Ich konnte es ueber ein Jahrzehnt lang nicht mehr sehen, was sie da in den Galerien und in Themenausstellungen zusammengekarrt haben, all diese wichtigtuerischen Kuratoren und Kuratorinnen, fuer die Kunst und KuenstlerIn bloss mehr Werkstoff zur Weiterverarbeitung und Wertsteigerung geworden ist, Material fuer die Anlage von Datensammlungen und Kunstdeponien, die ungeachtet des mangelnden Publikums- und Kaeuferinteresses wild wucherten und eine neue Form von Kunstbuerokratie und Kunstfunktionaeren, passend zu den Aktenschraenken der Darboven hervorgebracht haben.
Ich will gar nicht behaupten, dass alles schlecht gewesen waere, aber ich bin des Anschauens muede gewoden.
Ich bin doch auf die Messe gegangen, ich habe meine Sache gemacht, die Sie in Folge in 250 Bildern anschauen koennen. Der Streifen: nach Lektuere scroll down. Ich habe den Besuch nicht bereut. Ein derartig grosse Messe erschliesst sich erst dann, wenn man oefter hingeht. Und das habe ich konsequent getan.
Ich habe mir die entscheidende Frage fuer einen Kunstmessenbesuch gestellt, ob ich , so ich genuegend Geld zur Verfuegung gehabt haette, mir etwas kaufen wuerde.
Ja, ich haette mir gerne einen kleinen bemalten Stahlschnitt von Tom Wesselmann von der Koelner Galerie Benden & Klimczak gekauft. Die grosse Version konnten sie um mehr als 350.000 Euro in Wien, uebrigens das beste Messeergebnis, Sex Sells :-), verkaufen. Der schlichte schwarzweiss gedruckte Mao in der Groesse zwischen A4 und A5 von Warhol kostete 80.000,-, ging nicht ueber den Tressen. Mir war American Nude immer schon lieber als maskuliner Personenkult. Am Stand der Berliner ist klar geworden, dass echte Profis nicht zu stottern brauchen und keine Kommunikationsmaengel haben.
Zwei Wiener Galeristen verweigerten die Beanwortung meiner Fragen mit dem vorgeschobenen Argument , sie muessten auf einen Kaeuferanruf via Handy warten. Ich bin mir sicher, die sitzen noch immer da, und warten auf die Anrufe.
Der offizielle Abschlussbericht der Reed Messeleitung, der im Nachhinein in Interviews relativiert worden ist, berichtet folgendes:
WIEN (28. April 2008). 126 Galerien und 15.508 Besucher , das sind die Eckdaten der neuen Rekordbilanz der Sonntag Abend in der Messe Wien zu Ende gegangenen internationalen Messe für zeitgenössische Kunst, >VIENNAFAIR<. "Wir haben hohe Erwartungen in die vierte Ausgabe der >VIENNAFAIR< gesetzt und die gestiegenen Besucherzahlen wie auch die Verkaufszahlen der Galerien bestätigen unser Konzept, mit dem Schwerpunkt auf Zentral-, Südost- und Osteuropa auch vermehrt internationale Sammler nach Wien zu bringen", zieht Matthias Limbeck, themenverantwortlicher Geschäftsführer von Veranstalter Reed Exhibitions Messe Wien, eine positive Bilanz der Messe. "Exhibition Director Edek Bartz und der neue internationale Messebeirat haben hervorragende Arbeit geleistet. Die >VIENNAFAIR< hat ihre Position im internationalen Kunstgeschehen weiter ausgebaut und gefestigt", freut sich Limbeck.
Sehr gute Verkäufe bei den anwesenden Galerien
Viel wichtiger für den erfolgreichen Abschluss der Messe war aber das kauffreudige Publikum, das so manchen Galeristen in Erstaunen versetzte. "Dieser Verkauf ist für uns eine besondere Freude, da wir den Sammler bisher noch nicht kannten", resümiert die Galerie Benden & Klimczak die am Samstag finalisierten Verhandlungen um den Verkauf von Tom Wesselmanns "Nude with Mirror" aus dem Jahr 1988. Um stolze 375.000,- Euro konnte das Werk in einer Wiener Sammlung platziert werden.
Marktplatz Wien auch international positioniert
Neben 46 Galerien aus Österreich waren 55 aus Westeuropa, je zwei aus Israel und den USA sowie, dank der Unterstützung durch Hauptsponsor ERSTE Bank, 21 aus den Schwerpunktländern zur >VIENNAFAIR< in die Messe Wien gekommen.
