Praesentiert von Franz Krahberger
Eva Moser hat eine ausgezeichnete Biographie ueber Otl Aicher und Inge Scholl
geschrieben, in der nichts ausgelassen und nichts weggelassen wird. In Ulm, um Ulm und um Ulm rundherum.
Otl Aicher / Inge Scholl / Volkshochschule Ulm / Hochschule fuer Gestaltung Ulm / Max Bill / Charles Eames / Walter Gropius; Bauhaus / Norman Foster / William Ockham / Wilhelm Vosenkuhl / Christa Wolf / Otto Neurath / Lufthansa / Braun Logo & Messe-Design / Deutsche Bank / Raiffeisen / West LB / BMW / Bayrische Rueckversicherung / ERCO Lichtfabrik / Olympische Sommerspiele 1972 / Flughafen Frankfurt und einiges andere mehr.
Die Gruendung der Hochschule fuer Gestaltung Ulm wurde mit der finanziellen Hilfe der USA via den McCloy Fonds unter der Auflage, die Ulmer muessten die gleiche Summe von der deutschen Wirtschaft akquirieren ermoeglicht. Inge Scholl brachte es zustande und am 23.Juni.1952 wurde den Ulmern der zugesagte amerikanische Anteil in der Hoehe von 1 Million DM vom Hohen Kommisar McCloy aus dem nach ihm benannten Fonds feierlich im Ulmer Rathaus. Sie erwarteten sich von den Ulmern wesentliche Beitraege in einer Verbindung von Politik, Demokratie, internationaler Gemeinschaft, von Sozialwissenschaft, Demoskopie und Massenmedien. Das war genau das, was die Amerikaner fuer ihr Programm der Reeducation suchen, und zwar, wie Inge Scholl richtig erkannt hatte, unter deutscher Verantwortung. Das ist den Ulmern, auch mit Hilfe der Gruppe 47, lange Jahrzehnte wirkungsmaechtig gelungen. Die Januskoepfigkeit der US-Politik, gleichzeitig im Zuge der Kalten Kriegspolitik alte Naziseilschaften auf allen Ebenen bis hinein in die Deutsche Bundeswehr und damit in die NATO zu pardonieren, ist kaum zu verstehen, ein riskant angelegter Spagat, der nicht aufgehen kann. Tatsaechlich hat das rechtslastige Deutschland nach dem Mauerfall einen Aufschwung genommen, der nur mit Muehe gestoppt werden kann, gestoppt werden muss, um Deutschland und in Folge Europa vor einem fatalen Rueckfall zu bewahren.
Otl Aicher Gestalter / Von Eva Moser, Gestaltung von Weidner Händle Atelier, Berthold Weidner / Deutsch / 2011. 456 Seiten, 374 Abb., davon 35 farbig / ISBN 978-3-7757-3201-7 /
Erste Biografie des visionären Gestalters und Pioniers der visuellen Kommunikation und des Erfinders des Piktogramms.
Otl Aicher, (1922 -1991) war der wohl einflussreichste Gestalter der Nachkriegszeit in Westdeutschland. Mit dem Erscheinungsbild für die Olympischen Spiele 1972 in München und seinen Sportpiktogrammen wurde er weltbekannt. Er schuf die Erscheinungsbilder wichtiger deutscher Unternehmen wie Braun, Lufthansa, ERCO und zahlreicher Banken. Als Mitbegründer und Rektor der wegweisenden Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) war er Lehrer einer ganzen Generation von Grafik-Designern. Prägend für sein lebenslanges politisches Engagement war Aichers Verbindung mit dem Widerstandskreis Weisse Rose; die Schwester der hingerichteten Geschwister Scholl, Inge Aicher-Scholl, wurde seine Lebensgefährtin. Für diese erste kritische Biografie sprach Eva Moser mit Weggefährten, Familienmitgliedern, Auftraggebern, Freunden. Der Text wird ergänzt um Fotos aus dem familiären und beruflichen Umfeld sowie um ausgewählte Beispiele von Aichers Gestaltungsideen.
Das Corporate Identity & Public Relations Concept Aichers selbst weist totalitaere Zuege auf. Das trifft in gewisser Weise auf das Bauhaus allgemein zu, das letztendlich in der historischen Entfaltung des IKEA Global & Coke anf Jeans Systems konformistische Zuege zeigt, verbunden mit einem hohen Qualitaetsanspruch. United Sex & Uni Look. Es ist eng verbunden dem nur scheinbaren Serialismus der Modewelt und des Lifestyles. Das mag insgesamt allgemein mit der Vermarktung und effizent ausgekluegelter Distrubution im Globalmasstab zu tun haben. Wirklich bedenklich werden derartige Strukturen dann, wenn das Gehirn und dessen Denkfaehigkeit strikt eindimensional formatiert wird. Der Markt und seine Kunden. Meinung und Information werden zur Massenware konfektioniert. Einer der Spielmeister dieses offenen, doch best kontrollierbaren Games war Otl Aicher, der ein ausgepraegtes elitaeres Selbstverstaendnis zeigte, waehrend die von ihm bedienten und ikonologisch geleiteten Massen eher der schlichten statististischen wie normativen Human Semiotik Otto Neuraths gleichen. Ich will Aicher keineswegs persoenliches Machtstreben unterstellen. Aicher ist Repraesentant einer hochentwickelten Industriegesellschaft, die laengst globale aehnliche Zuege angenommen hat, und, das ist paradox, unabhaengig von den ideologischen Orientierungen der jeweils de Macht ausuebenden Schichten, ingesamt in einer vereinheitlichten Weltwirtschaftsstruktur konvergiert und muendet.
