die USA die Schrittmacherrolle, aber nicht die praegende gespielt haben. Wir koennen auch nicht allein von einer amerikanischen Stadtarchitektur reden. Wenn, dann koennen wir von einer allgemeinen urbanen Architektur der Moderne sprechen, die weltweit unuebersehbar sich entfaltet hat. Wesentliche Impulse kamen nicht aus den USA allein, sie kamen aus Paris, von da wurde der Wiener Stadtplaner Otto Wagner wesentlich beeinflusst, sie wurden u.a. am Dessauer Bauhaus vorausgedacht und in nationaler Vielfaeltigkeit rund um den Globus weiter entwickelt und entfaltet. Adolf Loos und Ludwig Wittgenstein sorgten in Wien fuer klare Linien. Nicht alles bedeutet Amerikanisierung.
In Wien ist bedeutende moderne Architektur bis tief in die 70er Jahre vorigen Jahrhunderts meist bloss in Buchform in der Buchhandlung Prachner auf der Kaerntner Strasse praesent gewesen.
Allein schon im Internet nach Sichtung der Eintragungen in wikipedia zeigen sich Unterschiede in der Repraesentation und im Selbstverstaendnis der beiden Staedte. Waehrend dem sich Wien nach wie vor in der Tradition der Reichshaupt und Residenzstadt, der allerdings das umliegende Kaiserreich schon lange abhanden gekommen ist, sieht, den Sitz diverser internationaler Organisationen herausstreicht und vor allem Gastfreundschaft und Fremdenverkehr betont, zeigt sich Nagoya als moderne Industriestadt, in der zumindest zwei Konzerne im internationalen Konzert der globalen Wirtschaft mitspielen. Der Automobil Konzern Toyota und der japanische Hersteller von Bueromaschinen Brother. Vergleichbares laesst sich in Wien nicht finden, abgesehen von Siemens Oesterreich, eine Niederlassung die sich mehr an der regionalen Wirtschaft orientiert und wenig am Weltmasstab des Konzerns teil hat, abgesehen davon, dass Schmiergeldzahlungen ueber die Wiener Bueros gelaufen sein sollen..
Nagoya Alt war eine traditionelle Stadt der Samuraikultur. Der Atsuta - jingu Schrein beherbergt ein besonders kultisches Schwert, das Kusunagi no mitsurugi.
Nagoya war beruehmt fuer seine Waffenschmieden, die die besonderen Klingen und Schwerter fuer die Kriegerkaste der Samurais herstellten. Die Handwerker bildeten den dritten Stand, waehrend die Dienstboten und die Kaufleute dem vierten Stand angehoerten.
Die Burg der Shogunen Familie Tokugawa schmueckt das goldene Wappentier der Stadt, der Schachi Hoku, ein drachenartiger Fisch. Dieses Symbol war bereits einmal in Wien anlaesslich der Weltausstellung 1870 prominent zu sehen.
Die meisten der Altbauten der Kern-Stadt wurden im 2.Weltkrieg zerstoert und so bietet das heutige Nagoya einen voellig modernen Anblick einer allgemeinen Weltarchitektur mit japanischen Eigenheiten. So stammt etwa einer der bedeutenden Architekten der Moderne, der herausragende Vertreter des Metabolismus Kisho Kurokawa, der u.a. das Nagoya City Art Museum geplant hat, aus Nagoya selbst. Die Metabolisten sind wesentlich Funktionalisten vergleichbar dem Bauhaus, die Gebaeude und Staedte flexibel den veraenderten Beduerfnissen der Nutzer und BewohnerInnen anzupassen suchen .
Er ist ein Schueler Kenzo Tanges, der traditionelle japanische Architektur mit westlichen Wahrnehmungs- und Gestaltungsstrukturen zu verknuepfte.
Eines laesst sich aus den Reflexionen zu dieser Ausstellung mit Gewissheit feststellen. Wien ist im Weltmasstab gesehen klein geworden. Das laesst sich nicht ablesen, weil etwa die Ausstellung so opulent geraten waere, dazu muss man schon den Katalog bemuehen und das eigene Reflexionsvermoegen einsetzen.
Doch Wien ist nach wie vor eine lebenswerte, und manchmal auch eine liebenswerte Stadt geblieben. Mehr Augenmass fuer die Gegenwart ist jedoch zu empfehlen.