Zufriedene Stimmen der Besucher
Zufriedenheit unter den Besuchern zeigen die Daten der unabhängigen Besucherbefragung. Fast neun von zehn Befragten erklärten, Vorteile aus dem Messebesuch gezogen zu haben, drei Viertel gaben an, die >VIENNAFAIR< Bekannten und Kollegen weiterempfehlen zu wollen. Wie intensiv das Interesse an der >VIENNAFAIR< ist, beweist auch die Tatsache, dass - laut Umfrage - drei von zehn Besuchern der Messe mehr als einen Besuchstag widmeten.
Kunstkauf ist vorrangiges Motiv zur >VIENNAFAIR< zu kommen
Mehr als die Hälfte der Besucher (55,8 %) gab den Kauf von Kunstobjekten als vorrangiges Besuchsmotiv an. 22,8 Prozent deklarierten sich als Kunstsammler, zehn Prozent als Kunsthändler sowie annähernd gleich viele als Vertreter einer Institution oder Kuratoren. "Die >VIENNAFAIR< spricht nicht nur kunstinteressiertes Privatpublikum, sondern in hohem Maße auch Profis und Experten an", so Messeleiterin Daniela Hinterhölzl.
Der Fachbeirat der VIENNAFAIR
Guido W. Baudach, Ursula Krinzinger , Matthias Limbeck, Thomas Wüstenhagen, Anthony Wilkinson, Kerstin Engholm , Simon Rees, Anne Blümel, Edek Bartz, Michael Rein.
In einer Nachbesprechung zeigt sich DI Limbeck enttaeuscht ueber die zu geringe Anzahl der BesucherInnen. Dem moechte ich entgegen halten, dass Wiens erstes Haus in Angelegenheiten Moderner Kunst, das MUMOK , im Jahr von 240.000 Menschen besucht wird, inklusive der Touristen, das sind doppelt soviel wie in Rontes altem Liechtenstein. Ich halte 15.000 Besucher in vier Tagen im Peichelschen Messepalast fuer ein ausgesprochen gutes Resultat. Die Messe war nicht ueberlaufen, aber gut besucht und angenehm uebersichtlich wie kommunikativ. Das ist fuer ein gutes Kulturereignis Voraussetzung. Alles was im Massenmegastrom untergeht, schmeichelt der Statistik des Veranstalters, geht aber an den Inhalten vorbei und den BesucherInnen auf die Nerven. Das Kunstmessenformat ist eben kein Produktmessenformat. Der Besucherandrang etwa auf der ITnt haette hier bloss Stress verursacht. DJ Bartz hingegen zeigt sich begeistert.
Die Avartare Peter Noevers, The Noever Mascot, in Form des eines Schlaefers mit dem Verhalten eines Penners von Michikazu Matsune & David Subal mit Witz in Szene gesetzt, kugelten alle Messetage lang in den Kojengassen herum. Ich nutze sie hier als wiederkehrende Marker im Messe - Bilderbogen und betone damit den aktionistischen Charakter des Kunstmessenmaskottchen. Dank fuer die Possen. Ebenso als Marker verwende ich eine nachgemalte Version des Warhol Portraits der Monroe aus dem Angebot der Galerie Mezzanin. Das Bild ist die Ikone unserer Zeit, die die Mona Lisa laengst ersetzt hat, und die hier ein passendes multiples Nummerngirl abgibt.
Eigentlich schlaeft Noever nicht. Laut On-Line Standard planen Noever, Chef des Museums für angewandte Kunst, und Gerald Bast, Rektor der Angewandten, die Gründung einer Institution namens UMAK . Dieses Zentrum für Kunst, Architektur, Design und Forschung soll ein international sichtbares Bekenntnis zur Zusammenarbeit sein: "Wir wollen die institutionelle Fragmentierung aufbrechen und die Kräfte bündeln."
Dem voraus geht ein Gemeinschaftsstand von MAK und Hochschule fuer angewandte Kunst auf der Vienna Artfair, auf dem neue Kunst Eier zum Preis von 1,- Eurone pro Stueck angeboten wurden. Die hart gekochten Eier aus der Klasse Erwin Wurm waren frisch und schmeckten gut. Besonders beeindruckte mich die perfekte weissglaenzende Lackierung und der ebenso perfekte Aufdruck, alles Ergebnis maschineller Hochtechnologie in Serienfertigung.