Doch Aicher pflegt keinen auf sich bezogenen Personenkult. Er meidet die Erscheinungsform des politischen Diktators. Er stellt sich auf die Seite der Protestkultur und des prononcierten Antifaschismus und wird so zu einer exponierten Person, dem die Dissidenz in seiner zwangslaeufig an die Wirtschaft gebundene Karriere nie geschadet hat. Im Gegenteil, man zeigte sich auf seinen Rat angewiesen. Darauf legte er Wert. Peter Kornatzki ueber ihn: Otl Aicher ist der bekannteste deutsche Gestalter und gleichzeitig der Unbekannteste. Eva Moser ueber Aicher: er schuf kein Autoren Design mit spektakulaeren Einfaellen, er hat nichts signiert, sich nie an Design-Wettbewerben beteiligt. Seine Omnipraesenz im Alltag durch Logos, Piktogramme, die Schrift Rotis wird als selbstverstaendliche Alltagskultur wahrgenommen. Otl Aicher ueber seine Taetigkeit: design wird nicht signiert. design ist fuer alle da, nicht fuer wenige oder gar einzelne, design will reproduziert sein, vervielfaeltigt. design hasst das original und den elitaeren marktwert. es sucht die groesstmoegliche stueckzahl und die groesstmoegliche verbreitung . Otl Aicher war jedoch im Gegensatz zu dem von Diktatoren gepraegten 20. Jahrhundert kein selbstsuechtiger Demagoge, ebensowenig war er ein Kuenstler, deren gesellschaftliche Spielform er deutlich formbewusst vermieden hat.
Aichers konsequenter Hang zur kleinschreibung, die das Erscheinungsbild der Ulmer Schule der Gestaltung gepraegt hat, duerfte die neuere oesterreichische Literatur in der Erscheinungsform der Wiener Gruppe beeinflusst haben. Die Verbreitung der kleinschreibe, die an sich bereits Mitte des 19.Jahrhunderts in der deutschen Sprache auftaucht, scheiterte jedoch bereits in der Grazer Autorenversammlung, deren Mehrheit das als laestigen Zwang empfunden hat, obwohl die kleinschreibe effektiv den Bildcharakter der geschriebenen Sprache steigert. Das war Aicher, und nicht allein, wie vermutet, die Annaeherung an die englische, insbesondere amerikanische Schreibform, die gewiss ebenso eine Rolle gespielt hat. Eine verbindende Rolle haben da Eugen Gomringer, der Sekretaer max bills in Ulm gewesen ist, und Claus Bremer gespielt haben. Dieser Hintergrund ist wahrscheinlich nur ganz wenigen oesterreichischen Autoren & Autorinnen, meist beschraenkt auf die Naehe zur Wiener Gruppe, aufgegangen. Aktuell wird die Kleinschreibung wiederum als laestige Manier empfunden, die der Verbreitung wenig dienlich ist.
Die entscheidende Rolle neben Gomringer, Bremer, Kagel u.a. spielte in den Innsbrucker Begegnungen nicht HC Artmann, sondern Gerhard Ruehm. Er hatte die besten Kontakte zur deutschen Avantgarde.
Lawrence Weiner / NACH BILDENDE KUNST / AFTER FINE ART / Works presented in the German Language / Arbeiten vorgestellt im deutschsprachigen Raum /€ 35,00 | CHF 47,90 / Hrsg. Gabriele Wix, Von Gabriele Wix, Gestaltung von Lawrence Weiner, Anja Lutz / Deutsch/Englisch / 2012. 200 Seiten, 90 Abb./ ISBN 978-3-7757-2979-6 /
Werkverzeichnis der im deutschen Sprachraum gezeigten Arbeiten des Künstlers / Mit teilweise bisher unveröffentlichtem Fotomaterial /
Der amerikanische Künstler Lawrence Weiner (*1942 in der Bronx, New York) hat mit seinen konzeptuellen Spracharbeiten den Skulpturbegriff erweitert. Weiners radikal verkürzte Sätze verzichten auf Metaphorik, zitieren alltagssprachliche, literarische oder mediale Quellen. Die Arbeiten sollen für alle les- und nutzbar sein, sind Gesprächsangebot und Denkanstoß, geben den Assoziationen des Rezipienten Freiraum.
Sein mehr als tausend Spracharbeiten umfassendes Euvre wurde zu einem großen Teil im deutschsprachigen Raum präsentiert, zahlreiche Arbeiten sind von Weiner selbst übersetzt oder von der deutschen Sprache aus konzipiert worden. Die Publikation bietet mit rund 350 Positionen erstmals ein Verzeichnis der englisch-deutschsprachigen Arbeiten. Typografische Umsetzung und Covergestaltung lagen im Sinn einer Werkausführung in den Händen des Künstlers. Begleittext und Bilddokumentation geben Einblick in Entstehungsprozesse, Installationen in situ und Weiners Umgang mit Sprache.
Normativer Funkzeit Kreis und Zeitreihe, getaktet von der Atomzeit Sendefrequenz
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