Kuratoren der Ausstellung: Haruki Tanaka / Isabel Termini / Wolfgang Kos
1966 kam er ins Kino. Michelangelo Antonionis Film BLOW UP. Und mit ihm der Mythos des Starfotografen, des Shooting Stars nach dem Vorbild des Chronisten des Swinging London der 60 er Jahre, David Bailey und des kamerabewehrten Jet-Playboys Gunther Sachs.
Und so fand sich in jeder groesseren Stadt des Westens eine Szenestar des Lichts. In Wien war es Christian Skrein, der im FORMAT vom 22.2.2008 behauptet, das juengste Mitglied der Wiener Gruppe gewesen zu sein. Leider kann er keine Fotos v om legendaeren ZOCK Fest zeigen, das im Wiener Wirtshaus Im Gruenen Tor stattgefunden hat. Alles Filmmaterial waere ueberbelichtet gewesen.
Das, was Skrein im Wien Museum nun aus der damaligen Zeit zeigt, schafft jedoch genuegend Erinnerung und zaehlte damals schon zum Bestand der Plakatwaende in abgefuckten Szene Beiseln und sorgte da fuer Neid , Aufregung und eher selten Bewunderung.
Etwa die Bilder der englischen Flotte, des Designer- und Freundeskreises um Walter Pichler, der sich vom offensichtlich vom Dandy Stylish des H.C.Artmann inspirieren hat lassen. Die Gruppierung Wir nicht mit den Szene Ikonen Ossi und Ingrid Wiener, Graf, Attersee, Pichler, Kalb Kurti und Steiger.
Skrein lichtete die Rolling Stones in der Wiener Stadthalle, die Beatles in Obertauern und Sean Bond Connery irgendwo in Oesterreich ab.
Den Uebermalungsartisten Arnulf Rainer fotografierte er in Walter Pichlers Galaxy 1 Stuhl.
Fuer Skrein setzte sich virtual GI Commander und Pritzker Preis Traeger Hans Hollein einen US_Stahlhelm auf und zog sich eine Airforce Lederjacke an.
Andre Heller bewies vor der Linse des Skrein, dass er sich damals in Londons Carnaby Street einkleidete, um so im ORF besser aus dem Rahmen fallen zu koennen.
Skrein selbst zeigte sich im Chicago Style der fruehen 30 er Jahre oder huellenlos. Und der von vielen Frauen begehrte aetherische Schoenling Christian Ludwig Atttersee verzaertelt ein Rhesusaeffchen vor Skreins Linse.
Die Damen, die Skrein zeigte, waren nicht ohne. So eine ausnehmend huebsche Kati Noever, die damals noch als Model arbeitete. Spaeter fotografierte er fuer diverse Modeformate und machte sich ueber andere schoene Damen her. Doch Skrein war ein Fotoprofi und kein Aufreisser, der die Kamera zum Anbandeln vorgeschoben hat.
Jedenfalls, die Wiener Szene war bunt und hat es querfeldein noch bunter getrieben. Aber es zeigt sich einmal mehr, wie jede Life Style Szene war auch die englische Flotte very snobish. Die Bezeichnung Englische Flotte kommt davon, weil sich einige Exponenten der Szene ihre Sackeln und die dazugehoerigen Bock gerne im Modengeschaeft Englische Flotte gekauft haben. Die waren damals schon sehr Marken bewusst und haben immer aufs Label und auf den Level geschaut.
So hat sich Peter Weibel nie zum Underground gezaehlt, sondern sich als Overground empfunden.
68 er im Pariser Format waren sie alle nicht. Daran aendert auch das legendaere Bild Ossi Wieners mit einem Maurerfaeustl stehend auf der Schutthalde eines Abbruchhauses nichts. Weder sich, noch Mitteleuropa, schon gar nicht die Universitaet, hat er verbessert.
Kuratorin: Susanne Winkler
Zu guter letzt findet sich eine Plakatausstellung mit Exponaten aus den 70er Jahren, veranstaltet gemeinsam mit der Plakatsammlung der Wien Bibliothek, kuratiert von Markus Feigl und Juliane Koenig Rainer.
Da sehen wir sie alle wieder. Die Dreiecksepisoden der Roemer Quelle, die Gspritze, die wieder auf Saison ist, den Humanic, der immer passt, die samtpfotigen von Palmers, die Schoenen, die ihre langen Beine auf schnellen Schlitten fuer Castrol GTX strecken, die OEBB , die damals schon die Strassen entlasten wollte, den Bauknecht, der angeblich gewusst haben will, was Frauen wuenschen - auf keinen Fall einen Kuehlschrank im Bett.