Eines muss ich zu Peter Noever sagen, bei aller Kantigkeit und Sproedigkeit seiner Persoenlichkeit, und obwohl ich nicht in allem seinen Geschmack und Praeferenzen teile. Er fuehrt ein interessantes Haus, hat viel fuer die Erneuerung und Weiterentwicklung des Design- und Architekturverstandes in Oesterreich getan, die Peter Eisenman Ausstellung zbsp. im MAK ist mir noch in bester Erinnerung, er hat gute internationale Kontakte, die er offensichtlich teilt, er schliesst sich im MAK nicht ein und oeffnet das Haus nachhaltig nach aussen. Man kann ihn in eine Reihe mit Werner Hofmann und Alfred Schmeller stellen, die international interessiert und gebildet waren und vor allem der einheimischen Kunstszene einen Standort gegeben haben.
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Auch der Avartar Marcel Duchamps ist da gewesen und hat gleich drei Pissmuscheln in Serie signiert. Im Hawelka musste man noch mit dem Ikon Kill Roys auf der
Haeuselwand vorlieb nehmen. Wien ist nicht mehr anders, sondern pflegt zunehmend internationalen Stil und dazu passendes Flair.
Knoll betreibt weiterhin seine Galerie in Budapest und Wien und zeigte u.a. ein Bild von Akos Birkas, das ich nicht gleich als einen Birkas erkannt. Ich vermutete darin eine Neuauflage des sozialistischen Realismus, die glueckliche Kleinfamilie im Sozialplattenbau, normiert von Budapest Voeres Kereszt bis an das Eismeergestade in Wladiwostok. Tatsaechlich zeigt das Bild neuere Sozialarchitektur aus Spanien. Nicht wirklich verwunderlich, denn auch der hiesige Adolf Krischanetz ist zbsp. nicht weit von der Sozialplattenaesthetik entfernt.
Akos Birkas hat nun zum vierten Mal seinen Malstil und seine Generalsujets geaendert . Er kann nicht verleugnen, dass er einmal Professor der ungarischen Akademie der Kuenste gewesen ist.
Die Messe Maut hat der Knoll aber mit dem Manieristen Tony Cragg gemacht. Um 165.000,- Euronen hat eine internationale Sammlung den Ankauf getaetigt.
Akos Birkas habe ich 1982 kennengelernt. Ich plante damals eine Begegnung mit ungarischen und oesterreichischen KuenstlerInnen in Eisenstadt im Rahmen des von mir ins Leben gerufenen Biennalformats Grenzzeichen, das mit Hilfe der oesterreichischen Kunstfoerdung und der UNESCO eine Initialzuendung in der Ostoeffnung geplant war und mit Neuer Kunst aus Oesterreich und Ungarn1984 gut funktioniert hat. Knoll trat erst spaeter auf den Plan (1989 mit Gruendung einer Galerie in Budapest), nachdem die Grenzen durchlaessig bzw. goeffnet waren, so wie Meinl, Erste Oesterreichische u.a. erst ab da an ihre Fuehler im Osten ausstreckten. Viel Geld wird heutzutage im Osten gemacht. Aber ganz so sicher ist der Deal nicht, wie Meinl European Land vor Monaten erschreckend unter Beweis gestellt hat. Verstaendlich, dass mich zwanzig Jahre spaeter die Entwicklung der osteuropaeischen Kulturkontakte noch immer interessiert, obwohl ich da laengst nicht mehr mit im Spiel bin. Die Westkunst in ihrer postmodernen Spielform ist laengst akademisch geworden und die Ostkunst ist bei weitem zu affirmativ und ahmt zu viel nach. So stellt nicht Jan Fabre in der Warschauer Galerie Czarna aus, sondern Anna Okraska arbeitet offensichtlich da in einer Art kuenstlerischen Franchisevertrag mit BIC Kulis. Fabre hat von der Baronin BICh die Kulis en masse gratis plus Sponsorgeld bekommen, bevor er zum koeniglich belgischen Hofausstatter avanciert ist. Madame BICh hat aber auch den franzoesischen National Frontisten Le Pen finanziert.
Darueber hat bereits die konservative osterreichische Presse vor zwanzig Jahren auffaellig aufgeregt geschrieben. Ironie der Geschichte: die rote Ursel Pasterk hat Jan Fabre in ihrer Festwochenzeit nach Wien geholt. Als Theatermacher bervorzugte Fabre deutlich SM Riten auf der Buehne, wenn auch nicht in der Kostuemierung der Rotlicht Zonen.
Wenn das Geld bestimmte Mascherln hat, hat der Kuenstler nichts mehr zu sagen. Er hat nur mehr eine Aufgabe zu erfuellen: beruehmt zu werden und die Gazetten zu fuellen. Julian Benda hat diesen Verfall der individuellen Autonomie bereits in den 30 er Jahren vorigen Jahrhunderts in seinem Buch ueber den Verrrat der Intellektuellen beklagt. Sind sie wirklich alle zu Clerks geworden ? KuenstlerInnen geben oft vor, ueber die Mechanismen des Marktes, der Kunst und der Politik nachzusinnen und zu arbeiten. Allerdings duerfen sie die Vorstellungen der Marktwirtschaft nicht verletzen, nur so duerfen sie sich im Glanz der Icons finanzkraeftiger Sponsoren sonnen. An sich ein schiefes Geschaeft, denn die einen geben ihre Unabhaengigkeit willfaehrig auf und die anderen stehen nicht als wirklich glaubwuerdige Maezene bzw. Foerderer von Toleranz und Pluralismus da.
In einem bin ich mit Knoll einig, die Messe ist interessant und gut besetzt. Jetzt muessen sie sich in Augenhoehe auf eigenem Boden international konkurrenzieren und damit faellt der falsche Mythos In Oesterreich weltbekannt !. Das Galeriegeschaeft im schwierigen Ost West Feld hat Knoll nachhaltig bis heute durchgehalten.
Es gibt auch weitere Anpassungszwaenge. Kurt Kladler, Mitarbeiter Isolde Charims, der den Wiener Kunstbetrieb in vielen Variationen, noncommercial und commercial, durchlaufen hat, stellte nach meiner Frage zur mangelnden Praesenz bestimmter Formen der Kunst, insbes. der digitalen, klar wie deutlich fest, dass sich das Angebot der Messe zu 90 Prozent ! am Geschmack der potentiellen Kaeuferklientel orientiert. Gegen das Kaufverhalten laesst sich am freien Markt kaum argumentieren. Wer ein Geschaeft machen will, muss sich am Kunden ausrichten. Bleibt die Frage offen, wie interessiert man den Kunden fuer neue, weniger marktgaengige Formen.
Drei Secessionspraesidenten habe ich auf der Artfair getroffen. Hermann Painitz, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Wie sich heute herausstellt. mit der von ihm mit begruendeten Vereinigung fuer Logische Kunst lagen wir damals bestens im Trend .
Weiters Edelbert Koeb, heute Direktor des MUMOK, der die Secession gemeinsam mit seinen Nachfolgern Krischanitz und Werner Wuertinger in ein gehobenes Designinstitut und in einen priveligierten Gesellschaftstreff mit US-Hilfe verwandelt hat. Der Extrem Minimalist Werner Wuertinger, von dem ich bloss ein Ausstellungsstueck, und das waehrend seiner Praesidialzeit in der Secesssion gesehen habe, wirkte etwas muede. Seine These: Kunst darf nicht nicht literarisch sein. Deswegen laesst sich von bildenden Kuenstlern vieles unbegruendet hinstellen.