Die Aerztekammer warnt erfolglos vor Lungenkrebs… Herzinfarkt…Raucherbein und Magengeschwuer. Denn die Milde ist ihre Staerke. So ein bewegter Modell Trupp vor dem Eingang des Cafes Hawelka, der fuer die Austria Tabak alles auf die leichte Schulter nimmt und Johnny zieht eine Nikotinarme Filter im Starclub durch. Mit Odol wird sogar das Schmusen zum Spiel, waehrend es gelingen soll, mit Rum vom Stroh Ferien vom Ich nehmen zu koennen, obwohl der Freud immer schon behauptet hat , dass das Ich ohnehin nicht Herr im Hause waere. Es zischt so frisch und neben dem echten Oesterreicher Dr.Klaus findet sich sein politischer Gegner, der angeblich unechte Dr.Kreisky, der mit den Sozialisten fuer Sicherheit und eine gute Zukunft geworben hat.
Da taucht der Kolaric wieder auf, der Kampf gegen Atomstrom und Imperialismus, die Stunden der freien Liebe im Ensemble Theater, das Wiener Stadtfest, die Pluhar und der Heller im Vanilla, die Arenauten im Inlandsschlachthof zu St.Marx in Wien, die Schmetterlinge im Auditorium Maximum.
Im Kino hat man Stanley Kubricks Uhrwerk Orange, Steven Spielbergs Weissen Hai, Liliana Cavanis Nachtportier gesehen und Jack Nicholson ist mit Milos Forman ueber das Kuckucksnest geflogen, waehrend Peter Patzak mit Helmut Zenkers Kasbach vorzeigt, was ganz normaler rechter Alltags-Terror in Oesterreich ist.
Neben den Hausruckern rockt das Hotel Morphila Orchester, Schwar zkogler ordiniert in der Galerie St.Stefan und Walter Schmoegner laesst fuer Mobil Oil einen gemuetlichen Wiener im duesengetriebenen Polstersessel einen Looping am Plakat drehen.
Es findet sich auch das Plakat der ersten Arena im Sommer 1970, mitveranstaltet von den Wiener Festwochen und dem ORF, Alfred Treiber hat damals die Lesenden und Vortragenden organsiert, im Zwanzger Haus. Bald kam es zu Abspaltungen und in Spaetfolge 1976 zu revolutionaeren Unruhen im Wiener Inlandsschlachthof, in der umstuerzlerischen ARENA. Da hat dann Buergermeister Poldi Leopoidl Gratz, der 45er, via Mittagsfunk verbreiten lassen, es koenne in dieser Stadt nur ein Gesetz geben, und das repraesentiere er.
Der ORF hat sich nie geniert , sich in Dingen federfuehrend zu bezeichnen, die er in Wahrheit nicht begonnen und die ihm in Folge entglitten sind. So behauptet etwa der nachmalige Intendant des ehrwuerdigen Hauses, Thaddaeus Podgorksy, er habe die Demonstranten des Jahres 1968, die da in Wiens Innenstadt unaufgeregt demonstrierten, so angeleitet, dass sie fernsehgerecht in den Abendnachrichten gezeigt werden konnten. Die Aufmaersche der Wiener 68er haben dann stilgerecht im Wirtshaus und im Cafehaus ihren Abschluss gefunden. Vor den Fernsehkisten, die laengst den Herrgottswinkel ersetzt hatten, mit den Abendnachrichten. Wir sind in, wir sind drin…!
Kurz danach hat der ORF unter der Leitung von Gerd Bacher in bester Spitzelmanier, frei nach Metternich und juengeren Vorbildern, seine Schwarzhoerer und Schwarzseher Kampagne begonnen, die heute noch unter Einsatz von subtilem Psychoterror laeuft und laeuft und laeuft.
Siemens wollte echte Farben schaffen und erzeugte ein Farbbild, dass die Natur zum Vorbild hatte und Blaupunkt servierte im Mini Cooper mit dem CR Autocassettenradio eine ganze Sache, waehrend Telefunken mit PALcolor die Farben perfektionierte.
Wer der Zeit vorausdrucken wollte, bediente sich eines Rank Xerox 9200 Kopierers. Wer an den Strassen nichts aendern konnte , der fuhr Volvo und begab sich mit Bruno Kreisky auf schwedischen Kurs in Richtung Wohlfahrtsstaat.