Ebenso getroffen habe ich Hille Hildebrandt, den guten aber strengen Geist der Secession, die vor einem Jahr in Pension gegangen ist. Im weiteren begegnete ich alten Freunden, Weggefaehrten, Kollegen, Kunstbetrieblern, Konkurrenten, Schriftstellerkollegen wie Franz Joseph Czernin und seiner Frau Adriana, die in der Galerie Janda ausstellt, Franz Ringel, Wolfgang Herzig, Heinrich Recht, Hubert Fabian Kulterer, Andrea Schurian, Rudolf Stanzel, Rudi Aigelsreiter, Claudia Hahsl Hold, den Galeristen Rosemarie Schwarzwaelder, Julius Hummel und Steinek, Elisabeth Koller Glueck, dem unverwuestlichen Hans Staudacher, Peter Noever, Fredie Jelinek, der zehn Minuten auf der unaufgefordert mitgebrachten Trompete spielte, weiters P.Atanasov ohne Anhang, Gundel Gerngross, Kitty Kino, Anna Blau, Silvia Eckermann, Walter Schmoegner, Tim Sharp, Lisl Ponger, Heidi Caltik, Ingrid Wald, Rene Clemencic, Wolfgang Hilger, Irmgard Klammer. Hansi Huber, Andreas Balint, Daniela Hammer Tugendhat, Wolfgang Kos, Franz West, Gerald Kargl, Hans Knoll, Kurt Kladler, meinem Ex Verleger Lukas Gehrmann, Drucker Gottfried Zein, Rahmenhandler Guenter Broder, FM 4 Macherin Monika Eigensperger. Julius Deutschbauer fragte mich grosszuegig, ob er mich nicht schon um ein Interview gebeten hat, aber erst dann, als er mir von Sylvia Eisenburger, die ich selbst gerade kennen gelernt hatte, vorgestellt worden ist. Ich denke, der Deutschbauer wird, so er keinen ueberzeugenden Grund vorbringt, lange auf das Gespraech mit mir warten muessen. Ihnen allen und den mir unbekannten anderen Messebesuchern ein herzliches Danke fuer das freundliche Laecheln in das Objektiv.
Man erkennt, die Vienna Artfair ist ein gesellschaftliches Ereignis. Die Politiker und die Banker, die ich auch noch getroffen bzw. gesehen habe, zaehle ich jetzt nicht mehr auf, abgesehen von Hans Pusch im Altenteil, Alfred Zellinger mit zwei Leben und Wolfgang Zinggl vor einer verschrumpelten Mona Lisa.. Erstaunlich viele junge Paare tauchten mit ihren Babys in Halle A auf, selbst der in die Jahre gekommene Szenestar Franz West schob seinen Juengsten im Kinderwagen zum Stand seines Galeristen. Ein Vorgang, der so vor 10 Jahren im Rahmen Wiener Kunstpraesentation nicht vorstellbar gewesen ist.
Der Auseinandersetzung bzw. dem Wechselspiel der Geschlechter ist in Inhalten wieder erkennbar Raum gegeben. Die Orlan demonstriert bei Rein ihr Recht auf eigene Koerpergestaltung, Bernardi Roig zeigt bei Moroner hinter halb geoeffneten Jalousien ein Sexszene aus der griechischen Mythology. Dunja Evers zeigt bei Fiedler Contemporary eine gefaehrliche Dame mit Flinte, im uebrigen ein Sujet, dass von Valie Export zu Beginn der 70 er Jahre vorigen Jahrhunderts viel besser und wirksamer eingebracht worden ist. Ebenda zeigt Keller / Witmer ein Selbstportrait, das Foto eines glatten Schoenlings, dem die eigentlichen Geschlechtsmerkmale fehlen bzw. weg retuschiert sind.
Arcangelo Sassolino zeigt bei Senger Zuerich seine neue Form der Schweizer Armbrust, die auch fuer das Chalet in den Alpen als Holzspaltemaschine eingesetzt werden kann bzw. die Axt im Haus ersetzt. Elke Krystufek zeigte sich von der neuen Schweizer Power, made in Italy angetan.
Eine weitere Bruchholzkonstruktion ist bei carlier/gebauer zu sehen. Marko Lehanka hat eine Concorde im Wohnzimmerformat aus Holzscheiten, zum Teil noch mit Rinde drauf
nachgebaut. Kostenpunkt 20.000,- Euronen. Um das Geld konnte man viermal mit der ersten Ueberschallpassagiermaschine der Welt von New York nach Paris und umgekehrt fliegen. Wenn man Glueck hatte, sass auch Henry Kissinger im Flieger. Die Concorde verdient solch unbotmaessigen Nachruf wirklich nicht. Die Concorde war eine der besten und genialsten Flugzeugkonstruktionen des 20.Jahrhunderts. 30 cm dehnte sie sich im Flug wegen der Reibungshitze. Das muss man einmal ohne nachhaltige Sicherheitsrisken planen und technologisch umsetzen koennen. 27 Jahre hat sie klaglos und sicher ihren Dienst versehen. Das katastrophale Ende auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle lag in der Verantwortlichkeit der Flugbetriebsleitung. Toetliche Schlamperei. Man hatte ein haessliches Metallstueck auf der Startbahn uebersehen und liegen lassen und das Ding
zerfetzte der Concorde einen Reifen. Ende fatal.
Uebrigens, Frank Ghery konstruiert seit Jahren seine grossartigen Architekturen mit Software aus der Flugzeugindustrie, mit der u.a. die Mirage entwickelt worden ist. Ghery arbeitet, plant und baut nach den Prinzipien des CIM, des Computer Integrated Manufactoring. Das ist ein weiteres Faktum des effizienten Einsatzes des Computers, der sich, abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmen, noch nicht in die Wiener Szene durchgesprochen hat. Mini Mouse von Disney oder von Logi Tech, das ist hier die Frage.
Franz West zeigt bei Mayer Koenig eine Variation der biblischen Szene von Judith und Johannes . Das abgeschlagene Haupt des Taeufers traegt die Gesichtszuege Ludwig Wittgensteins und West nennt sein Bild Ludwig und Judith. Na bitte….da ist schon Philosophie drinnen ;-) Immerhin, eine Arbeit von West geht um 45.000,- Euronen weg.
Die 226 x 317 cm große Arbeit "Sodom" von Gilbert & George geht um 275.000 Euro von der Galerie Thaddaeus Ropac an eine Wiener Sammlung. Ropac zeigte u.a. ein der Rolling Stone Zunge nachempfundenes Yacht Modell des Kunst-Spoetters Erwin Wurm, der in einer anderen Galerie mit Strickwaren wieder gut verdient hat. Wurm ist es u.a. gelungen, Admonter Benedictiner Moenchen in den Apfel der Verfuehrung beissen zu lassen. Vergleichbar deutliches mit Nonnen soll abgewendet worden sein. Das Stift zeigt jedenfalls stolz die Ergebnisse, Fotos, die eines gewissen banalen Volkswitzes nicht entbehren, aber darueber nicht hinausreichen.
Die leicht gereizt wirkende Galeristin Dana Charkasi , die Kamen Stoyanov an das MUMOK vermittelt hat, praesentiert sich in einer Koje, die an die Installationen der legendaeren Wiener 4 Damen erinnert. Auf Fotos von Boris Mikahailov macht sich bei Susanne Tarasiève eine juengere Nackte ueber einen aelteren Herren her. Die Krystufek zeigt Bilder bei Kratochwill neben der Freikoerperkuenstlerin Lassnig, Otto Muehl jagt ebenda eine nackte Frau auf die Palme. Sherry Wong geht bei I-20, N.Y.C. baden, die Galerie Hohenlohe zeigt schwuelstige Schlafzimmerinstallationen ohne weiteren Koerpereinsatz, waehrend Cameron Platter bei Hilger eine Stripperin im knallroten Sarg zeigt. Martin Schnur bei Feichtner widmet sich einer nackten Einsamen und Walter Moroder zeigt bei Chobot eine zuechtige, lebensgrosse Figur aus Zirbelkiefer, mit Acryl bemalt. Felix Wunderlich von den Berliner Kunstagenten zeigt den Raub der Sabinerinnen gemaess einem Sujet des 20. Jahrhunderts. King Kong hat sich die Mini Mouse geschnappt.
Apropos Galerie Hilger. Der Sozialrealist Hrdlicka ist nur mehr in Form eines Prospektes auf dem Buerotisch des Galeriestandes vorhanden gewesen. Er ist mit dem realen Sozialismus in SU und DDR mit unter gegangen.
Aber er ist nicht in Vergessenheit geraten, wie die Geburtstagsadressen aller moeglichen Tageszeitungen heuer bewiesen haben. Auf dem Kunstmarkt bringt der rabiate Mann mit dem Bildhauerfaeustl noch immer was.
Demnaechst stellt er in Zell am See aus. Man erkennt, zwischen Hauptstadt und Region gibt es immer noch die Zeitverschiebung in der Kunstpraesention.
Leo Zogmayr zeigt bei Hilger eine originell komprimierte Skulptur, die der Art & Language Schiene zugeordnet werden kann. In eine Stahlrolle eingraviert die Saetze: nichts ist sichtbar > nichts ist unsichtbar
Arnulf Rainer hingegen spielt bei Steinek ein frivoles Farbenspiel mit dem Tod. In neokolonialer Manier hat er einen originalen Schrumpftotenkopf uebermalt. Kostenpunkt 30.000,- Euro. Den will aber keiner haben, so Steinek. Ansonsten zeigt Steinek Franz Ringel und die seltsamen Erguesse eines oesterreichischen Moechtegerns, der langsam zur Provinzausgabe von Truman Capote mutiert ist, ohne jedoch so gut schreiben zu koennen, wie der es gekonnt hat.
Duestere Visionen des Katholizismus zeigt der Yugoslawien geborene und in Paris lebende Marko Velk bei Marc Berville Prospects, Berlin. Im Gegengewicht dazu habe ich einen interessanten Messebesucher angetroffen. Er ging mit einem Knotenstock durch die Halle. Nicht um die Kunst abzwehren. Er bringt sich in Etappen ueber den Jakobsweg. Noch fehlt ihm die Haelfte bis zum Ziel in San Compostella. Ich wuerde den Weg auch gerne gehen und mir eine Muschel vom Atlantikstrand holen. Ich weiss aber nicht, ob das mir verbliebene Atemvolumen dafuer noch ausreichend ist. Fuer die Erstellung des Messebogens hats noch gereicht :-)
Die Dvir Gallery aus Tel Aviv zeigt eine interessante Serie von grossformatigen Fotos von Pavel Wolberg aus dem israelischen Alltagsleben, in dem leider auch palistinaensischer Terror zum staendigen Begleiter geworden ist. Die Galeristen konnten mehrere Formate um je 7500,- Euronen verkaufen.
Die Madrider Galerie distrito cu4tro zeigt eine tolle Fotografie der neuen Peking Oper, erbaut und geplant von Paul Andreu und aufgenommen von Jose Manuel Ballester.
Im weiteren begebe ich mich auf die Suche nach jenem Feld, dass mich eigentlich wirklich interessieren sollte, nach Erzeugnissen der Neuen Medien und der Digitalisierung. Ich werde fast ebenso entaeuscht wie im MUMOK, denen es in der grossen Ausstellung Genau und anders ueber die Beziehung von Kunst und Mathematik in Vergangenheit und Gegenwart gelungen ist, den auf dem digitalen Algorythmus basierenden Teil der Neuen Medienkunst ueberhaupt nicht wahr zu nehmen und eine Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte voellig zu uebersehen bzw. zu missachten…
Auch im Kunsthandel ist die digitale Medienkunst offensichtlich kein verkaufbares und handelsfaehiges Format. Zumindest auf der Wiener Art Fair nicht. So nehme ich ganz geruehrt auf dem Stand der Galerie Sommer Contemporary, Tel Aviv eine elegante Video Arbeit von Doron Solomons, die Edouard Manets Le déjeuner sur l'herbe aus dem Jahre 1863 nachstellt und mittels eines Grundig Flachbildschirmes ans Licht bringt, wahr. Das wiederum erinnert mich daran, dass Jean Luc Godard in seiner gefilmten Geschichte des Kinos ausgezeichnet u.a. ueber den Impressionismus zu referieren verstand. Das wissende Auge das Malers schafft in der Nutzung der Kamera den ueberzeugenden Ausschnitt. In der wirklich guten Kunst gibt es eben keine Separierung von Alt und Neu.
Rosemarie Schwarzwaelder zeigt fuer die Galerie Naechst St. Stefan eine armhohe Skulptur von Karin Sander, deren digitale Herkunft sich bei naeherer Betrachtung erschliesst. Die Skulptur ist nach einem 3-D Scan eines lebenden Models von einer prozessrechner gesteuerten Fraesmaschine hergestellt. Auch hier stellt sich High Technology als eigentlich gestaltend wie zbsp. in der harten Eierserie des MAK bzw. der Angewandten heraus.
Eine akustische Installation mit einer Reihe oranger Mikrofone am Tat Ort von Berlinger/Fiel bei Haemmerle hat sich mir nicht explizit erschlossen und nachfragen wollte ich nicht.
Momentum Photographie zeigt unter dem Tisch an die Wand gelehnt 3 Portraits von Joseph Beuys, fotografiert von Skrein, und zwei interessante Fotomontagen, die mittels des Computers von Satellitenfotos von Autobahnkreuzen, Abfahrten, Zubringern und Ueberbrueckungen zusammengestellt worden sind. The Road Show von Hubert Blanz.
Die Galerie Blanchisserie aus Boulogne Billancourt in Frankreich zeigt Arbeiten von Arnaud Maguet. Unter anderem My Autumn's done come und Time is on my Side. Daran werden wir jedoch noch arbeiten muessen und vor allem viel Ueberzeugungsarbeit leisten muessen, bis die digitale Kunst erblueht und ihre Vermarktung a gmahte Wiesen sein wird.
Die Galerie Rein aus Paris, deren Leiter einer der Kuratoren der Messe ist, zeigt eine Arbeit der ORLAN und eine Video Installation in variablen Dimensionen von Yuri Leiderman.La danse d'Ajax: Plasy (Tchéquie), Moscou, Ulm (Allemagne).
Hubert Winter zeigt eine umfassende Installation rund um einen Panhard Special, zusammengesetzt von Paul Etienne Lincoln The velocity of thought, begonnen 1976 und abgeschlossen mit einem Video, gedreht 2006 in der ehemaligen Fiat Fabrik in Turin.
Lisl Ponger und Tim Sharp sind 2006/2007 gesponsert von der EVN Sammlung durch Bulgarien gereist, haben ein zeitgemaesses Logbuch verfasst und brachten ein Roadmovie aus 550 Fotografien, 90 kurzen Filmen und Hoerstuecken zustande, gespeichert, strukturiert und abrufbar auf einer DVD ROM.
Fotografisch verabschiede ich mich von Mrs. Helga Fox von HF Contemporary in Welham Green, UK, die einen interessanten Mix von KuenstlerInnen zusammengestellt hat.
Gut fand ich den Weinstand des Landes Niederoesterreich, mit Verzicht auf ueberholtes Heurigendesign hingestellt, an dem guter Wein zu erschwinglichen Spenden ausgeschenkt worden ist, an dem man gemuetlich zusammen sitzen und reden konnte.
Das mit dem Galerienpreis Hang Man Ensemble von Eisenberger, im Besitz der Thyssen Bornemisza Art Stiftung, ist mir ein Greuel. Interessant gefunden habe ich die Vorlesung der Kunstkritikerin Brigitte Borchardt Birbaumer (Wiener Zeitung) , die davon erzaehlte, wie das Objekt Golgotha (drei Kreuze) von Joko Ono, urspruenglich fuer Ulm gedacht, in den Oesterreichischen Kunstpark des Joanneums in die Naehe von Graz gekommen ist. Der junge Kunstkritiker Matthias Dusini demontierte fuer den FALTER in ueberzeugender Weise Altmonster Otto Muehl. Er hat ihn in der Algarve besucht, in dessen Alterskommune. Sie lachen nur, wenn der Altmeister einen Witz erzaehlt. Offensichtlich, bei Otto Muehl Schulmeister ist alles beim alten geblieben.
Der Applaus fuer den gekonnten Verriss war herzlich und die Zwischenlacher erfrischend ehrlich.
Den eigentlichen Messezweck brachte Romeo Gruenfelder bei Ruziska / Weiss, Berlin, auf den Punkt. Er zeigte eine prall gefuellte Geldboerse mit Cash und Creditcards auf drei viertel Butter Packungen abgelegt, mit Sockel.
Nun moechte ich noch die Herkunft der beiden ersten eingangs gezeigten Bilder, die Dame mit der Maske (Sixtees Fashion, fotografiert von John French und den amerikanisch, sowjetischem Batman Paar ( Cover Image fuer Opus von Roman Cieslewicz ) nennen. Sie stammen von der Website Jane Pavitts, einer Kuratorin des Victoria & Albert Museums in London, die am Freitag an der Podiumsdiskussion zu Art, Architecture and Design for the People als Rednerin teilgenommen hat.
Das Foto der Jury und das Aufsichtsfoto der Kojen in der Aufbauphase stammt von der Presse CD der Messeorganisation , © Reed Exhibitions Messe Wien/ C. Husar
Jane Pavitts arbeitet an einer Ausstellung ueber den Kalten Krieg in der Moderne fuer das Victoria & Albert Museum, Opening September 2008. Art and Design in a Divided World, 1945-1970 .
Auch dies ein passendes Themas zur Vienna Artfair, die den Osten mit dem Westen und vice versa aufs Neue verbinden moechte. Seit 1997 arbeite und publiziere ich im Electronic Journal Literatur Primaer ueber die Kulturpolitik des Kalten Krieges, spezifisch am Beispiel Oesterreichs im internationalen Kontext von Ost und West, vielgelesen und vielbeachtet und in der Zwischenzeit richtig von den LeserInnen verstanden.
Fotografie, Text und Gestaltung © Franz Krahberger
So long, see us next year again